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"ER" - Blutige Erbschaft
 


© 2003-2004 by Jake



Kapitel 1: Die Einladung

´Ist dieser alte, miese Bastard also doch endlich gestorben!´ Eigentlich kein netter Gedanke aber ein sehr verständlicher, denn Robert Fitzgerald Meola war ein wahrhaftiger Tyrann. Deshalb war Dennis auch nicht sehr betroffen von der Nachricht, das sein Großvater im Alter von Sage und Schreibe 102 Jahren doch noch das Zeitliche gesegnet hat. Er hielt das Blatt Papier auf Gesichtshöhe und las die Betreffzeile. "Testament Ihres Großvaters Robert F. Meola". Dennis blickte nicht gerade freundlich drein, denn Granny Bob, wie sie ihn alle nannten, behauptete immer bettelarm zu sein, und jetzt dieses Testament. Gab es überhaupt was zu erben? Dennis´ Vater, Jerry Meola, war eigentlich nicht das, was man einen reichen Mann nannte, trotzdem wurde er sehr oft von Granny Bob angepumpt. Jerry arbeitete bei einer Baufirma, die sich ´Paradise Home´ nannte als Dachdecker und verdiente gerade mal so viel, dass er seine Familie ernähren konnte. Trotzdem verlieh er tatsächlich das Geld, dass Granny Bob verlangte und sah es meist nicht wieder. Wieso sein Dad es immer wieder tat, wusste niemand so genau, aber Dennis vermutete aus Angst. Ja, das muss es gewesen sein, denn Granny Bob war irgendwie...unheimlich!

´Unheimlich?´, dachte Dennis, ´das klingt noch harmlos.´ Manche sagten sogar, er hätte einen Pakt mit dem Teufel abgeschlossen. "Unsinn", sagte er und merkte nicht, dass er es laut aussprach, erst als er Wendy aus der Küche hörte: "Hast du was gesagt, Schatz?"

"Äh, nein, hab´ nur laut gedacht!"

Trotzdem...er wahr mehr als nur unheimlich.

Dennis erinnerte sich an den Tag im Frühjahr 1973 als sein Vater endlich einmal hart blieb und ihm kein Geld gab. Granny Bob wollte, so wie er es fast jedes Mal verlangte, eine vierstellige Summe, wie viel genau, wusste Dennis nicht mehr. Es war sowieso nicht von Bedeutung. Was zählte war, dass es die Haushaltsplanung der Meolas mächtig beeinflusste.

"Woher zum Teufel soll ich immer das Geld nehmen?", schrie Jerry seinen Vater an, und zuckte bei dem Wort "Teufel" mächtig zusammen. "Und außerdem, wozu brauchst du immer so viel Geld?"

Das war das erste mal, das Jerry ihn danach fragte. Er hatte den Angstschweiß auf der Stirn stehen, daran konnte sich Dennis, der damals sechzehn war, noch gut erinnern. Auch an das finstere Gesicht, mit dem Granny Bob Jerry ansah. Bis heute noch plagten Dennis Alpträume von dieser Fratze, und bekam eine Gänsehaut, wenn er daran nur dachte. Bobs Augen, sie schienen rot zu leuchten, die Zähne die er bleckte, sahen aus wie die Fänge eines Vampirs. Das alles musste er sich selbstverständlich eingebildet haben. Dennis Meola was schließlich jemand, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen stand.

"Sohn, ich sagte dir schon tausendmal, dass ich nicht viel Besitze. Die Rente die ich bekomme reicht vorne und hinten nicht. Da komme ich halt öfters in die roten Zahlen."

"Ja aber...soviel? Was machst du mit deiner Rente?"

Jerry Meola wurde leichenblass. Er grub seine Fingernägel so tief in das Fleisch seiner Handballen, dass es zu bluten anfing und presste seine Lippen fest zu einen kleinen, weißen Strich zusammen.

"Das geht dich überhaupt nichts an, Sohn. Ich finde, du solltest etwas mehr Respekt vor deinem Vater haben."

Granny Bobs Augen funkelten jetzt vor Boshaftigkeit und sah damit finsterer aus als je zuvor.

Seine Mutter, Elizabeth Meola, hatte sich längst mit Dennis´ beiden jüngeren Geschwister in die Küche zurückgezogen. Melissa war erst elf. Sein Bruder Tom glaubte zwar mit seinen dreizehn Jahren alt genug zu sein für so was, aber seine Mutter bestand darauf ihn in die Küche mitzunehmen, wofür Tom ihr im nachhinein ein Leben lang dankbar war. Dennis aber blieb und sah was dann geschah.

"Du bekommst diesmal keinen müden Cent von mir!", sagte Jerry mit zittriger Stimme. Er wollte dominant wirken was ihm aber nicht wirklich gelang. Granny sah Dennis´ Meinung nach überhaupt nicht mehr menschlich aus, was seiner Meinung nach ebenfalls Einbildung gewesen sein musste, trotzdem spürte er, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten und was Granny dann sagte, lies ihn einen kalten Schauer über den Rücken fahren.

"Ich verfluche dich! Dich, deine Frau und auch deine Brut!"

In der Küche fing Melissa an zu weinen.

"Ich werde dieses Haus nie wieder betreten, aber es wird euch noch allen leid tun!"

Dennis hielt es für Zufall, als sich dieser Fluch scheinbar bewahrheitete. Seine Mutter erlitt noch am selben Abend einen Schlaganfall, von dem sie sich nur schwer erholte. Drei Tage später wurde Tom von einem Auto angefahren. Sein rechtes Bein ist seitdem steif und er läuft mit einer Krücke rum. Melissa wurde, wie sich fünf Jahre später herausstellte, unfruchtbar. Dennis selbst bekam ein chronisches Rückenleiden, das von mal zu mal schlimmer wurde, sodass er seine Footballkarriere vergessen konnte. Am schlimmsten aber traf es seinen Vater. Er stürzte eine Woche nach Granny Bobs letzten Auftritt in Dennis´ Elternhaus, als er auf ein Dach kletterte vom Gerüst und brach sich das Genick. Eine Lebensversicherung gab es nicht mehr, dank Granny Bobs Sinn für Geldverschwendung.

Die Ereignisse, die sich in dieser Woche abspielten, Toms Unfall, Jerrys Tod, dies alles trug natürlich nicht besonders gut zur Genesung von Elizabeth Meola bei und wurde zum Pflegefall. Dennis schmiss die Schule und suchte sich einen Job, fand ihn bei IBM in der Postabteilung. Vier Jahre später starb seine Mutter bei einem weiteren Schlaganfall.

Mit dreiundzwanzig heiratete er Wendy Simpson, die er bei IBM kennen lernte, wo er sich bis zum heutigen Tage zum Abteilungsleiter hocharbeitete. Ein Jahr später kam sein Sohn Brian zur Welt. Wendy kündigte Ihren Job bei IBM als sie Schwanger wurde. Dennis verdiente jetzt sehr gut und das reichte aus um seine Familie zu ernähren. Tom, der inzwischen selbst auf eigenen Füssen stand und als Chefverkäufer einer General-Motors-Filiale fungierte, kümmerte sich seit Elizabeth Meolas Tod um Melissa bis sie selbst erwachsen wurde. Zwei Jahre später schenkte Wendy Dennis eine Tochter, die sie Lisa tauften. Tom heiratete Gina Watergate, nachdem er sich in sie verliebte, während er ihr ein Auto verkaufte. Melissa heiratete auch, einen neureichen Spießer namens Martin Jerome Shawn.

Die Jahre 1979 bis 1986 waren die bisher schönsten Jahre seines Lebens. Das waren die Jahre zwischen dem Kennenlernen seiner Wendy und dem ersten Auftauchen seines Großvaters nach dreizehn Jahren.

Es war der 17. August 1986, ein Jahr nach Lisas Geburt, als es an der Tür seines Strandhauses klopfte, in dem die Meolas seit 1983 lebten. Es stand am Strand von Malibu und Dennis hatte es von einem Lottogewinn finanziert. Es war ein Gewinn über 450.000 $ gewesen. Dennis konnte es erst glauben, als er den Check der staatlichen Lotterie in der Hand hielt. Eigentlich wollte Dennis den größten Teil des Geldes anlegen, aber Wendy hatte sich schon immer so ein Haus gewünscht und hier konnte man viel besser leben als im Zentrum L.A.´s, wo die Meolas bis dato lebten. Und Geld für das Collage der Kinder blieb auch noch übrig. Außerdem war diese Immobile ja auch eine Kapitalanlage, die zur Not verkauft werden konnte. Dennis war auf der Couch eingeschlafen. Er hatte sich in der vergangenen Nacht zusammen mit seinem Nachbarn Peter MacLean das Basketballspiel der Lakers gegen die Celtics angeschaut. Dennis hielt zu den Lakers, wobei Pete den Celtics zujubelte. Pete war schließlich irischer Abstammung, wenn man da nicht zu den Celtics halten würde, wäre man, so Petes Meinung, ein Verräter. Das Spiel ging in die Verlängerung und die hielt auch noch ziemlich lange an. Am Ende gewannen die Celtics und obwohl Pete schadenfroh nach Hause ging, lies sich Dennis die Laune nicht verderben. "Wir werden ja sehen, wer am Ende die Nase vorne hat und den Cup in den Händen hält. Wer zu letzt lacht, lacht am Besten.", rief er Pete nach. Wer letzt endlich die Meisterschaft gewann, so sollte Dennis bald feststellen, würde bald seine geringste Sorge werden.

Eigentlich wollten die Beiden noch ein Bier zusammen trinken, denn die beiden blieben Freunde, daran änderten auch Lakers-Niederlagen nichts, aber durch die Verlängerung wurde es zu spät. Und so kam es, das Dennis am nächsten Tag beim Lesen einschlief, das Buch auf dem Schoss liegend. Es war nur ein leichter Schlaf, der durch das Klopfen an der Tür abbrach. Benommen rief er: "Wer ist da?"

Keine Antwort. Stattdessen erneutes Klopfen diesmal stärker, als hätte die Person Dennis nicht gehört.

"Ja, ist ja gut, ich komme schon.", murmelte er und als er die Tür öffnete glaubte er noch zu träumen.

"Hallo Dennis.", sagte die Person und jetzt war er hellwach. Vor ihm stand Granny Bob. Ihm stockte der Atem.

´Er lebt noch? Der muss doch schon weit über neunzig sein, fast hundert.´, dachte Dennis. Er verdrängte den Gedanken als er seine Augen sah... und dieses Grinsen. Er kannte diese Fratze nur allzu gut, es war die selbe, die er zuletzt vor dreizehn Jahren gesehen hat, das Gesicht in seinen Alpträumen. Damals stand er Dad gegenüber, nun ihm selbst. Nur das Granny Bob diesmal grinste, aber das machte die Sache irgendwie noch schlimmer. "Komm doch rein. Wie geht´s Dir? Dich haben wir aber lange nicht mehr gesehen."

´Verdammt Dennis, was machst du da? Warum lässt du ihn in dein Haus?´, tadelte er sich im Gedanken selber, ´und warum lebt der Kerl noch?´

"Du hättest wenigsten zu Dads Beerdigung kommen können." ,meinte Dennis ernst.

"Davon habe ich leider erst erfahren, als er schon drei Wochen tot war, mein Junge."

Beim Klang seiner Stimme brach Dennis der Schweiß aus und das lag bestimmt nicht an der Augustsonne. ´Mein Junge.´, dachte Dennis verächtlich, ´ich bin nicht dein Junge! Mein Gott, warum ist der nicht tot?´

Er wollte Bob gerade einen Platz anbieten, als ihm einfiel, das er eigentlich nicht wollte, dass er sich in einen seiner Sessel setzt, oder noch schlimmer, auf die Couch.

´Setz dich bloß nicht auf die Couch.´ Hier hatte er sich schon zu oft mit Wendy geliebt, wurden Brian und Lisa gezeugt. Der Gedanke, dieses gemeine Fossil könne sich dort hinsetzen, war für Dennis unerträglich. Granny Bob ging auf die Couch zu.

´Gleich macht er es, er setzt sich auf die Couch. Mein Gott warum habe ich ihn reingelassen.´ Dennis brach fast in Panik aus. Kurz vor der Couch blieb Bob stehen und drehte sich von ihr weg und sah Dennis an. Erleichtert fragte Dennis ihn: "Also gut, was zum Teu...was willst Du?"

"Dennis, Dennis, du bist ja schon wie dein Vater. Du erinnerst mich stark an ihn. Die gleichen Augen, die Gesichtszüge und..."

"Was willst du?", fragte Dennis erneut, diesmal in einem etwas strengeren Tonfall, obwohl er genau wusste, was er wollte. Er erinnerte sich an 1973 und war froh, das Wendy und die Kinder nicht zu Hause waren.

"Du bist auch genauso aggressiv. Das stimmt mich traurig."

Diese Worte klangen hässlich. Granny Bob sah keinesfalls traurig aus, eher belustigt, was Dennis eine Heidenangst einjagte. Erneut fragte er sich wieso der Mistkerl noch lebte.

"Dennis, ich brauche Geld."

Da war es. Wenn man bedenkt, das Granny Bob sich dreizehn Jahre lang nicht mehr hat blicken lassen und dann Geld erfragt, müsste es eigentlich lächerlich wirken. Aber das tat es nicht. Alte Wunden wurden aufgerissen. Eine Angst, die fast anderthalb Dekaden zurücklag wurde wieder entfacht.

Granny Bobs Augen funkelten und seine Stimme, die Dennis mit Fingernägeln auf einer Tafel assoziierte erklang: "Habe ich dir eigentlich gesagt, wie groß du geworden bist, Dennis?", und bei dem Wort "groß" riss Granny die Augen so weit auf, das Dennis dachte, sie würden ihn jeden Moment aus den Kopf fallen.

´Das reicht!´, dachte Dennis. Er brachte seinen ganzen Mut zusammen uns schrie Granny an: "Raus! Raauus! Raaaaauuuuuussssss!"

"Aber Dennis, wieso diese Unhöflichkeit! Weißt du denn nicht..."

"Ich sagte Raaaaaaauuuuusssss!"

Dennis wurde schlecht. Und ihm wurde bestimmt nicht besser als er hörte, was Granny Bob sagte, bevor er tatsächlich sein Haus verlies und ihn mit seinem zerstörten Seelenfrieden alleine lies:" Das wird dir noch leid tun, deinen armen, alten Granny Bob so zu behandeln! Oh ja, das wird es!"

Und er behielt recht, obwohl Dennis nicht glaubte, das es an Granny Bobs Besuch lag, denn er stand ja mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität. Eine Woche später starb die kleine Lisa als sie beim rumtoben von seiner Couch, auf der Dennis nicht wollte, das Bob sich auf sie setzte, herunterfiel, und sich den Schädel brach. Als die Tür hinter Granny Bob ins Schloss fiel, fing Dennis an zu weinen. Nicht so sehr wie eine Woche später, als er Lisa mit aufgeplatzten Schädel neben der Couch fand, wo ihr Leben begann und ebenso endete, aber schon schlimm genug.

Jetzt, acht Jahre später, im Sommer des Jahres 1994, saß es gedankenversunken auf einer anderen Couch. Er besorgte sich drei Tage nach Lisas Unfall eine Neue. Er betrachtete erneut die Kopf- und Betreffzeile und las anschließend weiter:

An: Chicago, 11. Juli 1994

Dennis J. Meola

57 Beach Road

Mailbu, CA 90250

Testament Ihres Grovaters Robert F. Meola

Sehr geehrter Mr. Meola,

leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Ihr Großvater letzten Monatag am 09.07.1994 im Alter von 102 Jahren an der Folge eines Selbstmordes mit einer Schusswaffe verstarb.

An dieser stelle hörte er auf zu lesen. ´Er ist 102 Jahre alt geworden´, dachte er, ´und starb noch nicht mal an Altersschwäche, kann das jemand glauben?´

Verwundert las er weiter:

Da ich im Besitz des Testaments bin und sein Eigentum verwalte, fühle ich mich dazu verpflichtet ihnen mitzuteilen, das die Testamentseröffnung am Samstag, 23. Juli 1994 hier in Chicago auf Ihres Großvaters Landsitz stattfindet.

Wieder unterbrach er. ´Soso, ein Landsitz, also warst du doch reich, du miese Ratte!´

Er verdrängte den Gedanken und wandte sich wieder dem Brief zu:

Eingeladen sind: Dennis J. Meola

Wendy P. Meola geb. Simpson

Brian D. Meola

Thomas A. Meola

Gina N. Meola geb. Watergate

Melissa F. Shawn geb. Meola

Martin J. Shawn

Ich hoffe Sie bald hier in Empfang nehmen zu können und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

 

Timothy A. Farlow

Notar

"Auf seinem Landsitz...."

"Was sagst du, Schatz? ...Du bist ja Kreidebleich, was..."

"Hier, ließ selbst!", sagte er zu seiner Frau und gab Ihr den Brief. Während sie verwundert den Inhalt studierte, war Dennis im Gedanken versunken. ´Ich will da nicht hin. Ich kann auf sein Erbe verzichten.´

Aber irgend etwas sagte, dass er musste, auch wenn er dabei etwas verlieren konnte. Und so kam es, dass sie am darauf folgenden Freitag aufbrachen: Dennis, Wendy und Ihr Sohn Brian, an dem sie alle beide so hingen, besonders nach Lisas Tod vor acht Jahren.

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Kapitel 2: Die Abreise

"Muss ich wirklich mitkommen?"

Der Junge mit der Steinschleuder in der rechten und der Kastanie in der linken Hand schaute seinen Vater mit einem ´och-man-muss-denn-das-sein-Blick´ zweifelnd an.

"Jetzt hör mir mal gut zu, junger Mann. Ich... und leg bitte die Steinschleuder weg, du weißt doch wie mich das Ding nervös macht!".

Dennis nahm ihm die Schleuder ab und legte sie auf den Tisch der Veranda, auf der Vater und Sohn standen.

"Ich wollte sagen, dass ich nicht wüsste, wohin mit dir. Die MacLeans fahren übers Wochenende zu Ihren Verwandten nach Portland. Onkel Tom ist ebenfalls in Chicago, also kannst du da auch nicht hin."

Tom wohnte, im Gegensatz zu Melissa, die mit Ihrem Mann in San Francisco wohnte, ebenfalls in Los Angeles. Brian hatte ihn sehr gerne, was auf Gegenseitigkeit beruhte.

"Ich kann hier alleine bleiben." Seine blauen Augen sahen Dennis flehend an.

"Alleine? Wie kommst du darauf das ich meinen elfjährigen Sohn alleine lasse?"

"Warum nicht? Dieser Kevin war..."

"Schatz", unterbrach ihn Dennis, "der Junge schaut zu vie fern! Brian! Fang nicht an zu spinnen! Hier kann keiner auf dich aufpassen."

"Es muss niemand auf mich aufpassen."

Dennis fing schallend an zu lachen, dann schaute er auf die Schleuder, Brian dagegen starrte entgeistert auf die Kastanie, die er in seiner Hand hin und her drehte.

"Es muss niemand auf dich aufpassen? Du hast die letzte Zeit nur Flausen im Kopf!"

"Dad..."

"Jetzt übertreibst du aber", schützte Wendy ihren Sohn.

Wendy konnte es nicht leiden, wenn man Brian zu hart rannahm. Ihr Mutterinstinkt war überwältigend. Sie und Dennis kamen beide nur schwer über Lisas Tod hinweg. Jetzt steckten sie all die Liebe, die sie Lisa nicht mehr geben konnten, in Brian, zusätzlich zu der, die er ohnehin schon bekam.

"Ach ja? Ich übertreibe? Und was ist mir Potters Blumen?"

Die Potters waren ´Feine Pinkel´, wie sie in der Nachbarschaft von jedem genannt wurden. Brian hatte einmal die Blumen der Potters, die ihr ein und alles waren, Niedergetrampelt und ausgerupft. Seitdem schmunzeln ihn die Leute an, als wollten sie sagen: "Das hast du gut gemacht, Junge!" (nur nicht von den Potters, von denen erntet er böse Blicke.)

"Da hatte er ja wohl auch einen sehr guten Grund", warf Wendy ein, "vergiss nicht, sie nannten ihn einen ´verzogenen Bengel´, Unseren Brian!", und in einem Atemzug mit strengen Blick auf Brian: "nicht, das ich das unbedingt gutheiße."

"Er hat Jimmy Potter verprügelt. Das gibt ihnen zwar nicht das Recht ihn so zu nennen, aber da haben wir es wieder: er hat ihn verprügelt, und was haben wir übers prügeln gesagt?" Dennis musterte seinen Sohn der verstohlen auf seine Kastanie schaute.

"Jimmy Potter hat die Reifen seines Fahrrads zerstochen!", warf Wendy ein, "und außerdem, Dennis, wer hat den Jungen nach der Blumenpflückerei gelobt? ´Das hast du gut gemacht, Brian!´" Sie zitierte ihren Mann in einem höhnischen Ton.

"Und was ist mit dem Mädchen, das er mit der Schleuder beschossen hat?"

"Das war keine Absicht, Dad!", platzte Brian schnell raus, "Ich habe auf die Büchse gezielt und sie verfehlt. Cindy stand leider dahinter und da habe ich sie getroffen."

Ganz bestimmt wollte Brian sie nicht treffen, denn er war in sie verliebt. Eigentlich hatte er nie was für Mädchen übrig gehabt, denn `Mädchen waren doof´! Aber Cindy war anders. Er entschuldigte sich bei ihr mit einem Blumenstrauß (frisch gepflückt aus Potters Garten). Cindy war ganz gerührt und sagte, sie fände es süß von ihm (er rechnete mit einem Kuss, wurde aber enttäuscht).

