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Kapitel 10

Der Blutstein

1.

Die Nacht war bereits fortgeschritten als sich ein Sturm am Himmel zusammenbraute. Schwarze Wolken verdunkelten das helle Sternenlicht und der drohende Sturm fegte über das Land. Inmitten eines abgelegen Gebirgszuges, weit entfernt aller menschlichen Behausungen erhob sich ein gewaltiges altes Schloss. Das schwarze Gestein des Bauwerks schien mit dem Berg zu verschmelzen auf dem es thronte und war so auf die Entfernung kaum zu erkennen. Genau so wie es die Baumeister zu jener längst vergangenen Zeit geplant hatten, als sie diesen imposanten Unterschlupf für die Untoten errichtet hatten.

Es begab sich zu jener Zeit als die C'ael Rohen in der Blüte ihrer Macht standen und das Volk der Vampire erbarmungslos ausmerzten, dass die Blutsauger beschlossen ihr Dasein inmitten der menschlichen Zivilisation aufzugeben und im Interesse ihres Fortbestehens in den Untergrund zu gehen. Eine schmerzliche Entscheidung für das stolze Volk, doch so überdauerten sie die C'ael Rohen und schon bald gab es keinen Grund mehr sich zu verstecken. Der Vampirjägerclan war dem Ende geweiht und die Vampire kehrten zurück in das brodelnde Leben eines neuen Zeitalters. Ihres Zeitalters!

Einrichtungen wie dieses alte Schloss wurden überflüssig, die Vampire genossen es nun wieder in ihrem alten Ruhm und Ihrer Dekadenz zu schwelgen und frei unter ihren sterblichen Opfern zu wandeln. Doch gab es auch unter den Vampiren Gruppierungen die jene verborgenen Stätten noch immer benutzten wenn es sich als nützlich erwies. Denn die meisten Vampire verdrängten diese düstere Epoche ihrer Geschichte aus ihrem Gedächtnis und heute kannte kaum einer der Untoten noch die Stätten von einst. Perfekt für all jene die unerkannt bleiben wollen.

In jener Nacht hatte sich eine gewaltige Ansammlung von Vampiren in dem alten Schloss eingefunden. Sie galten als Verräter, Abtrünnige und Ketzer. Doch ihre Anzahl war Legion und schon bald würden sie zahlenmäßig der verhassten Gilde überlegen sein. Dann würden sie sich nicht länger verbergen müssen, die Zeit des Untergrundes näherte sich dem Ende. So wie der drohende Sturm das Land in Atem hielt, so würden sie die alte Ordnung der Vampire hinwegfegen und selbst über das Land regieren. So verkündete es ihr selbsternannter Anführer Asteroth jede Nacht und begeisterte durch seine Reden immer mehr Vampire. Gerüchte verbreiteten sich. Gerüchte um erneute Niederlagen der Gilde. Tarim o Kiel, deren Oberhaupt und erklärter Erzfeind der Rebellion unter Asteroth musste eine Niederlage nach der anderen einstecken. Der Sieg rückte näher und in dieser Nacht sollte sich alles ändern. Diese Nacht würde die Dinge verändern, eine neue Zeit würde für die Rebellen anbrechen. So lauteten die Worte die all jene zum Schloss lockten die an die neue Ordnung glaubten. Doch keiner der Anwesenden sollte ahnen was diese Nacht alles bereithielt.

Die aus allen Teilen der Welt angereisten Vampire hatten sich im Hof des alten Schlosses versammelt. Es mussten Hunderte sein, selten einmal sah man solch eine Menge an Nachtwandlern auf einem Haufen. Sie waren Einzelgänger, nur selten bildeten sich kleine Gruppen. Doch eine Armee wie diese gab es zuletzt bei der Zerschlagung der C'ael Rohen. Die Zeichen für eine Rebellion, es gab einen Krieg zu führen. Zum ersten Mal seit zwei Äonen zogen die Blutsauger gegen sich selbst zu Felde.

Unter den Vampire befanden sich auch Sterbliche, willenlose Sklaven der Blutsauger oder verlorene Seelen die, vom Leben enttäuscht, sich den Untoten in ihrem Krieg anschlossen um eines Tage selbst zu einem der ihren zu werden. Alles in allem standen über zweitausend Rebellen im Hof des Schlosses. Keiner sagte ein Wort, jeder starrte stumm nach Norden. Dort thronte ein Gebäude, dass eine groteske Mischung aus einer unheiligen Kirche und einem königliche Thronsaal gleichkam. Der blutrote Marmor aus dem das Bauwerk gefertigt wurde vermittelte den Eindruck die Mauern der Kirche würden bluten. Die Fassaden waren mit dämonischen Fratzen, grässlichen Gargoyles und unheiligen Schriftzeichen, Runen und Malereien bedeckt. Dort pflegte Asteroth seine Zeit zu verbringen wenn er ungestört sein wollte. Gleich wohl er natürlich über duzende solcher Schlösser und anderer Schlupfwinkel verfügte, so war dieses Schloss doch sein Lieblingsplatz. Man munkelte dass er im Inneren dieser Mauern magische Gegenstände aufbewahrte, doch keiner würde es jemals wagen diese verbotenen Kammern zu betreten. Asteroth zu erzürnen würde das sichere Verderben bedeuten.

Keiner der Anwesenden kannte den genauen Grund, warum er all seine Untertanen zu sich rief, doch es musste etwas Großes und Bedeutendes sein, wenn er solch ein Wagnis einging. Auch die Gilde hatte überall seine Spione, und es war mehr als riskant eine solche Versammlung an einem der geheimsten Plätze des Widerstandes abzuhalten. Wenn O Kiel herausfand wo sich Asteroths Schloss befand war es für ihn verloren. Dennoch bestand Asteroth angeblich persönlich darauf dass so viele wie möglich erscheinen sollten, egal wie groß ihr Einfluss oder ihre Macht war. Jeder sollte seine Worte hören. Wurde Asteroth langsam verrückt? Er verbrachte zuviel Zeit in seinen geheimen Kammern, erzählte man sich. Vielleicht raubten ihm diese dämonischen Artefakte seinen Verstand? Oder war er des ewigen Versteckspielens endgültig überdrüssig und er provozierte eine offene Konfrontation? Gerüchte sagten dass die Rebellion die Gilde nicht länger zu fürchten bräuchte. Doch was meinte Asteroth damit? Unter dem Volk der Untoten breite sich Unruhe aus. Alle starrten gebannt auf den mächtigen Balkon der unheiligen Kirche, der sich zehn Meter über den Köpfen der Versammelten in die Nacht erhob.

Dann spürten sie die Veränderung. Der Sturm wurde intensiver. Die langen Kutten und Gewänder der Versammelten begannen im Wind zu flattern. Ein tiefes Donnergrollen erfüllte das Gebirge. Blitze leckten über das Firmament und tauchten die Szenerie in gleißend helles Licht. Die Verdammten tauschten verunsicherte Blicke. Keiner musste was nun geschehen würde. Nachdem die Intensität des Sturmes noch weiter zugenommen hatte bildeten sich blaue und rote Nebelschleier auf dem Balkon des Insanctums. Drei Gestalten formten sich aus den Dunstschleiern. Nach wenigen Augenblicken konnten die Anwesenden die zwei Gestalten erkennen. Es waren Barlow und Straker, die beiden unheimlichen Geschwister. Man konnte die beiden nicht auseinander halten, so ähnlich sahen sie sich. Die Zwillingsvampire, beide in blank polierten schwarzen Rüstungen und mit mächtigen Zweihandschwertern bewaffnet, bezogen links und rechts des Balkons Posten, wo sie wie versteinert innehielten.

Unterdessen tobten der Sturm und das Gewitter noch immer und erneut manifestierte sich etwas auf dem Balkon. Eine schwarze Wolke reiner Energie ballte sich im Zentrum des Balkons zusammen. Violette Blitze zuckten in dieser Wolke und langsam begannen sich darin zwei Schemen zu bilden. Gebannt starrten die Versammelten auf die beiden Gestalten die aus der schwarzen Wolke traten, die sich im selben Moment verflüchtigte. Nun ließ auch der Sturm etwas nach und das Donnergrollen verstummte. Das Schauspiel war vorbei, Asteroth hatte seinen Auftritt gehabt. Er thronte nun in der Mitte des Balkons, herrisch und atemberaubend. Seinen Körper zierten edle schwarze Gewänder, ein blutroter Umhang wehte im Wind. Sein Mund verzog sich zu einem dämonischen Grinsen und seine unmenschlichen Augen schienen die Versammelten förmlich zu verschlingen.

Erst jetzt bemerkten die Verdammten die zweite Gestalt, eine kleine zierliche Person, die jedoch von Kopf bis Fuß in einer langen Kutte gehüllt war, ihr Gesicht von einer schweren Kapuze verborgen. Wer war dass?

Unter den Versammelten wurde getuschelt, fragende Blicke wurden einander zugeworfen und wilde Spekulationen machten die Runde. Jeder wollte wissen wer die unbekannte Person war, und warum sie sich nicht zu erkennen gab.

Asteroth brachte die Versammelten unter sich mit einer herrischen Geste zum schweigen. Es bedurfte keiner Worte dazu, wenn Asteroth etwas wollte, dann wurde es erfüllt ohne das er es vorher befehlen hätte müssen. Über diesen Machtstatus war er mittlerweile hinaus. Die Anwesenden konnten seine Wünsche förmlich fühlen, natürlich nur wenn er dies wollte. So verstummten schlagartig sämtliche Gespräche und alle Blicke richteten sich starr auf den Balkon und auf jene die dort standen. Zufrieden verzog sich Asteroths Züge zu einem Lächeln als er auf die Ansammlung seiner Dienerschaft hinab blickte, die sich in seinem Schlosshof versammelt hatte, um zu hören was er ihnen zu verkünden hatte. Seine verhüllte Begleitung trat etwas in den Schatten zurück, so dass nun Asteroth alleine im Zentrum des Balkons thronte und somit die ungeteilte Aufmerksamkeit aller genoss. Barlow und Straker standen weiter wie erstarrt links und rechts des Balkons Spalier.

Asteroth ergriff das Wort: "Es erfüllt mich mit Stolz euch so zahlreich erschienen zu sehen. Ihr seid die Generation der Unsterblichen. Zusammen werden wir die neue Ordnung der Welt sein. Viele Jahre sind ins Land gezogen seid wir uns von der Gilde losgesagt haben, als wir erkannten dass der alte Weg der Weg unseres Untergangs sein würde. Viele Jahre des Versteckens, der Intrigen und des Wartens. Ich weiß wie sehr ihr gehasst habt im Verborgenen zu bleiben während der verhasste Feind sich im Glanz der Öffentlichkeit gesuhlt hat. Ich habe es genauso verabscheut, doch leider war dieses Vorgehen notwendig. Denn nun sind wir größer und mächtiger als je zuvor. Was als einfacher Gedanke begann entwickelte sich zu dem was der Untergang für Tarim o Kiel und seine verfluchte Gilde sein wird." Voller Inbrunst stieß Asteroth diese Worte hervor und reckte wie zur Bestätigung seine Arme empor. Die Versammelten starrten ihn weiter stumm an, Jubel und Begeisterungsstürme gehörten nicht zum Wesen der Vampire. Doch in den Augen der Anwesenden konnte Asteroth das Feuer sehen, das er entfacht hatte. Sie waren es leid zu warten. Sie wollten kämpfen. Doch konnte er auch die Zweifel sehen. Die meisten glaubten nicht an einen Sieg gegen die Gilde. Wie mächtig ihre Rebellion auch in den Jahren geworden war, gegen die alte Ordnung zu bestehen war außerhalb ihrer Möglichkeiten. Asteroth lächelte. Wenn seine Ansprache vorbei war, würde sich dass ändern. Alles würde sich ändern.

"Ich sehe Zweifel in euch, doch seit gewiss dass sich heute Nacht das Blatt für immer wenden wird. Ich habe einige Überraschungen für euch."

Mit diesen geheimnisvollen Worten zog Asteroth etwas unter seinem Umhang hervor das wie ein in schwarze Tücher eingewickelter Foliant aussah.

"Nicht länger werden wir die Gilde und ihren veralteten Glauben fürchten müssen, den wir haben sie genau dieses Glaubens beraubt. Uns ist gelungen was Tarim o Kiel wohl in seinen kühnsten Phantasien nicht für möglich gehalten hätte. Sein Heiligtum und damit der Grundstein der gesamten Gilde befinden sich hier in meinen Händen. Seht her, das Necronomicon!" Mit diesen Worten riss Asteroth die Tücher von dem massigen Buch und hielt es triumphierend in die Höhe. Die Anwesenden erstarrten mit weit aufgerissen Augen und konnten die Blicke nicht von dem Buch abwenden dass Asteroth in die Höhe hielt. Das Allerheiligste der Gilde, die Grundlage ihres Glaubens, die Vampirbibel. Die meisten der Versammelten kannten es nur von Bildern, nur wenige hatten es tatsächlich mit eigenen Augen gesehen oder gar berührt. Und nur eine handvoll der mächtigsten Vampire hat darin gelesen. Dennoch waren sich alle einig dass es zweifelsfrei das Necronomicon war dass sie vor sich sahen. Von dem Buch ging eine uralte Kraft aus die sich nicht in Worte fassen ließ. Jeder konnte spüren, dass es das Buch sein musste. Asteroth hatte es tatsächlich an sich gerissen. Also war die Gilde verwundbar. Doch den Anwesenden war auch bewusst was dieser Schachzug bedeutete. Asteroth provozierte einen offenen Krieg. O Kiel würde sich diese Demütigung nicht gefallen lassen, ja er konnte es gar nicht. Wollte er seine Stellung wahren musste er diesen Diebstahl vergelten und das Buch zurückerobern.

