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Ein Kind namens Liebe

© 2008 Sabrina (Jo)

Das kleine Mädchen war ganz allein. Es trug keine Schuhe an den Füßen und die Kleidung an seinem Leib war mit Löchern übersät. Einsam lief es durch die Straßen, die zu einem Ort gehörten, den es nicht kannte und fragte man es nach seinem Namen, so wusste es keine Antwort. Soeben war sie von ein paar Jungen verjagt worden, die auf der Straße mit einem Ball gespielt hatten. Sie hatte sich ihnen langsam genähert und darum gebeten, mitspielen zu dürfen, aber einer der Jungen, der Größte von allen, hatte sie nur von oben bis unten missbilligend gemustert, auf den Boden gespuckt und ihr zugerufen, dass sie sofort verschwinden solle, sonst bekäme sie Dresche. Nun ging sie also weiter ihres Weges.

„Seht mal die Kleine da,“ hörte sie die Stimmen fremder Menschen. „Fast nackt ist sie, hat gar keine Schuhe an!“

Der Wind begann aufzufrischen und sie legte die dünnen Ärmchen fest um ihren zierlichen Körper, um die Kälte abzuwehren. Traurig und fröstelnd sah sie zu, wie der Wind die Blätter von den Bäumen blies, um sie am Boden tanzen zu lassen. Sie trabte betrübt zu einem dieser Bäume, hockte sich hin und hob eines der Blätter auf. Sie hielt es gegen das Licht der Sonne, die schwach durch die immer dichter werdenden Wolken schaute. Schön sah das Blatt aus. Es leuchtete in gelben und roten Farben. An dem gezackten Muster erkannte sie, dass es ein Ahornblatt war. Ein Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht des Kindes, doch hier war niemand mehr, der es sehen konnte. Die wenigen Menschen, die noch auf den Straßen waren, eilten an ihr vorbei in ihre Häuser, würdigten sie keines Blickes. Jeder war darauf bedacht, sich vor dem nahenden Unwetter in Sicherheit zu bringen.

Den Kopf gesenkt schlenderte sie weiter durch die Gassen, als sie plötzlich etwas hörte. Sie hob den Kopf und lauschte. Das Geräusch war ihr vertraut. Es kam aus einiger Entfernung, die sie nun schnellen Schrittes verringerte. Die winselnden Laute drangen näher an ihr Gehör, sie trieben ihr die Tränen in die Augen, so jämmerlich war es anzuhören.

Schon gleich hatte sie die dunkle Ecke erreicht, aus der die Laute kamen. Zwischen den Wänden zweier alter Häuser war ein Graben, in den sie nun hinab schaute. Von unten blickten sie große verängstigte Augen an. Sie gehörten einem kleinen Hund, der offensichtlich in den Graben gerutscht war.

Über sich hörte das Mädchen dumpfes Grollen, es wurde zunehmend düsterer und dann setzte plötzlich der Regen ein. Ihr war es egal. Auf Händen und Knien näher an das Loch rutschend streckte sie die Arme aus und packte den kleinen Hund sanft am Genick. Er strampelte ein wenig mit den Beinchen und jaulte kurz auf, doch als sie ihn fest an ihre Brust drückte, ihm über das schmutzigverklebte Fell streichelte und ihm ruhig zuflüsterte, begann er es zu genießen.

Das Kind entdeckte ein Band um seinen Hals, an dem eine Marke befestigt war.

Der Schrift darauf entnahm sie, dass der Hund Murphy hieß und in der Baumstrasse 14 wohnte. „Das ist ja ganz in der Nähe!“ freute sich das Kind und drückte den Welpen noch fester an sich. So rannte sie die Strassen entlang, das Wasser des Regens lief ihr über das lange braune Haar, in den dünnen Kragen des zerschlissenen Hemdchens und an ihrem Rücken hinab. Sie fröstelte.

Schwach klopfte sie an die Tür des alten Hauses, zu dem die Hundemarke sie geführt hatte. Sie wartete. Nichts. Erneut klopfte sie, diesmal stärker, als wieder keine Reaktion kam, hämmerte sie mit der freien Faust so fest gegen die klobige Holztür, dass ihre Hand schmerzte und trat zusätzlich mit dem nackten Fuß dagegen. Sie unterdrückte die aufkommenden Tränen des Schmerzes und biss die Lippen zusammen.