"Hast du gehört? Das hat er nicht mit Absicht gemacht!", fügte Wendy schnell hinzu.

"Nichts desto trotz, wir können ihn nicht alleine lassen."

"Ja, Dennis ich weiß! Mir ist aber nicht wohl bei dem Gedanken, dass wir ihn an diesen unheimlichen Ort..."

"Psst, Wendy, bitte!" Dennis deutete heimlich auf Brian, der inzwischen am anderen Ende der Veranda stand, wo er Cindy gesehen hatte und sie von dort aus verliebt beobachtete. "Wendy, ich bin auch nicht gerade begeistert davon, aber wo sollen wir ihn lassen?" Dennis sprach gerade mal leise genug, damit Brian ihn nicht hören konnte.

"Ja, aber glaub bloß nicht, das ich ihn auch nur eine Sekunde aus den Augen lasse, während wir dort sind."

"Das habe ich auch nicht vor. Ich werde ebenfalls auf ihn acht geben.", versprach Dennis ihr und küsste sie.

"He Brian, das wird vielleicht ganz interessant. Du erbst bestimmt auch etwas!", rief Dennis seinem Sprössling zu.

Aber das einzige, was momentan interessant war, war Cindy.

"Vielleicht", antwortete Brian teilnahmslos, betrachtete das spielende Mädchen am Strand und lächelte über seinen Tagtraum, den er momentan hatte. Ein weitaus schönerer Traum, als die Träume, die er zur Zeit nachts hatte. Seinen Eltern erzählte er nichts davon. Sie handelten von seinem Urgroßvater. Der Hauptgrund, warum er nicht mit wollte. Brian hatte Granny Bob nie in seinem Leben zu Gesicht bekommen, aber dennoch wusste er aus seinen Träumen, wie er aussah: Ein hagerer, alter Mann, ungefähr einsneunzig groß, was ihn bei seiner Dürrheit schaurig aussehen ließ. Er trug einen dünnen Vollbart, sein ganzes Haar war dünn und weiß. Er hatte schwarze Augen, aber in seinem Traum waren sie glühend rot. Er hatte scharfe Eckzähne wie die eines Vampirs. Seine Fingernägel waren spitz und hatten einen gelblichen Farbton, so wie die seines kettenrauchender Geschichtslehrer Mr. Sodarski. Am Ringfinger der linken Hand trug Granny Bob einen protzigen Ring mit einem seltsamen Buchstaben drauf. Brian vermutete, es sein eine Rune oder ein altes Schriftzeichen. Es sah aus wie ein kleines "m" mit einem waagerechten Strich durch die Mitte. Die drei unteren Enden des m´s, das obere Ende, sowie die des Striches, waren pfeilförmig. Hätte Brian seinem Vater diese Beschreibung gegeben, hätte er diese als richtig bestätigen können. Brian tat es nicht und Dennis hatte einen Grund weniger, sich um seinen Sohn sorgen zu machen. Es gab nur zwei Dinge, an denen sich Brian, abgesehen von der Beschreibung seines Urgroßvaters nach solchen Träumen erinnerte. Da war als erstes die Kristallkugel, die Granny Bob in der Hand hielt. Sie war so groß wie ein Tennisball und leuchtete in allen Farben, sogar in welche, die er nicht kannte, die wohl noch nie ein Mensch zuvor gesehen hatte, man konnte sie einfach nicht beschreiben. Aber sie waren wunderschön. Es waren die schönsten Farben, die er je sah, aber dennoch, irgendetwas gefiel ihn an dieser Kugel nicht. Er hasste sie, was wohl auch mit dem zweiten zu tun hatte, woran er sich noch erinnerte: Es waren schlechte Träume! Jedes mal wachte er klatschnass geschwitzt auf. Er wusste nicht mehr was es war, darüber war er erleichtert, denn es handelte sich definitiv um Dinge, die er besser nicht zu Gesicht bekommen sollte. Aber wenn er sie träumte waren sie sehr real. ´Real? Quatsch Brian! Träume sind Schäume!´, dachte er und beobachtete Cindy am Strand. Auch Brian war, wie sein Vater, Realist. Nur hatte er den Verdacht, dass seine Träume in Chicago Realität werden könnten.

´Jetzt hör aber auf, Brian! Du wirst morgen zu dieser blöden Testamentseröffnung fliegen und am Montag bist du wieder hier, und Timmy auch. Dann werden wir die größte Sandburg der Welt bauen. Cindy wird zusehen und sich in mich verlieben.´

Aber die Gedanken an seinen Träumen ließen ihn nicht los.

Am späten Nachmittag traf Brian Timmy MacLean, den Sohn von Peter MacLean. Wie auch Ihre Väter, so waren die beiden die dicksten Freunde. Sie hatten viel gemeinsam. Beide gingen in die gleiche Klasse, hörten Heavy Metal, surften leidenschaftlich und mochten die L.A. Lakers (im Gegensatz zu Peter MacLean stand Timmy nicht auf die Boston Celtics, was jedes Mal Unverständnis in Pete auslöste).

"Hey Brian, hast du gestern gesehen wie die Lakers die Suns fertig gemacht haben?"

"Ja.", entgegnete Brian lustlos.

"Hey, was ist los?", wunderte sich Timmy, denn wenn es um Basketball ging, war eigentlich Brian immer derjenige, der loslegte wie eine Rakete und nicht mehr zu bremsen war.

"Ach ich muss doch morgen zu dieser blöden Testamenteröffnung."

"Hast du deine Eltern auch nicht überreden können hier zu bleiben? Ist mir auch nicht gelungen. Ich mag meinen Onkel nicht, aber ich muss trotzdem mit zu ihm nach Portland.

Und schon wieder hatten beide etwas gemeinsam.

Inzwischen stand Wendy in der Küche und bereitete das Abendessen vor. Sie machte einen Kartoffelsalat. Während sie die Kartoffeln schälte schaute sie aus dem Fenster und beobachtete Brian und Timmy beim spielen.

´Brian sieht gar nicht glücklich aus´, dachte sie, ´er scheint angst vor der Reise zu haben.´

Wendy war eine sehr hübsche Frau. Sie hatte eine klasse Figur, selbst noch nach zwei Schwangerschaften. Sie war einssiebzig groß und ihr braunes, gewelltes Haar ging ihr bis zu den Ellbogen. Ihr schmales Gesicht war makellos. Ihre Augen waren blaugrau und erinnerten an Meerwasser.

Sie beobachtete Ihren Sohn, der sich gerade Sand aus seinem ebenfalls braunen Haar strich. Wendy wurde aus Ihren Gedanken gerissen als sie sich in den Daumen schnitt. Blut tropfte in den mit Wasser und Kartoffeln gefüllten Eimer.

"Autsch!", schrie sie und rannte direkt zur Hausapotheke ins Badezimmer, wobei sie eine Spur aus Blutstropfen hinterlies. Sie öffnete den Verbandskasten. Er war leer. ´Wieso ist der Verbandskasten leer?´, dachte sie erschrocken, ´Wo ist die Hausapotheke hin? Wo...´

Dann wurde sie ohnmächtig.

Dennis saß im Wohnzimmer und las ein Buch, als er seine Frau schreien hörte. Vor schreck verschluckte er sich am Soda, das er gerade trank und musste husten. Als es nachließ hörte er einen dumpfen Knall, als sei ein Mehlsack umgekippt.

"Wendy?" Er rannte in die Küche und geriet in Panik als er das Blut sah.

"Wo steckst du? Wendy!!!"

Er folgte der Blutspur aus der Küche raus. Plötzlich fuhr ihm ein Schmerz durch die Wirbelsäule, sein chronisches Rückenleiden. Er verzog das Gesicht, zwang sich aber weiter in Richtung Badezimmer in das die Blutspur führte.

"Wendy? Bist du im Bad?"

Keine Antwort. Schweiß stand auf seiner Stirn, so schmerzte sein Rücken. Er schaffte es ins Badezimmer und da lag sie. Ihre Augen waren geöffnet, aber verdreht, man konnte nur noch das Weiße sehen. Sie war vollkommen weggetreten. Dennis schaute zum geöffneten Verbandskasten. `Sie wollte wohl zur Hausapotheke´, dachte er und fühlte sich schuldig, da er sie schon verpackt hatte. Wendy stöhnte. Insofern sein Rücken es zuließ beugte er sich zu ihr hinunter. ´Ich werde sie nicht heben können, geschweige denn tragen.´

Ein Schmerzstoß fuhr ihn durchs Mark und er lies sich neben Wendy auf den Boden sinken. Er schaute zu ihr und sah, dass ein Tragen nicht notwendig sein würde, denn sie schien wieder zu sich zu kommen. Stöhnend lehnte Dennis gegen die Badewanne.

´Komm zu Dir, mein Schatz, bitte!´, flehte er sie im Gedanken an. Von hier aus konnte er sie nicht erreichen.

"Dennis...? Bist....du hier?" Wendy war wieder da.

"Ja Liebling, hier bin ich. Ich wollte dir helfen aber ich konnte nicht, ...mein Rücken! Ich glaub so schlimm war es noch nie!"

"Schon gut, geht´s denn wieder?" Sie kam jetzt hoch und lehnte sich gegen die Wand gegenüber der Wanne. Sie war immer noch blass, aber ihre Augen waren wieder klar.

"Ja, es wird langsam, und wie geht´s Dir?"

"Besser. Ich hatte mich geschnitten und wollte..."

"Oh, Schatz es tut mir leid, ich habe die Hausapotheke schon verpackt, sie ist im Koffer."

"Ist okay, dem Daumen geht´s gut, aber Dennis... jetzt hör mir gut zu. Wir dürfen auf keinen Fall zu diesem verfluchten Landsitz deines Großvaters fahren. Während ich ohnmächtig war, hatte ich einen Traum... nein... kein Traum...eine Vision..." Wendy redete hektisch, Ihre Augen waren wieder glasig, diesmal aber nicht wegen der Ohnmacht, aus der sie gerade erwachte, sondern aus panischer Angst.

"Wendy, so was wie Visionen gibt es nicht..."

"Doch Dennis! Unterbrich mich bitte nicht und hör mir um Gottes Willen zu. Ich habe den größten Teil dieser Vision vergessen aber ich weiß das wir uns in Gefahr begeben, wenn wir fahren."

"Wendy es war nur ein Traum. Ein Traum! Und du hast selbst gesagt, dass du nicht mehr weißt, was..."

"Aber ich weiß noch, dass ich eine Menge Blut gesehen habe."

"Das kommt von deinem Daumen und der Wunde an deinem Kopf."

Wendy griff sachte mit der Hand an ihre Stirn, das hatte sie ja noch gar nicht gemerkt. Sie fuhr fort: "Dennis, ich habe einen abgetrennten Kopf gesehen, es war Ginas Kopf!"

"Hey, weiß Tom, das du so was von seiner Frau träumst?" Mein Bruder wird..."

"Und ich habe auch ein blutiges Bein gesehen. Ein KINDERBEIN! Und wer wird dieses Kind sein? Es ist nur eins da! BRAIN! Und ich sah deinen Großvater..."

"Da haben wir es! Mein Großvater ist tot! Es war also..."

Aber Wendy ignorierte Dennis´ Worte und erzählte weiter:" Er stand mit einer Axt neben dem Kind, neben BRIAN!"

Dennis´ schmerzen waren jetzt erträglich. Er stand auf und ging zu seiner Frau, die jetzt in Tränen ausgebrochen war. Er streckte seine Hand zu ihr aus.

"Komm, Liebling! Beruhig dich! Nimm meine Hand, wir versorgen jetzt erst einmal deine Wunden!"

Sie nahm sie und lies sich hochziehen. Wieder zog ein Schmerz durch Dennis´ Rücken, aber nicht mehr so schlimm.

Beim Abendessen wurde nicht mehr viel geredet. Als Dennis und Wendy dann zu Bett gingen, betrat Wendy noch mal leise Brians Zimmer.

"Schläfst du schon?"

"Nein."

"Sag mal, ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst aus, als würde dir was auf der Seele liegen."

"Nein, Mom, alles okay."

"Du kannst ruhig mit mir darüber reden. Du weißt doch, das du mit mir und deinem Dad über alles reden kannst. Ist es wegen der Reise?"

"Kann sein. Weißt du, ich bin nicht gerade davon begeistert."

"Das sind wir alle irgendwie nicht."

"Wieso bleiben wir dann nicht hier?"

"Weil...." Einen Moment wusste es Wendy selber nicht. ´Ja, wieso eigentlich nicht? Wieso müssen wir da hin?´

"Weil wir vielleicht was erben können. Vielleicht sogar viel. Sogar du. Du stehst auch auf der Liste, also erbst du auch etwas."

´Du stehst auch auf der Liste! Auf der Todesliste!´ Wendy verdrängte diesen Gedanken schnell.

"Schlaf jetzt, mein Schatz!"

Sie gab Brian noch einen Kuss und ging dann selbst ins Bett. Dennis wartete schon. Sie legte sich neben ihn und sie liebten sich.

Am nächsten Tag, am Freitag, flogen die Meolas nach Chicago. Die Maschine hatte eine halbe Stunde Verspätung, aber sonst verlief alles reibungslos. Als die Maschine startete, musste Brian sich übergeben.

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Kapitel 3: Die Ankunft

Nach einigen Stunden im Flugzeug landeten sie schließlich in Chicago. Es war inzwischen 1:25 Uhr mittags. Brian hatte sich wieder erholt, allerdings schienen alle einem Beklemmenden Gefühl ausgesetzt zu sein. Dennis ging zum Avis-Schalter um sich ein Auto zu mieten. Er bekam einen blauen Plymouth. "Ob die anderen schon hier sind?", fragte er sich? Er wusste, das Tom geschäftlich in Detroit zu tun hatte, Gina war mit ihm dort hin, damit beide gemeinsam nach Chicago kommen konnten. Er hatte am Vorabend noch mit ihm telefoniert. Wie sich herausstellte sollte er eine Stunde eher ankommen, müsste also bereits auf dem Landsitz sein, es sei denn, sein Flug hatte eine größere Verspätung. Eine weibliche und ihm vertraute Stimme riss ihn aus den Gedanken: "He, Dennis!"

Es war seine Schwester Melissa, sie stand fröhlich neben ihren Mann Marty, Sohn und Alleinerbe eines reichen Industriellen. Ihr Flug aus San Francisco musste ebenfalls vor Kurzem gelandet sein. Melissa und Marty kamen auf Dennis zu.

"Hallo, Ihr beiden, freut mich Euch zu sehen", sagte Dennis obwohl das nur auf Melissa zutraf. Marty war in seinen Augen ein arroganter Mistkerl.

"Schau mal, Dennis, mein neues Kleid! Ist ein Original Versace! Es hat nur 600 $ gekostet, ein echtes Schnäppchen!"

´Sie ist ja ganz okay, aber irgendwie protzt sie nur noch rum, seit sie mit diesem verblödeten, reichen Fatzke verheiratet ist.´, dachte Dennis, ´und das Kleid steht ihr überhaupt nicht.´

"Du siehst toll aus!", log er.

"Oooooh, und da ist ja auch mein kleiner, lieber, schnuckeliger Neffe!", flötete sie Brian an. Brian sah sie mit einer Mischung aus Verärgerung und Verwunderung an. Er mochte seine Tante Melissa, auch wenn sie eigenartig war. Aber nicht alles, besonders dann nicht, wenn es feucht wurde. Aber genau das würde jetzt passieren. Und kaum hatte Brian den Gedanken zu Ende gebracht da war es auch schon passiert. Es kam für ihn nur noch Schlimmer als befürchtet. Es gab keinen Kuss auf die Wange sondern voll auf den Mund. ´Igitt!´, dachte er, ´warum müssen Tanten und Großmütter immer so was ekelhaftes machen.´ Er dachte an Cindy. Sie wäre die Einzige gewesen, bei der er es begrüßt hätte, aber sie macht ja so was nicht. ´Vielleicht denkt sie ja, ich küsse genauso wie Tanten oder Großmütter.´

Der Kuss seiner Tante war widerlich. Und Brian verzog das Gesicht. Als er sich wieder davon erholt hatte sagte er triumphierend: "Ich habe mich im Flugzeug übergeben!"

Nun war es Melissa, die das Gesicht verzog und sah ihren Neffen entgeistert an.

"Brian Daniel Meola!" Dennis schaute den Jungen strafend an, der schuldbewusst, aber dennoch schmunzelnd den Blick seines Vaters erwiderte. Auch Dennis konnte sich ein Grinsen jetzt nicht mehr verkneifen und zwinkerte seinen Sohn so zu, das nur er es sehen konnte. Melissa versuchte ihre Situation zu retten. Mit teils falschen und teils echten Mitleid jammerte sie: "Ach du armes Kind! Geht es Dir denn wieder besser?

´Ja, bis du mich geküsst hast!´, dachte Brian, sprach es aber nicht aus.

"Es geht, Danke!"

Marty musterte den Jungen mit einem strengen Blick, als hätte er seine Gedanken gerade gelesen. Ihn mochte Brian überhaupt nicht. Niemand mochte ´Onkel Marty´, wie er ihn nennen musste, widerlich. Da war Tante Melissa, wenn sie einen nicht gerade abknutschte ein Engel gegen. Von ihr gibt’s jetzt gleich Schokolade, so gut kannte er sie. Und prompt zauberte sie eine Tafel aus ihrer Handtasche.

"Schau mal Brian, magst du die?"

"Danke!", sagte Brian artig.

"Oh, Hallo ihr zwei!" Es war Wendy. Sie hatte sich inzwischen am Flughafenkiosk ein paar Frauenzeitschriften besorgt.

"Hallo Wendy!", quiekte Melissa und fiel ihr um den Hals. Melissa mochte Wendy sehr, was auf Gegenseitigkeit beruhte, auch, so dachte Wendy, wenn Melissa etwas exzentrisch und arrogant war. Allerdings hasste sie ihr kindisches und albernes Getue. Das hatte sich Melissa nach dem Tod ihrer Mutter angeeignet und nie mehr verloren. Besonders schlimm wurde es, als sie von ihrer Unfruchtbarkeit erfuhr. Den Höhepunkt erreichte sie aber erst, als sie Martin Shawn kennen lernte. Er hatte sie mit seinem Geld und dem Charme, den er trotz seiner Arroganz besaß, um den kleinen Finger gewickelt. Dennis war sich nicht sicher, ob Marty Melissa überhaupt liebte und Wendy war davon überzeugt, dass er es nicht tat. Sie ging sogar noch einen Schritt weiter. Sie glaubte, er würde Melissa nur als Lustobjekt missbrauchen, und dabei kam ihm noch entgegen, das keine lästigen Bälger zu Welt brachte. Sie ahnte nur nicht, wie recht sie damit hatte, aber das sollte niemals ans Tageslicht kommen. Auch, so fand Wendy, wurde sie selbst ab und zu von Marty angegafft. Er sah Ihrer Meinung nach schmierig aus, mit seinem zurückgekämmten, schwarzen Haar, den stechenden giftgrünen Augen und seinem teils charmanten und teils arroganten Grinsen. In der Zwischenzeit waren beide Familien am Avis-Parkplatz angelangt.

"Hat jemand schon Tom und Gina gesehen?", fragte Melissa. Marty zuckte gleichgültig mit den Schultern. Er war wegen dem Erbe hier, alles andere interessierte ihn nicht.

"Sie müssten schon da sein.", sagte Dennis und erzählte ihr vom vorabendlichen Telefonat.

Tom Meola war bereits mit seiner Frau Gina am Landsitz seines Großvaters angekommen. Es war eine Burg auf dem Gipfel eines Hügels, eingezäunt von einem ca. drei Meter hohen Eisenzaun. Spitzen ragten an jeder Stange des Zauns empor.

´Wer da versucht drüber zu klettern und abrutscht, kann nicht nur seine Familienplanung vergessen.´, dachte Tom.

Er war muskulös gebaut, einsvierundachtzig groß. Er sah vom Gesicht her Kurt Russell ähnlich, ist schon oft mit ihm verwechselt worden. Er hatte braunes, langes Haar. Er würde wie der perfekte Sportler aussehen wenn seine Krücke nicht gewesen wäre. Ansonsten sah er aus, wie sich eine Mutter ihren perfekten Schwiegersohn vorstellt. Seine blauen Augen und sein stetiges charmantes Lächeln ließen jedes weibliche Geschöpf auf dieser Welt dahin schmelzen. Aber für Tom gab es nur Gina, der er stets treu geblieben ist, obwohl er wirklich Jede haben könnte. Er strahlte eine Menge Selbstbewusstsein aus und hatte große Überzeugungskraft, was ihn beruflich immer weiter brachte. Tom war dazu ein netter, lebensfroher Mensch und hatte zu jeder Situation einen lockeren Spruch auf den Lippen. Fast perfekt, aber eben nur fast, wegen des Unfalls. Obwohl er und Dennis zwei so verschiede Persönlichkeiten waren, sind sie zu jeder Zeit ein Herz und eine Seele gewesen. Sie waren mehr als nur Brüder, denn nach Jerry Meolas Tod war Dennis so was wie ein Vater für Tom..