Asteroth gab den Folianten an Barlow der es stumm verwahrte und wandte sich wieder an seine Diener. "Die Zeit des Versteckens ist vorbei, wir stehen im Krieg. Die Gilde hat keine andere Wahl mehr. Doch werden sie nicht gegen uns ankommen. Wir sind besser für eine Schlacht gerüstet als Tarim o Kiel ahnt. Meine Gedanken reichen viel weiter als sein Kleinkariertes Denken." Mit diesen Worten winkte er Barlow und Straker zu sich die neben ihm Posten bezogen.

"Ihr kennt Barlow und Straker. Einst dienten sie Morisia, einer treuen Verfechterin der Gilde. Die beiden galten als ihre besten Schüler und sind begnadete Kämpfer. Sie werden meine Heerführer in den bevorstehenden Gefechten sein. Wir werden die Gilde zerschlagen und den Thron der Welt für uns beanspruchen. Und nun werde ich euch zeigen womit wir ihre Legionen zerschmettern werden." Asteroth verstummte lächelnd und die Spannung unter den Anwesenden steigerte sich.

"Er ist die ultimative Kampfmaschine, die Krone meiner Schöpfung. Valotica!" Kaum hatte Asteroth diese Worte in die Nacht gebrüllt, da spürten die Versammelten etwas Großes über ihnen. Erschrocken reckten alle die Köpfe gen Himmel und erkannten ein gewaltiges geflügeltes Wesen über ihnen. Die Kreatur ließ sich auf den Zinnen eines Schlossturmes nieder und starrte hinunter in den Schlosshof. Ein gewaltiger halb verwester Drachenleib. Die untoten Augen in dem blanken Knochenschädel des Drachens glühten diabolisch. Der untote Drache faltete seine zerrissenen lederartigen Schwingen auseinander und brüllte theatralisch in die Dunkelheit. Keiner der Anwesenden sagte ein Wort, niemand hatte je solch eine Kreatur gesehen. Asteroth hatte einen leibhaftigen Drachen in einen Vampir verwandelt. Nun verstanden sie was Asteroth mit ultimativer Kampfmaschine meinte. Mit dieser Bestie in ihren Reihen und dem Segen des Necronomicon war ein Sieg gegen die Gilde möglich.

Doch Asteroth schien noch nicht am Ende der Überraschungen zu sein. Sein Blick schweifte zurück zu seinen Untergebenen, während Valotica dass Geschehen stumm von seiner Turmzinne aus beobachtete.

"Eines bleibt, wie ein bitterer Nachgeschmack. Bei all unseren Aktivitäten gegen O Kiel und seine Brut gibt es jemanden der uns ständig in die Quere kommt und sich als Ziel gesetzt hat unsere Rasse zu vernichten, gleichwohl er selbst dazugehört. Ihr wisst von wem ich rede. Er ist für die Vernichtung vieler unserer Brüder verantwortlich. Der letzte Jäger der C'ael Rohen. Drake du Kane!"

Bei der Erwähnung dieses Namens verzogen sich die Gesichter zu einer Maske des Hasses. Viele stuften Kane als weit größere Bedrohung als O Kiel ein. Es schien als könnte nichts und niemand ihn aufhalten. Er hatte den Tod überwunden, trug dämonische Waffen und versammelte neue Anhänger um sich herum. Kein Jäger seit Selfter Kane, dem Gründer der C'ael Rohen, hatte so etwas vollbracht.

"Der Jäger wird nicht länger eine Bedrohung für uns darstellen. Ich selbst habe mich ihm angenommen und ihm weitaus schlimmeres angetan als ihn zu töten. Ich habe ihm das entrissen was für ihn das wichtigste war. Sein Wille ist gebrochen. Ich zeige euch nun den Beweis dass Drake du Kane zu besiegen ist!" Asteroth deutete auf die verhüllte Gestalt die sich hinter ihm im Schatten gehalten hatte. Nun trat sie hervor ins Licht und streifte die Kapuze ab. Ein Raunen ging durch die Menge, fassungslose Gesichter starrten auf die Person neben dem Erzvampir. Das übertraf alles bisher gesehene. Neben Asteroth stand die Jägerin! Sie sah verändert aus, aber es war ganz eindeutig Myra, die Gelibete von Drake du Kane. Sie sah atemberaubend aus. Ihre langen nun pechschwarzen Haare umwehten ihr blasses Gesicht. Rotglühende Augen starrten in den Hof hinunter während sie finster lächelte und dabei ihre spitzen Eckzähne offenbarte. Sie war ein Vampir. Asteroth hatte sie verwandelt.

"Die Jägerin existiert nicht mehr", verkündete Asteroth, "vor euch seht ihr Lukryscha, eure neue Herrin. Wenn die Gilde vernichtet ist und ich das Oberhaupt der Welt bin, dann wird sie meine Königin sein. Sie ist der Beweis dass uns nichts und niemand aufhalten kann, nicht einmal der mächtige Drake du Kane!"

Diesmal konnten sich selbst die Vampire nicht beherrschen und es ging ein Jubel durch die Menge. Die Rebellion würde in den Krieg ziehen. Keiner konnte sie aufhalten. Und während der gesamte Schlosshof die Fäuste gen Himmel streckte und Tarim o Kiel den Krieg erklärte nahm Asteroth Lukryscha in seine Arme und küsste sie leidenschaftlich.

2.

Meine Erinnerungen an die letzten Wochen waren lückenhaft und verschwommen. Trauer und Schmerz beherrschten zu sehr meinen Verstand. Es war nun fast zwei Monate her, dass Asteroth mir das Wichtigste entrissen hatte was ich in diesem verfluchten Dasein hatte. Der einzige Grund warum ich versuchte wieder zu leben und nicht nur wie ein emotionsloser Toter zu jagen um meine Rache zu nehmen. Doch nun da Myra nicht mehr war fiel ich in ein endlos scheinendes Loch der Verzweiflung. Sie war nun selbst einer von Ihnen. Sie war nun ein Monster. Sie war nun mein Feind. Allein der Gedanke dass sie nun dieses Dasein fristen musste quälte mich mehr als das ich es hätte ertragen können.

Die ersten Tage nach der Konfrontation waren die schlimmsten in meiner Existenz. Zum ersten Mal hatte Asteroth beinahe gewonnen. Zum ersten Mal war ich so verzweifelt dass ich meinen Schwur vergaß und kurz davor meinem verdammten Dasein ein Ende zu bereiten. Es war Craven der mich wieder zur Vernunft brachte. Ich war zu dieser Zeit kaum zu einer intelligenten Handlung fähig, entweder ich tobte unkontrolliert und brüllend durch die Wälder oder ich lag stoisch und gleichgültig in einer Ecke und vegetierte vor mich hin. Zu groß war der Schmerz um einfach weiterzumachen.

Doch Craven gab mich nicht auf, immerhin war ich nun der einzige der ihm vertraut war in dieser verrückten Welt die ihm so fremd geworden war in den letzten Jahren. Fürsorglich kümmerte er sich um mich, sorgte dafür dass ich mich nicht sinnlos der Sonne aussetzte und flösste mir Blut ein. Ich beobachtete ihn aus meinem Delirium heraus oft, wie er nächtelang wach blieb um auf mich aufzupassen. Dieser Anblick holte mich schließlich nach fünf Tagen zurück in die Realität. Ich war nun schon ein ganzes Menschenleben Jäger, aber erst in jener Nacht erkannte ich was wahre Freundschaft bedeutete. Sen Lar war wie ein Vater für mich und Myra die Liebe meines Lebens. Aber noch nie hatte ich einen wahren Freund gehabt in all den langen Jahren. Ich wusste das Craven alles für mich tun würde und dass es meine Pflicht war dass gleiche für ihn zu tun. Ich musste aufhören mich meiner Trauer aufzuliefern. Es war Zeit von vorne anzufangen.

Craven hatte jeden Tag versucht mit mir zu reden, doch die ersten vier Tage strafte ich ihn mit Schweigen. Kein einziges Wort drang über meine Lippen. Am fünften Tag schließlich, nach dieser denkwürdigen Nacht der Selbsterkenntnis, in der ich beschloss nicht aufzugeben, sah ich ihm in die Augen als wir am Morgen in einer kleinen Höhle saßen, nicht weit von jenem Ort wo mir Asteroth meinen geliebten Engel geraubt hatte. Es war das erste mal dass ich ihn ansah und nicht einfach ins Leere starrte. Das erste mal das er wieder einen freien Willen in meinen Augen lesen konnte.

"Drake?" Seine Stimme war nur ein Flüstern, doch ich glaubte einen schwachen Hoffnungsschimmer darin zu hören.

"Ich bin zurück." antwortete ich leise und senkte den Blick.

"Drake ich...ich dachte schon ich hätte auch dich verloren." Ich konnte die Erleichterung deutlich in Cravens Stimme hören.

"Das hast du. Ich werde nie mehr so sein wie früher." Meine Stimme klang schwach und resigniert. Ich starrte weiter auf den Boden.

"Ich weiß nicht was ich sagen soll. Drake, es tut mir so leid, ich hätte da sein müssen..."

"Hör mit diesem Unsinn auf!" fuhr ich ihn wütend an, härter als ich es beabsichtigt hatte. "Es war nicht deine Schuld. Ich trage die Verantwortung für euch, es war mein Versagen. Ich konnte sie nicht retten." Ich sah Craven in die Augen. "Ein toller Jäger bin ich. Ich hätte es verhindern müssen."

"Es gab nichts dass du hättest tun können..."

"ICH HÄTTE SIE RETTEN MÜSSEN!" schrie ich ihn an und vergrub den Kopf in meinen Armen. Es gab für mein Versagen keine Entschuldigung. Ich spürte wie Craven meinen Arm nahm und stieß ihn wütend beiseite.

"Drake du musst aufhören dir die Schuld dafür zu geben. Es ist..."

"ICH HABE SIE GELIEBT CRAVEN!"

"VERDAMMT DRAKE, HÖR AUF!" brüllte mich Craven auf einmal an. Ich zuckte unwillkürlich zusammen und starrte ihn an. Craven sah mich völlig ruhig an. "Jetzt hör mir mal zu. Ich habe dich immer respektiert und sogar bewundert. Doch so kann es nicht weitergehen mit dir. Ich habe Myra auch geliebt. Sie war wie eine Schwester für mich und es quält mich jeden Tag wenn ich daran denke was diese Bestie ihr angetan hat. Doch wenn du jetzt aufgibst hat er gewonnen. Willst du das?"

Ich schüttelte den Kopf. "Gegen Asteroth kann man nicht gewinnen." flüsterte ich resigniert.

"Dann ist es also vorbei?" fragte Craven enttäuscht. "Soll es dass gewesen sein? Alles wofür du gekämpft und gelitten hast? Glaubst du dass wäre ihr Wille gewesen?"

"Sie hat keinen Willen mehr, sie ist nun ein Monster und daran bin ich Schuld."

"Hör auf dich selbst zu bemitleiden Drake. Was würde Sen Lar von dir denken wenn er dich so sehen würde?"

"Sen Lar ist tot. Wie alle die mit etwas bedeutet haben."

"Nein, ich lebe noch. Und ich habe gelernt nie aufzugeben. Mein Glaube verbietet es mir. Und deiner auch!"

"Du weißt dass ich an nichts glaube Craven."

"Oh doch dass tust du. Du hast einen Schwur geleistet. Willst du ihn nun brechen und deinen Mentor hintergehen?"

Ohne zu merken was ich tat, sprang ich auf die Beine und stürmte auf Craven zu. Er war zu überrascht um zu reagieren. Im nächsten Moment hatte ich ihn gepackt und mit dem Rücken gegen die Höhlenwand gedrückt. "Wage es nicht so mit mir zu reden." zischte ich ihn an. Craven verzog das Gesicht zu einer Grimasse. "Ja, dass ist der Drake du Kane denn ich kenne. Dass ist das Feuer in ihm. Und nun hör endlich auf zu jammern und tu deine verdammte Pflicht." Einen Moment sahen wir uns stumm in die Augen, doch Craven hielt meinem Blick stand. Langsam begann ich den Griff um ihn zu lockern, noch immer starrten wir uns gegenseitig an. Unglaublich wie stark er geworden war. War er schon immer so stark gewesen? Er hatte seit ich ihn kannte ein mutiges und treues Herz, doch erkante ich nun erst wie stark er wirklich war. Ich ließ von ihm ab und dachte nach. Er hatte Recht, ich konnte mich nicht einfach verkriechen. Ich war es Myra schuldig weiterzumachen. Noch war sie nicht endgültig verloren. Auch ich wurde von Asteroth gebissen und bewahrte mein menschliches Sein. Es war nur ein Gedanke, vermutlich nur eine Illusion, aber ich brauchte etwas an das ich mich klammern konnte. Ich brauchte Hoffnung. Vielleicht konnte ich Myra retten. Vielleicht war es noch nicht zu spät.