Die Tür wurde heftig geöffnet und sie musste aufschauen, um dem hoch gewachsenen, kräftigen Mann ins Gesicht schauen zu können. Er sah auf sie herab und sein Blick, der ohnehin unfreundlich war, verfinsterte sich, als er den Hund in ihren Armen als den seinen erkannte.

„Was zum Teufel!“ donnerte er los und das Mädchen vom rauen Klang seiner Stimme erschrocken, wich zurück. „Was hast du mit meinem Hund gemacht?“ brüllte der Mann weiter und riss ihr das Tier unsanft aus den Armen.

„Ich“, begann sie, „habe gar nichts gemacht, ich hab nur ...ich ...“ Der Mann schaute sie noch immer grimmig an und nickte. Ihr Stottern und die Tränen auf ihrem Gesicht, ganz klar, sie musste seinem Hund etwas zuleide getan haben, was ihr nun selber leid tat.

„Mach, dass du wegkommst, du kleine Tierquälerin!“ Rumms! Hatte er die Tür ins Schloss geworfen.

Er hatte ihre Angst als Schuldgeständnis fehlinterpretiert. Ach, hätte er mich doch ausreden lassen, dachte das kleine Mädchen und ging traurig weiter.

Doch, sie wusste ja nicht, wohin. Sein wusste nicht, woher sie kam, wohin sie sollte, wer sie war. Sie konnte sich an nichts erinnern. Sie hatte keine Erinnerungen an Menschen, die sie hätte suchen können, nichts war ihr vertraut.

„Hilfe, zu Hilfe“, vernahm sie da auf einmal eine Stimme. Sie blickte in die Richtung aus der sie kam und sah eine alte Frau, die hilflos am Boden kauerte. Neben ihr lag ein Korb, in dem sie Obst und Gemüse hatte transportieren wollen, das um sie verstreut auf der Erde lag. Geflecht und Esswaren hatten einiges an Regen abbekommen, aber der alten Dame schien es gut zu gehen.

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ fragte das Mädchen die Alte und machte sich daran, das Essen wieder in den Korb zu tun, um es der Frau zu geben.

„Nimmst du deine Finger da weg“, schimpfte die Frau jedoch plötzlich. „willst du eine alte Frau, die am boden liegt nun auch noch bestehlen?“ Das Mädchen wollte der Alten aufhelfen, die aber wehrte sich dagegen und stand recht schnell wieder auf den Beinen.

„Du solltest dich was schämen, Kind, hörst du? So etwas gehört sich doch nicht!“ Die alte Frau gestikulierte wild, bevor sie ihren Rock raffte, sich umdrehte und kopfschüttelnd davon hinkte.

Fassungslos starrte das Kind der Alten nach. Was hatte sie nur an sich, was die Menschen dermaßen böse sein ließen zu ihr? Was hatte sie ihnen denn getan? Sie wollte ja nur helfen.

Seufzend ging sie weiter. Sie zitterte am ganzen Leib und ihr Magen knurrte.

Noch immer regnete es in Strömen, doch inzwischen war sie so durchnässt, dass sie aufhörte, sich zu schützen.

„Barney’s Kneipe – hier essen Sie wie daheim“ versprach eine Reklametafel über dem Dach eines niedrigen, aber einladend wirkenden Gebäudes.

Sie überlegte, steckte einen Finger zwischen die Lippen und zögerte. Ob sie da rein durfte?

„Warum nicht, ich will ja bloß was essen.“ dachte sie laut, drückte die Klinke hinunter und betrat das kleine Lokal. Sofort schlug ihr der Duft von gebratenem Fleisch, frisch gekochten Kartoffeln und warmen Kräutertee entgegen. Sie leckte sich unbewusst über die aufgesprungenen Lippen, schmeckte das Regenwasser und verzog das Gesicht.