Die Straße führte am Hügel vorbei durch ein Waldgebiet. Gina, die den Wagen fuhr (Tom konnte kein Auto fahren wegen des Beines), musste einen Seitenweg nehmen, der zur Burg führte. Ansonsten war rundherum nur der Wald. Als sie die Lichtung erreichten, in der die Burg stand überkam Tom ein mulmiges Gefühl, und er dachte, nachdem sie durch das offene Tor fuhren: ´Sieht wirklich unheimlich aus. Mich wundert es nicht, wenn Graf Dracula uns gleich persönlich die Tür öffnet.´

Tom hatte früher immer diese Gruselgeschichten gehört, in denen die Helden immer eine solche Burg besuchten, und wenn sie dann in den nahegelegenen Dörfern nach dem Weg fragten bekamen sie immer zu hören: ´Gehen sie da nicht hin! Dort spukt es!´ Er dachte immer, die Autoren sollten sich mal etwas neues einfallen lassen. Immer das gleiche Schema: ´Dort wohnt der Teufel! Bleiben sie dem Schloss fern!´ Heute schien er sich in so eine Geschichte verirrt zu haben. Als sie durch Dawsonville kamen, einem Vorort südlich von Chicago, hielten sie an einer Imbissbude an um etwas zu essen. Sie wussten sie würden auf dem Landsitz was bekommen aber Ginas Hunger war zu groß um zu warten. In der Imbissbude hörten sie einen alten Mann über den Meola-Besitz reden: "Seit der alte Meola tot ist, wird es dort oben immer gruseliger. Früher war´s ja schon schlimm, aber jetzt..."

Tom wollte zuerst fragen, was denn da so gruselig sei, lies es aber, als er sah, wie blass Gina war.

"Tom, ich will hier weg!", sagte sie, als sie die Burg sah. Ihre stimme bebte.

"Ach komm schon Liebes, jetzt hör aber auf. Das war doch alles nur Hokuspokus, was der Alte da in diesem Schuppen verzapft hat."

"Nein, ich glaube er hat recht."

"Wenn Dennis dich jetzt hören könnte, würde er dich auslachen. Lass ihn das nicht wissen. Du weißt wie er zu solchen Dingen steht."

"Dennis ist genauso blind wie du, wenn er so denkt. Ich würde die Sache an deiner Stelle etwas ernster nehmen. Du hattest doch diesen verrückten Traum!"

"Ja, ich hatte einen Traum. Und ich muss zugeben, dass er mich etwas beunruhigt hatte, aber es war halt nur ein Traum."

"Ich kann nicht glauben, wie ruhig du dabei sein kannst."

Sie hatte inzwischen den Ford, mit dem sie kamen, auf einen kleinen Hof neben der Einfahrt geparkt. Gina stellte den Motor ab, aber sie blieben noch im Wagen sitzen. Er betrachtete kurz einen morschen Baum, der vor der Burg stand.

"Wir können Dennis ja gleich mal fragen, was er davon hält!", meinte Tom.

"Das ist nicht fair, du kennst seine Meinung!"

"Yeah, und es ist die Gleiche, die ich auch vertrete. Ich halte es für ungefährlich darein zu gehen. Komm Schatz, vertraue mir. Du hast mir doch bisher immer vertraut, wieso denn jetzt nicht?"

"Aber es ist so unheimlich...."

"Was glaubst du denn, was uns erwartet? Mein Großvater mit einem Laken über´m Kopf und zwei Löcher als Augen?"

Über diese Vorstellung musste Gina lachen. Sie liebte Tom dafür, das er es immer wieder schaffte, sie mit seinem Humor aufzuheitern.

Er sah ihr mit seinem klaren Blick der blauen Augen und ein charmantes, lausbubenhaftes Grinsen an.

"Na, siehste! Tinkerbell kann wieder lachen."

Tinkerbell, wie die Fee aus Peter Pan, so nannte Tom Gina öfters. Auch das liebte sie an ihn.

Sie stiegen aus und gingen zu der großen zweiflügeligen Eingangstür. Tom klopfte an. Die beiden hörten Schritte. Ginas Herz pochte Wild in ihrer Brust. Sie schaute unbehaglich zu Tom rüber, doch er grinste sie wieder mit dem Lächeln von eben an. Auch er hatte angst. Er musste wieder an Graf Dracula denken, ließ sich aber sein Unbehagen nicht anmerken. Von innen wurde der Riegel zur Seite geschoben. Es dauerte nur fünf Sekunden, aber für beide dauerte es eine Ewigkeit. Die Klinke wurde niedergedrückt und die Tür öffnete sich langsam mit einem knarren.

"Könnte mal wieder etwas Öl vertragen!", sagte Tom dem es diesmal nicht gelang, seine Frau mit diesem lockeren Spruch aufzumuntern. Vielleicht lag es daran, das ihm jetzt selbst etwas die Panik erfasste und in seiner Stimme mitschwang.

Die Straße führte abseits von Chicago und sie kamen durch Dawsonville. Dort hinter ragte ein Hügel auf, auf dessen Kuppel eine Burg stand, Der Meola-Besitz. Es gab einen Ruck als der Motor streikte. Ein letzter Seufzer und der Wagen stand still.

"So ein Mist"", ärgerte sich Marty. Er hatte sich einen roten Porsche ausgeliehen aber jetzt war es nur noch ein Haufen aus Blech und Chrom, der seinen ursprünglich Zweck nicht mehr erfüllte. Er wünschte sich jetzt seinen eigenen Porsche hierher, oder seinen Ferrari. Zur Not würde es auch Mandys Mercedes tun. Da er all diese Wagen nicht bei sich hatte, würde er wohl gleich in den von Dennis geliehenen Plymouth einsteigen müssen. Er schüttelte sich bei dem Gedanken und würde lieber zu Fuß gehen, aber dazu war der Weg doch noch zu weit, obwohl der Landsitz schon in der Ferne zu sehen war. ´Er muss doch gleich vorbei kommen!´, dachte Marty. Er hatte Dennis schon eine viertel Meile hinter dem Flughafen abgehängt. Marty war stolz darauf diese lahme Ente hinter sich gelassen zu haben. Im Wagen quengelte Melissa: "Maaartyyy, was ist denn los?"

"Motorschaden!"

"Oh Marty, das ist ja schlimm! Was sollen wir denn jetzt machen?"

"Was WIR jetzt machen sollen? Du meinst wohl was ICH jetzt machen soll, du heulst doch bestimmt jetzt wieder nur rum."

"Maaaaarty, sei doch nicht immer so ausbrausend. Du weißt dass ich das Hasse! Aber eines sag ich dir: ich werde nicht zu Fuß gehen!" Melissa sprach diese Sätze in einem Atemzug und Marty verdrehte die Augen.

"Dennis kommt gleich vorbei! Siehst du? Dahinten kommt schon dein beschissener Bruder."

"Sprich nicht in so einen Ton über Dennis. Ich sag es ihm sonst und wir lassen dich alleine hier."

"Marty fing an zu lachen.

Dennis fuhr aus Dawsonville. "Hinter diesem Dorf muss es sein. Ich schlage vor... He, ist das am Straßenrand nicht unser Formel-Eins-Pilot? Ja er ist es. Sieht so aus als hätte er ´ne Panne!" Dennis freute sich wie ein kleines Kind. Auch Brian konnte seinen Triumph nicht verbergen: "Der sieht aus, wie ein begossener Pudel!"

Darauf mussten alle drei schallend lachen.

"Ruhig jetzt!", sagte Dennis und fuhr rechts ran.

"Haben wir ein Problem?", fragte Dennis höhnisch seinen Schwager. Wendy musste sich die Hand vor den Mund halten, damit sie nicht wieder zu lachen anfing.

So kam es, das sie zu fünft in einem Wagen weiterfuhren. Der Porsche wurde von einem Abschleppwagen in eine Werkstatt gebracht. Nachdem Marty nochmals Avis verfluchte, die ihm diesen beschissenen Wagen gegeben hatten, bat er die beiden Frauen und Brian doch endlich hinten Platz zu nehmen, damit er sich auf den Beifahrersitz dieser Schrottkarre setzen, und Dennis sie zum Landsitz kutschieren konnte. Dennis erwiderte, dass Marty sich gefälligst nach hinten setzen sollte, da Wendy der Beifahrersitz zu stand. Nur unter Protest stieg Marty hinten ein.

Um drei Uhr, als der Motor des Porsches gerade seinen Geist aufgab, saßen Tom und Gina an der großen Tafel im Aufenthaltsraum der Burg. Timothy Farlow, der ihnen die Tür öffnete, war nicht nur ein ausgezeichneter Notar, er konnte auch gut kochen. Er war dreiundfünfzig Jahre alt und eine Brille lag auf der Nase seines großmütigen Gesichts. Er war nur einsfünfundsechzig groß, und als er ihnen öffnete dache Tom eher an einen der Zwerge aus Schneewittchen als an Graf Dracula. Farlow war leicht untersetzt und hatte das, was ein Sportlehrer verächtlich einen Männerbusen nannte. Er zeigte ihnen sofort nach der Ankunft die Burg. Wenn man sie betrat kam man direkt in den Aufenthaltsraum. Die Tafel stand in der Mitte des Raums. Ein Stuhl stand jeweils an jedem Ende der Tafel, an den beiden Längsseiten noch mal jeweils sechs. Über der Tafel hing ein Kronleuchter. Links an der Wand befand sich ein Kamin über dem zwei Schwerter über Kreuz hingen. An der rechten Wand standen Tausende von Büchern in einem riesengroßen Bücherregal, das fast die ganze Wand einnahm. Dem Haupteingang gegenüber, hinter der Tafel, führte eine Tür in einen Korridor. Hier befand sich eine Treppe, die in den ersten Stock führte. An den beiden Enden des Korridors befanden sich jeweils eine Tür. Die auf der linken Seite war verschlossen, die rechte Tür stand halb offen und gab einen Blick in die dahinterliegende Küche frei.

"Was ist hinter der verschlossenen Tür?", fragte Tom.

"Das Arbeits- und Schlafzimmer ihres Großvaters. Wollen sie es sehen? Ich habe einen Schlüssel.

"Nein, danke! Nicht nötig!" Tom legte keinen besonderen Wert darauf, Gina erst recht nicht.

Dann führte Farlow sie in das erste Stockwerk. Sie kamen in einen Korridor, der dem des Erdgeschosses fast identisch war. Es befanden sich jedoch die Türen nicht an den Enden des Korridors (er war dementsprechend auch länger, da sich keine Räume mehr dahinter verbargen), sondern nur eine gegenüber der Treppe. Diese betraten sie und gelangen in einen Flur. Links von ihnen gab es zwei weitere Türen, rechts drei.

"Hier oben sind ihre Quartiere. Diese Tür", Farlow wies auf die erste Tür rechts, "führt zum Bad, die Tür daneben in ihr Zimmer."

Sie betraten das Zimmer und besichtigten es. Es war mir einem Doppelbett, zwei Nachttischen (jeweils einer auf jeder Seite des Bettes), einen Tisch mit zwei Stühlen und einen Kleiderschrank eingerichtet.

"Wo geht´s dahin?", wollte Gina wissen und zeigte auf eine Tür, die sich links von ihnen befand.

"Ins Nachbarzimmer. Die Tür ist verschlossen, da dies das Quartier der Shawns sein wird. Die Zimmer gegenüber sind für Dennis, Wendy und Brian Meola gedacht. Die Verbindungstür dort wird offen sein, da der kleine Brian bestimmt Kontakt zu seinen Eltern haben möchte... und umgekehrt bestimmt genauso. Falls sie etwas brauchen, mein Zimmer ist das genau über ihnen im zweiten Stockwerk." Farlow wies zur Decke. "Es sieht dort exakt so aus wie hier im Ersten."

"Tom?"

Er wurde durch das Rufen seines Namens aus den Gedanken an dieser Rundführung gerissen. Er sah auf seinen Teller und bemerkte, dass er kaum etwas gegessen hatte. Der Imbiss im Dorf war wohl doch zu viel. Es war Gina, die ihn ansprach."

"ich habe ein Auto gehört, ich glaube sie kommen." Sie ging zum Fenster. "Ja, das sind sie!" Tom schaute auf seine Armbanduhr. Es war viertel vor vier. ´Die sind spät dran.´

"Oh, ja? Alle fünf?"

"Ja, alle in einem Wagen....sie steigen gerade aus.." Sie rümpfte die Nase, als sie Marty sah. "Oh man, Marty scheint aber sauer zu sein."

"Wir sind da. Sieh mal Brian, eine richtige Burg!" Aber Dennis konnte seinen Sohn nicht richtig begeistern. Brian sah die Burg mit Unbehagen an. Hatte er sie schon mal gesehen? Das hätte er schwören können und als sie die Burg betraten überkamen ihn und auch Wendy ein starkes Déjà vu. ´Diesen Ort kenne ich´, dachte er, ohne zu wissen, dass seine Mutter gerade das Gleiche dachte.

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Kapitel 4: Das Heulen der Wölfe

Nachdem Farlow auch mit den restlichen Fünf seine Führung durch die Burg beendete, bereitete er auch ihnen ein Essen vor. Währenddessen schauten sich Dennis und Tom noch ein wenig in der Burg um. Als sie im Korridor des zweiten Stockwerks standen bemerkten sie, dass noch eine Treppe nach oben führte.

"Wo geht´s denn dahin?", fragte Dennis.

"Sicher zum Dachboden. Sollen wir mal nachschauen?"

"Klar, vielleicht finden wir ja ´nen Goldschatz", witzelte Dennis.

Tom legte noch einen drauf: "Yeah, oder etwas, womit wir Marty loswerden. Man ich hätte gerne sein Gesicht gesehen, als er diesen Motorschaden hatte."

Sie standen vor einer Holztür. Dennis drehte den Knauf.

"Mist, abgeschlossen."

"Oh Dennis, ich habe leider keine Haarnadel dabei!", hauchte Tom und klimperte übertrieben mit den Augen.

Dennis grinste und meinte dann: "Soll ich Farlow mal holen? Der hat doch bestimmt einen Schlüssel."

"Nee, lass mal, hab eine bessere Idee." Tom griff in die Tasche und zückte sein Portmonee.

"Was hast du vor? Die Tür bestechen?"

"Klar, was meinst du, soll ich ihr noch Trinkgeld geben?"

Tom brachte eine Kreditkarte zum Vorschein. In Agentenmanier öffnete er damit die Tür, wobei er sie zwischen Türrahmen und Schloss brachte.

"Voilá!"

"Hm, du scheinst darin Übung zu haben."

Tom grinste. "Yeah, erinnere dich mal an die Jugendherberge im Mädchenflügel wo ich..."

"Wow!", platzte Dennis heraus. Der ganze Dachboden war zu einer Spielhölle umfunktioniert worden. Einarmige Banditen. Ein Roulettetisch, Karten- und Würfelspiele erstreckten sich durch das ganze Zimmer. Allerdings fiel bei den Beiden der erste Blick auf die Mitte des Raums, denn dort stand ein Billardtisch. Sofort stürzten sie sich jeweils auf ein Quere.

Eine Viertel Stunde war vergangen als sie Schritte hörten, die sich dem Dachboden näherten. Beide starrten wie versteinert zur Tür als diese sich langsam knarrend öffnete.

"Dad? Onkel Tom?…Wow!!!" Es war Brian.

Beide atmeten auf. "Brian, altes Haus, du hast uns einen schönen Schrecken eingejagt. Hey, Dennis, hast du ihm das beigebracht sich so anzuschleichen?"

"´Tschuldigung, aber Mom schickt mich, das Essen ist fertig."

"Ah, gut, ich bin hungrig wie ein Bär!", fiel Dennis ein.

"Darf ich nach dem Essen mitspielen?"

Tom sah Dennis an, der nickte.

"Klaro!", sagte Tom.

"Sehr gut!", meinte Dennis, "der spielt dann bei dir mit, dann habe ich auch mal eine Chance!"

"Ha, warte nur ab Dad!"

Nach dem Essen gingen sie wieder auf den Dachboden und spielten Billard. Nachdem Brian seinen Vater fast im Alleingang schlug, staunten die Erwachsenen nicht schlecht. Es klopfte an die Tür. Wendy und Gina kamen hinein.

"Hallo Männer, was.... oh mein Gott, Gina schau dir das mal an. Das ist ja eine richtige Spielhölle."

"Ja!", meinte Dennis, "und so langsam wird mir auch klar wieso ER immer so knapp bei Kasse war. Ich glaube, ER hatte Spielschulden."

Seit ihrer Ankunft wurde Granny Bob von allen nur noch ER genannt.

"Ich frage mich langsam", fuhr Dennis fort, "ob wir wirklich noch was erben werden."

"Och Dennis, jetzt denk mal an die Burg an sich. Außerdem, schau dir mal den ganzen Krempel hier an."

"Tom! Du willst doch nicht erwarten dieses Zeug hier..."

"Wieso nicht Gina? Was meinst du was das hier alles wert ist?"

"Hört mal", unterbrach sie Wendy, "Farlow wollte mit uns sprechen."

Es war bereits 8.35 Uhr am Abend. Die sieben Gäste hatten sich im Aufenthaltsraum um die Tafel versammelt und warteten auf Farlow.

"Nimm den Walkman ab, Brian!", mahnte Dennis seinen Sohn.

"Lass ihn doch, bis Farlow kommt."

"Nein Wendy, das gehört sich nicht. Brian, hast du mich verstanden?"

Brian konnte ihn nicht verstehen, da "Kiss" ihn gerade mit "I Love It Loud" zudröhnte. Als Gene Simmons gerade Brian erklärte:

Turn it up, hungry for the medicine

Two-fisted to the very end

No more treated like aliens

We´re not gonna´ take it

stieß ihn sein Vater an. Brian nahm den Walkman ab. "Ja?... Was ist Dad?"

"Du sollst den Walkman abstellen. Und wie oft muss ich dir noch sagen, dass du die Musik nicht so laut stellen sollst, weil du sonst..."

Farlow betrat den Raum. "Entschuldigung, dass ich sie hab warten lassen, aber ich hatte mir noch ein paar Notizen gemacht und sie verlegt. Sind alle anwesend?"

"Ja, Mr. Farlow!", rief Marty ungeduldig. "Nun fangen sie schon an, ich wollte nachher noch ein Buch lesen.

"Maaarty!", Melissa schaute ihn grimmig an.

"Schon gut, schon gut! Verzeihen sie Mr. Farlow!", knurrte Marty gelangweilt und verdrehte dabei die Augen. Farlow setzte sich ans linke Ende der Tafel. Über dem Kamin blitzten die Schwerter im Schein der untergehenden Sonne, die durch das Fenster schien.

"Ich habe nun die unangenehme Aufgabe, ihnen vom Ableben des Robert Fitzgerald Meola zu berichten. Mir ist zu Ohren gekommen, das ich hier keineswegs auf Trauer stoßen werde, da er bei ihnen nicht sehr beliebt war. Das kann ich aber, so muss ich gestehen, auch gut nachvollziehen, denn als er mir sein Testament und Letzter Wille anvertraute, kam er auch mir sehr unheimlich vor.

"Entschuldigung, das ich sie unterbreche, Sir, sagten sie Ende Mai?", fragte Tom.

"Ja, um genau zu sein, er kam am 27.Mai in mein Büro. Ich denke, er hatte da seinen Selbstmord bereits geplant. Er sagte mir, er sei schon alt, und spürte, dass er es nicht mehr lange machen werde. Dennoch kam mir noch ziemlich rüstig vor. Als ich von seinem Alter erfuhr, ...nun, ich habe ihn für wesendlich Jünger gehalten. Und dann sein Selbstmord..."

"Yeah, ich glaube anders war er nicht tot zu kriegen!"

"Tom!!!"

"Nein Gina, ich weiß, es ist nicht toll, wenn man so von den Toten spricht, aber ich fürchte, Tom hat recht.", sagte Dennis.

Alles schwieg.

Farlow war es, der dieses Schweigen brach: "Wie dem auch sei, ich bitte sie alle, sich morgen um 12.00 Uhr mittags hier wieder zu versammeln. Dann werde ich sein Testament und Letzter Wille verlesen.

Charly Goose, der Friedhofsgärtner des Chicago-South-Cementery, drehte seine Runde. Immer noch ärgerte er sich, denn jemand musste ihm die Motorsäge aus dem Schuppen gestohlen haben und die Hecke war noch nicht geschnitten.

´Heute ist halt nicht mein Glückstag.´, dachte er, denn heute ging wirklich alles schief. Heute morgen bereits verbrühte er sich die linke Hand, als er ungeschickter weise Kaffee darüber vergoss. Er ging an ein Grab vorbei, das sehr ungepflegt erschien.

´Möchte mal gerne wissen, warum die Angehörigen sich nie um ihre Toten kümmern´, dachte er verärgert. Er griff in seine Tasche und brachte einen Aufkleber mit der Aufschrift ´Dieses Grab ist ungepflegt! Ich bitte um Aufbesserung!´ hervor. Charlie klebte ihn an den Grabstein, ohne auf Erfolg zu hoffen. Am Ende würde er sich selbst darum kümmern müssen. Heute war wirklich nicht sein Glückstag.

"Immer dasselbe, was tote in Vergessenheit geraten kö... WAS ZUM HENKER...!!!" Charly klappte der Unterkiefer ruckartig nach unten als er das aufgewühlte Grab sah.

"Grabräuber!!!"

Das konnte Charly nicht ertragen. Er war schon 24 Jahre hier der Friedhofsgärtner, aber das hat auf seinem Friedhof noch keiner gewagt. Nein, nicht mit Charly Goose. Er rannte zu dem Grab und schaute hinein.