Ich sah Craven an. "Du hast Recht, ich war ein Narr. Craven, es tut mir Leid. Du hast soviel für mich getan, ich hatte kein Recht..."

Vergiss es!" unterbrach er mich kopfschüttelnd. "Es gibt nichts zu entschuldigen. Wir sind C'ael Rohen. Wir sind Brüder." Mit diesen Worten streckte er mir seine Hand entgegen. Ich sah ihn bewundernd an. Er hatte die Lehren meines Clans offenbar schneller begriffen als ich selbst, was für ein Narr ich doch war. Zum ersten Mal lächelte ich wieder und ergriff seine Hand. Auch Cravens Züge umspiegelten nun ein Lächeln und ich konnte sehen wie erleichtert er war. Ich war zurück, und dass verdankte ich ihm. Ich tat etwas auf dass auch er nicht gefasst war. Ich schritt auf ihm zu und umarmte ihn.

All diese Erinnerungen kehrten nun zurück als wir stumm nebeneinander einer alten Handelstraße folgten die sich durch den Wald zog. Es war ein stiller Tag, kaum ein Vogel war zu hören und die Sonne war von grauen Schleierwolken verdeckt. Der Wald wirkte leblos und trist, unsere monotonen Schritte waren die einzigen Geräusche. Wir waren nun schon den ganzen Tag dem Handelsweg gefolgt und es war Zeit für eine Rast. Craven und ich suchten uns einen abgelegen Platz im Wald.

Ächzend ließ sich der Hüne gegen einen Baumstamm fallen und legte Rutax sorgsam neben sich. Ich folgte seinem Beispiel und nahm ihm gegenüber Platz. Nachdenklich schnallte ich meine Rückengehänge ab und betrachtete meine Klingen. Es glich einem Wunder dass ich sie immer noch bei mir trug. Asteroth wollte diese Schwerter um jeden Preis besitzen und er hatte die Gelegenheit dazu als ich wehrlos unter Valoticas Pranken lag. Warum hat er sie nicht an sich genommen? Craven berichtete mir, dass er sie im Wald fand als er mich aus der Sonne schaffte. Er erzählte jedoch auch, dass er sich eingebildet hatte, dass er sie erst beim zweiten hinsehen im Gras lagen sah. Vermutlich hatte er sie in seinem Schockzustand einfach übersehen, aber ich begann daran zu zweifeln. Grübelnd strich ich mit meinen Fingern über den matten schwarzen Stahl. So lange Zeit waren sie nun meine Begleiter und ich wusste immer noch so wenig über sie.

"Was ist los Drake, stimmt etwas nicht?" fragte mich Craven und sah mich besorgt an. Ab und zu überkamen mich noch immer Rasereianfälle oder ich verlor mich so stark in meiner Trauer dass ich die Welt um mich vergaß. Die Anfälle wurden zwar von Woche zu Woche seltener, aber an manchen Tagen konnte ich mich ihrer nicht erwehren. Doch heute beschäftigte mich etwas anderes. "Keine Sorge, mir geht es gut." Eine glatte Lüge, mir ging es seit der Konfrontation keine Sekunde lang gut, aber Craven wusste was ich damit meinte. "Mir kann nur gerade ein Gedanke."

"Wegen deiner Schwerter? Was ist mit ihnen?" Craven betrachtete die Zwillinge mit einer Mischung aus Neugier und Abscheu, eine natürliche Reaktion auf ihr überirdisch bösartiges Wesen.

"Ich glaube Asteroth hat sie nicht an sich genommen weil sie es nicht wollten."

"Sie es nicht wollten? Du sprichst von ihnen als wären sie lebendig."

"Das sind sie auch. Du weißt was sie sind. In ihnen wurden Dämonen gebannt. Und sie haben ihren eigenen Willen. Hätte Asteroth sie genommen hätte das meinen Tod bedeutet, ohne das er es gewusst hätte."

"Und das wollten deine Schwerter verhindern?"

Ich schüttelte lächelnd den Kopf. "Glaube nicht, sie hätten das aus lauter Barmherzigkeit getan. Sie sind das pure Böse, aber sie sind von mir abhängig, ebenso wie ich von ihnen. Wäre ich gestorben wären sie an ihren ursprünglichen Aufenthaltsort zurückgekehrt, darauf gewartet bis sich ein neuer Träger ihrer als würdig erweist. Doch ich glaube sie haben Gefallen an dem gefunden was ich tue. Sie genießen das töten, und das Blut der Vampire ist besonders mächtig. Das ist ihr Wesen, der Tod. Wer weiß wie lange sie warten müssten bis ein neuer sie führe würde, wie lange sie nicht mehr töten könnten."

"Deshalb wollten sie bei dir bleiben." folgerte Craven nickend. Seine Spur von Furcht mischte sich in seinen Blick als er erneut die beiden Klingen betrachtete.

Ich nickte. "Ich weiß nicht wie sie sich seinen Blicken entzogen haben, aber sie zeigten sich im rechten Augenblick damit du sie sehen konntest."

Craven schwieg. Er dachte an den Moment als er zurück in den Wald ging um sie zu holen. Wie sie dort im Gras lagen, wie zwei giftige Schlangen. Craven besaß den Mut eines echten Kriegers, aber er brachte es nicht fertig sie anzufassen. Lediglich in Tücher gehüllt konnte er sie an sich nehmen.

Craven hatte mir später davon berichtet. Ich war erleichtert dass er sie nicht direkt berührt hatte, wer wusste was sie mit ihm angestellt hätten. Noch heute beobachtete ich ihn ab und zu am Fluss wie er sich wieder und wieder die Hände wusch, als versuche er irgendetwas abzuwaschen, dass ihn beschmutzt hatte.

Ich beschloss nicht weiter darüber nachzudenken, es gab wichtiges zu tun. Vorsichtig holte ich die Pergamentrolle aus einer meiner Tasche und rollte sie auf. Es handelte sich um die Rolle die ich in Selfter Kanes Sarg gefunden hatte. Nachdem ich wieder bei Verstand war begann ich sie zu studieren. Sie war in einer alten Sprache verfasst von der mir Sen Lar oft erzählt hatte. Ich konnte sie übersetzen, doch war es mühsam und zeitaufwendig. Ich verbrachte Tage und Nächte damit sie zu entziffern, zumindest konnte ich so die Gedanken an Myra verdrängen. Nach zwei Wochen hatte ich es geschafft und der Inhalt war so unglaublich dass ich sie zweimal lesen musste bevor ich Craven davon berichtete.

"Sind wir noch auf dem richtigen Weg?" Cravens Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Konzentriert betrachtete ich die Karte die die hälfte des Pergaments einnahm. Ich nickte zufrieden. "Ja, wir kommen gut vornan. In weniger als einer Woche sind wir da."

Ich betrachtete die Karte und die Markierung darauf die unser Ziel war. Seit knapp sechs Wochen marschierten wir nun durch die Wildnis, immer streng der Karte folgend. Weit und breit gab es keine Zivilisation. Wir näherten uns einem abgelegen Gebirgszug. Dort befand sich unser Ziel. Es handelte sich um ein altes verlassenes Schloss das früher einmal einem reichen Fürsten gehört haben soll. Doch sein kleines Reich zerfiel und heute stehen nur noch einige Ruinen und eben jenes antike Schloss. Die C'ael Rohen jedoch hatte weit mehr über dieses Schloss und seine Bewohner herausgefunden und ihr Wissen dort versteckt wo sie es am sichersten glaubten, im Sarg ihres Gründers. Ich betrachtete es als Ironie des Schicksals dass es nun ausgerechnet mir in die Hände gefallen war.

Bei dem Fürsten handelte es sich um einen Vampir, um einen Erzvampir genau genommen. Und die Quellen waren sich einig dass jenes Schloss auch heute noch eines seiner Unterschlüpfe war, vermutlich sogar seine bevorzugte Heimstatt.

Bei dem Erzvampir handelte es sich um Asteroth!

3.

Asteroth betrachtete ohne großes Interesse die Menge die sich noch immer auf dem Schlosshof versammelt hatte. Durch die Turmfenster hatte er einen guten Überblick über das Geschehen während er sich in seinen Gemächern befand. Grinsend zog er die schweren Vorhänge zu und wandte sich von den Fenstern ab. Sie hatten es geschluckt. Solch überwältigenden Erfolgen konnten sich selbst die energischsten Zweifler nicht entziehen. Asteroth hatte sein Ziel erreicht. Er spürte eine sanfte Hand auf seiner Schulter. Lächelnd drehte er sich zu Lukryscha um und betrachtete sie.

"Wir haben es geschafft meine Liebe."

"Ich habe keine Sekunde daran gezweifelt. Du bist der geborene Führer." entgegnete sie ihm und musterte ihn mit ihren dämonischen roten Augen. Zu gern hätte Asteroth gewusst was in ihr vorging, doch aus irgendeinem Grund war es ihm nicht möglich in ihren Gedanken zu lesen, ein Umstand der ihn zornig machte.

"Was denkst du wirklich?" fragte er ungehalten. Lukryscha lächelte verschwörerisch während ihre Hand seine Brust streichelte. "Was spielt dass für eine Rolle? Ich liebe dich, du hast mir die Unsterblichkeit geschenkt. Wenn o Kiel erst besiegt ist werden wir gemeinsam über diese jämmerliche Welt gebieten. Dass ist alles was zählt."

Asteroth legte seine Hände um die ihre und küsste zärtlich ihre Finger während er sie weiter mit lauerndem Blick betrachtete. Lukryscha hatte sich in den letzten Wochen als unglaublich Willensstark erwiesen. Sie war eine perfekte Strategin und Diplomatin. Asteroth wusste dass mehr hinter ihren Worten steckte, als sie ihm preisgab. Vielleicht war Asteroth im Laufe der Jahrhunderte zu paranoid geworden, aber er wollte wissen warum er nicht in ihre Gedanken sehen konnte und was sie zu verbergen hatte.

"Was denkst du über unsere Armee?"

Lukryscha verzog angewidert das Gesicht während sie zu den Fenstern schaute von wo aus Asteroth den Hof beobachtet hatte. "Dreckige Herumtreiber. Lakaien und Kriecher. Nichts Wert aber gut genug um zu kämpfen. Kein großer Verlust."

"Barlow und Straker werden sie trainieren. Bald werden sie hervorragende Soldaten abgeben."

"Ich denke du überschätzt die Fähigkeiten deiner Hauptmänner. Ich bezweifle dass die beiden in der Lage sind jemanden anzuführen." Lukryscha gab sich keine Mühe ihre Abneigung gegen die beiden zu verbergen. Ihre Augen verzogen sich zu wütenden Schlitzen.

"Sie werden ihre Arbeit tun."

"Und dich wieder enttäuschen. Du weißt dass man sich nicht sie verlassen kann." Lukryschas Stimme bebte, nur mühsam konnte sie ihren Zorn im Zaum halten.

"Ich werde dafür sorgen dass sie mich nicht noch einmal enttäuschen werden."

Lukryscha begann zu lachen und schüttelte den Kopf. "Ja natürlich. Und dann dieses Schuppenvieh. Mein Geliebter, diese Kreaturen sind deiner unwürdig. So werden wir den Krieg nicht gewinnen. Ihnen fehlt die geistige Stärke."

"Die du besitzt? Du überschätzt dich Lukryscha."

"Du weißt dass ich ihnen überlegen bin. Lass mich deine Truppen befehligen, ich bin zehnmal besser als deine Führungskräfte!"

Asteroth sah sie überrascht an. Er zweifelte keine Sekunde daran dass sie damit Recht hatte. selbst Sagul, O Kiels Berater und einer der stärksten lebenden Vampire wäre ihrer nicht gewachsen. Aber er konnte ihr nicht trauen, sie stand ihm in Verschlagenheit in nichts nach. Er traute ihren Motiven nicht. Nein, er würde kein Risiko eingehen.

"Du wagst viel meine Liebe. Ich habe bereits andere für weit weniger hinrichten lassen. Wer gibt dir das Recht so mit mir zu reden?" Asteroths Stimme klang bedrohlich, doch Lukryscha grinste ihn nur an. "Ich bin deine Königin Asteroth und ich bin es Leid immer nur im Hintergrund zu stehen. Ich fordere..."

"Du fordert?" Asteroth sah sie überrascht und wütend an. Er begann seine Geduld mit ihr zu verlieren. Sie sah ihn trotzig an, ihre Augen schienen Feuer zu sprühen.

"Jetzt hörst du mir mal zu, meine Liebe. Ich habe dich erschaffen und du hast mir zu gehorchen. Du wirst den Platz schon noch bekommen der dir zusteht. Doch bis dahin hast du meine Entscheidungen zu akzeptieren."

Lukryscha schwieg und sah ihn immer noch wütend an. Asteroth trat auf sie zu. "Du bist an mich gebunden, vergiß dass nicht. Und ich verlange Gehorsam von meinen Kindern."