Sie sah sich um. Die Kneipe war recht gemütlich eingerichtet. Überall waren kleine Nischen, in denen Holztische und Stühle standen. An den Wänden waren Kerzen befestigt, die ihr warmes Licht verbreiteten. Leichter blauer Nebel lag in der Luft, der von den Zigarren der Männer herrührte, die an ihren Plätzen saßen und Karten spielten, sich Witze erzählten und laut lachten.

„Guten Tag!“ rief das kleine Mädchen und staunte selbst über die Kraft in ihrer Stimme. Sofort wurde es ruhig um sie herum. Sie spürte, wie neugierige Blicke sich an sie hefteten, ihren zierlichen Körper, die zerfetzte Kleidung musterten. Betreten starrte sie auf ihre nackten schmutzigen Füße und knickte die Zehen ein.

Ein stark untersetzter Mann, der sich eben die Hände an einem Geschirrtuch abrieb, kam leicht schwankend auf sie zu und blieb dann vor ihr stehen. Sie traute sich kaum, ihm in die Augen zu sehen, tat es dennoch.

„Nun, Kleine“, brummte er. „Erzähl mal, was willst du?“ Er legte den Kopf schief und wartete auf ihre Antwort.

„Ich ...“, begann sie schüchtern. Nein! Nicht schon wieder! Dachte sie ärgerlich. Sag laut und deutlich, was du möchtest! Befahl sie sich selber.

„Ich möchte hier bitte etwas essen“, sagte sie daher laut, hob den Kopf und schob das Kinn hervor, um nicht ängstlich auszusehen.

„Soso“, erwiderte der Mann vor ihr. „Und, wovon möchtest du das bezahlen?“

„Bezahlen?“, wiederholte die Kleine unsicher.

„Ja, denkst du etwa, du kannst hier kostenlos essen, Kindchen?“ wieder der abschätzende Blick, der auf ihr ruhte. Sie sah zu den Männern hinüber, die verächtlich den Rauch in ihre Richtung bliesen. Schnell blickte sie wieder zu dem Mann vor ihr, der allmählich ungeduldig wurde.

Sie senkte den Kopf und hob die Schultern.

„Hör zu, Kleine. Hast du denn Geld dabei?“ Der Mann blieb noch freundlich, was sie ermutigte.

„Geld?“ Sie hatte nicht mal Ahnung, wovon der Mann da sprach, aber sie hatte eine Ahnung. Geld musste das sein, was sie gab, um Essen zu bekommen. Er wollte eine Gegenleistung dafür, dass sie satt wurde. Nun, das leuchtete ihr ein.

„Ich kann arbeiten“, sagte sie rasch, weil er nun die Hände verschränkt hatte und gar nicht mehr freundlich aussah.

„Arbeiten willst du?“ fragte er und hob verblüfft die Augenbrauen.

Sie nickte eifrig und lächelte. „Ja, das will ich.“

Mit überlegender Miene betrachtete er das Kind von oben bis unten, dann blickte er nach hinten zu seinen Gästen, bevor er sich wieder zu ihr umdrehte und in lautes Gelächter ausbrach. Auch die Männer hinter ihm lachten.

Das Mädchen war völlig verunsichert, lachte aber leise mit.

„Du glaubst, du kannst mich für dumm verkaufen Mädchen?“ Der Mann hatte aufgehört zu lachen und starrte sie nun aus wütend funkelnden Augen an. Sein Gesicht hatte eine rote Farbe bekommen.

„Nein, das wollte ich gar nicht...“, versuchte sie, ihn milde zu stimmen.

„Kommst hier rein ohne Geld, willst was essen ... du, kleines Mädchen, wo du doch nicht mal vernünftige Kleidung trägst und dich kaum auf den Beinen halten kannst und erzählst mir, dass du hier arbeiten willst?“ zischte er.

Nun wusste sie nicht weiter, sagte nichts, nickte nur.

„Dir werd’ ich helfen!“ schimpfte er aufgebracht, nahm das Geschirrtuch, das er sich über die Schulter gelegt hatte und scheuchte das Kind mit hastigen Bewegungen hinaus.

„Lass dich hier bloß nicht wieder blicken, Mädchen, hast du gehört!“ hörte sie seine laute Stimme hinter sich.