´Nein, keine Grabräuber! Aber... das gibt es doch gar nicht!!!´

Charly sah in den leeren Sarg. Er war aufgebrochen. Von Innen!!! Er schaute sich um. Es gab zwei verschiedene Fußspuren. Da waren seine Eigenen, die führten zum Grab hin. Die Anderen führten vom Grab weg, ja es sah sogar aus, als führten sie aus dem Grab raus! Handabdrucke befanden sich am Rand des Grabes. Es sah so aus, als hätte sich der Inhalt des Sarges ausgegraben. Charly lief es eiskalt den Rücken runter. ´Wahrhaftig, mein Glückstag ist das ganz bestimmt nicht.´, dachte er. Und als er sich die Inschrift auf dem Grabstein ansah, wurde ihm schlecht:

Hier ruht

Robert Fitzgerald Meola

1892 – 1994

´Na toll, der alte Meola! Soll ich mich jetzt etwa besser fühlen?´ Er erinnerte sich an dessen Beerdigung. Charly dachte, es würde niemand kommen, aber da hatte er sich getäuscht. Es kamen eine Menge Leute aus Dawsonville hier hoch, scheinbar um zu schauen, ob der alte Sack auch wirklich begraben wurde. Bei den meisten sah er ein zufriedenes Lächeln, als sie wieder gingen. Er selbst fühlte sich zufrieden und erleichtert, weil...

"Hey, Mister!"

Charly wurde grob aus seinen Gedanken gerissen und zuckte zusammen. Diese Stimme!

"Ist das ihre?"

Er drehte sich langsam um. Vor ihm stand Bob Meola und hielt die Motorsäge in der Hand. Er trug diesen schwarzen Anzug mit dem er begraben wurde. Jetzt wies er Flecken von Friedhofserde auf. An der Krawatte sowie an seinem Jackett machte sich Schimmel breit. Bob lachte und ein Wurm fiel ihm dabei aus den Mund..

"Wie schade, dass du nicht mit mir verwand bist, sonst hätte ich jetzt ein siebtel von dem, was ich benötige. Eine hübsche Motorsäge, was meinst du, soll ich sie dir wiedergeben?" Bob deutete darauf und lachte schallend.

Oh, dieses Lachen. Es erschütterte Charly in Mark und Bein.

´Woher weiß er eigentlich meinen Namen? Was zum Teufel macht er mit meiner Motorsäge? Wovon in aller Welt redet er da? Ein siebtel? Von was?´ All diese Fragen schossen Charly wirr durch den Kopf.

Bob ließ die Motorsäge an. "Jaaaaa! Ich werde sie dir wiedergeben!"

Charly fing an zu schreien. Bob hob die Säge über Charlies Kopf und ließ sie niedersausen. Fein säuberlich spaltete sie Charly in zwei Hälften. Zuerst den Kopf wobei Gehirnmasse und Blut gleichermaßen aus seinen Schädel quollen. Dann weiter runter. Blut spritzte in alle Richtungen verteilt durch die Gegend. Als Bob fertig war, wischte er ein Stück Darm an Charlies linke Hälfte von der Motorsäge ab. In der Tat war es heute für Charly Goose kein Glückstag.

Zu der Zeit, in der Charly Goose entsetzt in ein leeres Grab starrte, standen Wendy und Gina auf dem Dachboden und amüsierten sich darüber, wie Brian ihre beiden Männer beim Billard abservierte. Marty und Melissa waren bereits zu Bett gegangen.

"Wo hast du denn so gut Billard spielen gelernt?", wollte Wendy von ihrem Sohn wissen.

"Die MacLeans haben doch einen Billardtisch im Keller stehen."

"Ja, da haben Pete und ich schon oft gespielt.", meinte Dennis. "Ich mache ihn immer fertig."

"Mr. MacLean ist eine echte Flasche.", grinste Brian. "Der hat gegen Tim und mir keine Schnitte."

"Das hast du mir ja nie erzählt." Dennis schmunzelte, "Da hab ich ja dann was, womit ich ihn aufziehen..." Dennis verstummte plötzlich und alle erschraken.

Ein Heulen ging durch den Wald.

"Was zum Teufel war das?", fragte Tom und lies vor lauter Schreck die blaue Kreide fallen.

"Hörte sich an wie ein Wolf."

"Quatsch, Wendy, Wölfe in Chicago!", widersprach Dennis.

"Ich habe nicht gesagt, dass es ein Wolf war, sondern sich anhörte...."

Wieder ein Heulen. Dann zwei auf einmal. Und noch ein erneutes Aufheulen, diesmal mehrere zu gleich.

"Ich...ich find´s gruselig! Mom, Dad, ich habe Angst!"

Wendy zog Brian zu sich und hielt seine Hand.

Tom ging zur Tür und sagte: "Ich suche mal Farlow auf. Ich würde gerne wissen, ob das hier Tagesordnung ist. Vielleicht hat er ja eine Erklärung dafür."

Das Heulen wurde immer lauter.

Gina meinte: "Vielleicht sind Wölfe aus den Zoo ausgebrochen."

"Unmöglich!", sagte Dennis, "Hör doch mal, wie viele das sind. So viele Wölfe besitzt kein Zoo."

Draußen heulten unaufhörlich Wölfe. Jetzt war sich auch Dennis sicher, das es Wölfe sein mussten, so seltsam das auch war.

´Hunde sind das auf gar keinen Fall, das hört sich anders an.´, dachte er.

Melissa wurde durch das Heulen der Wölfe aus ihren Schlaf gerissen. Wie ein Hubschrauber fuhr sie nach oben und stand fast in ihrem Bett.

"Marty? Maaarty, hörst du das?"

Marty hatte allerdings im Gegensatz zu ihr einen festen Schlaf und hörte nicht.

"Maaaaaaarty! Oh Marty, wach doch auf!"

Sie rüttelte ihn wild, aber mehr als ein schnaufen brachte er nicht hervor. Er hatte Probleme mit der Zeitverschiebung und schlief deshalb wie ein Murmeltier.

"Dann gehe ich halt nach Dennis und Tom." Melissa war jetzt eingeschnappt. "Die kümmern sich Bestimmt um mich."

Marty murmelte was, schlief aber weiter seinen Schlaf der Gerechten.

Draußen spazierte Bob Meola durch SEINEN Wald und lauschte fröhlich den Gesang seiner Freunde. Seine Augen funkelten rot und sein höllisches Grinsen entblößte vampirartige Zähne. Er war unterwegs zu SEINER Burg, wo er seinem Herren etwas besorgen würde. Und dann wäre er das, was er schon immer sein wollte: UNSTERBLICH! Sieben Seelen von Verwandten, ob blutsverwandt oder nicht, ganz gleich, waren der Preis zum Freikauf seiner eigenen Seele, die er einst seinem Herren versprach, als er gegen ihn ein Pokerspiel verlor. Er war erst fünfundzwanzig Jahre alt gewesen, und wusste nicht, wer sein Gegner war. Erst, als er kein Geld mehr besaß und seine Seele als Einsatz bieten sollte, wurde ihm klar, dass er den Herrn der Finsternis, dem Fürsten der Dunkelheit gegenüber saß. Bob hatte ihn in einer schäbigen Spelunke in Dawsonville getroffen, wo er ausgab, ein einfacher Wandersmann Namens Louis Seifer zu sein. Auch er hatte die selbe Leidenschaft wie Bob: das Spielen! Und so spielten sie. Jetzt, obwohl er die Antwort ja bereits kannte, stellte er ihm trotzdem mit zittriger Stimme die Frage, wer er nun wirklich sei.

Lachend antwortete der Wandersmann (das war er ohne Zweifel in der Tat, ein Wandersmann): "Man gibt mir verschiedene Namen, manche nennen mich den Teufel, andere Belzebub! Gängige Namen sind auch Satan, Luzifer, Antichrist! Und manche glauben sogar, Gott und ich seien eine Person. Bis auf Letztere haben alle recht und unrecht zu gleich! Mein wirklicher Name ist Legion, denn ich bin VIELE!"

Der Wandersmann lachte schallend und lies Bob das Blut in den Adern gefrieren. Nachdem er seine Partie, und somit auch seine Seele gegen den namenlosen Fürsten verlor, hörte er Aufmerksam zu, was er ihm zu sagen hatte: "Und vergiss nicht! Wer in meinem Bann steht, wie du jetzt, bekommt zu Lebzeiten auch eine Gegenleistung: Ich stehe dir bei. Ich werde DIR dienen! Steht dir jemand im Wege, verfluche diese Peson und ihr wird schlechtes Widerfahren. Dir wird nichts geschehen bis ich dich zu mir rufe. Und meinem Ruf wirst du folgen."

Und dann war es soweit. Er rief. Aber als Bob zu ihm kam, erlebte er eine Überraschung. Sein Herr unterbreitete ihm ein Angebot: "Ich werde dir die Chance geben deine Seele wieder frei zu kaufen und gleichzeitig UNSTERBLICH zu werden. Diese Chance bekommt nicht jeder, nur einer in jedem Jahrtausend. Beim letzten sind es allerdings fast 2000 Jahre her, es war am Anfang des Jahrtausend, nicht am Ende, wie bei dir." Sein Herr lachte spöttisch und verachtend. "Er war der Sohn eines Zimmermanns. Er lehnte ab und schaffte es irgendwie auf die andere Seite! Aber DU mein Freund, kannst sein Gegenstück werden. Ich denke mal, du würdest nicht so eine Enttäuschung abgeben. Und nun zum Geschäft: Bringe mir sieben Seelen deiner Verwandten, egal, ob blutsverwandt oder nicht. Sperre sie in diese Kristallkugel!"

Er gab Bob eine Kugel in der Größe eines Tennisballs. Sie leuchtete in vielen verschiedenen Farben, selbst Farben, die er noch nie zuvor gesehen hatte.

"Ich gebe dir die Macht Menschen mit falschen Bildern zu täuschen. Du wirst so stark sein wie zehn ausgewachsene Männer. Meine Wölfe erhältst du zur Unterstützung. Aber gib auf eines acht: Die Kugel darf nicht zerbrechen. Sie ist ein Seelenfänger. Dort kannst du die Seelen aufbewahren."

Tom stand vor Farlows Zimmer im zweiten Stockwerk. Er wollte gerade anklopfen als Farlow die Tür öffnete. Tom fuhr vor schreck zusammen.

"Uff! Mensch, haben sie mich erschreckt!"

"Oh, tut mir leid Mr. Meola, aber dieses schreckliche Heulen...."

"Deswegen bin ich hier. Ich dachte, vielleicht wüssten sie etwas darüber."

"Nein, ich kann es mir auch nicht erklären, Hier gibt es eigentlich keine Wölfe. Aber da ist noch etwas. Ich glaube es hat sich jemand an ihre Autos zu schaffen gemacht. Als ich aus dem Fenster schaute sah ich eine Gestalt auf dem Parkplatz. Sie rannte anschließend zum Eingangstür. Es wird also jemand sein, der hier anwesend ist."

"Dann muss es sich um Melissa oder Marty handeln, denn alle anderen sind auf dem Speicher. Ich denke, es war Marty. Keine Ahnung warum er so was macht, aber ich traue es ihm zu."

"Und das Heulen? Wo kommen die Wölfe her?" Farlow sprach jetzt etwas leiser und Tom merkte, wie er erschauderte, als Farlow weiter sprach: "Als ich aus dem Fenster schaute bemerkte ich, dass etwas im Wald zu sein scheint. Ich sah rote Augen aus der Dunkelheit starren, eben wie.... Wölfe!"

"Tja, aber wo kommen die her?"

Kurze Pause, dann sprach Tom weiter: "Ich werde mal nach den Autos sehen. Kommen sie mit?"

"Oh, ich passe, ich bleibe lieber hier. Und das würde ich ihnen auch raten."

"Nee, ich werde nachschauen."

"Aber seien sie vorsichtig! Das da draußen klingt ziemlich übel."

"Keine angst, Mr. Farlow. Ich schaue nur nach den Autos."

"Tom? Dennis?"

Keine Antwort.

"Hallo? Wendy? Gina?"

Schweigen.

"Brian?" Melissas Stimme klang jetzt zittrig.

Sie betrat jetzt den Aufenthaltsraum.

´Hier ist es kalt.´, dachte Sie. ´War vor Kurzem die Tür offen?´

. "Hallo? Wo seid ihr denn alle?"

"Bald in der Hölle!"

Sie sah auf und schaute Richtung Tafel. Erst jetzt sah sie, dass ER da war. ER stand auf der Tafel, sprang jetzt runter und näherte sich ihr.

´ER ist da...und ER lebt!´

Ihr Mund stand weit offen vor angst. Sie sah in SEIN Gesicht. Dennis und sein Vater hätten diese Fratze wiedererkannt, wären sie hier gewesen (und Dennis sollte sie auch bald wieder zu Gesicht bekommen). ER stand vor Melissa, ballte seine Faust und schlug ihr in den noch offen stehenden Mund. Der Schlag brach ihr fast alle Zähne. Ihre Mundwinkel rissen völlig ein und der Unterkiefer brach. Bob hatte jetzt seine ganze Faust in Melissas Mund. Melissa spürte den Schmerz im ganzen Körper, der Schock aber verhinderte, dass sie schrie. Ihre Beine gaben nach und wenn ER sie nicht mit der freien Hand an den Haaren festgehalten hätte, wäre sie zu Boden gegangen. Bob öffnete in Melissas Mund die Hand und drückte den Unterkiefer so nach unten, das er samt Haut abriss und zu Boden fiel. Er hielt Melissa immer noch an den Haaren und betrachtete seine vor Blut triefende Hand. Er schaute grinsend nach unten und betrachtete ihren Unterkiefer, der auf dem Boden in einer Blutlache lag. Jetzt ballte er die Faust erneut und wuchtete sie durch Melissas Gaumen, der jetzt frei lag. Mittel- und Zeigefinger der Hand suchten sich durch ihren Kopf den Weg zu den Augäpfeln, die er dann von Innen heraus drückte. Sie fielen mit einem ploppenden Geräusch zu Boden und landeten neben den Unterkiefer.

"Du warst sowieso zu nichts zu gebrauchen, du unfruchtbares Flittchen!"

Während ER Melissa beleidigte (sie war noch nicht tot, bekam aber nur die Schmerzen mit, die Beleidigungen kamen zu sehr aus weiter Ferne), zog ER ihr mit einen Ruck die Gesichtspartie unterhalb der nun leeren Augenhöhlen aus den Kopf. Ihr Gehirn, oder das, was noch davon übrig war, fiel aus den offenen Schädel. Jetzt erst lies Bob den leblosen Körper fallen und brachte die Kristallkugel zum Vorschein. Aus Melissas Körper stieg ein Lichtbündel empor, das in den gleichen Farben leuchtete, wie die der Kristallkugel selbst. Es war ihre Seele, die sich nun auf die Kugel zu bewegte. Das Lichtbündel wurde von der Kristallkugel förmlich aufgesogen und vereinte sich dann mit den Farben in der Kugel. Als dieses Schauspiel vorüber war, lachte Bob. Es war ein entsetzliches, widerliches Lachen, SEIN Lachen! ER lachte und lachte, die Kristallkugel in der linken, Melissas halbes Gesicht in der rechten Hand. Er schaute sich die grotesken Überreste seines Opfers an und dachte: ´Zeit zum Aufräumen.´

"Scheiße, dieser Mistkerl hat ganze Arbeit geleistet!"

Tom starrte entgeistert auf den Verteiler seines gemieteten Wagens. Vorher noch hatte er sich von Dennis die Wagenschlüssel des Plymouths geben lassen, damit er auch unter seiner Motorhaube schauen konnte. In beiden Wagen fehlte die Verteilerkappe. Vor Wut bemerkte er nicht, dass das Wolfsgeheul lauter wurde.

"Na prima! Marty kann was erleben."

Nicht das er wüsste, dass seine Schwester Melissa vor Kurzem noch im Aufenthaltsraum, durch den er gerade ging (davon war nichts mehr zu sehen, ER hatte ganze Arbeit geleistet), ums Leben gekommen war. Der Verdacht fiel nur halt nicht auf sie. Melissa hatte keine Ahnung von Autos. Und Marty baut sowieso immer nur Mist. Dann bemerkte er, das er Dennis´ Schlüssel im Wagen hat stecken lassen. Er ging noch mal zurück um sie zu holen. Als er sie aus dem Schloss zog und sich umdrehte sah er sie.

"Oh mein Gott! Wölfe! Es sind wirklich Wölfe!" Sie kamen näher.

´Sie wollen mich angreifen!´ Tom nahm seine Krücke und humpelte was das Zeug hielt in Richtung Tür.

´Ich schaffe es nicht.´, dachte er und stolperte auf halbem Weg. Tom stand auf und schaute nach hinten.

´Sie sind schon verdammt nah´ Weiter. Einen halben Meter vor der Eingangstür biss sich ein Wolf in Toms Hosenbein.

"Lass mich los, du Drecksvieh!"

Tom schlug das Tier mit seiner Krücke auf die Schnauze. Der Wolf heulte vor Schmerz auf und liest Tom los. Tom humpelte weiter. Der Wolf griff erneut an. Doch diesmal erreichte Tom die Eingangstür. Er lief in die Burg und schlug sie zu. Dabei klemmte er die schon arg lädierte Schnauze des Wolfs ein, der sich darauf mit einen weiteren Schmerzensgeheul zurück zog. Tom drückte die Tür jetzt ganz zu und verriegelte sie. Schwitzend und keuchend glitt er am Türrahmen gelehnt zu Boden.

"In der Falle. Wir sind hier eingesperrt!" Er schaute auf sein zerfetztes Hosenbein.

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Kapitel 5: Die Nacht des Bob Meola

"Hat jemand Marty und Melissa gesehen?", fragte Gina in die Runde, die sich erneut an der Tafel im Aufenthaltsraum versammelt hatte, um die Ereignisse nochmals Revue passieren zu lassen.

"Die pennen da oben und kriegen nichts mit.", entgegnete Tom, "Vielleicht sollte mal jemand die Beiden wecken und hier her holen."

"Nicht nötig.", sagte Tom, "Ich höre Schritte. Sie kommen runter."

Aber es war nur Marty, der nun den Aufenthaltsraum betrat.

"Hey!", rief er, "Was wird hier eigentlich gespielt? Und wo ist Melissa?"

"Wieso, ist sie denn nicht bei dir?", wollte Wendy wissen.

"Nein. Als ich gerade aufwachte, lag sie nicht mehr neben mir. Ich dachte, sie wäre vielleicht bei euch. Und was ist das für ein schreckliches Geheule da draußen? Wem gehören die Hunde? Die sollte man erschießen."

"Hunde?" Tom lachte fast. Wenn die Situation nicht so dermaßen prekär wäre, hätte er Marty jetzt aufgezogen. "Du meine Güte, hört sich das nach Hunde an?"

Marty wurde nun berichtet, was sich dort abspielte.

"Ach, kommt schon Leute!", rief Tom, "Marty weiß doch schon bescheid. Er war schließlich da draußen und hat die Verteilerkappen gemopst. Ich glaube unser guter Freund hier weiß eine Menge. Na los Marty, raus mit der Sprache! Was läuft hier? Und wo ist Melissa?"

"Wovon zum Teufel redet der da?" Marty war jetzt schon fast hysterisch. "Wieso sollte ich so was machen? Hey, vielleicht bist du ja derjenige, der die Verteilerkappen gestohlen hat."

"Wenn du was auf die Fresse haben willst, kannst du das gerne haben, ich...."

"Hey! Hey! Hey! Kriegt Euch wieder ein!" Dennis versuchte die Gemüter wieder zu beruhigen. "Tom, wir wissen es nicht, ob er es gewesen ist, also beschuldige ihn nicht. Es kann doch auch Melissa gewesen sein. Sie ist verschwunden, genau wie die Verteilerkappen. Ich weiß, sie kennt sich eigentlich nicht mit so was aus, aber vielleicht hat sie vor Kurzen ein Buch drüber gelesen."

"Ich wüsste dann gerne, wieso sie so etwas macht.", sagte Tom.

Jetzt übernahm Wendy das Wort: "Marty, wann und wo hast du Melissa zuletzt gesehen?"

"Nach der Besprechung. Da sind wir zu Bett gegangen. Oh Gott, hoffentlich ist ihr nichts passiert."

Dies war das erste Mal, dass Dennis Sorge um Melissa in Martys Gesicht sah. Alle schauten nachdenklich, aber keiner sagte was. Das Wolfsgeheul war das einzige Geräusch. Brian starrte auf seine Steinschleuder, die er sich aus seinem Zimmer geholt hatte. Er fühlte sich ´bewaffnet´ einfach besser.

Dann brach Tom das Schweigen: "Mr. Farlow?"

"Ja, bitte Mr. Meola?"

"Sie sagten, sie hätten einen Schlüssel zum Zimmer meines Großvaters. Hier scheint etwas Eigenartiges vorzugehen, und vielleicht finden wir in SEINEM Zimmer die Antwort auf alles."

"Hey, Tommy, Bruderherz! Gehst du jetzt unter die Parapsychologen?"

"Dennis, hast du irgendeine vernünftige Erklärung für dass, was hier vorgeht?"

"Nein, aber wir werden eine finden. Ach Tom, du glaubst doch nicht an Hokuspokus, oder?"

Jetzt ergriff Gina des Wort: "Und was ist, wenn hier doch etwas gespenstisches geschieht? Denk mal an die Träume, die einige von uns hatten. Hör dir dieses Geheule da draußen doch mal an. Und was ist mit Melissa? Glaubst du tatsächlich sie macht sich mit ein paar Verteilerkappen auf und davon? Das passt doch gar nicht zu ihr."

"Na gut! Dann gehen wir eben jetzt in SEIN Zimmer.", sagte Dennis, obwohl ihm dabei doch ein wenig unwohl war, "dann werdet ihr sehen, dass da nichts ist."

Sie gingen, und keiner von Ihnen bemerkte, dass eines der Schwerter, die über dem Kamin hingen, verschwunden war.