Lukryscha schluckte ihren Ärger hinunter und sah Asteroth an. Ihr Blick wurde weicher und sie begann sein Gesicht zu streicheln. "Es tut mir Leid." flüsterte sie zärtlich. "Ich wollte dich nicht verärgern." Doch der trotzige Ausdruck in ihren Augen verschwand nicht.

Barlow schloss leise die schwere Eichenholztür hinter sich und trat in das teuere Kaminzimmer des Schlosses ein. Asteroth saß in einem wuchtigen Ohrensessel und starrte nachdenklich in die Flammen die im vor ihm Kamin züngelten.

"Mein Gebieter." sagte Barlow als er den Sessel erreicht hatte.

"Es wird Zeit aufzubrechen." antwortete Asteroth ohne von den Flammen aufzusehen. "Ist der Mob endlich verschwunden?"

"All jene die euren Ruf vernommen hatten und Zeuge euerer Rede wurden haben mittlerweile dass Schloss verlassen. Sie reisen zurück in ihre Heimat und erzählen dort all jenen die nicht gekommen sind vom baldigen Feldzug gegen die Gilde."

Asteroth lächelte während er noch immer ins Feuer starrte. "Gut. Bald wird ein jeder Vampir auf der Welt wissen dass wir uns nicht länger verstecken brauchen. Zeit Tarim o Kiel die Nachricht zu überbringen. Ich möchte es ihm persönlich sagen, bevor er es aus anderer Quelle erfährt. Ich breche sofort auf. Du und dein Bruder werdet ein Auge auf alles werfen."

Barlow nickte, zögerte danach jedoch einen Moment als überlege er das Wort an Asteroth zu richten.

"Was ist?" fragte der Erzvampir, dem dies nicht entgangen war.

"Verzeiht die Frage, aber was ist mit Lukryscha?" In Barlows Stimme schwang mühsam unterdrücktes Missfallen mit. Er erinnerte sich an die Demütigung die sie Straker bereitet hatte als sie noch Jägerin war. Und auch wenn er den Hass von Straker auf sie nicht teilte so konnte er sie dennoch nicht ausstehen. Immerhin war Straker sein Bruder.

"Sie wird hier bleiben. Ich traue ihr nicht. Ich will nicht dass sie Tarim o Kiel zu nahe kommt. Auf sie werdet ihr besonders achten."

Barlow nickte stumm.

"Sie wird hier bleiben bis die ihren Platz akzeptiert hat." fügte Asteroth entschlossen hinzu und winkte Barlow weg. Das Gespräch war beendet.

 

Lukryscha nahm das Ohr von der Tür und verbarg sich schnell im Schatten als Barlow das Zimmer verließ.

Das Holz war dick, aber ihr Gehör war besser als das jedes Sterblichen. Sie hatte jedes Wort verstanden. Wütend starrte sie auf die wieder geschlossene Tür.

'Wir werden sehen wer sich hier wem unterordnet' dachte sie und schritt zornig den Flur hinab.

4.

Das war es also. Mich durchlief ein eisiger Schauer als ich das alte Gemäuer vor mir betrachtete. Über zwei Monate waren Craven und ich der Spur gefolgt und endlich waren wir am Ziel. Die ganzen Jahrzehnte hindurch hatte ich mich immer gefragt wie es wohl aussehen würde und es war genauso wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Craven schien unwohl zumute zu sein, er betrachtete das Schloss das sich etwa einen halben Kilometer vor uns in die Flanke eines Berges schmiegte wachsam. Seine Finger umklammerte krampfhaft seine Axt.

"Etwas Bedrohliches geht von diesem Ort aus. Nichts Heiliges hat jemals diesen Platz bewohnt. Verdammnis lauert dort, ich fühle es in meinem Herzen."

Ich nickte stumm. Ja, es war der Hort des Bösen. Dennoch spürte ich eine beunruhigende Vertrautheit in diesen alten Mauern. Als würde ich diesen Ort kennen. Es war fast so als wäre ich noch einer endlosen langen Reise nach Hause gekommen. Beim Anblick von Asteroths Schloss wurde mir meine Abstammung mit erschreckender Intensität wieder bewusst. Es war mein Zuhause. Meine Gefühle ließen keine Zweifel zu, es musste tatsächlich Asteroths Versteck sein. Ich musste verrückt sein, aber ich musste einfach dort hinein. Ich wusste nicht was mich erwarten würde, aber ich hatte die Kontrolle verloren. Ich wusste weder wie gut dass Schloss bewacht war noch welche magischen Fallen dort lauern würden. Und eine erneute Konfrontation mit Asteroth würde ich höchstwahrscheinlich nicht überleben. Doch ich hatte geschworen alles zu versuchen um ihn aufzuhalten.

"Drake, das ist Selbstmord." flüsterte Craven verzweifelt.

Ich nickte. "Ich weiß. Aber ich habe keine Wahl. Ich muss dort einfach hinein."

"Dein Schwur in allen Ehren, aber dass ist Wahnsinn."

Ich sah Craven an, mein Blick war ruhig und ernst. "Es geht nicht um Sen Lar." Ich sah ihm tief in die Augen. Langsam klärten sich meine Gedanken. Asteroth war nicht da. Ich hätte seine Präsenz schon von weitem spüren müssen, doch ich fühlte überhaupt nichts. Ich war mir sicher dass er nicht in seinem Schloss war.

Craven sah mich verständnislos an.

"Craven, sie ist dort drin."

Der Hüne zog zischend die Luft ein und sah mich erschreckt an. "Drake, nein. Vergiss es. Myra ist tot, du kannst nichts für sie tun."

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, noch besteht Hoffnung. Mich hat er auch verwandelt und ich habe zurück zum Pfad der Menschlichkeit gefunden. Ich kann sie retten." Ich glaubte meinen Worten selbst nicht, ich wusste dass ich mir selbst etwas vormachte. Aber ich musste mich an irgendetwas klammern wenn ich nicht endgültig den Verstand verlieren wollte. Ich musste sie einfach sehen. Zu wissen dass sie dort in diesem Schloss war, so nah und für mich doch unerreichbar zerriss mich.

Craven packte mich am Arm und sah mich lange an. "Drake, du kannst sie nicht retten und das weißt du auch."

Ich streifte seinen Arm ab. "Aber ich muss es zumindest versuchen. Dass bin ich ihr schuldig." Ich sah in Cravens Gesicht dass er aufgab. Er wusste dass es sinnlos wäre mich umstimmen zu wollen. Ich hatte meine Entscheidung getroffen.

"Du musst mich nicht begleiten. Ich denke es ist besser wenn du hier bleibst."

Craven schüttelte empört den Kopf. "Ich werde mich hier bestimmt nicht wie ein Feigling verstecken."

"Craven hör mir zu. Hier geht es nicht um Ehre oder Stolz oder irgendeinen Kriegerkodex. Ich werde vielleicht nicht zurückkehren und dann bist du der einzige der das Wissen der C'ael Rohen weitergeben kann. Wir dürfen nicht riskieren dass das Wissen mit uns stirbt."

"Ich werde dich dort nicht alleine reingehen lassen." Craven sagte diese Worte in ruhigen Tonfall, doch ich kannte ihn gut genug um zu merken das ich ihn von seiner Entscheidung ebenso wenig abbringen konnte, wie er mich von meinem Entschluss.

"Na schön, dann lass uns keine Zeit verlieren."

Lukryscha stand am Fenster des oberen Wachturms und starrte hinaus in die dunkle sternenlose Nacht. Eine Sehnsucht überkam sie, die sie gleichermaßen überraschte wie schockierte. Das war ihr nun schon öfters passiert, aber sie hatte Asteroth natürlich nichts davon erzählt. Sie hatte nichts übrig für die närrischen Gefühle der Sterblichen, sie war ihnen nun weit überlegen. Aber tief in ihrem Inneren war noch etwas. So sehr sie auch versuchte es zu unterdrücken, manchmal erfasste es sie und tief in ihrem Unterbewusstsein spürte sie diese Sehnsucht. Ihre Finger glitten gedankenverloren über das kalte Glas und sie stellte sich vor wie es wäre unter den wärmenden Strahlen der Sonne zu wandeln.

Erschrocken zuckte sie zusammen. Was war nur in sie gefahren? Sie hasste die Sonne, sie war ihr Todfeind! Sie schüttelte ärgerlich den Kopf und verfluchte sich selbst. Wie konnte sie nur solch Schwäche zeigen? Sie brauchte die verfluchte Sonne nicht, sie hatte nun die Kräfte eines Gottes, was bedeuteten da schon ein paar Sonnenaufgänge? Sie stand über solchen Gefühlsduseleien.

Lukryscha wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen als sie zwei Schemen bemerkte die just in diesem Moment über die Mauer kletterten. Eindringlinge? Hier draußen? Völlig unmöglich, keiner wusste von diesem Schloss. Konnten dass Späher der Gilde sein? Nein, sie verhielten sich anderes. Der eine musste ein Mensch sein, doch die vordere Gestalt bewegte sich mit einer Art wie kein Mensch es vermochte, wie...

Lukryscha erstarrte. Sie kannte diese Bewegungen. Nur einer bewegte sich so. Bilderfetzen schossen ihr durch den Kopf, Bilder von Freude. Bilder von Schmerz. Bilder von L...

"Das kann nicht sein." stöhnte sie ungläubig und ballte die Hände zu Fäusten. Drake du Kane hatte Asteroths Schloss gefunden, es gab keinen Zweifel an dieser Erkenntnis. Eine Welle von Empfindungen brach über ihr herein die sie nicht verstehen konnte. Energisch verdrängte sie sie aus ihrem Kopf. Nachdenklich fuhr sie sich über ihre linke Wange und erinnerte sich an ihr letztes Gespräch mit Asteroth vor einer Stunde.

Sie hatte ihn abgefangen als er gerade aufbrechen wollte. Er wollte ihr nicht sagen wohin er wollte, es kam zum Streit. Lukryscha wollte in die Pläne Asteroths eingeweiht werden, doch er gab ihr eindeutig zu verstehen dass sie keinerlei Recht hatte irgendetwas von ihm zu verlangen. 'Ich bin für dich nichts weiter als eine Trophäe' hatte sie ihn angeschrieen. 'Ich bin dir völlig egal, du hast mich nur verwandelt um Kane zu quälen und allen zu beweisen wie mächtig du bist. Ich bin nichts anderes als ein Symbol für deine Allmacht. Aber wenn du glaubst du kannst mich einfach in eine Ecke stellen wo mich jeder anstarren kann, dann irrst du dich gewaltig. Wenn ich deine Königin sein soll dann hast du mich dementsprechend zu behandeln' Lukryscha konnte deutlich sehen wie Asteroth drauf und dran war die Geduld zu verlieren, doch sie stachelte ihn weiter an 'Du brauchst mich. Ohne mich ist deine ganze Rebellion nichts Wert, und dass weißt du!' Doch damit war sie zu weit gegangen. Asteroth verlor die Geduld, seine sonst so ruhige und selbstbewusste Fassade fiel und lies dem Tier freien lauf. 'Schweig' brüllte er sie an und ohrfeigte sie so heftig das sie quer durch den Raum flog. 'Du wirst es nie wieder wagen so mit mir zu sprechen. Du tust was ich dir sage, hast du das verstanden? ' Lukryscha sah ihn giftig an, während Blut ihre Wange hinab lief, doch sie gab ihm keine Antwort. Ohne ein weiteres Wort war er wütend aus dem Raum gestürmt. Kurz darauf flog er auf dem Rücken von Valotica davon.

Ihre Wange pochte noch immer, auch wenn die Wunde natürlich schon lange verheilt war. Sie vermutete dass Asteroth unterwegs zu O Kiel war und sich eher seinen elenden Stiefelleckern anvertraute als ihr. Das kränkte sie am meisten. Sie würde herrschen und sich nicht beherrschen lassen. Von niemanden. Und als sie nun Drake du Kane und seinen Schüler Craven sah wie sie über den Schlosshof schlichen kam ihr eine Idee. Ein Plan nahm Gestalt an und sie lächelte ihr diabolisches Lächeln.

5.