Sie rannte und rannte. Durch die Gassen und Straßen, rutschte mehrmals in den Pfützen aus, rappelte sich auf und lief weiter. Tränen rannen ihr über die Wangen. Eisiger Regen stach ihr in die gerötete Haut, peitschte ihr Haar, durchnässte sie bis auf die Knochen.

Irgendwann, sie wusste nicht, wie lange sie gelaufen war, konnte sie nicht mehr. Erschöpft hielt sie inne. Ihr Atem ging keuchend und schwer. Sie ließ sich nieder, lehnte den Rücken an eine Häuserwand, grub die nackten Füße in den vom Regen aufgewühlten, matschigen Boden. Sie fror so erbärmlich, dass ihr ganzer Körper verkrampft war.

Allmählich wurde es dunkel. Die Nacht senkte sich über sie, wie eine schwarze Decke. Sie schloss die Augen und zählte in Gedanken ihre Atemzüge, die immer weniger wurden.

Bald schon, hörte sie auf zu zählen. Nun quälte sie nichts mehr. Sie fror nicht, verspürte keinen Hunger und musste nicht orientierungslos durch eine Welt streifen, die nicht ihre war, in der sie nicht willkommen war.

Als es Tag wurde hatte sich eine kleine Menschentraube um das Mädchen gebildet. Neugierige, aber auch mitleidige Blicke ruhten auf dem leblosen Körper, der an der kalten Wand lehnte. Ein kleiner Junge näherte sich ihr, öffnete ihre magere kleine Hand, in der sie etwas festgehalten hatte. Er nahm es hoch und hielt es gegen das warme Licht der Sonne. Er lächelte, als er sah, wie es in roten und gelben Farben leuchtete, das Ahornblatt.

„Das arme Kind“, sagte eine weibliche Stimme. „Seht nur, wie sie aussieht.“

„Als hätte sie nie Liebe bekommen,“ sagte der kleine Junge und die anderen schauten ihn erstaunt an. .....


Diese Menschen nahmen die drei Lichter, die vom Himmel herabschwebten nicht wahr. Es waren helle, leuchtende Kugeln, die nun um den toten Körper des Mädchens kreisten und dann wieder verschwanden.

Als das Mädchen aufwachte, befand sie sich in einer anderen Welt. Sie blickte sich um. Überall tanzten Mädchen umher, ebenso klein wie sie. Doch sie trugen keine zerschlissenen Kleider, sahen gepflegt aus und trugen seltsame leuchtende Schuhe an ihren Füßchen.

Am Rücken hatten sie Flügel, die aufgeregt flatterten.

„Sie ist wach!“ sagte eine Stimme, so zart wie eine Feder. Das Mädchen blickte sich um und sah eines der kleinen Wesen direkt vor sich. Keine boshaften Augen, die sie musterten, sondern leuchtende, kleine Äuglein, die ihr freundlich zublinzelten. Keine grimmige Stimme, die sie tadelte, sondern ein helles Stimmchen, das gerade mal ein Wispern war, was sie dennoch genau verstand.

Kurz darauf erfuhr sie, dass sie im Himmel war und die kleinen Wesen Engel, die allesamt auf die Erde geschickt wurden, um Gutes zu tun. Den Menschen allerdings fehlte bislang etwas. Sie hatten ein warmes Zuhause, lebten in Freiheit und waren zufrieden mit ihrem Leben. Doch, sollte das alles sein?

Sanft strich sich das Mädchen durch die glänzenden Flügel, lächelte und flog ...flog hinab, über die Welt, sah die Menschen, erkannte und wusste, was zu tun war.

„Und du wirst den Menschen die Liebe bringen“, hatte das Engelswesen dem Mädchen erklärt, das sofort verstanden hatte: Liebe ist die immerwährende Wärme in deinem Herzen. Liebe ist das Miteinander unter den Menschen. Liebe ist ein freundliches Wort. Liebe ist helfen, ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen. Ohne die Liebe würde der Mensch eingehen, denn mit ihr hört die Einsamkeit, das Leid, der Schmerz, das Unglück auf, zu existieren.

Das Mädchen war nun befreit von alledem. Es wusste nun, was Liebe war, ohne sie selbst je erfahren zu haben. Sie wollte, dass die Menschen sie erfuhren, dass die Welt sich änderte.

 

 

 

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