"So!", sagte Farlow, "Ich schließe ihnen dieses Zimmer auf! Aber ich werde nicht mitkommen. Ich ziehe mich auf mein Zimmer zurück und werde versuchen, etwas Schlaf zu finden. Dass heißt, wenn ich bei diesem Gejaule einschlafen kann. Wenn sie etwas rausfinden, wecken sie mich ruhig und lassen es mich wissen. Ansonsten sehen wir uns morgen um zwölf!" Er schloss die Tür auf und ging nach oben.

"Komischer Kauz.", sagte Dennis, als Farlow nicht mehr zu sehen war. "Ob er was mit der ganzen Sache zu tun hat?"

"Dennis!", fauchte Wendy ihn an. "Du willst den armen Farlow doch nichts anhängen, oder?"

"Nein, aber..."

"Also Leute", unterbrach Tom, "wollen wir da nun reingehen, oder hier versauern?"

Also betraten sie den Raum. In der Mitte stand ein Tisch, an jeder Seite ein Stuhl. An der rechten Wand stand ein Schrank voller Bücher, an der linken ein Bett. Jeder von ihnen bemerkte eine beklemmende Atmosphäre, die dieser Raum beherbergte. Brian zog vorsichtshalber seine Steinschleuder und bestückte sie mit einer Kastanie, als würden sie etwas ausrichten können, sowie ein Holzpflock im Herz eines Vampirs. Tom schaute zum Schrank mit den Büchern. "Nun schaut euch das mal an!", sagte er.

Der Schrank enthielt zwei Arten von Büchern. Die einen waren über Rituale und Teufelsmessen, die anderen waren Tagebücher. Dennis nahm ein Buch mit dem Titel "Rituale und Schwarze Magie" aus dem Schrank, schlug es auf und schmunzelte.

"Also so einen Mist habe ich lange nicht mehr gesehen."

Während sich Dennis über "Rituale und Schwarze Magie" lustig machte, schaute sich Tom ein Tagebuch an. Es war ein Tagebuch von Robert Fitzgerald Meola.

Deputy Marc Robertson kotzte sich auf dem Chicago-South-Cementery die Seele aus den Leib.

"So etwas Abstoßendes hab ich in meiner gesamten Laufbahn bei der Polizei noch nie gesehen!", schimpfte Terry Janetty, Sheriff vom Bezirk Dawsonville, zu dem auch der Friedhof gehörte.

"Wer zum Teufel macht denn so was?", stöhnte Marc nachdem er sich auch vom letzten seines Mageninhaltes verabschiedet hatte.

"Da sagst du was!", erwiderte Terry. "Keine Ahnung, wer so was macht, aber eines sag ich dir: Wenn ich diesen Dreckskerl in die Finger bekomme, wird mich jemand zurückhalten müssen, sonst bringe ich ihn um! Sag mal Marc, was hältst du davon?" Terry deutete auf das leere Grab.

"Halt mich nicht für verrückt, Terry. Aber es sieht so aus, als hätte sich der alte Meola ausgegraben und den armen Charly mit seiner eigenen Motorsäge niedergemetzelt."

Terry schaute noch einmal entsetzt auf die zwei Charly-Goose-Hälften. Fliegen machten sich darüber her.

"Hey!", schrie er die Gerichtsmediziner an, "Seid ihr endlich fertig, damit wir ihn zudecken können?"

Er betrachtete das aufgewühlte Grab.

"Tja, ich glaube, genau das sollen wir glauben. Der Mörder ist nicht nur pervers, er spielt auch noch schaurige Spielchen mit uns."

"Ich frage mich, ob diese Verwandten von Meola was damit zu tun haben."

"Was meinst du, Marc? Welche Verwandten?"

"Nun ja, ich habe gehört, dass da oben auf dem Meolasitz morgen diese Testamenteröffnung stattfindet. Der alte Meola muss was hinterlassen haben, und jetzt sind alle seine Verwandten da oben."

"Na so was, Marc! Dann schauen wir uns die Vögel doch mal an."

Dennis und Tom saßen wie versteinert am Tisch in Bob Meolas Zimmer und lasen SEINE Tagebücher.

"Tom, das ist nicht möglich was hier steht, so etwas gibt es nicht."

"Es ist alles genau so passiert, Dennis. Hier, das war kurz bevor Dad starb. Er verfluchte uns. Dad fiel vom Gerüst, Du bekamst deine Rückenprobleme, Mom hatte den Schlaganfall und ich hatte den Unfall."

"Und Melissa?"

"Ich schätze, sie ist seitdem unfruchtbar!"

Das bekam Marty mit, denn die anderen vier betraten gerade den Raum.

"Hey! Wenn du Ärger haben möchtest, brauchst du das nur zu sagen!"

"Marty, das ist ernst.", sagte Wendy und hielt Marty fest.

"Dann hat er auch Lisa durch seinen Fluch umgebracht?"

Dennis zeigte Tom das Tagebuch, dass er gerade las. Darin stand, dass ER im Jahre 1986 Lisa mit dem Fluch tötete.

"Ja, Dennis, so wird’s wohl gewesen sein, ich..."

"NEIN! DAS IST NICHT WAHR!!! So etwas gibt es nicht!!!"

Dennis wurde knallrot vor Wut und Verzweiflung. Tom nahm den weinenden Dennis in den Arm. Wendy drückte Brian an sich und ging mit ihm in die Küche.

Marty verdrehte die Augen: "Ach du meine Güte, Dennis, du flennst ja wie ein kleines Kind! Man bist du peinlich!"

Das war zuviel für Dennis. Er riss sich von seinen Bruder los und schlug Marty mit der Faust ins Gesicht, der daraufhin benommen zu Boden fiel. Dann wollte Dennis sich auf ihn stürzen, aber Tom hielt ihn fest.

"Ruhig Dennis, das ist der Kerl doch nicht wert."

"TOM! Lass mich los! Der Drecksack bekommt jetzt eine Abreibung, die sich gewaschen hat!"

"Die hast du ihm schon gegeben. Es reicht jetzt."

Marty saß auf dem Boden und holte sich einen Backenzahn aus dem Mund. Dann spuckte er Blut auf Bobs kostbaren Teppich.

"Sag mal Dennis, jetzt bist du wohl total durchgeknallt! Ich werde dich verklagen!", schnauzte Marty Dennis an.

"Mach doch!", giftete Dennis zurück.

"Also nein, mir reicht das jetzt!", sagte Gina. "Ich geh jetzt auf mein Zimmer und lege mich etwas hin!"

"Nein Gina!", rief Tom ihr hinterher. "Warte auf mich, du gehst da nicht alleine hoch."

"Ach ihr mit eurem Hokuspokus!"

Tom fiel ein, wie sie sich draußen im Wagen unterhielten. Da war es Gina, die Angst hatte in die Burg zu gehen, und er selbst glaubte nicht, dass was Schlimmes passieren könnte. Aber das war ihm jetzt egal, er wollte Gina nicht alleine lassen.

"Du hast die Tagebücher nicht gelesen. ER ist hier."

Gina lief ohne auf Tom zu hören die Treppe hinauf. Tom humpelte mit seiner Krücke hinterher, kam aber nicht nach. Als er Bobs Raum verließ sah er sie stocksteif oben auf der ersten Stufe der Treppe stehen, die zum ersten Stockwerk führte. ER stand vor ihr, Bob Meola. Sie sah IHN mit großen Augen an und konnte sich nicht bewegen. Von unten schrie Tom: "GINA! Geh da weg, komm wieder her!"

Dann brachte Bob das Schwert zum Vorschein, das eben noch über dem Kamin hing.

Tom wollte die Treppe hinaufstürzen, aber Dennis und Marty standen inzwischen hinter ihm und hielten ihn fest. Dennis sagte: "Nein Tom, bleib hier, das hat keinen Sinn mehr!"

"GIIIIINAAAAA, um Gottes Willen runter."

Aber sie schien ihn nicht zu hören, war wie hypnotisiert. Bob holte mit dem Schwert aus und köpfte sie. Ginas Kopf rollte wie ein grotesker Ball die Treppe hinunter und landete genau vor Toms Füße. Auf der gesamten Treppe war Blut. Vom Gebrüll angelockt wollten Wendy und Brian aus der Küche raus.

"Nicht!", schrie Dennis, bleibt da!"

Tom starrte geistesabwesend auf den Kopf seiner Frau. Dennis musste ihn zur Seite zerren, denn inzwischen kam Ginas toter Körper die Treppe runter und hätte Tom beinahe umgerissen. Dies holte Tom aus seinen Bann, und als er den leblosen Körper seiner Frau erblickte fing er an zu schreien: "NEEEEIIIIIIIIINNNNN!!! GIIIINNNAAAAAAAAA!!!!" Jetzt kamen Wendy und Brian doch aus der Küche und konnten das ganze Spiel mit verfolgen, dass sich danach abspielte. Bob brachte die Kugel zum Vorschein. Ginas Seele löste sich von ihrem Körper, wie zuvor auch schon bei Melissa (was natürlich keiner von ihnen wusste).

´Die Farben!´, dachte Brian und wurde an seine Träume erinnert.
Er bekam eine Gänsehaut. Der Farbschweif bewegte sich auf die Kugel zu und als er in ihr eindrang, wurden alle geblendet. Ein Gelächter ging durch den Flur und hallte wieder. Als sie wieder sehen konnten, war Bob Meola verschwunden.

Auch Wendy musste an ihre Träume denken. Auslöser dafür war Ginas abgetrennter Kopf. Sofort lief sie weinend Dennis in den Arm.

Sie flüsterte: "Wir müssen hier raus! Denk daran, was ich noch in meinen Träumen gesehen habe."

Beide schauten zu Brian, der verstört auf Ginas Leiche starrte. Jetzt lief Wendy zurück zu ihren Sohn und zog ihn an sich.

"Schau da nicht hin, Liebling."

Dennis ging zu Tom der weinend in der Ecke saß. Er setzte sich daneben, und legte einen Arm um ihn.

Farlow packte. Er wusste nicht, was da unten gerade geschah, aber es musste was Schlimmes sein.
´Ich muss hier irgendwie raus!´, dachte er, wusste allerdings nicht, wie er das anstellen sollte. Ihm würde schon etwas einfallen. Plötzlich bemerkte er, wie die Müdigkeit über ihn hereinbrach. Er verließ sein Zimmer und ging ins Bad. Er drehte das kalte Wasser am Waschbecken auf und wusch sich übers Gesicht. Er schaute in den Spiegel und bemerkte voller entsetzen, dass er blutverschmiert war. Farlow blickte hinunter und merkte, dass aus dem Wasserhahn Blut anstelle von Wasser floss. Er schrie kurz auf und bewegte sich rückwärts Richtung Badezimmertür. Dabei verließ sein erschrockener Blick das jetzt rote anstatt weiße Waschbecken nicht. Plötzlich schoss eine Blutfontaine auch aus den Abfluss des Beckens. Erneut schrie er kurz auf und noch ein weiteres mal, als plötzlich auch aus den Hähnen der Wanne, der Dusche und auch dessen Abflüsse schoss. Das Badezimmer glich nun einen Platz, an den ein Massenmord stattgefunden haben musste. Alles war voller Blut. Der Spiegel, der Duschvorhang, die Handtücher, die gekachelten Wände waren jetzt rot. Farlow selbst war von oben bis unten besudelt. Voller Panik lief er aus dem Bad in sein Zimmer. Wieder schrie Farlow auf, denn dort stand ER.

"Ich wünsche ihnen einen wunderschönen guten Abend Mr. Farlow. Sie sind ja völlig außer Atem."

"M...M.. Mister Meola???" Farlow sah an sich runter. Nichts! Er war sauber, kein Blut.

"Sie wollen mein Testament eröffnen? Aber, aber, sehe ich so aus, als wäre ich tot?"

Farlow war kreidebleich. Sein Mund war trocken und brachte nur ein kaum hörbares Krächzen aus seiner Kehle hervor.

"Was haben sie gesagt?" Bob lächelte, aber seine Augen blitzten rot auf und waren voller Hass.

"N...n.. nein, Mr. Meola. Ich wollte..."

"Mr. Farlow, sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. Also, ich würde nicht gerne in ihrer Haut stecken. Was meinen sie?"

"Nein", wimmerte Farlow mit feuchten Augen.

"Wissen sie was?", fragte ER und zog ein Schweizer Armeemesser aus seiner Tasche, das er aus Brians Tasche geklaut hatte, "Ich helfe ihnen da raus. Eigentlich brauch ich sie ja nicht, aber ich kann ihnen den kleinen Gefallen nicht ausschlagen, ich werde ihnen aus ihrer Haut helfen."

Eine viertel Stunde, nachdem Dennis seinen Bruder einen tröstenden Arm umgelegt hatte, saßen die restlichen Überlebenden an der Tafel. Alle Tagebücher lagen verstreut darauf herum. Sie studierten SEINE ganze Geschichte, Tom mit roten Augen und etwas geistesabwesend. Sie erfuhren auch, warum sie hier waren, was ER mit ihnen vorhatte. Sie waren genau zu siebt, und sieben Seelen brauchte ER um seine eigene verfluchte Seele freikaufen zu können, und unsterblich zu werden. Sieben Namen, die er in sein Testament schrieb, und durch Farlow als Werkzeug, hierher lockte. ER hatte veranlasst, dass sie hier nicht mehr wegkamen, wobei ihm die Wölfe und ein paar geklaute Verteilerkappen halfen.

"Wir stecken ganz schön tief in der Scheiße!"

"Dennis!", fauchte Wendy ihren Mann an, "Du verängstigst den Jungen immer mehr!"

Brian hing zitternd an seiner Mutter. Die letzten Ereignisse waren schließlich von einer solchen Groteskheit geprägt, die nicht spurlos an ein Kind vorbeigehen konnte.

"Oh, tut mir leid!" Dennis schaute den Jungen hoffnungserweckend an.

"Hey, Tiger! Das schaffen wir schon."

Er lächelte Brian an und streichelte ihn durchs Haar. Müde und mit einem traurigen Gesichtsausdruck erwiderte der Junge das Lächeln."

Dann brach langes Schweigen ein. Ausgerechnet Tom, der nach den Tod seiner Frau vor lauter Trauer nicht mehr als Schluchzen von sich gab, unterbrach diese beklemmende Ruhe: "Wir müssen es hinter uns bringen, IHN zur Strecke bringen, bevor er uns zur Strecke bringt." In Toms Gesicht stand nun blanker Hass geschrieben.

"Ja, Tommy," fiel Dennis ein, "aber wie sollen wir ein solches Wesen zerstören?"

Tom zuckte mit den Schultern.

"Ganz einfach!"

Alle schauten zu der Person, die das gesagt hatte. Es war Brian.

"Wenn du jetzt sagst, mit der Steinschleuder, nehme ich sie dir für immer ab, junger Mann."

"Nein Dad.", sagte er und gab seinen Vater eins der Tagebücher.

"Seite 12, ab Zeile 15."

Dennis las laut vor, was dort geschrieben stand:

 

"...und er Sprach zu mir: Aber gib auf eines acht: Die Kugel darf nicht zerbrechen. Sie ist ein Seelenfänger. Dort kannst du die Seelen aufbewahren. Zerbricht die Kugel, geht dies nicht mehr! Und dann musst DU anstelle der Seelen an meiner Seite die Ewigkeit verbringen, anstatt auf Erden zu wandern."

"Wir müssen diese komische Kristallkugel zerstören, die ER mit sich trägt.", posaunte Brian aufgeregt heraus.

Dennis schaute ihn anerkennend an. Brian schaute stolz und verlegen zu gleich in die Runde.

Dann platzte es Marty heraus: "Das ist ja Absurd. Wie sollen wir denn bitteschön an die Kugel herankommen? ER hat sie immer bei sich und holt sie erst dann zum Vorschein, wenn ER einen von uns erledigt hat. Wollt ihr darauf warten? Ja? Wollt ihr jemanden opfern? Hey! Dennis, wie wär’s mit deinem Junior und seinen schlauen Ideen hier?"

Brian zuckte ängstlich zusammen und drückte sich fest an seiner Mutter.

Dennis stand auf: "Wie wäre es mit dir, du schleimige Kröte? Du Arschloch! Findest du es gut, Kinder so zu erschrecken?"

Dennis musste erneut von den anderen zurückgehalten werden, damit er nicht schon wieder auf Marty losging.

Tom, immer noch mit roten Augen, aber jetzt wieder mit etwas Farbe im Gesicht, rief: "Komm, Dennis, beruhige dich! Es hat keinen Zweck gegeneinander zu Kämpfen. Wir müssen zusammenhalten, sonst hat ER schon gewonnen. Und Marty, könntest du dich auch etwas zügeln? Vergiss bitte nicht, das Melissa verschwunden ist. Aber bei eines muss ich dir recht geben Marty: Wir müssen IHM die Kugel entreißen, und das wird nicht gerade einfach sein."

"Ich sage, es ist unmöglich.", erwiderte Marty.

"Nein, vielleicht nicht ganz.", fiel Tom ein, "Wenn wir zusammenbleiben, haben wir eventuell eine Chance. Er hat meine Gina getötet als sie alleine war. Und falls er Melissa auch erwischt haben sollte, was ich nicht hoffe, war sie ebenfalls alleine. Außerdem hat ER sich nach Ginas Tod sofort zurückgezogen. ER weiß, dass es sonst gefährlich für ihn sein könnte. Wenn wir uns einzeln aufmachen, ist es um uns geschehen, dann wird es zur Nacht des Bob Meola!"

"Tja, Tom, ich finde du hast recht, wir sollten zumindest zu Zweit..."

Dennis wurde durch einen Schrei, der von irgendwo aus dem Schloss kam, unterbrochen.

"Was zum....."

Noch ein Schrei.

Tom fuhr plötzlich hoch:" Farlow! Oh mein Gott, wir haben Farlow vergessen. Wir müssen zu ihm hin!"

Alle rannten nach oben in das zweite Stockwerk. Während sie hoch rannten, hörten sie Farlow schreien, bis sie die erste Etage passierten. Dann wurde es still.

"Farlows Zimmer ist die zweite Türe rechts.", sagte Tom, als er hinter den anderen erschien. Er war wegen seines Beins etwas zurückgefallen.

"Bleibt lieber etwas hinter mir, ich vermute, das ist irgendwie besser.", sagte Dennis und klopfte, betrat dann Farlows Zimmer. Nichts.

"Mr. Farlow?" Dennis schaute sich um.

"Er scheint nicht hier zu sein."

Tom betrat ebenfalls das Zimmer. Wendy wartete mit Brian draußen und niemand bemerkte, dass Marty die ganze Zeit fehlte.

"Wo ist Farlow, Dennis?"

"Keine Ahnung, Tom, vielleicht kamen die Schreie ja von wo anders. Oder es war nicht Farlow."

"Wer denn sonst? Melissa? ER selbst? Und wo ist dann Farlow?"

Dennis starrte auf Farlows Schrank.

"Dennis? Was ist?.....Oh mein Gott, jetzt sehe ich es auch. Hey, Wendy, bleib bloß mit Brian draußen!"

Dennis ging vorsichtig zum Schrank. Tom stand hinter ihm. Sie starrten beide auf das, was sie gesehen hatten. Aus dem Türspalt des Schranks sickerte unten Blut durch. Dennis drehte sich zu Tom um.

"Geh lieber zur Seite. Mir ist lieber, dass du ein Auge auf Wendy und Brian wirfst."

Tom nickte und ging in Richtung Tür, konnte aber seinen Blick nicht abwenden, obwohl er eigentlich nicht scharf darauf war, den Inhalt des Schranks zu sehen. Dennis öffnete die Tür. Farlow fiel heraus, oder das, was von ihm übrig war. Eigentlich war er komplett, bis auf die Tatsache, dass seine Haut fehlte.

´Oh mein Gott, ER hat ihn gehäutet!´, dachte Tom.

Ohne ein Wort zu sagen lief Dennis an ihm vorbei, dann an seiner Familie, und rannte ins Badezimmer. Es war sauber, das Blut, war nur eine Vision eines Menschen, der jetzt nicht mehr lebte. Als Dennis damit fertig war, sich zu übergeben, drehte er sich um, wo inzwischen sein Bruder, seine Frau und sein Sohn standen.

"Das mir da keiner mehr reingeht.", mahnte er.

"Was ist denn mit Mr. Farlow?", wollte Brian wissen.

"Er ist tot, Schatz.", antwortete Wendy, die es nicht gesehen hatte, sich aber denken konnte. Dennis´ und Toms Schweigen waren dafür eine Bestätigung.

Dennis wusch sich das Gesicht. Diesmal kam Wasser aus dem Hahn. Hätte Dennis gewusst, was Farlow anstelle dessen sah, wäre er eine Etage tiefer gegangen, ins Badezimmer des ersten Stockwerks.

"Entschuldigung?", fragte Tom, "Wo ist eigentlich Marty?"

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Kapitel 6: Der Geheimgang

Zum gleichen Zeitpunkt, als Farlow voller Panik aus dem Badezimmer im zweiten Stockwerks des Meola-Besitzes rannte, fuhren Sheriff Terry Janetty und sein Deputy Marc Robertson in den Wald. Terry war noch immer ziemlich sauer über die Schweinerei, die der Mörder auf dem Chicago-South-Cementery hinterlassen hatte.

"Wenn ich den Dreckskerl erwische, hänge ich ihn bei den Eiern auf, darauf kannst du wetten, Marc!"

"Lass mir aber bitte auch noch was übrig! Wegen dem hab ich mein Mittagessen auf dem Friedhof lassen müssen. Meinst du, es war einer von seinen Verwandten?"

"Ich glaube ja. Die sind bestimmt alle so krank, wie der Alte es war.", antwortete Terry

"Wieso glaubst du, haben sie Charly umgebracht?"