Ich hatte mich immer gefragt wie Asteroth wohl leben würde. Oft hatte ich versucht mir seinen Unterschlupf bildlich vorzustellen. Ich kannte ihn besser als er ahnte und so überraschte es mich nicht dass das Schloss ziemlich genau meinen Vorstellungen entsprach. Es war zwar sehr groß jedoch in keinerlei Hinsicht protzig oder dekadent wie es wohl bei Tarim o Kiel der Fall sein würde. Asteroth schien sich auf Zweckmäßigkeit und vor allem auf mystisches und geheimnisvolles Ambiente zu beschränken. Und er wollte jeden der den Ort nicht in und auswendig kannte verwirren. Das ganze Gebilde Bestand im Grunde aus endlos langen Korridoren, verwinkelten und verzweigten Wegen die sich wie ein Labyrinth durch das ganze Schloss zogen. Ich gab es auf mich irgendwie orientieren zu wollen, es war sinnlos hier nach irgendwelchen markanten Stellen Ausschau zu halten. Zwar war das Schloss mit Gemälden, Gobelins, Skulpturen und durchaus edlem Mobiliar verziert, doch hielt Asteroth die ganze Einrichtung in einem monotonen tristen Stil. Ich hatte den Eindruck dass alles gleich aussah. Zum zehnten Mal lief ich an einem Gemälde vorbei das eine düstere Moorlandschaft unter dem Vollmond zeigte oder passierte die Statue eines Gargoyles der mich finster angrinste. Ich kam mir vor wie in einem gigantischen Labyrinth in Form eines Museums das sich auf düstere Kunst beschränkte. So gut ich Asteroth auch kannte, es überraschte mich, dass er sein Heim sosehr dem Klischee des Vampirschlosses entsprach wie man es aus Märchen und Gutenachtgeschichten kannte. Cravens zweifelnde Mine offenbarte mir dass er wohl ähnlich dachte. Ich vermutete dass dies alles Tarnung war, Asteroth offenbarte dass was man von ihm erwarten würde. Doch ich kannte ihn besser. Der labyrinthartige und zweckmäßige Aufbau entsprachen genau seinem Wesen, nicht jedoch dieses düstere Flair, das war nichts weiter als Blendwerk.

Die wenigen Räume die wir bisher gefunden hatten waren allesamt ernüchternd unbedeutend. Große Speisesäle, Salons, Küchen, Waffen- und Rüstkammern, ein Wappen- und ein Jagdzimmer... nichts unterschied dieses Schloss von den hundert anderen in denen ich im Laufe meines Unlebens gejagt hatte, abgesehen von den langen verwinkelten Korridoren.

Außerdem schien dieser Ort kaum bewohnt zu sein. Ich fand zwar genügend Hinweise dass dieser Ort noch benutzt wurde und keineswegs verlassen war, aber uns war bisher noch niemand über den Weg gelaufen. Selbst wenn man die Größe des Schlosses bedachte, hätte ich schon längst die Präsenz von einem Vampir spüren müssen.

"Mir gefällt das hier überhaupt nicht." flüsterte Craven hinter mir. "Es ist hier viel zu ruhig. Glaubst du man weiß das wir hier sind?"

Ich schüttelte den Kopf. "Wozu dieses Versteckspiel? Wenn Asteroth tatsächlich wüsste das wir hier sind, wären wir längst tot oder gefangen."

"Aber wo sind sie dann alle? Ich komme mir vor wie in einer Gruft."

"Vermutlich liegst du damit gar nicht so falsch. Aber ich kann dich beruhigen. Asteroth ist nicht hier."

"Wie meinst du dass?" Craven sah mich fragend an.

"Zuerst war es nur eine Vermutung, aber als wir das Schloss betraten war ich mir sicher. Er ist nicht hier. Vertrau mir, ich spüre so etwas. Wir sind vom selben Blut. Jeden Vampir verbindet so etwas wie ein unsichtbares Band mit seinem Schöpfer oder seinen Kindern."

"Aber er war hier?"

Ich nickte. "Ja, da bin ich mir ganz sicher. Dieser Ort trägt seine Handschrift. Es sind nur Kleinigkeiten, doch zusammen sprechen sie eine eindeutige Sprache. Ich kann dir das nicht erklären, du musst mir einfach glauben."

Craven zögerte und sah sich unschlüssig um. "Drake du weißt das ich stets auf deine Intuition und dein Wissen vertraut habe, aber im Moment befindest du dich in einer emotionalen Lage wo du möglicherweise selbst nicht mehr auf deine Gefühle vertrauen kannst."

Ich musste Lächeln. "Ich kann verstehen dass du skeptisch bist aber ich habe dir ja gesagt dass du außen warten sollst."

"Und ich habe gesagt dass ich dich nicht allein lasse. Ich meine ja nur dass du sosehr von dem Gedanken besessen bist hier Antworten zu finden dass du dir vielleicht etwas vormachst. Was wenn sich die C'ael Rohen getäuscht haben? Vielleicht war dies hier ja auch wirklich mal Asteroths Unterschlupf aber er hat ihn längst aufgegeben."

"Vielleicht, " gestand ich ein, "vielleicht aber auch nicht. Und deshalb werde ich kein Risiko eingehen. Noch ist es nicht zu spät um umzukehren Craven."

Der Ritter lachte leise und sah sich hilflos um. "Alleine finde ich hier nie raus. Du hast mich in diese Lage gebracht, jetzt wirst du mich aushalten müssen."

Ich nickte stumm und wir setzten unseren Weg ins Innere von Asteroths Schloss fort.

Lukryscha versteckte sich im Schutz der Dunkelheit und spähte die Empore hinunter auf den Marmorsaal durch den gerade die beiden Eindringlinge schritten. Ein bösartiges Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht während sie die beiden betrachtete. Es war ein leichtes für sie dafür Sorge zu tragen dass die beiden ihren Weg ungehindert fortsetzen konnten. Tatsächlich gab es in Asteroths Schloss nur sehr wenige Diener. Dem Erzvampir waren seine Hallen heilig und er wollte so wenig Augen wie möglich in seinen Räumlichkeiten wissen. Es gab kaum Wachen da ohnehin kaum jemand wusste wo sich dass Schloss befand. Bis letzte Nacht, als Asteroth beschlossen hatte sich nicht länger verstecken zu müssen, kannten nur etwa zwei Duzend Vampire und kein Sterblicher seine Heimstatt. Und nun spielte es nach Asteroths Auffassung ohnehin keine Rolle mehr. Nun stand er über allen anderen und keiner würde es wagen sein Schloss zu betreten. Lukryscha schüttelte amüsiert den Kopf. Wenn er wüsste das gerade sein Erzfeind durch sein Reich schritt. Der Rausch des Triumphes hatte ihn offensichtlich so sehr verblendet dass er diese Möglichkeit nicht einmal in Betracht gezogen hatte, obwohl Lukryscha selbst ihn mehrmals darauf hingewiesen hatte. Und es gab niemanden der mehr von den Denkweisen und dem Verhalten von Drake du Kane wusste als sie. Doch Asteroth hatte sie ignoriert und belächelt. Es erfüllte Lukryscha mit einer tiefen inneren Befriedigung zu sehen wie der Jäger und sein Lakai durch seine Räume schritten, doch eines fehlte noch um ihren Triumph zu perfektionieren.

Lautlos schlich Lukryscha davon. Ihr Ziel waren Asteroths private Gemächer. Sein Allerheiligstes. Außer ihm durfte es niemand betreten, nicht einmal diese beiden Bastarde Barlow und Straker. Lukryscha verzog angewidert das Gesicht. Sie hasste diese beiden Blutsauger. Sie wusste nicht genau was es war, eine tiefe unterbewusste Antipathie gegen die beiden. Möglicherweise ein Ereignis aus ihrem früheren Leben. Im Gegensatz zu all den anderen Vampiren in Asteroths Reich glaubte sie denn beiden früher schon einmal begegnet zu sein, als sie noch schwach und zerbrechlich war. Nun würde sie sich vor den beiden nicht mehr fürchten müssen.

Lukryscha besann sich wieder auf ihr eigentliches Vorhaben. Asteroth war davon überzeugt das niemand in seine privaten Räume eindringen konnte. Lukryscha musste zugeben das die magischen Siegel und Schutzzauber ausgeklügelt und hinterhältig waren, die Fallen sogar für Vampire absolut tödlich. Doch sie wusste mehr als Asteroth ahnte. Wenn er dachte dass sie die letzten Wochen nur brav in ihrem Zimmer gesessen hatte, bis er sie ab und zu seinen Untertanen vorführte, dann erlag er einem gewaltigen Irrtum. Asteroth suhlte sich die letzten Wochen so sehr in seinem Siegestaumel das er nicht einmal bemerkte wie sie Bücher aus seinen Bibliotheken stahl und sich Stück für Stück sein Wissen aneignete. Ein Sterblicher hätte mehrere Jahre benötigt, doch ihr reichten die paar Wochen um seine Vorkehrungen zu umgehen die seine Räume schützten. Er hätte sie lieber nicht unterschätzen sollen, immerhin hatte er sie erschaffen und damit zu einem der mächtigsten Vampire gemacht die diese Welt bevölkerten - vielleicht sogar der Mächtigste nach den Erzvampiren. Lukryscha war davon fest überzeugt. Und deshalb würde sie sich nicht kontrollieren lassen, von niemandem!

Als Lukryscha die vier Wachen vor Asteroths Gemächern (einige der wenigen die er dann doch für sinnvoll hielt) erblickte musste sie grinsen. Sie gehörten zu seinen besten Soldaten, aber das würde ihnen nichts nutzen. Lässig trat sie auf die vier zu. Gerade wollte der erste das Wort an sie richten und sie höflich aber bestimmt bitten wieder zu gehen, da war es schon zu spät. Lukryscha nutzte den Überraschungseffekt und schleuderte ihnen schneller als ihre Sinne es realisiert hatten eine Phiole entgegen. Als das Glas zersprang und sich das Weihwasser über die Wachen ergoss war Lukryscha bereits verschwunden. Genüsslich sah sie den Vampiren bei ihrem Todeskampf zu bis von den Wachen nur noch Staub übrig war. Das Weihwasser hatte sie bei ihrer alten Ausrüstung gefunden die Asteroth vor ihr versteckt hatte. Sie wusste dass es ihr eines Tages noch nützlich sein würde.

Schnell verwischte sie alle Spuren und begann dann damit Asteroths magische Siegel zu knacken. Immer wieder musste sie an Asteroths Gesicht denken wenn er zurückkam. Endlich konnte sie sich für die Demütigung rächen. Lukryscha begann zu lachen.

Straker drehte sich ruckartig herum und lauschte. Er blickte Barlow an, der unweit von ihm auf einem Balkon stand und in die Nacht hinausstarrte.

"Hast du etwas gehört?" fragte dieser ohne sich umzudrehen, weiter in die Nacht blickend.

"Ich bin mir nicht sicher." murmelte Straker und konzentrierte sich. "Irgendetwas stimmt hier nicht."

"Bist du sicher?"

"Nur so ein Gefühl, aber es wird stärker. Wir sollten nachsehen."

Barlow drehte sich um und lächelte. "Worauf warten wir dann noch, Bruder?"

6.

Es erschien mir als wären wir nun schon ewig in diesem verfluchten Schloss umhergeirrt. Zeit schien hier ihre Bedeutung zu verlieren, tatsächlich fiel es mir schwer auch nur zu schätzen wie lange wir nun schon tatsächlich in diesen Mauern waren. Endlose Räume kreuzten unseren Weg, mich überkam das Gefühl dieser Ort nahm überhaupt kein Ende mehr.

Doch dann spürte ich etwas. Wie ein Schauer. Es war ein ähnliches Gefühl wie damals als ich das erste Mal die schwarzen Zwillinge erblickte. Und sie merkten es auch. Mit einemmal überfluteten sie meinen Geist mit ihrer Präsenz und ich konnte sie kaum im Zaum halten. Was immer dort vorne auf uns wartete, die Klingen wollten mit aller Kraft dorthin und ich wusste dass ich sie nicht davon abhalten konnte. Ich beschleunigte meine Schritte.

"Was ist denn los? Hast du etwas gehört?" fragte mich Craven erschrocken.

"Nein, aber dort vorne ist etwas. Etwas Wichtiges."

"Was? Woher weißt du das? Was ist es denn?"

Doch ich antwortete ihm nicht sondern wurde noch schneller. Wir rannten nun beinahe durch die Gänge. Ich ließ alle Vorsicht fallen, wenn sich jemand hier befand würde er uns hören. Doch dies war mir einerlei. Tatsächlich hatten wir auf unserem ganzen Weg insgesamt nur fünf Wachen entdeckt die alle auf eine seltsame Art und Weise benommen wirkten. Es war ein leichtes sie außer Gefecht zu setzen, fast als hätte sie jemand betäubt oder bezaubert. Das war natürlich Unsinn, aber die Unsicherheit blieb. Es war zu einfach.

Doch jene Zweifel verloren schlagartig an Bedeutung. Im Moment wollte ich nur wissen was eine solche Anziehung auf mich und die Dämonen in meinen Klingen ausübte. Und so rannte ich durch die Gänge, Craven dicht hinter mir, bis ich jäh zum Stillstand kam...

Ich stand vor einer wuchtigen reich erzierten Eichenholztür. Vorsichtig strichen meinen zitternden Finger über das Holz. Asteroths Gemächer. Ich war sprachlos. Es gab keinen Zweifel, ich stand vor seinen Privaträumen auch wenn ich nicht sagen konnte woher ich das wusste. Die Tür war nicht verschlossen, mit einem lauten Knarren schwang sie auf und mir bot sich der Blick eines edel eingerichteten Salons.

Craven hinter mir wurde unruhig. "Das ist eine Falle, das muss dir klar sein." Unruhig sah er sich um. "Wenn dort etwas Wichtiges drin ist wird Asteroth wohl kaum die Tür offen und unbewacht zurücklassen. Das ist ein Trick."

Langsam drehte ich mich zu ihm um und sah ihn an. "Ich weiß. Aber es ist zu spät um noch umzukehren. Ich kam hierher um Antworten zu finden. Wenn es sie gibt, dann hinter dieser Tür. Mir bleibt keine Wahl."