"Weil die Meolas von Natur aus geistesgestörte Psychopathen sein müssen. Ich jedenfalls werde die mal gründlich unter die Lupe nehmen. Und wehe denen, ich finde nur einen einzigen Anhaltspunkt, EINEN EINZIGEN!!!"

Terry hatte inzwischen großen Hass aufgebaut.

"Aber vielleicht was es ja auch keiner von denen, Terry, ich..."

"Das werden wir ja noch sehen!", fuhr Terry Marc an, "Ich vermute ziemlich..."

"Achtung! Terry! Ein Hund!", schrie Marc.

Der Hund, der in Wirklichkeit ein Wolf war, tauchte plötzlich vor ihnen auf. Terry trat die Bremse voll bis zum Bodenblech durch, bemerkte aber, dass er es nicht mehr schaffen würde anzuhalten, ohne das Tier zu erwischen. Deshalb zog er das Lenkrad nach rechts. Sie rasten die Böschung runter in den Wald, und nach hundert Metern knallten sie gegen einen Baum.

"Ist doch alles Schwachsinn!", fluchte Marty vor sich hin.

Er war im Aufenthaltsraum geblieben und wollte ein Buch lesen. Aber keins dieser idiotischen Tagebücher oder den lächerlichen Ritualbüchern. Nein, er würde sich eines dieser Bücher aus dem großen Regal nehmen, auf Melissa warten, bis sie wieder auftauchte, das Problem mit der Verteilerkappe lösen (falls es überhaupt eins gab und Tom ihn nicht belogen hatte) und dann hier verschwinden, Hunde hin, Hunde her (Wölfe! Was für ein Käse). Dieser Bob lebte, das war ihm klar, ein wahrer Psychopath. Aber er würde jetzt selbst das Heft in die Hand nehmen. Wenn er hier fort war, würde er nach Dawsonville runter und gnädigerweise die Polizei hier hoch schicken.

´Und was ist, wenn ER hier auftaucht während du hier sitzt und auf Melissa wartest?´, dachte Marty, ´Oder Melissa nicht mehr auftaucht und tot ist?´

Quatsch! ER kommt nicht. Und wenn, dann würde er fliehen und nicht einfach auf der Treppe stehen bleiben, wie diese dumme Gans Gina. Er ging zum Bücherregal. Wenn Melissa in der nächsten viertel Stunde nicht auftauchte, dann würde er sich alleine auf den Weg machen, den Wagen kurzschließen und tschüss! Er betrachtete die Bücher im Regal. Vielleicht gäbe es ja hier welche mit Wirtschaftstipps und könnte so einen neuen Weg finden, Geld zu machen. Marty durchstöberte die Bücher, als er an der rechten Außenseite des Regals einen Luftzug spürte.

"Was zum Henker..."

Er hielt seine Hand an der Spalte zwischen Bücherregal und Wand. Ein Luftzug. Eindeutig. Marty grinste, denn er konnte sich denken was es war. Er hatte was entdeckt, bevor es einer dieser Schwachköpfe bemerkte. Einen Geheimgang! Er suchte die ganze Kante nach etwas ab, was die Geheimtür öffnen könnte, als sein Blick auf ein Buch fiel, dass sich auf seiner Augenhöhe befand. ´GEHEIMGÄNGE IN BURGEN´ lautete Titel. Er nahm es und blätterte darin rum.

"Das ist ja ´Hänsel und Gretel´! Ein Kinderbuch?"

Er stellte fest, dass das Buch nur einen falschen Umschlag trug, auf dem ´GEHEIMGÄNGE IN BURGEN´ stand, in der Tat war es aber ´Hänsel und Gretel´.

Er suchte das Regal nach einem Buch ab, das einen Umschlag mit dem Titel ´HÄNSEL UND GRETEL´ trug, erhoffte sich so, das richtige Buch zu finden. Fehlanzeige. Er blätterte nochmals ´Hänsel und Gretel durch. Vielleicht würde er ja einen Hinweis finden, etwas, das nichts mit Kinder zu tun hatte, die sich im Wald verirrten, oder mit einer Hexe, oder Lebkuchen, sondern was ihm helfen könnte diesen verdammten Geheimgang zu öffnen. Er fand nichts, außer dieser dummen, beschissenen Gebrüder-Grimm-Story, die er schon als Kind hasste. Er wollte das Buch gerade wieder in die Lücke stellen, dann zog er es wieder zurück. Er hätte sich selbst in den Hintern beißen können. Was war er doch für ein Idiot, dachte er und verfluchte sich selbst. Er hatte die ganze Zeit nach einem gottverdammten Buch gesucht. In der Lücke erblickte er einen Schalter. Er warf ´Hänsel und Gretel´ in die Ecke und betätigte ihn. Das ganze Regal bewegte sich wie von Geisterhand um 360 Grad. Er konnte sehen, wie in diesem geheimen Raum, der sich dahinter befand, von irgendwo her das letzte Tageslicht einfiel.

´Vielleicht ein Fluchtweg.´, dachte er.

Er drückte abermals auf den Schalter und erneut drehte sich das Bücherregal. Martin Shawn betrat den Geheimgang.

Totale Dunkelheit umgab Deputy Marc Robinson. Aber die Welt um ihn herum hellte sich langsam wieder etwas auf. Was war passiert? Er wusste es nicht mehr. Doch dann schlug Marc sein linkes Auge auf und sah, wo er war. Er saß auf dem Beifahrersitz eines Streifenwagens aus dem Fuhrpark des Polizeirevier Dawsonville. So langsam kamen die Erinnerungen zurück.

´Der Hund...´

War es ein Hund?... Er wusste es nicht mehr, aber irgendetwas hat auf dem Waldweg gestanden. Terry wich dem aus, was immer es auch war, und fuhr dann die Böschung runter, und.....

´Terry!´

Er schaute nach links und sah Terry neben sich sitzen. Er rührte sich nicht und sein Gesicht war voller Blut.

´Oh Gott! Er ist tot!´

Doch dann fing Terry an zu stöhnen und Marc atmete tief durch. Er bemerkte, dass er die ganze Zeit nur durch sein linkes Auge gesehen hatte. Marc versuchte nun das Rechte zu öffnen, was ihm nicht gelang.

´Ach du scheiße, ich bin halb blind. Habe ich das Auge verloren?´

Panik machte sich in Marc breit. Er ertastete mit der linken Hand sein rechtes Auge. Es war nur mit Blut verklebt, das aus einer Platzwunde über dem Auge floss. Er öffnete es mit seinen Fingern. Er fragte sich, ob er sonst noch irgendwo verletzt war. Er schaute rüber zu Terry. Er musste ihm helfen. Als er sich ein wenig drehte fuhr ein Schmerz durch seinen Körper. Er musste sich auf der rechten Seite eine Rippe gebrochen haben, doch dem schenkte er nur wenig Aufmerksamkeit. Vielmehr war es ein seltsames Geräusch, dass er hörte.

´Was war das?´, dachte er.

Und wieder. Jetzt erkannte er es. Es hörte sich wie ein Wolf an. War es das, was den Unfall verursachte? Und überhaupt, was macht ein Wolf in Chicago? Dann kam Marc ein ganz absurder Gedanke: ein Werwolf!

Aber wer weiß, vielleicht stimmt das sogar. Schließlich sind eine Menge Meolas in der Nähe – und das sind wirklich schräge Typen. Aber sind die wirklich alles so? Das war das, was Terry glaubte. Und hatte er recht? Marc wusste es nicht. Er stieg vorsichtig aus den Wagen und ging, sich die Rippe haltend, um den Wagen herum zur Fahrertür. Dabei sah er etwas, dass ihm sowohl die schmerzende Rippe, als auch den (Wer)Wolf vergessen ließ. Aus dem Tank rann Benzin.

"Hey Terry! Wir müssen hier weg!"

Marc öffnete die Fahrertür und sah, das Terry jetzt wach war.

"Was ist passiert? Marc, was..."

Wieder Wolfsgeheule. Diesmal schon näher.

"Marc, was war das? Was geht hier vor?"

"Terry, kannst du gehen? Wir müssen hier we....."

Marc wurde das Wort im Mund abgeschnitten, als er einen schmerzenden Stoss an die linke Seite bekam, und etwa zwei Meter weit vom Wagen geschleudert wurde. Als er aufsah, blickte er dem (Wer)Wolf direkt in die funkelnden Augen.

Terry sah seinen Deputy plötzlich verschwinden. Er war nicht so verletzt, wie es den Anschein hatte. Er löste den Sicherheitsgurt und schaute in die Richtung, aus der jetzt schreie ertönten. Entsetzt sah er, wie Marc von einen Wolf zerrissen wurde. Er konnte sehen, wie sich die Bestie über das noch schreiende Fleischbündel hermachte, das mal sein bester Deputy gewesen war. Blut spritzte dem Wolf über den Pelz. Terry spürte, wie sein Kopf vor Schmerzen auseinander zu platzen drohte. Ohne sich zu fragen, was ein Wolf in dieser Region der Vereinigten Staaten machte, zog er seine Dienstwaffe aus seinem Halfter. Jetzt schaute der Wolf Terry an. Er schien zu grinsen, hatte noch ein Stück von Marcs Eingeweiden zwischen den Fängen hängen und seine Augen glühten rot. Terry zielte auf den Kopf der Bestie, aber seine Hände zitterten wie Espenlaub.

"Das ist für Marc, du Mistvieh!", schrie er und drückte ab.

Der Schuss verfehlte den Wolf. Terry hob erneut seine Waffe, schoss, und traf wieder nicht. Der Wolf kam weiter auf ihn zu. Jetzt erst hörte Terry, dass dieser Bastard nicht der einzige Wolf im Wald war. Um ihn herum heulten Hunderte von Wölfen auf. Jetzt war die Bestie schon sehr nahe. Terry schoss ein drittes mal und traf, aber nicht den Wolf, sondern die Benzinpfütze in der das Vieh jetzt stand, vor der Marc ihn warnen wollte, es aber nicht mehr konnte. Es gab eine Explosion, die wahrscheinlich noch in Dawsonville zu hören war... jedenfalls konnte man sie auf dem Meola-Besitz hören. Gnädigerweise tötete die Explosion Sheriff Terence Janetty, denn der Wolf war schon zu nahe gewesen, als das er noch mal hätte schießen können.

Marty tastete sich vorsichtig die Stufen hinauf. Das Licht, das er gesehen hatte, war nicht so stark gewesen, wie er vermutete, und nahm immer mehr ab. Als sich der Geheimgang hinter ihm schloss, war es dunkler geworden, als ihm lieb war. Aber etwas Licht bekam er dennoch und konnte zwei Dinge erkennen: Eine Luke, die wohl ins Kellergewölbe führen musste und eine Wendetreppe. In den Keller wollte er auf keinen Fall, da war es bestimmt noch dunkler. Einen Lichtschalter gab es schon hier oben nicht, wieso sollte es unten einen geben. Also entschloss er sich die Wendetreppe hochzugehen, in Richtung Licht, das von dort oben kommen musste.

´Die führt wohl einen der Türme hinauf.´, dachte er und ging weiter.

"Melissa? Bis du hier?"

Er näherte sich dem Turm. Marty konnte immer besser sehen, je höher er die Treppe hinauf ging.

"Melissa?"

Er kam oben an und jetzt sah er sie, oder das, was von ihr übrig geblieben war. Mit offenem Mund starrte er auf die Leiche seiner Frau, genau wie Melissa selbst, als sie IHN sah.

"MELISSAAAAAAAAA!!!"

Eine Explosion schreckte Marty auf. Er stürzte zum Fenster des Turms und sah einen Feuerball aus den Wald aufsteigen. Dennoch verlor er schnell wieder das Interesse daran und wendete sich wieder Melissas groteske Überreste zu.

"WER WAR DAS? WER HAT DIR DAS ANGETAN!!!"

Aber Marty wusste genau, wer es war und starrte auf Melissas leblosen Körper. Er wollte es nicht, konnte seinen Blick aber nicht abwenden. Diesmal war es keine Explosion, die Marty aufschrecken ließ, sondern eine Stimme – SEINE Stimme.

"Da fehlt was, nicht war Marty? An deiner Frau fehlt was!"

Da stand ER. Direkt oberhalb der Wendetreppe. Es war ein Fehler hier hinauf zu kommen, er war IHM ausgeliefert, es gab keinen Fluchtweg. ER hatte etwas in der Hand. War es die Kugel? Marty spürte so was wie Hoffnung in ihn aufkeimen. Er könnte die Kugel zerstören und somit auch IHN. Er würde dadurch nicht nur sich das Leben retten, sondern auch das der anderen. Er wäre ein Held. Und sie wären ihm alle etwas schuldig.

"DU! Du Mistkerl hast sie getötet!"

Er musste IHN jetzt reizen. Je mehr Wut ER hatte, desto weniger würde ER auf die Kugel achten. Da hat dieser beschissene, kleine Rotzbengel doch tatsächlich recht behalten. Marty hatte an diesen ganzen Hokuspokus nicht geglaubt, aber jetzt war es seine einzige Chance.

"Du Drecksack hast sie umgebracht!", wiederholte Marty.

"JAAA!" Bob hielt nun den Gegenstand hoch, "Und ich habe noch ein Souvenir davon!"

Betroffen musste Marty feststellen, dass es nicht die Kugel war. Im schwindenden Licht erkannte Marty das an der Leiche fehlende Gesicht seiner Frau. Jetzt war ihm alles egal. Jetzt wollte er sterben, aber nicht durch SEINE Hand. Er nahm Anlauf und sprang schreiend aus dem Turmfenster. Marty riss im Fallen die Augen auf, als er sah, wohin er fiel. Es war die Umzäunung des Meola-Besitzes.

´Ich werde wohl doch durch seine Hand sterben. Niemand, selbst ich nicht, kann so weit springen. ER hat nachgeholfen.´

Marty wurde von drei Spitzen aufgespießt. Eine bohrte sich durch sein linkes Auge und kam aus dem rechten Ohr wieder heraus, die Zweite durch seinen Brustkorb und durch den linken Lungenflügel. Sein linkes Bein verfing sich in die dritte Spitze. Unter seinem noch zuckenden Körper bildete sich eine Pfütze, halb aus Blut und halb aus Wasser bestehend, das sich hier aus den Stark eingesetzten Regen bildete. Nach einiger Zeit setzte sich seine Seele von seinem Körper ab und schwebte in einem Meer von Farben auf das Turmfenster zu. Jetzt verschwand auch das letzte Tageslicht, das Martin Shawn je in seinem Leben gesehen hatte.

"Wir müssen uns wohl doch trennen!", sagte Dennis, "Wir vermissen jetzt bereits zwei Personen und wir finden sie nur, wenn wir mehrere Gruppen bilden, dass heißt, wenn die beiden noch leben."

"Aber Schatz", warf Wendy ein, "du hast gesagt, wir dürfen nicht alleine durch die Burg."

"Werden wir auch nicht. Wir bilden zwei Gruppen mit je zwei Leuten. Wenn wir uns aufteilen, finden wir IHN auch schneller. Ich schlage vor, ich gehe mit Brian. Wendy, du gehst mit Tom."

Wendy wollte gerade den Mund aufmachen. Sie wollte sich nicht von Dennis trennen – und von Brian erst recht nicht.

Aber dann, als wenn er ihre Gedanken hätte lesen können, sah Dennis in ihre Augen und sagte: "Schon gut, Liebes! Uns wird nichts geschehen!"

Wendy lächelte und gab ihm einen Kuss. Dann ging sie zu Brian und küsste auch ihn.

"Und Tom wird gut auf dich aufpassen.", sagte Dennis, "Komm schon, er beisst dich schon nicht."

"Da würde ich mir nicht so sicher sein, Brüderherz."

Jetzt musste auch Wendy wieder lachen. Sie war in Panik geraten, als sie eine Explosion aus den Wald hörten, aber jetzt hatte sie sich wieder einigermaßen im Griff.

"Na gut, in Ordnung. Aber pass bitte gut auf ihn auf."

"Werde ich Schatz."

Dennis gab ihr noch einen Kuss, dann trennten sich die beiden Gruppen. Dennis und Brian wollten die Burg von oben nach unten durchsuchen, Wendy und Tom wollten unten anfangen. Als Wendy mit Tom zur Treppe zum Erdgeschoss ging, schaute Dennis ihr noch mal nach. Es war das letzte mal, das Dennis Meola seine Frau lebend gesehen hatte.

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Kapitel 7: Die Jagd auf Bob Meola

"Was ist, wenn ER kommt?"

Dennis hatte diese Frage überhaupt nicht gehört, denn er war im Gedanken versunken. Er hatte ein flaues Gefühl in der Magengegend. Es hatte was mit IHM zu tun. Sollten sie wirklich nach Melissa und Marty suchen, oder die Jagd auf IHN beginnen? Dennis war sich nicht sicher. Aber was tun, wenn sie IHN finden? Oder, noch schlimmer, ER findet sie?

Sakastisch dachte Dennis: ´Dann wird Brian IHN mir seiner Steinschleuder und einer Kastanie bedrohen: ´Rück die Kristallkugel raus, oder ich schieße! Und anschließend musst du dir Heavy-Metal-Musik aus meinem Walkman anhören! Das wird dir den Rest geben! Das Spiel ist aus, Granny!´

Noch einmal stellte Brian seinem Vater die Preisfrage, die inzwischen auch zu Dennis´ Gedanken passte: "Dad, was ist, wenn ER kommt?"

"Ich weiß nicht. Aber keine angst, mir fällt schon was ein."

Dennis konnte sehen, dass das Brian nicht besonders beruhigen konnte. Er drückte ihn kurz an sich.

"Alles wird wieder gut, Tiger!"

"Wieso gehen wir runter?"

"Ich will kurz noch meine Taschenlampe aus meinem Koffer holen. Draussen tobt ein Unwetter. Wenn der Strom ausfällt, wollen wir doch nicht total im Dunkeln sitzen, oder?"

"Nein."

In der Tat stürmte und gewitterte es jetzt.

´Na klar´, dachte Dennis, ´Wie im Film. Wir sitzen mit einem Monster in einer unheimlichen Burg, Da muss sowas ja sein!´

Er bekam eine Gänsehaut. Dann glaubte er, von oben einen Schrei gehört zu haben.

´Nein, das bildest du dir nur ein.´

Aber dann unterbrach Brian sein Wunschdenken: "Dad, hast du das auch gehört? Da hat doch jemand geschrien!"

"Nein!", log Dennis, "Das musst du dir eingebildet haben!"

"Daddy, ich habe angst."

"Ich auch."

Das war wenigstens ehrlich. Sie erreichten das Zimmer im ersten Stockwerk. Dennis nahm seine Taschenlampe aus dem Koffer. Dann gingen sie hoch Richtung Dachboden.

Tom hatte den gleichen Gedanken wie Dennis. Er hatte sich auf den Weg nach unten eine Taschenlampe aus seinem Koffer besorgt. Jetzt gingen sie an Granny Bobs Zimmer vorbei, das noch offen stand. Mit Unbehagen schaute Tom flüchtig hinein. Sie hatten Gina im Bett aufgebahrt. Tom wollte protestieren, man solle Gina nicht im Bett dieses Widerlings legen, sah aber rechtzeitig ein, dass sie keine Zeit hatten, sich noch überlegen zu müssen, wo sie Gina hinschaffen sollten. Es war wohl der geeignetste Platz in dieser Situation. Tom wollte erst die Tür schliessen, kam aber zum Entschluss, es nicht zu tun. Er wollte nicht mehr in die Nähe SEINES Zimmers. Wendy öffnete die Tür zum Aufenthaltsraum. Beide gingen hinein.

"Tja, hier schein niemand zu sein, gehen wir wieder." schlug Tom vor.

In diesem Moment hörten sie den Schrei eines Mannes. Kam er von oben, oder von draußen?

"Was war das?", fragte Wendy ängstlich.

Jetzt hörten sie, dass der Schrei von draußen her kommen musste. Beide stürzten zum Fenster. Was sie dort sahen war widerlich. Wendy erkannte zuerst nicht, wer da in den Spitzen des Zauns hing. Sie sah nur, dass wieder diese Farben austraten.

´Dennis!´, dachte sie, ´Es ist Dennis, er KANN nur er sein!´

"Wendy, Das ist Marty! Sieh nur!"

Ja, jetzt sah sie es auch. Es war nicht Dennis, sondern Marty. Wendy wusste nicht, ob sie froh war, dass es sich nicht um Dennis handelte, oder zum ersten mal in ihren Leben Marty bedauerte. Vermutlich beides. Ihr Magen drehte sich bis sie sich übergab. Dann weinte Wendy. Tom nahm sie in den Arm.

"Hey, alles wird wieder gut, ja? Wir gehen jetzt wieder nach Dennis und den Jungen hoch und überlegen, wie wir von hier verschwinden können, okay?"

"Aber wir müssen doch Melissa suchen!", schluchzte Wendy.

"Ich fürchte, dass hat keinen zweck."

"Wieso?"

"Weil ich mal vermute, dass sie auch tot ist."

Jetzt kamen auch Tom die Tränen. Er musste an die schönen Zeiten mit Melissa denken. Und natürlich auch an Gina, wie er letzte Nacht noch mit ihr geschlafen hatte. Und nun lag sie tot auf dem Bett eines Monsters.

"Soll ich dir mal was sagen, Wendy?"

"Was?"

"So lange diese Bestie noch lebt, will ich hier eigentlich doch noch nicht verschwinden."

"Wieso?" Wendy schaute Tom fassungslos an.

"Weil ich Rache will! Und ich will Melissa und Ginas Seelen befreien. Ausserdem ist es wahrscheinlich sowieso die einzige Chance um von hier verschwinden zu können. Und wenn wir von hier fliehen könnten ohne IHN zu töten, würde uns das nichts nützen. ER würde uns finden und schließlich doch umbringen."

"Du meinst, ER würde uns verfolgen?"

"Klar! ER braucht uns, sonst kann er hier nicht überleben. Er braucht unsere Seelen."

"Dann... dann lass uns die Jagd beginnen."

"Wendy wollte diese Worte cool und lässig klingen lassen, wollte wie Tom klingen, schaffte es aber nicht. Sie klangen eher verstört und ängstlich. Tom aber lächelte und nahm sie in den Arm. Er drückte Wendy an sich und tröstete sie.

´Man Dennis´, dachte er, ´hast du ein Glück solch eine Frau zu haben!´

Dann fiel sein Blick auf ein Buch, das in der Ecke aufgeschlagen auf dem Boden lag. Seine Augen waren sehr gut, und obwohl das Buch sechs Meter von ihnen weg lag, erkannte er die Geschichte.

"Hänsel und Gretel?"

"Was?... Was hast du gesagt, Tom?"

Wendy dachte schon wieder etwas klarer. Tom zeigte auf das Buch.

"Hänsel und Gretel!", wiederholte er.

Er ging zu dem Buch, hob es auf und ging zurück zu Wendy.

"Hier. Hänsel und Gretel. Da. Gebrüder Grimm. Das war früher mein Lieblingsmärchen. Meine Mom hat es mir früher immer vorgelesen. Ich weiß noch ganz genau, als ich sieben Jahre alt war hatte ich deswegen immer Angst vor Hexen. Dennis hat mich immer damit aufgezogen: ´Heute Nacht kommt die Hexe und holt dich!´, hat er immer gesagt."

Wendy kicherte.

"Ja, lach du nur. Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen und er hat mich ausgelacht."

"Ich werde mit ihm schimpfen, wenn wir wieder oben sind."

Wendys Laune hatte sich wieder gebessert, was Toms absicht gewesen war.

"Aber jetzt mal ehrlich, wer hat das Buch da hingeschmissen? Ich..." Tom hielt inne, klappte das Buch zu und betrachtete den Umschlag. Die Beiden sahen sich an.

"Geheimgänge in Burgen?", fragte Wendy verwundert.

Tom schaute zum Bücherregal. Er spähte in die Lücke, in die das Buch offenbar gehörte und entdeckte den Schalter. Er spürte auch den Luftzug. Er drückte den Schalter und das Regal begann sich zu drehen.

"Wendy, schnell! Komm mit in den Geheimgang!"

Tom ging in den Raum hinter dem Bücherregal. Jetzt fiel kein Licht mehr hinein. Wendy ging schnell zur Geheimtür. Sie würde es schaffen, denn das Regal drehte sich nicht schnell. Aber sie blieb stehen als sie einen erneuten Schrei hörte. Es war Brian, da war sie sich sicher. Tom hörte den Schrei nicht.

"Wendy! Bleib nicht stehen! Komm schon"

"Brian", flüsterte Wendy ängstlich.

"Was? Hast du was gesagt? Los Wendy, beeil dich!"

Aber Wendy Meola blieb stehen. Die Geheimtür schloss sich - für immer.

In der Tat hatte Wendy Recht, es war Brian der schrie. Er tat es, als er aus dem Fenster des Dachbodens hinunter auf Marty Shawns Leiche, die im Zaun hing, sah.

"Hey, Brian! Was ist los?", fragte Dennis, rannte zum Fenster und sah hinaus. Sofort hielt er Brian die Augen zu.

"Nicht hinsehen, Brian. Komm, wir müssen Tante Melissa finden."

Aber Dennis wußte es besser. Auch er war zu dem Entschluss gekommen, dass seine Schwester tot sein musste. Sie würden IHN finden müssen - und umbringen. Wenn sie es nicht taten, würde ER sie umbringen.

"Ich will nach Mom und Onkel Tom."

"Tja, es wäre wirklich vielleicht besser..."

Dennis Worte blieben ihm im Hals stecken als er die Dachbodentür öffnete und ER vor ihnen stand. Brian stand etwa zwei Meter hinter seinem Vater. ER sah aus, wie in Brians Traum - und wie in Dennis´ Erinnerung. Rote Augen. Spitze Zähne. ER ging zwei bis drei Schritte vorwärts. Dennis ging zurück. Brian trat zur Seite.

"Lauf... Brian...... BRIAN, LAUF!!!"

Brian lief. Er rannte an beide vorbei. Bob schien ihn nur flüchtig zu betrachten.

"Den werde ich auch noch erwischen, Dennis!", sagte ER ruhig, ohne das Grinsen aus dem Gesicht verschwinden zu lassen. Bob brachte eine Axt hinter seinen Rücken hervor.

"Den, dich und deinen Bruder! Ach ja, das weisst du ja noch nicht!" SEIN Grinsen wurde noch breiter. "Deine Frau habe ich schon umgelegt. Die hängt unten am Kronleuchter."

"Du... du lügst!"

"Habe ich dich jemals belogen? Habe ich dich belogen, als ich sagte, dass ich euch verfluche? Denk doch mal an deinen Dad! Denk an deine Mom!"

Ja, das alles stimmte, aber jetzt würde ER ihn nur erschrecken wollen. Es musste so sein!

ER sprach weiter: "Denk an Toms Bein! Deinen Rücken! Und vor allem: Denk an deine Tochter!"

Ein triumpfierendes Gelächter stieg in Bob auf. Es wurde noch lauter, als Dennis sich blitzartig einen Billardquere nahm, damit auf IHN wirkungslos einschlug und der Quere nur in der Mitte zerbrach. Bob holte mit der Axt über seinem Kopf aus und schlug zu. Dennis aber konnte ausweichen. Bobs Axt rammte in den Boden und Dennis stach geistesgegenwärtig den abgebrochenen Quere in Bobs rechtes Auge. ER schrie auf und lief planlos durch den Dachboden. Dennis flüchtete. Bob zog den Quere aus seinem Auge. Die Augenhölhle war eine klaffende Wunde aus der Blut spritzte.

"Das wirst du mir büßen!", schie er, "Du wirst mir nicht entkommen!"

Plötzlich heilte die Wunde von selbst. Die Blutung stoppte. Ein neues Auge trat aus der Augenhöle hervor, als käme es aus dem Inneren seines Kopfes. Granny Bob fing wieder an zu lachen.

ER hatte sie wirklich umgebracht. Wendy hing an einem Seil am Kronleuchter. Es geschah kurz nachdem sie Brian schreien hörte. Für Bob Meola ging es ziemlich schnell. Zu schnell für seinen Geschmack, aber das machte nichts, er hatte ihre Seele. Aber es war auch gut, denn nun würde er noch Zeit genug haben hochzulaufen um Dennis und Bian zu töten. Tom hatte sich selbst eingesperrt indem er, genau wie Melissas schwachsinniger Mann (niemand konnte ihn leiden, selbst Bob nicht), durch das Bücherregal ging. Von dort aus gab es nur einen Ausweg - den, der Marty bereits gewählt hatte. Ansonsten konnte Tom nur noch in den Keller. Und der war eine Sackgasse. Er sass also fest und konnte warten. Und Wendy hatte ER jetzt.

Für Wendy Meola ging es nicht so schnell. Ihr kam die Zeit zwischen SEINEM Erscheinen und ihren Tod wie tausend Jahre vor. Als sie IHN sah, erstarrte Wendy, genau wie Gina vor ihr. Er erhängte sie mit einem Seil am Kronleuchter und schlitzte sie mit dem Schweizer Armeemesser ihres Sohnes auf, dass er Brian aus dem Gepäck stahl, bevor er damit Farlow häutete.

"Jetzt kannst du dir aussuchen, ob du verbluten oder ersticken möchtest. Ich helfe dir bei der Entscheidung."

Dann griff ER in die Wunde und zog ihr die Eingeweide heraus.

Dennis Meola stand regungslos im Aufenthaltsraum und starrte zum Kronleuchter. Er wollte nicht weinen. Dennis verspührte Hass, und den wollte er freien Lauf lassen. Zum trauern blieb noch genug Zeit, wenn er hier überlebte. Und er wollte überleben. Er wollte zusehen, wie ER starb. Dennis wollte IHN umbringen und qualvoll verrecken sehen. Aber jetzt kamen ihm doch die Tränen. Es gelang ihm nicht mehr, sie zu unterdrücken und weinte minutenlang, bis er sich zusammenreissen konnte.

´Ich muss jetzt an Brian denken. Ich muss ihn jetzt finden und beschützen

Brian und Tom waren die Einzigen, die er jetzt noch hatte.

´Tom! Wo ist eigentlich Tom?´

Keine Zeit. Er konnte jetzt nicht nach Tom suchen. Er musste Brian finden, bevor ER es tat. Vielleicht würde er auch Tom zuerst finden. Vielleicht war Tom auch bei Brian. Dennis seilte Wendy mit Brians Taschenmesser unter Tränen ab. Das kostete zwar Zeit, aber er wollte sie hier nich hängen lassen. Dennis legte sie behutsam auf die Tafel, küsste sie und machte sich auf die Suche nach Brian.

´Wir wollten IHN jagen? ER jagt immer noch uns!´

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Kapitel 8: Schmerzen

Tom war nicht bei Brian, er war eingeschlossen und schwenkte seine Taschenlampe durch den dunklen Raum. Er hämmerte mit seiner Faust gegen die Geheimtür.

"Wendy?"

Nichts.

"Wendy, du musst den Schalter betätigen, sonst komme ich hier nicht mehr raus."

Keine Antwort.

Tom versuchte es noch mal: "Weeeendyyyy!"

Zwecklos. Er leuchtete die Geheimtür ab.

´Ich sitze wohl in der Falle´, dachte Tom, ´man kommt hier rein, aber nicht wieder raus.´

Er leuchtete auf die Wendetreppe.

´Die führt wohl zum Turm. Von da aus muss Marty herunter gestürzt sein.´ Tom war nun auch der Auffassung, dass Marty den Geheimgang als erster entdeckt haben musste. Das erklärte auch das Buch in der Ecke neben dem Bücherregal. Wiederholt drückte er mit aller Kraft gegen die Geheimtür, denn er wollte nicht so enden wie Marty. Sie bewegte sich keinen Millimeter. Tom suchte weiter. Er leuchtete den Boden ab und entdeckte die Luke. Sie ließ sich leicht öffnen und er leuchtete hinunter.

´Puh, stinkt das da drinnen.´

Vorsichtig ging Tom die Stufen hinunter.

"Wonach riecht das hier?", sagte er laut. Dann schlug mit einem lauten Knall hinter ihm die Luke zu. Erschrocken schaute er hinter sich, verlor das Gleichgewicht und fiel die restlichen Stufen hinunter, da seine Krücke keinen Halt mehr fand. Tom stöhnte vor Schmerz. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.

Als Tom wieder aufwachte, bemerkte er Schmerzen in seinem schlimmen Bein.

"Auf dem Bein liegt wirklich ein Fluch.", krächzte er und verzog das Gesicht. Tom stellte fest, dass er es sich zusätzlich noch verstaucht haben musste.

"Mein Gott, was stinkt hier so?"

Da meldete sich aus einer dunklen Ecke eine Stimme - es war SEINE Stimme:

"Es riecht nach deinem Grab."

´Oh, Gott! ER ist hier!´

Tom leuchtete links vom Kellerfenster in die Ecke. Dort stand ER und hielt eine Axt in der Hand. ER kam auf Tom zu, und als ER nahe genug war, hielt Tom seine Krücke zwischen SEINE Beine. ER stolperte und die Axt sauste nur Millimeter an Toms Kopf vorbei, wo sie im Boden stecken blieb. Geistesgegenwärtig nahm Tom die Axt uns schlug Bob die linke Hand ab. ER wollte sich gerade aufrappeln, als IHM der Schmerz durch alle Glieder fuhr. Tom ließ die Axt los, nahm die Taschenlampe in die Hand und leuchtete damit zu dem schreienden Monster rüber. Der Strahl der Taschenlampe erfasste IHN jedoch nicht und plötzlich wurde es still.

´Warum schreit ER nicht mehr? Ist er weg? Oder vielleicht tot, weil die Kugel beim Sturz zerbrochen ist?´

Hoffnungsvoll fuchtelte Tom mit der Taschenlampe durch den Keller. Der Strahl wurde schwächer.

´Verdammt! Die Batterien sind fast leer.´

Dann spürte Tom einen starken Schmerz im linken Arm. Er schrie auf, leuchtete hin und sah, dass die Axt jetzt darin steckte. Er riss die Taschenlampe hoch und sah IHN. ER grinste. Entsetzt stellte Tom fest, dass ER seine linke Hand wieder hatte.

´Wie ist das möglich?´, dachte Tom.

"Weißt Du was?", sagte Bob triumphierend, "Ich werde dich jetzt noch nicht umbringen. Ich werde dich hier kläglich verbluten lassen!"

Wieder lachte ER und zog die Axt aus Toms Arm. Dann gaben die Batterien der Taschenlampe ganz ihren Geist auf.

"NEIN!", schrie Tom, "Das darfst du nicht! Hast du mich verstanden? Das ist nicht FAIR!"

Granny Bob kicherte.

"Bitte! Töte mich!", flehte Tom, "Wenn du meine Seele willst, mach es kurz, aber lass mich hier nicht liegen!"

"Aber, aber Tom, wo bleibt denn da der Spaß? Aber keine Angst! Noch bevor die Sonne wieder aufgeht, hast du es überstanden."

Bevor ER durch die Bodenluke verschwand, zerstörte Bob mit der Axt die morsche Kellertreppe.

"NEIIIIIIN!", schrie Tom und fing an zu weinen.

Brian saß auf dem Bett im Zimmer seiner Eltern. Er hätte diese Nacht sowieso hier geschlafen, denn in so unheimlichen Gebäuden wollte er nicht alleine sein, besonders nicht mitten in der Nacht. Aber jetzt war er alleine, und es war mitten in der Nacht. Er hatte sich vor Angst in die Hose gemacht, aber das war nicht so schlimm. Brian wollte nach seinen Eltern, traute sich aber nicht, das Zimmer zu verlassen, um sie zu suchen.

Brian wusste nicht, dass seine Mutter tot war, und sein Vater, sich vor Schmerzen krümmend, auf der Treppe zum ersten Stock saß. Bei Dennis hatten die Rückenschmerzen eingesetzt. Wie immer kamen sie plötzlich und aus heiterem Himmel, aber sie waren noch nie so schlimm wie heute gewesen. Er stand auf und ein erneuter Schmerz fuhr durch seine Wirbelsäule als würden Tausende von Piranhas an ihr nagen. Die Schmerzen wurden immer schlimmer und er wusste, dass er sich irgendwo hinsetzen musste, bis sie verschwanden. Dennis wollte aber nicht auf der Treppe sitzen bleiben, denn hier wäre er IHM schutzlos ausgeliefert. Er ging in Richtung Aufenthaltsraum, hielt aber an der Tür an, da es ihm auch dort zu gefährlich erschien. Er schaute in Bobs Zimmer. Das wäre genauso gefährlich, wenn nicht noch schlimmer, aber ein erneutes aufwallen des Schmerzes zwang ihm es zu betreten und sich dort hinzusetzten. Er konnte nicht mehr anders. Mit letzter Kraft erreichte er den Stuhl und setzte sich hin.

"Brian? Brian wo bist du?"

War das sein Vater?

"Brian?"

Er musste es sein. Brian erkannte seine Stimme.

"Moment Dad."

Brian zog sich gerade eine neue Hose an, denn er wollte nicht, dass sein Vater bemerkte, das er sich eingenässt hatte. Er war schließlich schon ein großer Junge, und die machen sich nicht mehr in die Hose.

"Ich komme sofort, Dad."

"Brian wo bist du? Ich höre dich, weiß aber nicht, wo du bist."

"Hier Dad. Im Zimmer. Warte, ich komme."

Er zog sich die neue Hose zu Recht und stürmte aus der Tür, blieb aber sofort stehen. Ein Aufschrei entrann seiner Kehle, denn dort stand nicht Dad. ER war es.

"Hallo Brian. Komm her zu Granny Bob. Ich tue dir nichts. Ich habe niemandem etwas getan."

"Und... die... die Toten?"

"Ich war es nicht.", beschwörte ER Brian, "Hast du gesehen, wie ich auch nur einen von ihnen umgebracht habe?"

Brian dachte nach. Nein, eigentlich hatte er keinen der Morde gesehen. Zaghaft schüttelte Brian den Kopf.

"Na, siehst du. Ich denke, hier läuft ein verrückter rum, der mir dies hier alles anhängen will. Deshalb möchte ich euch beschützen. Komm her Brian, dir wird nichts geschehen."

Sollte das alles stimmen? Und haben die anderen nicht gesehen, wie ER es war, der Tante Gina getötet hatte? Brian war sich nicht mehr sicher.

"Schau mal Brian. Ich habe dir jemanden mitgebracht."

Ungläubig rieb Brian sich die Augen. Hinter Granny Bobs Rücken tauchten plötzlich Timmy MacLean und Cindy auf. Waren sie es wirklich?

"Hi Brian", hauchte Cindy mit verliebter Stimme.

"Hi Brian" ,flötete Timmy auf seiner typisch für ihn heiteren Art und Weise.

Ja, sie waren es. Ohne Zweifel.

"Was... was macht ihr denn hier?"

"Brian, ich habe sie extra für dich einfliegen lassen, direkt aus Kalifornien."

´Da stimmt doch etwas nicht.´, dachte Brian.

Trotzdem ging er auf sie zu. Seine Beine machten sich fast selbstständig.

"Ist das wahr? Seid ihr das?"

"Ja, und wir wollen mit dir spielen.", sagte Timmy.

"Ich werde dir einen dicken Kuss geben.", hauchte Cindy.

"Jaaaa, ich komme." Brian war jetzt wie in einem Bann. Trotzdem, irgendetwas...

Er war schon auf halbem Weg, da fiel es ihn ein.

"Timmy? War es dir zu Hause langweilig ohne mich?", fragte Brian.

"Ooh ja, und wie!"

´Da haben wir es. Timmy ist überhaupt nicht zu Hause. Er ist nicht in Kalifornien. Er ist in Portland! In Oregon! Oder Portland/Maine? Egal, auf jeden Fall ist er zu seinem Onkel gefahren.´ Brian blieb stehen.

"Was ist denn, Brian? Willst du denn keinen Kuss von mir?"

Er rannte zurück. Er wollte einen Kuss von Cindy, aber nicht von einem Monster.

´ER wollte mich täuschen´, dachte Brian, ´und fast wäre ich darauf reingefallen

Brian erreichte das Zimmer seiner Eltern. Timmy und Cindy waren verschwunden. Eigentlich sind sie nie da gewesen. Nur noch ER, der jetzt auf Brian zukam. Und ER hatte jetzt eine Axt. Brian schloss die Tür hinter sich ab. Er schob einen kleinen Schrank davor. Aber vergebens, denn mit nur einem Axthieb waren die Hindernisse, die die Tür und der Schrank darstellen sollten, beseitigt. ER stand in der zerstörten Tür und grinste. Brian hob ein Stück Holz auf, das einmal Bestandteil des Schranks gewesen war, und bewarf Bob damit. Es prallte wie ein mickriger Zweig eines Bonsaibäumchens an IHM ab. Jetzt fing ER an zu lachen.

"Kinder! Ihr glaubt wirklich, ihr könnt immer gewinnen. Denkst du etwa...", ER machte eine Pause, als IHN etwas am Kopf traf. ER schaute runter auf den Boden, um festzustellen, was es gewesen war, und sah eine Kastanie. ER schaute zu Brian, der nun mit einer Steinschleuder bewaffnet war, warf den Kopf zurück und lachte noch lauter als zuvor. Brian sah nach rechts. Das war die Rettung. Er rannte durch die Verbindungstür in das für ihn vorgesehene Zimmer.

"Wo willst du denn hin?" Jetzt klang seine Stimme wütend.

"Nein! Du entkommst mir nicht! Bleib stehen! Ich krieg dich ja doch!"

Aber Brian blieb nicht stehen. Er lief so schnell wie noch nie, durch sein Zimmer und dann zur Tür hinaus, dann den Flur entlang ins Treppenhaus, die Treppe runter. Er war fast unten angekommen, noch fünf Stufen, ...dann fiel er. Brian kam so ungünstig auf, das sein rechtes Bein brauch. Er schrie vor Schmerz und betrachtete sein Bein und bemerkte, dass es ein offener Bruch war. Beim Anblick seines zersplitterten Knochens wurde ihm schlecht.

´Du darfst jetzt nicht ohnmächtig werden´, dachte er und obwohl ihm schwarz vor Augen wurde, gelang es Brian die Übelkeit einigermaßen zu überwinden und sich in Bobs Zimmer zu ziehen. Er sah dort seinen Vater am Tisch sitzen.

"Daaaad! Mein Bein! Daaadyyy!"

Dennis schaute auf. Seine Rückenschmerzen waren jetzt unerträglich. Nur verschwommen bekam er Brians erscheinen mit, der sich jetzt an die Wand links vom Türrahmen setzte.

"ER...ist...hinter mir her", stammelte Brian.

´In diesem Zustand sind wir IHN vollkommen ausgeliefert.´, dachte Dennis.

Tom hatte sich wieder einigermaßen im Griff.