Craven schüttelte den Kopf. "Du bist verrückt Drake. Willst du dass er beendet was er beim letzten Mal nicht getan hat?"

"Asteroth will mich nicht töten, dazu hatte er längst Gelegenheit. Nein, er will mich leiden sehen."

Craven wirkte nicht überzeugt. "Es wäre dir wohl lieber gewesen er hätte es zu ende gebracht." sagte er wütend.

"Ja vielleicht, " knurrte ich ihn ebenso wütend an, "aber bis dahin werde ich tun was ich tun muss. Willst du nun mit oder nicht?"

"Du weißt dass ich dich nicht allein gehen lasse."

Ohne ein weiteres Wort trat ich in die Gemächer ein. Der Geruch von altem Pergament, verbrannten Kerzen und alter Erde lag in der Luft. Der Salon war edel aber nichts Besonderes, Asteroth gehörte nicht zu der Sorte Vampir denen Luxus viel bedeutete. Es gehörte eben dazu, mehr aber auch nicht.

Ich vergeudete keine Zeit und begann seine Räumlichkeiten zu durchsuchen. Neben dem Salon gab es ein kleines Arbeitszimmer und einen Balkon. Kein Schlafzimmer, Asteroths Sarg, sofern er überhaupt einen besaß, war nicht hier. Auch die Ausbeute im Arbeitszimmer war enttäuschend gering. Ich hatte seine Gemächer wohl überschätzt.

"Drake, sieh mal da." Craven deutete auf ein schweres Stahlschot das sich hinter einem Bücherregal befand. Ich nickte Craven anerkennend zu. Für einen einfachen Kämpfer nicht übel, aber ich hatte ihn auch lange genug trainiert um auf solche Dinge zu achten.

"Vielleicht bekommen wir sie gemeinsam auf." schlug Craven vor. Ich bezweifelte es stark, aber es kam auf einen Versuch an. Gemeinsam traten wir vor das Stahlschott und begannen dran zu ziehen als es sich wie von selbst öffnete und aufschwang. Wir sahen uns nachdenklich an. Craven schüttelte den Kopf.

Ich ignorierte ihn und durchschritt dass Schott.

Ich fand mich in einem riesigen abgedunkelten Saal wieder. Lediglich einige wenige Kerzen spendeten gerade genug Licht um vage Konturen zu erkennen. Die Wände waren mit Fresken, Reliefs und seltsamen Runen versehen. Ich konnte mich nicht daran entsinnen schon einmal so etwas gesehen zu haben. Gewaltige Bücherregale füllten einen Großteil des Raumes aus. Es waren hunderte, vielleicht tausende. Verglichen hierzu wirkte Sorlags Bibliothek geradezu lächerlich. Hinter mir schritt Craven staunend durch den Raum. Seine Finger strichen ehrfürchtig über die Buchrücken. Kein Staub. Vorsichtig schlossen sich seine Finger um eines der Bücher und er zog es langsam heraus.

Ein Kribbeln im Nacken ließ mich herumfahren. Ich wollte Craven noch einen Warnung zurufen doch er hatte das Buch bereits geöffnet dass im selben Moment in seinen Händen Feuer fing. Eine gewaltige Stichflamme schoss aus dem geöffneten Buch und Craven hatte es nur seinen geschulten Instinkten zu verdanken dass er es gerade noch rechtzeitig wegwarf bevor das Feuer sein Gesicht und seinen Körper entzündet hätte. Von dem Buch war schon nichts weiter als Asche übrig.

"Craven, alles in Ordnung?" fragte ich während ich zu ihm eilte. Craven betrachtete seine Hände und Arme. Seine Kleidung war dort verbrannt, die Haut darunter stark gerötet. Es bildeten sich bereist Brandblasen.

"Das sieht nicht gut aus." sagte ich zu ihm, doch erschüttelte trotzig den Kopf. "Ich komm schon klar. Sieh du dich weiter um, ich kann schon alleine auf mich aufpassen."

Ich sah ihn noch einen Moment unschlüssig an, beschloss aber es dabei bewenden zu lassen. Wenn sich Craven was in den Kopf gesetzt hatte könnte man genauso gut mit einer Wand diskutieren. Eine Eigenschaft die er mit Myra teilte...

Wie ein Stich in mein untotes Herz kehrten meine Gedanken zu ihr zurück. Bewegungsunfähig verharrte ich zwischen den Bücherregalen und schloss gepeinigt die Augen bis der Gefühlsausbruch vorüber war. Ich durfte diese Schwäche nicht zulassen, ich hatte einen Auftrag. Ich erinnerte mich an die Meditationen die mir Sen Lar beigebracht hatte und konzentrierte mich. Als mein Bewusstsein sich von meinem Körper getrennt hatte fühlte ich wie der Schmerz langsam wich. Schließlich öffnete ich die Augen. Eine Hand auf meiner Schulter ließ mich zusammenzucken.

"Alles klar bei dir." fragte mich Craven mit besorgter Mine.

"Ja." antworte ich knapp und drehte mich zu ihm um. Er hatte seine Arme fachmännisch verbunden wie ich es ihm beigebracht hatte. Es würde verheilen, aber es musste höllisch wehtun. Doch Craven kannte keinen Schmerz.

"Suchen wir weiter. Aber halt dich von den Büchern fern." Craven nickte stumm und wir setzen unsere Erkundung fort. Neben den Bücherregalen fanden wir ein sehr großes weiteres Stahlschott. Es war uns jedoch nicht möglich es zu öffnen, so sehr wir es auch versuchten. Doch meine Aufmerksamkeit wurde in diesem Moment ohnehin von etwas anderem in Anspruch genommen. Die Schwarzen Zwillinge brüllten nun regelrecht auf vor Eifer. Dort in der Ecke war etwas. Langsam schritt ich darauf zu.

Dort standen drei Glasvitrinen auf etwa einen Meter hohen Sockeln. Die erste Vitrine war leer, bis auf zwei Halterungen. Es sah aus als wären sie für zwei gleichgroße Schwerter gedacht.

'Wolltest du hier meine Klingen bewundern Asteroth?' dachte ich belustigt. Ich hatte keinen Zweifel daran dass dieser Platz für Fortigan und Korosan gedacht war. Und nun hatte ich sie ihm gebracht. Doch er würde sie nicht bekommen. Das Begehr der beiden Schwerter jedoch schien sich in der zweiten Vitrine zu befinden von der ein pulsierendes tiefrotes Glühen ausging. Der Ursprung des Glühens war ein etwa kirschgroßer Stein, der auf einem Samtkissen gebettet unter dem Glas ruhte. Seine Oberfläche war völlig ebenmäßig und glatt, er schien vollkommen zu sein. Etwas war in diesem Stein, ich konnte eine Stimme hören. Leise und weit entfernt aber präsent. Das gleiche Gefühl wie bei den Schwarzen Zwillingen überkam mich, wenn auch ungleich schwächer.

Ich wusste das Asteroth diese Vitrinen mit seinen stärksten Schutzzaubern belegt haben würde, doch ich wusste ebenso dass ihm das nichts nützen würde. Denn die Magie der Schwerter war selbst der Magie eines Erzvampirs überlegen. So wie einst Sorlag hatte wohl auch Asteroth diese Magie unterschätzt. Und so wie die Klingen einst den Zauberbann von Sorlag gebrochen hatten, so würden sie nun auch dieses Siegel brechen. Intuitiv legte ich die Klingen an das Glas. Ein schwarzes bedrohliches Leuchten entsprang den beiden Schwertern und das Glas zerbarst. Während die Scherben noch zu Boden fielen hatte ich meine Hand bereits nach dem Stein ausgestreckt und ihn an mich genommen. Ich hielt ihn an die Klingen und fühlte sofort ihre tiefe Verbundenheit. Sie wollten sich vereinigen doch konnten sie diese Symbiose noch nicht eingehen. Es fehlte ihnen etwas. Ich erinnerte mich wieder an die Worte des Orakels: Die Klingen, der Stein und die Kraft die verbindet. Finde alle drei!

Ich fragte mich einmal mehr was das Orakel noch alles über mich wusste. Schmerzhaft erinnerte ich mich an ihre Worte über Myra.

Achte darauf dass sie nicht dein Fein wird hatte das Orakel gesagt und ich hatte es nicht verhindert. Dieses verfluchte Ding hatte es gewusst, schon damals. Ich wünschte ich...

"DRAKE!" rief Craven aufgeregt und riss mich zurück in die Wirklichkeit. Er stand vor der dritten Vitrine und sah voller Unglauben auf das Buch das darin verschlossen lag.

"Ist es dass was ich glaube?" flüsterte Craven.

Ich sah in die Vitrine und konnte im ersten Moment nicht glauben was ich dort liegen sah. Meine Augen mussten mir einen Streich spielen. Dort vor mir lag das Necornomicon, jenes heilige Buch welches das komplette Wissen der Vampire enthielt. Es wurde den C'ael Rohen vor langer Zeit von der Gilde geraubt und galt seitdem als verschollen. Aber wie kam es hierher? Hatte es Asteroth tatsächlich gewagt der Gilde ihr Allerheiligstes zu stehlen? Zitternd legte ich meine Finger auf die Vitrine. Ein Energieschlag durchdrang meinen Körper, so stark dass ich in die Knie brach. Dieser Schutz war anders, mächtiger. Vielleicht hatte ich Asteroth unterschätzt. Dieses Buch hatte nichts mit den Zwillingen zu tun. Und die Zwillinge interessierten sich auch nicht dafür, sie hatten was sie wollten. Sie würde mir nicht helfen diesen Bann zu durchbrechen. Ich musste mir etwas anderes einfallen lassen.

"Drake, wir müssen verschwinden. Ich weiß nicht warum aber wir wurden entdeckt. Ich kann es fühlen, jemand kommt. Eine sehr starke Präsenz."

Ich stand auf. Meine Gedanken kreisten nur um dieses Buch. Ich wünschte Sen Lar wäre in diesem Moment bei mir gewesen. Was er wohl zu dieser Entdeckung gesagt hätte? Doch der drängende Unterton in Cravens Stimme zerstreute meine Gedanken.

"Ja. Ich fühle es auch. Es sind zwei, deshalb ist die Präsenz so stark." antwortete ich leise. Oh ja, es waren zwei. Ich wusste wer da auf uns zukam. Ich kannte diese beiden Wesen. Und ich hatte noch eine Rechnung zu begleichen. Ich warf einen letzten sehnsüchtigen Blick auf das Buch, doch ich wusste dass ich es nicht an mich nehmen konnte. Der magische Schutz war zu stark und unsere Zeit zu knapp. Mit gezogenen Waffen rannten wir aus Asteroths Gemächern.

Der Rückweg würde nicht so einfach werden.

 

Lukryscha bemerkte Barlow und Straker als sie durch das Schloss eilten. Sie würden jeden Moment auf die beiden Eindringlinge treffen, die sich gerade aus Asteroths Gemächern zurückzogen.

Lukryscha grinste. Der Kampf zwischen ihnen würde bestimmt äußerst unterhaltsam werden.

7.

Unsere Schritte hallten durch die gewaltigen Gänge von Asteroths Schloss. Ohne uns umzusehen rannten wir durch dieses Labyrinth ohne zu Wissen ob wir dem richtigen Weg folgten oder uns in einer Sackgasse wieder finden würden. Uns blieb nur der Weg nach vorne, wir hatten keine Zeit zu wählen.

Doch im Grunde wusste ich dass es keinen Unterschied machen würde. Wir würden es nicht mehr rechtzeitig schaffen. Die beiden Vampire hatten bereits die Jagd aufgenommen und sie würden uns nicht kampflos gehen lassen. Grimmige Zufriedenheit erfüllte mich bei diesem Gedanken. So sollte es sein, ich hatte nicht vor zu fliehen. Ich würde Rache nehmen oder bei dem Versuch untergehen. Heute war der Tag der Abrechnung.

Ich spürte ihre Anwesenheit bereits bevor ich sie sah. Wir erreichten eine gewaltige Marmorhalle. Überall prangten Gemälde an den Wänden die Asteroth selbst in all seiner Herrlichkeit portraitierten. Ritterrüstungen die Hellebarden, Streitäxte und gewaltige Zweihänder hielten schmückten die Halle. Ein gewaltiger goldener Kornleuchter hing an der Decke und ein Meer aus brennenden Schwarzen Kerzen verlieh dem Raum sein erhabenes Ambiente. Ein seltener Anblick indem sonst so schlicht eingerichteten Gemäuer. Ich bezweifelte das dies ein Zufall war. Der Kampf sollte hier vor den Augen des Schlossherrn stattfinden, auch wenn es nur sein Portrait war. Die Zwillingsvampire warteten bewusst hier auf uns, sie hatten schon damals als ich sie zum ersten Mal sah eine Schwäche für große Auftritte.

Ich realisierte eine Bewegung links neben mir und verharrte. Auch Craven kam zum Stillstand. Ich erblickte eine gewaltige leicht gewundene Treppe die zu einer Empore führte. Roter Teppich war über die Stufen ausgebreitet. Und dort stand Barlow auf der obersten Treppenstufe und sah mich mit vor der Brust verschränkten Armen an. Ich glaubte Überraschung in seinen Zügen zu erkennen.