´Ich muss hier raus.´, dachte er. Draußen tobte inzwischen ein richtiges Unwetter. Es wirkte unheimlich, aber Tom fand es auch nützlich, da er jetzt wenigstens etwas sah, wenn es blitzte. Die Taschenlampe lag nutzlos da, und Tom dachte, sie könne ebenfalls ein Haufen Scheiße sein. Aber da war noch etwas, neben der Taschenlampe. Tom sah hin erwartete den nächsten Blitz. Das dauerte seine Zeit und beinahe hätte Tom schon weg gesehen, als ein Blitz, begleitet von einem ohrenbetäubenden Grollen, den Keller taghell wirken ließ. Er konzentrierte sich auf den Gegenstand. Es fiel Tom immer schwerer, denn der Blutverlust schwächte ihn immer mehr. Tom hatte zwar seinen Arm mit den Gürtel seiner Hose abgebunden, aber er wusste nicht, wie lange sein Zustand es zulassen würde, wach zu bleiben. Und das musste er auf jeden Fall. Er bemerkte, worauf er starrte und das half ihm dabei. Es war SEINE Hand, die Tom IHM mit der Axt abgetrennt hatte. Sogar der Ring war noch an einem der Finger. Tom wusste nicht, wieso er das tat, aber er zog den Ring vom Finger und steckte ihn ein. Bevor er das tat, erblickte er noch einmal im Schein eines Blitzes die Rune auf dem Ring, ein kleines ´m´ mit einem waagerechten Balken in der Mitte. Der Ring war ungewöhnlich schwer.

´Aber jetzt versuch endlich einen Plan zu entwickeln, wie du von hier verschwinden kannst.´, dachte er. Tom versuchte diesen Gedanken zu verwirklichen und stieß dabei auf zwei Probleme. Problem eins war die Höhe des Kellerfensters. Wie sollte er da hochkommen? Es war groß genug um durchzukriechen, aber selbst mit seiner Krücke würde er es nicht erreichen können. Außerdem war sein Bein verstaucht. Problem zwei waren die Wölfe.

´Nein, die sind kein Problem. Ich hatte eben an den Autos gebastelt und es noch rechtzeitig in die Burg geschafft. Der Türriegel ist seitdem nicht mehr vorgeschoben, das Tor ist offen.´

Stimmte das? Er wusste es nicht mehr sicher. Und hatte er tatsächlich genügend Zeit? Schließlich war er jetzt geschwächter und sein Bein war verstaucht. Dennoch musste er Wohl oder Übel dies alles drauf ankommen lassen. So oder so hatte er sonst keine Chance. Aber da war dann immer noch das Problem mit dem Fenster Ein Blitz erhellte den Keller erneut, aber er sah nichts nützliches, außer... Er glaubte auf einem kleinen Schrank zwei Gegenstände gesehen zu haben. Tom versuchte aufzustehen. Beim ersten mal verlor er das Gleichgewicht und stützte, aber als er es erneut versuchte kam Tom auf die Beine. Er hatte dabei starke Schmerzen, aber es klappte besser als er dachte. Tom biss auf die Zähne und humpelte vorsichtig zum Schrank. Der Schrank stand links vom Kellerfenster und Tom hielt darauf zu. Er stemmte sich gegen eine erneut drohende Bewusstlosigkeit und tastete nach den Gegenständen.

´Die Verteilerkappen.´

Er erinnerte sich daran, dass er zu Hause, wenn er irgendetwas suchte, meistens Sachen fand, die er tausend Jahre zuvor gesucht hatte, nicht aber das, was er momentan zu finden erhoffte. Ein Blitz der ihn der Hellste von allen zu sein schien, der von einen Knall begleitet wurde, so laut wie er noch nie zuvor einen hörte, bestätigte Tom, das es sich um die Verteilerkappen handelte. Genau wie beim Ring, nahm er nun, ohne zu wissen wieso, die Verteilerkappen an sich. Draußen hielten der Blitz und der Donner immer noch an und Tom bemerkte nun auch ein weiteres Geräusch. Es war ein Knacken, als würde das Brechen eines Zweigs mit dem größten Lautsprecher der Welt verstärkt. Dann stürzte etwas durch das Kellerfenster. Tom erschrak so heftig, dass er schreien musste. Es war groß und gigantisch.

´ER ist es.´, wusste Tom in seiner Panik, ´ER weiß, dass ich hier doch noch rauskommen könnte, und jetzt wird ER mich töten.´

Doch ein weiterer Blitz zeigte Tom, dass er sich irrte. Das, was dort durch das Kellerfenster eintrat war nicht sein Tod, sondern seine Rettung. Es war der morsche Baum, der vor der Burg stand. Der Blitz musste dort eingeschlagen sein und sein Stamm ragte nun wie eine Leiter bis runter zum Boden des Kellers.

Dennis betrachtete seinen Sohn, dem vor Schmerz der kalte Schweiß hinunter lief. Er wünschte sich, ihm helfen zu können, konnte es aber nicht, da er mit seinen eigenen Schmerzen zu kämpfen hatte. Dennis hatte versucht, nicht darauf zu achten um den Jungen zu helfen, aber sein Rücken erlaubte es nicht. Das Einzige, was er konnte, war Brian Mut zuzusprechen, wenn Dennis nicht gerade vor Schmerz schreien musste.

"Halt... aaaah... halt durch, Br.. Brian."

´Oh Gott, diese Schmerzen! Sie werden immer schlimmer. Das ist nicht mehr normal. ER macht die Schmerzen. Sie kommen von SEINEM Fluch und jetzt will ER mir den Rest geben.´ Sein Rücken schrie vor Schmerz. Es war so, als wäre seine Wirbelsäule glühend heiß.

"Daddy! Mein Beiiin!!", wimmerte Brian, "Bitte, mach, dass es aufhört, biiiiteeeee"

"ICH! ICH mache gleich, dass es aufhört", sagte Bob Meola und betrat SEIN Zimmer. ER lachte SEIN grausigstes Lachen.

"Aber zuerst werde ich deinen Vater von seinen Schmerzen erlösen - gaaaaz langsam!"

Brian schrie.

Tom hatte es geschafft. Er saß im Aufenthaltsraum an der Tafel und starrte auf Wendys Leiche. Irgendwie hatte er gewusst, dass sie tot war. Jetzt dachte er noch mal darüber nach, wie er aus den Keller entkommen konnte. Er wusste, er hatte dabei jede Menge Glück gehabt. Der Blitz, der in den Baum eingeschlagen war, und dann waren da auch noch die Wölfe. Sie hatten sich alle am Zaun versammelt und versuchten sich über Martys Leiche herzumachen. Es war gigantisch wie viele es waren. Dann war da das Problem, dass er wohl doch das Tor verriegelt haben musste, aber dafür konnte er das Fenster links daneben öffnen. Ein Ast des Baumes ist durch die Scheibe geflogen und Tom konnte es von Innen öffnen. Es war nicht so hoch und er konnte trotz seiner Verletzungen hindurch steigen. Tom starrte auf die Verteilerkappen. Er musste Dennis und Brian finden. Und er musste seine Blutung stillen. In diesem Moment hörte er Brian schreien.

Bob Meola schritt langsam auf Dennis zu. Am Tisch blieb er stehen.

"Ich werde dir das Herz heraus schneiden", sagte ER und brachte das Schweizer Armeemesser zum Vorschein.

´Ich Esel´, dachte Dennis, ´Ich habe es im Aufenthaltsraum liegen gelassen und jetzt werde ich daran krepieren.´

Und dann machte ER etwas, womit Dennis nie und nimmer gerechnet hätte. ER stellte die Kristallkugel auf den Tisch. War das eine Chance? Aber wieso tat ER das?

Als ob Bob seine Gedanken lesen konnte sprach ER es aus: "Ich lasse gerade euren geliebten Tom verbluten. Ich will sehen, wenn es vorbei ist. Und ich möchte, das ihr es auch seht." ER grinste. "Es müsste bald soweit sein. Was meinst du Dennis? Wer stirbt zuerst? Er oder du? Ich denke er, denn ich werde dein Herz ganz, ganz langsam heraus schneiden. Und dann werde ich Brian zwingen es zu essen!"

Erneut fing Brian zu schreien an. Er achtete schon lange nicht mehr auf sein schmerzendes Bein. Das Grauen überkam ihn und er hatte Todesangst. Dennis ignorierte ebenfalls seinen Schmerz, allerdings galt seine Aufmerksamkeit etwas anderes: ´Ich muss irgendwie an die Kristallkugel, aber ich komme niccht ran.´

ER bewegte sich auf Dennis zu.

Brian standen Tränen in den Augen. Er würde zusehen müssen, wie sein Vater umgebracht wurde. Und dann würde ER ihn zwingen etwas zu tun, was er nicht wollte. Dann würde ER schließlich auch ihn umbringen. Nein! Das konnte er nicht akzeptieren. Er musste diese Grausamkeiten unterbinden. Aber was sollte Brian tun? Ein elfjähriger Junge mit einem gebrochenen Bein. ER hatte die Kristallkugel auf den Tisch gestellt, dass hatte auch er bemerkt, aber wie sollte er sie von hier aus erreichen?

"Brian.", flüsterte eine Stimme. Er drehte sich in dessen Richtung. Es war Onkel Tom der im Flur auf der anderen Seite des Türrahmens lag und weiter flüsterte. Bob bemerkte es nicht.

"Hast du deine Steinschleuder dabei?"

"Die bringt´s nicht, ich habe..."

"Nein Brian, nicht ER, die... aaah!" Schmerzen überkamen Tom.

"Bitte, Onkel Tom... was meinst du?"

Mit schmerzverzerrtem Gesicht zeigte Tom auf die Kristallkugel. Bob war schon dabei, Dennis Hemd aufzureißen.

"Aber, Brian! Nicht die Kastanien!.... Zu... leicht!" Tränen standen Tom in den Augen sein Arm und sein Bein pochten. "Nimm... das hier!"

er kramte in seiner Hosentasche, zog etwas hervor und drückte es Brian in seine kleine Hand. Brian bemerkte ein extremes Gewicht.

"Hoffe... aaah, Hoffe... kannst... gut... zielen. Du hast... nur einen Versuch!" Tom versuchte bei Bewusstsein zu bleiben, aber so langsam verschwamm vor ihm die Welt. Selbst das Sprechen raubte ihm Kraft. Trotzdem wiederholte er: "Nur... ein´n V´such...Bri´n!"

Brian dachte an den Tag, an dem er die Dose verfehlte und versehendlich Cindy traf. Er fing an zu zittern. Brian öffnete die Hand und betrachtete den Gegenstand, den Onkel Tom ihm gegeben hatte. Es war der Ring. SEIN Ring. Es beruhigte nicht gerade seine Nerven, aber dann lächelte Tom den Jungen an.

"D´schafsd das sch´n.", nuschelte Tom.

Brian lächelte müde zurück und nickte unsicher. Plötzlich schrie Dennis auf. Der Junge schaute auf stellte entsetzt fest, dass ER gerade damit begann, seinen Vater aufzuschneiden. ER schnitt langsam. Und obwohl es Dad Schmerzen einbringen würde war das gut so, denn somit würde Brian mehr Zeit haben, sich auf den Schuss mit der Steinschleuder zu konzentrieren. Langsam fuhr das Messer durch Dennis Haut am Brustbein.

´Halt durch, Daddy!´, dachte Brian. Er atmete einmal tief durch und spannte den Ring in der Schleuder. Er zog das Gummiband so weit und so fest zu sich, wie er konnte. Ein Blick zu Tom verriet ihm, dass sein Onkel gerade dabei war, das Bewusstsein zu verlieren. Das durfte er nicht. Brian hatte in der Schule gelernt, dass man nicht ohnmächtig werden durfte, wenn man eine Menge Blut verlor, denn sonst würde man mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr aufwachen. Brian entspannte die Schleuder wieder und rüttelte Onkel Tom am Arm.

"Bitte, Onkel Tom! Nicht einschlafen!"

Tom stöhnte und öffnete die Augen. Brian atmete erleichtert auf. Dann betrachtete er sein Bein und hoffte nicht selbst schlapp machen zu müssen. Als er den grotesk abstehenden Winkel des Beins sah, musste er gegen eine Übelkeit ankämpfen, doch er behielt die Überhand. Wieder schrie Dad auf. Bob hatte jetzt schon ein schönes Stück geschnitten, etwa dreieinhalb Zentimeter. Sofort spannte Brian wieder die Schleuder.

"Br´an! Nichso hasdig...darfs... nich... verfehl´n. Hassnu... ein´n Versuch.", flüsterte Tom.

Brian schloss seine Augen und konzentrierte sich erneut. Er zielte. Schweiß rann ihm ins Auge aber er blinzelte ihn weg. Als er meinte die Kristallkugel sicher im Visier zu haben, ließ er das Gummiband los.

´Verfehlt!´, dachte Brian, da er keinen Aufprall hörte. Brian betrachtete den Tisch. Er hatte die Kugel keineswegs verfehlt. Der Ring war nur, trotz seines ungewöhnlichen Gewichts, immer noch zu leicht gewesen. Er hatte die Kugel weder zerbersten lassen noch vom Tisch stoßen können, aber er hatte sie dennoch bewegt. Zentimeter vor dem Tischrand blieb sie liegen.

´Verdammt, war das knapp!´, dachte Brian, ohne richtig zu registrieren, dass dies vermutlich sein Ende bedeuten würde.

Dennis hatte bemerkt, was der Junge vorhatte. Er sah auch, das sein Vorhaben um haaresbreite gescheitert war. Bob Meola bekam von all dem nichts mit. ER war im Blutrausch. SEIN Verstand war abgeschaltet. Dennis erkannte es und überlegte, wie er diese Situation nutzen konnte.

´Ich muss gegen den Tisch treten!´, dachte Brian und versuchte es, schaffte es nicht. Sein gesundes Bein lag zu weit vom Tisch entfernt, es fehlten aber nur Millimeter. Deswegen versuchte er es noch mal. Er streckte das Bein so weit er konnte aber es ging nicht. Wäre sein anderes Bein nicht gebrochen gewesen, hätte er es mit diesem geschafft. Er versuchte sich unbemerkt noch etwas mit seinen Körper weiter nach vorne zu schieben, die Schmerzen aber ließen es nicht zu. Er hatte sich von der Treppe bis hierher reinschleppen können, aber sein gebrochenes Bein war jetzt angeschwollen und er wurde immer schwächer. Außerdem hatte er angst, Bob könne ihn entdecken. Sein Vater schrie auf. Dann tat Brian etwas, dass er selbst nicht für möglich. Es war eigentlich ein größerer Aufwand als sein Vorhaben, sich weiter nach vorne zu robben - und viel schmerzhafter auch noch dazu. Brian aber war so verwirrt von der aussichtslosen Lage, dass er es tat. Es schien ihm die einzige und letzte Chance zu sein die sie hatten, und vermutlich hatte er dabei auch Recht. Er nahm sein gebrochenes Bein in beiden Händen und stieß es gegen das Tischbein. Er musste daran denken, wie Mütter Autos hoch hievten um ihre Kinder zu retten. Genauso kam Brian diese Situation vor. Er war die Mutter, sein gebrochenes Bein war die Energie, die normale Menschen in der Regel nicht aufbrachten, die Kristallkugel am Rande des Tischs war das Auto und sie alle waren das Kind, das vor einem schrecklichen Tod (ER) bewahrt werden musste. Der rasende Schmerz, der durch seinen noch sehr jungen Körper fuhr, ein Körper, der noch so viel erleben sollte und nicht hier in dieser Hölle ein Ende finden sollte, war wie eine Achterbahn, die nur aus Rasierklingen bestand, hörte aber mit einem Schlag auf, als die Welt vor seinen Augen in eine schwarze Tiefe versank.

Zur gleichen Zeit schlief auch Tom ein. Er löste sich in einem Meer von Farben in Form eines Kometenschweifs von seinem Körper und schwebte auf die Kristallkugel zu.

Beinahe wäre es wieder schief gegangen, denn die Kristallkugel rollte nicht über den Rand, sondern nach rechts. Der Schlag gegen den Tisch bewegte die Kugel dazu, die Richtung zu ändern, mehr nicht. Sie rollte nun auf den rechten Tischrand zu. Jetzt erst bemerkte ER, was Brian mit SEINER Kristallkugel vorhatte. Entsetzt hörte ER auf die Haut seines Enkels zu zerschneiden und betrachtete die Kugel auf ihren Weg ins verderben.

´Sie bleibt stehen! Sie bleibt vorher stehen!´, dachte ER. Und so war es auch. Erst wurde sie langsamer und als sie zum Stillstand kam, grinste Bob. Dennoch, mit Dennis hatte ER nicht gerechnet.

Als Granny Bob sich nach der Kugel umdrehte, waren Dennis Rückenschmerzen mit einem Schlag weg. Geistesgegenwärtig stürzte er auf den Tisch zu. Bob hielt Dennis fest, konnte aber nicht verhindern, dass Dennis die Kugel mit den Fingerspitzen vom Tisch wischen konnte. Sie schlug auf den Boden auf und zerplatzte in Millionen von kleinen Scherben. Leuchtende Farben schwebten plötzlich durch den Raum und dann durch die Zimmerdecke.

´Es sind die Seelen.´, dachte Dennis. ´Sie sind frei!´

ER schrie.

"NEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIN!!!"

Plötzlich triefte Blut aus all SEINEN Körperöffnungen. Die Haut platzte an vielen Stellen auf, wie Einschüsse unsichtbarer Geschosse. Die Augäpfel quollen hervor und platzten, sodass eine gallertartige Masse aus den Augenhöhlen lief. Blut verteilte sich im ganzen Raum. Er spritze aus den aufgeplatzten Stellen. Die Haut und das Fleisch schmolzen von den Knochen. Die Innereien fielen mit einem Geräusch zu Boden, das Dennis nie vergaß und ihn in seinen Träumen begleitete. ER war nur noch ein schreiendes Skelett, aber das Schreien klang nicht mehr irdisch. Dennis, der diese Szene schockiert und fasziniert zugleich betrachtete dachte, dass es gut sei, dass Brian ohnmächtig war um es nicht mit ansehen zu müssen. Die Knochen des Skeletts fingen plötzlich an zu brechen. Sie sprangen aus ihren Gelenken und in Splittern vom Skelett ab. Dennis musste sich bücken um einer Rippe auszuweichen. SEIN Schädel brach in der Mitte durch und eine graue Masse, die mal SEIN Gehirn war, quoll durch die Spalte. Dann fiel der Rest des Skelettes in sich zusammen. Es war vorbei. Draußen hörten die Wölfe auf zu heulen. Sie waren verschwunden.

Dennis erklärte den Polizisten, was geschehen war... natürlich nicht ganz wahrheitsgemäß. Er erzählte, dass ein Wahnsinniger sich für seinen Großvater ausgegeben hatte, und alle umbringen wollte. Die Polizisten gab vor, Dennis´ Geschichte zu glauben, was sie eigentlich nicht taten, ließen es aber darauf beruhen, da sie die eigentliche Wahrheit gar nicht wissen wollten, da sie wussten, dass die Wahrheit noch grauenvoller sein musste.

An einem Ort, der nicht zu dieser Welt gehörte, stand Bob Meola vor einer düsteren Gestalt und flehte um Gnade.

"Mein Herr! Lass es mich noch einmal versuchen! Gib mir eine zweite Chance, ich bitte dich!"

"Oh du Narr, du hast versagt! Nein! Du wirst deine Strafe bekommen. Du bleibst hier bei mir. Aber vielleicht werde ich dich doch irgendwann mit einem Auftrag zurückschicken, denn du scheinst trotzdem fähig zu sein. Und wer weiß, vielleicht wird es eine Aufgabe sein, bei der du dich an deine Verwandten rächen kannst."

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Epilog

Es war Brians zwölfter Geburtstag und er hatte eine Menge Freunde eingeladen, zu denen die Kinder der ganzen Nachbarschaft gehörten (mit Ausnahme von Jimmy Potter versteht sich). Timmy war auch hier - und selbstverständlich auch Cindy, die tatsächlich seine Freundin wurde. Sein Bein war längst wieder verheilt, aber die seelischen Wunden noch nicht so ganz. Besonders zu schaffen machte ihn der Tod seiner Mutter.

"He Brian, hier ist ein Päckchen für dich angekommen!", rief sein Vater.

Dennis hatte die Geschehnisse zwar besser verkraftet als sein Sohn, aber auch nicht besonders gut. Er musste immer an seine Geschwister denken - und selbstverständlich auch an Wendy. Er konnte sich nicht mehr neu verlieben. In dem halben Jahr seit ihrer Rückkehr aus Chicago, hatte er zwar ein paar Frauen kennen gelernt, aber keine war wie Wendy. Dennoch, ein Problem tauchte nie wieder auf: seine Rückenschmerzen.

´Der Fluch ist gebrochen!´, dachte er.

Das Erlebnis in Dawsonville hatte ihn, und auch Brian, in einer Hinsicht sehr verändert. Beide wurden sehr abergläubig und beide kamen nie wieder in die Nähe von Chicago, geschweige denn von Dawsonville. Sie hatten Bob Meolas Besitz tatsächlich geerbt, hatten allerdings alles dem Staat verkauft. Den Erlös spendeten sie an ein Weisenhaus in L.A. Keiner von ihnen konnte die schrecklichen Erlebnisse des Sommers 1994 je vergessen. Brian betrachtete das Päckchen. ´An das Geburtstagskind´ stand darauf geschrieben. Er riss es auf und schüttete den Inhalt in seine rechte Hand. Es war ein sehr schwerer Ring mit einer eingravierten Rune, ein kleines ´m´ mit einem waagerechten Balken in der Mitte.

Mönchengladbach

14. Juli 1994 bis 18. Oktober 1994

überarbeitet von August 2003 bis Januar 2004

Jake

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