"Drake du Kane." intonierte er grinsend und breitete seine Arme aus. "Ich hätte nicht damit gerechnet dich hier anzutreffen. Ich hätte dich nicht für so dumm gehalten."

"Barlow, das treue Schoßhündchen von Asteroth." sagte ich verächtlich und sah mich um. "Wo ist dein schleimiger Bruder, ich weiß dass ihr zwei euch niemals trennt."

"Näher als du denkst Jäger." lachte Strakers unverwechselbare Stimme über mir. Dort auf der Empore stand das Spiegelbild von Barlow. Es war in der Tat unmöglich die beiden auseinander zuhalten. "Und wie ich sehe hast du mir wieder ein neues Spielzeug mitgebracht." Gierig fielen seine Blicke auf Craven. "Ich hoffe dass ich mit ihm ebenso viel Spaß haben werde wie einst mit deiner kleinen Freundin."

Bei der Erwähnung von Myra verkrampften sich meine Finger unwillkürlich um die Schwertgriffe von Fortigan und Korosan, meine Augen verzogen sich zu schmalen Schlitzen.

"Ach ja", wandte sich Barlow an mich, "es muss hart für dich sein zu Wissen dass sie nun eine von uns ist. Und wie sehr sie Asteroth bewundert und ihn umgarnt." Barlow grinste mich sadistisch an doch es gelang mir ruhig zu bleiben. Unter all dem Gehabe hörte ich eine Unsicherheit in Barlows Stimme. Er schien sich seiner Worte nicht so sicher zu sein wie er mir glauben machen wollte. Ich wusste nicht was dass zu bedeuten hatte doch ich schöpfte daraus neue Hoffnung. Vielleicht war noch nicht alles verloren.

"Was soll diese Farce? Was wollt ihr von uns?" platzte es aus Craven heraus.

"Dein Begleiter ist ungeduldig Kane. Nicht sehr höflich, findest du nicht?" fragte mich Barlow und kam langsam die Stufen zu mir herabgestiegen.

"Vielleicht sollte er dir zeigen wie höflich er mit seiner Axt umzugehen versteht." antwortete ich unbekümmert.

"Du hast dich nicht verändert Kane. Doch ich Frage mich was dich nur dazu getrieben hat ausgerechnet hierher zu kommen. Du weißt dass du dieses Schloss nicht mehr verlassen wirst. Asteroth hat dich verschont und du wagst es seine heiligen Wände mit deiner Anwesenheit zu schänden. Du musst verrückt sein. Oder hat dich der sinnlose Versuch deine Geliebte zu sehen zu dieser selbstmörderischen Tat getrieben?"

Ich antwortete nicht.

Barlows Augen weiteten sich und ein vergnügter Ausdruck schlich sich auf seine Züge. "So ist dass. Der große Jäger hält es ohne sie nicht mehr aus. Oh wie ich diesen Anblick genieße. Drake du Kane, vor dem allen Vampire zittern, stürzt sich wie ein liebeskranker Thor in sein eigenes Verderben und zieht seinen Schülern mit in den Untergang. Fast schon tust du mir Leid, Wurm." Barlow hatte den Fuß der Treppe erreicht. Seine Züge wurden wieder ernst.

"Nun endlich werde ich mich für die Schmach rächen die du mir in der Dämonenfestung bereitet hast. Ich werde dich Asteroth als Geschenk machen und mir damit den Platz des Ersten Ritters sichern."

Barlow vollzog eine schnelle Handbewegung und von einer der Ritterrüstungen löste sich mit einem Ruck das wuchtige Zweihandschwert, welches die Rüstung umklammert hatte und fand sich in Barlows Händen wieder. Aus den Augenwinkeln sah ich Straker mit einem gewaltigen Satz von der Empore springen. Er wandte sich zu einer anderen Ritterrüstung und entriss ihr mit einem Ruck die Hellebarde die sie hielt. Von der Blutgier getrieben schritt er lauernd auf Craven zu, der in Kampfstellung ging.

Barlow kam auf mich zu. "Nun gehörst du mir." flüsterte der Vampir. Ich hob die Schwerter. Der Kampf hatte begonnen.

Straker stürmte auf Craven zu und schwang die gewaltige Hellebarde als wäre sie aus Luft. Craven hatte Schwierigkeiten den schnellen Angriffen seines Kontrahenten zu parieren. Er schaffte es immer gerade noch Rutex schnell genug in die Höhe zu reißen bevor sich das gewaltige Blatt der Hellebarde in seinen Leib bohrte. Er hatte kaum Zeit selbst in die Offensive zu gehen und wurde von Straker immer weiter nach hinten gedrängt. Schon nach wenigen Schlägen spürte Craven Taubheit in den Armen. Seine Hände schmerzten von der Verbrennung durch das Buch. Er versuchte den Schmerz zu ignorieren. Dieser Gegner war mit keinem zu vergleichen gegen die er bisher gekämpft hatte. Wütend packte er seine Axt fester. Keine Schwäche vor dem Gegner zeigen. Er würde Torschas Antlitz nicht durch eine Niederlage beleidigen. Er hatte bisher noch jeden Kampf gewonnen.

Schnell sprang er beiseite als Straker ausholte. Mit einem metallischen Kreischen bohrte sich die Hellebarde in den Marmorboden. Craven sah seine Chance und ging in den Angriff über. Doch Straker war zu schnell. Er ließ den Griff der Hellebarde los und sprang beiseite, wich den Angriffen von Craven mühelos aus.

"Gib auf sterblicher Wurm. Du kannst mich nicht besiegen." verspottete ihn der Vampir und tänzelte um Craven herum. Craven sah wie Straker einige schnelle Bewegungen vollführte und bemerkte wie sich die Waffen in den Rüstungen um ihn herum zu regen begannen. Lautlos lösten sich drei gewaltige Schwerter aus den eisernen Griffen der Rüstungen und flogen gleich tödlichen Geschossen auf den Hünen zu. In letzter Sekunde warf sich Craven zu Boden, der Zweihänder piff über ihn hinweg und prallte scheppernd gegen die Wand. Aus den Augenwinkeln erkannte er den zweiten und rollte sich aus dem Gefahrenbereich. Ein flammender Schmerz im rechten Bein zuckte durchfuhr ihn, er war zu langsam gewesen, das Schwert hatte ihm eine tiefe Schnittwunde beigefügt. Den Schmerz ignorierend sah er das letzte Schwert genau auf sein Gesicht fliegen. Mit einem wütenden Aufschrei schwang er Rutex und schlug damit den Zweihänder beiseite.

"Gar nicht schlecht für einen Menschen. Du überrascht mich Ritter." sagte Straker der mittlerweile eine der Streitäxte in den Händen hielt und kam auf ihn zu. Craven biss die Zähne zusammen und erhob sich, Rutex in Angriffstellung.

Wieder vollführten die schwarzen Zwillinge ihr tödliches Spiel in meinen Händen. Ihre Bewegungen, die einem mystischen Tanz glichen, waren mir in den Jahrzehnten so in Fleisch und Blut übergegangen das ich kaum noch denken musste. Die Handhabung lief intuitiv ab und angefacht von ihrer Begeisterung über den roten Stein waren sie heute stärker als sonst. Dennoch gelang es mir nicht Barlows Deckung zu durchbrechen, auch wenn er sichtlich überrascht von der Kraft der Klingen war.

"Deine Dämonenschwerter werden dich nicht retten können Kane." knurrte Barlow und deckte mich mit einer schnellen Folge von kraftvollen Angriffen ein. Geschickt wich ich seinen Angriffen aus, des war jedoch kein leichtes Unterfangen. Es fiel mir schwer mich völlig in den Kampf zu verlieren wie ich es sonst tat. Etwas störte meine Konzentration. Ich wusste das Sie irgendwo hier in diesem Schloss war, ich war mir sicher. Ich wusste das ich sie nicht finden würde, doch allein zu Wissen dass sie irgendwo hier war machte mich verrückt. Doch ich durfte mich nicht davon ablenken lassen, sonst hatte Barlow leichtes Spiel. Wieder ging ich in den Angriff und drängte Barlow mit einigen schnellen Attackefolgen, Finten und Ausfällen zurück. Barlow zog sich etwas zurück und schloss kurz die Augen. Ich bemerkte wie sich die drei Ritterrüstungen um uns plötzlich zu bewegen begannen. Barlow hatte sie mit unheiligem Eigenleben versehen und nun griffen sie mich an.

Die erste Rüstung die mich erreichte holte mit einer gewaltigen Axt aus um mir den Schädel zu spalten, doch die Rüstung war langsam und ungeschickt. Ich wich ihr problemlos aus und deckte sie meinerseits mit Hieben ein. In sekundenschnelle schlug ihr Fortigan die beiden Arme ab während Korosan das gleiche mit den Beinen tat. Scheppernd flogen die Gliedmaßen auf die blank polierten Marmorplatten und der Torso fiel zu Boden. Ich einem schwungvollen Rundumschlag löste Fortigan der Rüstung den Kopf ab während sich Korosan bereits der zweiten Rüstung zuwandte und ihren Hieb mit dem Zweihänder parierte. Die Wucht des Schlages überraschte mich und ich fühlte ein taubes Gefühl in meinem Arm. Von rechts kam die dritte Rüstung und versuchte mir ihre Hellebarde in den Bauch zu rammen. Schnell rollte ich mich aus dem Gefahrenbereich und kam sicher hinter dem Rücken der Rüstung auf die Beine. Bevor sich die Rüstung zu mir umwenden konnte hatte sie bereits ihren Kopf verloren, doch das störte die Rüstung offenbar nicht. Kopflos kam sie auf mich zu und holte erneut mit der Hellebarde aus. Ich überkreuzte meine Klingen und klemmte so das Axtblatt dazuwischen ein. Mit aller Kraft zog ich an und entwaffnete die Rüstung indem ich ihr gleich den ganzen Arm aus dem Gelenk riss. Mit wenigen schnellen Hieben schickte ich auch diese Rüstung zu Boden und wandte mich der dritten zu. Gerade noch rechtzeitig, denn diese holte gerade mit ihrem Zweihänder aus um mir den Schädel zu spalten. Elegant sprang ich nach hinten und zog Korosan waagerecht durch den stählernen Leib des Angreifers. Unbekümmert stapfte die Rüstung weiter auf mich zu, doch ihre langsamen Angriffe waren keine Herausforderung. Es kostete mich nur wenige Hiebe mit Fortigan und Korosan um sie zu ihren beiden Vorgängern zu schicken.

Doch kaum waren die drei Rüstungen beseitigt, explodierte neben mir der Fußboden. Marmorsplitter flogen mir um die Ohren und neben mir klaffte ein rauchendes Loch im Boden.

"Nicht schlecht Jäger. Aber ich bin noch nicht mit dir fertig." ertönte Barlows Stimme hinter mir, der den ganzen Kampf nur stumm zugesehen hatte. Ich drehte mich zu ihm um und sah gerade noch wie er den nächsten Zauber nach mir warf. Schnell hechtete ich hinter eine Säule die im nächsten Moment, von der astralen Energiekugel getroffen, zerbarst. Ich schüttelte mir die Trümmer aus den Haaren und suchte Barlow. Er stand immer noch unverändert am Fuße der Treppe und bereitete schon neue Zauber vor.

Craven und Straker belauerten sich gegenseitig. Straker grinste seinen Kontrahenten mit erhobener Streitaxt entgegen, unternahm jedoch keinerlei Angriffsversuche. Craven konnte sich nicht länger im Zaum halten. Mit einem wütenden Schrei stürmte er auf den Vampir zu. Doch er war zu langsam, Straker war bereits verschwunden. Craven sah sich fragend um, als hinter ihm Strakers Stimme ertönte: "Du bist zu langsam Sterblicher."

Gehetzt fuhr Craven herum und erblickte seinen Gegner drei Meter hinter sich. Craven ließ die Rutex sinken. "Bist du so Feige das du auf magische Spielereien zurückgreifen musst? Hast du Angst vor einem fairen Zweikampf?" fragte er den Vampir erzürnt.

Straker begann zu lachen. "Ritter und ihr Ehrenkodex. Wieso sollte ich mich darauf einlassen, ihr sterblichen Menschenwürmer seit es nicht wert. Meine Macht wird dich zerschmettern." Mit diesen Worten fühlte Craven wie er emporgehoben und durch den Raum geschleudert wurde. Hart prallte er gegen eine der Marmorsäulen und ging zu Boden. Ächzend kam er wieder auf die Beine.

Craven registrierte eine Bewegung hinter sich, doch da war es bereits zu spät. Straker war hinter ihm. Er sah gerade noch die Streitaxt und versuchte dieser auszuweichen, doch Straker zwar einfach zu schnell. Zwar streifte das Axtblatt nur Cravens Rücken, doch der sengende Schmerz der ihn durchfuhr nahm ihm schier den Atem. Er spürte warmes Blut unter seiner Rüstung die ihn vor diesem Schlag nicht bewahren konnte. Craven wollte sich seinem Gegner zuwenden, doch Straker hatte schon erneut ausgeholt und schmetterte den Axtstiel gegen Cravens Hinterkopf. Stöhnend ging der Hüne zu Boden, noch mehr Blut lief ihm übers Gesicht. Craven kämpfte gegen die drohende Ohnmacht an, während Straker über ihm thronte und seine sichere Beute betrachtete. "Das Blut eines C'ael Rohen." flüsterte er gierig.

8.

Ich merkte das Craven in Schwierigkeiten war, doch Barlow ließ mir keine Gelegenheit ihm zu Hilfe zu eilen. Er war stärker als damals, als ich ihm das erste Mal begegnete, viel stärker. Asteroths Einfluss war unverkennbar. Erneut versuchte ich mit einer komplizierten Kombination von Angriffen seine Deckung zu durchbrechen, doch er war selbst für mich und die schwarzen Zwillinge zu schnell. Er schaffte es sich so schnell zu bewegen dass meine Augen seinen Bewegungen kaum zu folgen vermochten. Gerade als ich erneut versuchte ihm Fortigan quer über die Brust zu ziehen und gleichzeitig mit Korosan einen Bogen beschrieb um ihm den rechten Arm abzutrennen, verschwand er vor meinen Augen und materialisierte sich gut fünf Meter von mir entfernt. Er hob die Hände gen Himmel und vollführte eine komplizierte Bewegung und plötzlich spürte ich die magische Energie die sich um mich herum zusammenballte. Im letzten Moment sprang ich beiseite als hinter mir ein magischer Blitz in den Marmorboden einschlug. Gleißend helles Licht, ein gewaltiger Donner und im nächsten Moment barst der Boden und Marmorbrocken flogen durch die Luft. Ich rappelte mich wieder auf, doch da kam bereits sein nächster Angriff. Diesmal schaffte ich es nicht ihr auszuweichen. Ich sah nur noch eine Kugel aus gleißender Helligkeit auf mich zurasen und im nächsten Moment fand ich mich auf dem Rücken wieder. Fortigan und Korosan flogen mir us den Händen und landeten klirrend mehrere Meter entfernt.

Barlow kam auf mich zu, da hörte ich Craven hinter mir aufstöhnen. Meine Blicke fanden ihn blutend auf dem Boden kniend, etwa 15 Meter von mir entfernt. Straker stand über ihm und entblößte seine diabolischen Reißzähne. Er würde ihn beißen, sein Blut nehmen und dadurch noch stärker werden. Ich musste meinem Waffenbruder helfen, doch Barlow hatte mich bereits erreicht. Ich spürte wie sein Wille eiserne Ketten aus der Luft schmiedete und mich damit am Boden hielt. Ich konnte mich nicht mehr bewegen.

"Das ist das Ende." verkündete Barlow überzeugt. "Nun sieh Jäger. Sieh zu, wie Straker deinem Schüler das Blut aus dem Leib saugt. Sieh zu wie du auch deinen zweiten Gefährten verlierst."

Dann geschah alles ganz schnell...

Lukryscha betrachtete das Spektakel von ihrem Versteck aus. Die Jäger waren den beiden Zwillingsvampiren hoffnungslos ausgeliefert. Selbst der mächtige Jäger Kane konnte sich nicht gegen die Macht zur Wehr setzen mit der Asteroth die beiden Vampire ausgestattet hatte. Lukryscha verzog das Gesicht. Diese Wendung gefährdete ihren ganzen Plan. Die Demütigung von Asteroth sollte perfekt sein und dazu brauchte sie die beiden. Schnell konzentrierte sie ihre Gedanken. Diese magische Kraft über die sie nun verfügte war noch neu und ungewohnt für sie, aber sie hatte schnell gelernt sie zu kontrollieren und zu nutzen. Und wie mächtig Straker auch sein mochte, hiermit würde er nicht rechnen. Lukryscha grinste. Endlich konnte sie sich für das rächen was er ihr in grauer Vorzeit, vor ihrer neuen Existenz, angetan hatte. Und auch wenn sie sich nicht daran erinnern konnte befriedigte sie dieser Gedanke zutiefst. Mit einem hasserfüllten Lächeln lies sie den Zauber frei.

Craven spürte wie sich der Blutsauger über ihn beugte, ihn grob packte und seinen Hals entblößte. Gleich würde er seine spitzen Zähne spüren, wie sie ihn sein Fleisch eindrangen und ihm seines Lebenssaftes berauben würden. Und er wusste dass es seine letzte Empfindung sein würde. Doch plötzlich zuckte Straker über ihm zusammen. Craven glaubte für einen Moment eine blaue knisternde Aura um den Körper des Vampirs zu erkennen, dann brach Straker plötzlich neben ihm in die Knie, einen Schrei des Schmerzes und der Überraschung ausstoßend. Craven reagierte ohne zu zögern. Er wusste dass dies seine einzige Chance war, die Benommenheit fiel augenblicklich von ihm ab. Er packte Rutex und kam auf die Beine. "Bei Torscha, STIRB KREATIR!" brüllte er und hieb auf den Knienden ein.

Straker starrte ihn völlig überrascht an und versuchte dem Hieb zu entgehen, doch diesmal sollte der Vampir verlieren. Der letzte Ausdruck in den Zügen von Straker war völlige Verwunderung und die grausame Erkenntnis das ein einfacher Mensch in besiegt hatte, dann trennte Rutex seine Kopf vom Rumpf. Strakers Kopf war noch nicht auf dem marmorierten Boden aufgeschlagen da begann sein Körper bereits Feuer zu fangen und brannte lichterloh.

Craven rollte sich mit letzter Kraft von dem Inferno weg, als er hinter sich einen Schrei vernahm, der so unmenschlich war das er ihn nie vergessen sollte.

Ohne richtig zu realisieren was gerade eben geschehen war sah ich die Hülle die einmal Straker war brennend am Boden liegen. In diesem Moment brach Barlow über mir kreischend zusammen. Die unsichtbaren Fesseln die sein Geist um mich geschlungen hatte waren verschwunden. Ich bemerkte wie Barlow sich neben mir in einem Martyrium aus Schmerzen wand, er blutete aus dem ganzen Körper. Offenbar waren die beiden nicht nur geistig sondern auch körperlich miteinander verbunden. Der Tod von Starker musste Barlow grausame Schmerzen zufügen. Sofort war ich auf den Beinen und rannte zu den schwarzen Zwillingen um es zu beenden. Ich ergriff die Schwerter und wollte mich Barlow zuwenden...doch er war verschwunden. Hektisch sah ich mich in der Halle um, doch er war nirgends zu sehen. Wo konnte er nur...

Ich erstarrte mitten in der Bewegung als mein Blick suchend über die Empore des Saales glitt. Dort stand jemand. Ich konnte es genau sehen, auch wenn sich die Person in den Schatten versteckte. Sie schien uns die ganze Zeit belauert zu haben und ich hatte keine Zweifel das sie es gewesen war die Straker abgelenkt hatte. Ich wusste wer dort in den Schatten lauerte, ich hätte sie überall wieder erkannt. Dort oben stand Myra und starrte mich an, ich wusste dass sie es war. Ich konnte ihre Gegenwart nicht fühlen, sondern eine bösartige, teuflische Aura ging von dieser Person aus, aber ich wusste dennoch dass sie es war. Sie musste es sein, es gab keinen Zweifel. Ich stand wie gelähmt in der Halle und vergaß alles um mich herum. Ich war unfähig zu sprechen oder eine andere Handlung auszuführen, ich konnte einfach nur ihre Umrisse zwischen den Säulen anstarren. Sie bewegte sich nicht, aber ich spürte ihre Blicke auf mir ruhen. Ich glaubte ihre Augen zu sehen, zwei rote glühende Punkte in den Schatten.

Dann packte mich etwas an der Schulter, zerrte mich grob herum. Craven starrte mich an, er blutete stark und schien unter Schock zu stehen. "Drake, wir müssen sofort verschwinden."

Ich befreite mich aus seinem Griff und suchte Myra, doch ich fand sie nicht. Der Platz wo sie eben noch stand war nun leer. Hatte ich mir das nur eingebildet? Nein! Nein, sie war dort. Verzweifelt sah ich mich indem gewaltigen Saal um, doch sie war nicht mehr da. Ich musste sie suchen!

"DRAKE!" schrie mich Craven an. "Drake, wir müssen gehen. Barlow ist entkommen, er wird nicht alleine zurückkommen, bald weiß das ganze Schloss von uns."

"Ich kann nicht gehen." antworte ich ihm wie in Trance.

"Was?"

"Sie ist hier. Ich habe sie gesehen. Ich muss sie finden. Ich..."

"Drake, Myra ist tot. Selbst wenn sie hier ist, ist sie eine dämonische Dienerin von Asteroth. Und wir sind es ebenfalls wenn wir nicht sofort von hier verschwinden."

Ich wollte mich ihm entziehen, da durchfuhr mich plötzlich ein Schmerz im Gesicht. Überrascht sah ich den Ritter an. Craven hatte mich geschlagen. Die Überraschung wandelte sich in Wut und ich hob meine Schwerter zum Angriff.

"Willst du mich jetzt töten? Deinen Schüler? Den einzigen den du noch hast? Deinen Freund?"

Meine Hände zitterten als ich ihm in die Augen sah. Ich wusste dass ich ihn nicht angreifen würde. Ich wusste dass er Recht hatte, wir mussten verschwinden. Zu bleiben würde unseren sicheren Tod bedeuten. Aber ich konnte Myra hier nicht zurücklassen, auch wenn sie nur noch einer jener unheiligen Blutsauger war. Eine Sehnsucht, so stark wie ich sie sie zuvor empfand, zerriss mich.

"Drake, bitte. Du musst leben wenn du sie und deinen Meister rächen willst. Denk an deinen Schwur!"

Ich gab den Widerstand auf. Asteroth würde mich nicht bekommen, noch einmal würde ich ihm den Gefallen nicht tun. Ich warf dem Raum einen letzten sehnsüchtigen Blick zu. "Wo auch immer du bist, ich werde dich finden Myra. Das schwöre ich." flüsterte ich. Dann folgte ich Craven der bereits auf dem Weg aus dem Schloss war.

Lukryscha stand wieder am Fenster ihres Zimmers und betrachtete die beiden Gestalten wie sie über die Mauer kletterten und sich vom Schloss entfernten. Ihr Plan hatte funktioniert. Oh wie gerne würde sie Asteroths Gesicht sehen, wenn er sein Heim geschändet vorfand. Straker war vernichtet, Barlow schien dem Wahnsinn verfallen zu sein und sein roter Schatz befand sich nun in den Händen seines verhassten Gegners. Doch Lukryscha würde schon weg sein wenn Asteroth zurückkam. Es war zu gefährlich hierzu bleiben. Asteroth würde wissen das sie mit dem Überfall zu tun hatte. Nein, sie war lange genug in diesen kahlen Mauern eingesperrt. Nun war es an der Zeit den letzten Schritt zu tun und damit Asteroths Demütigung vollkommen zu machen.

Lukryscha lächelte zufrieden und sah in die Nacht hinaus. Welch Genuss es war den verhassten Straker in Flammen aufgehen zu sehen. Ihr Handeln war riskant gewesen. Sie war sich nicht sicher, aber der Jäger schien sie bemerkt zu haben. Seine Augen starrten sie an, und sie...Lukryscha schüttelte den Kopf. Erinnerungsfetzen geisterten durch ihren Kopf. Was war nur los mit ihr? Er war ein Vampirjäger, er brachte ihresgleichen zur Strecke. Sie hasste ihn. Sie würde ihn töten wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Doch das sichere Lächeln auf ihren Lippen verschwand, denn tief in ihrem Inneren war noch etwas anderes. Lukryscha wusste nicht was es war und was es zu bedeuten hatte.

Seine Augen waren die Antwort auf die Frage die sie tief in ihrem Inneren quälte. Sie waren der Schlüssel zu ihrer Vergangenheit. Zornig verdrängte sie diese Gedankengänge und wandte sich vom Fenster ab. Die Nacht war bald vorüber und Asteroth würde bald wiederkehren. Es wurde Zeit für sie zu gehen. Es gab noch viel zu tun.

Die Zeit heilt alle Wunden, doch der Schmerz des Jägers war ebenso zeitlos wie er selbst. Wut und Verzweiflung, Hass und Ohnmacht beherrschten nun sein ganzes Sein. Wurde ihm denn die Fähigkeit zu lieben nur geschenkt um sie ihm nun auf solch grausame Weise wieder zu entreißen?

Der Traum eines neuen Clans zerbrach und nur die tiefe Freundschaft seines Gefährten konnte den Jäger nun davor bewahren sich seiner dunklen Seite hinzugeben, die keine Trauer kannte.

Großes stand den beiden nun bevor. Sie spürten die Veränderungen die kommen würden. Was auch geschehen mochte, es würde endgültig sein.

Drake du Kane musste sich seinen größten Ängsten stellen. Würde er vor ihnen bestehen können oder würde er in den dunklen tiefen seiner eigenen Seelen untergehen und alle Hoffnung mit sich reißen?

Kapitel 11 - Die Offenbarung

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