Die Aufgabe von Gott
© 2003 Bernard Hoffmeister (alacienputa)
Ich lag auf unserem Bett, meine Frau stand am Fenster und guckte auf den
Hof. Die Sonne schien, sie war aber noch nicht auf ihrer Höchstleistung, doch
sie gab sich Mühe und probierte wie im Sommer zu scheinen, sie brachte es so
weit, dass sie einen warmen Schleier auf die Erde legen konnte.
Ich sah meine Frau an und sie erwiderte meinen Blick, die Sonne schien ihr
von der rechten Seite ins Gesicht, doch die Sonne legte einen seltsamen
Schatten auf Carrie, der es mir nicht möglich machte richtig in ihr Gesicht
zuschauen. Vor Verwunderung verzerrte ich mein Gesicht, denn so etwas war mir vorher
nie aufgefallen, als ob die Sonne sie zu sich hochziehen würde und in meiner
Welt nur zur Hälfte erscheinen ließ.
Sie fragte: "Wann musst du zur Arbeit, David?"
"Ich muss um halb acht im Kraftwek sein", sagte ich mit etwas deprimierter
Stimme.
Sie nickte nachdenklich und sagte: "Ich werde dann mal Frühstück machen."
In unserer Beziehung war noch nicht die Luft raus, es gab aber Momente ,in
denen es mir vorkam, als ob wir mit einem vollgepakten Pkw gegen eine Wand
fahren würden.
Ich drehte mich um und starrte die Decke an. Ich guckte so als würde ich
nachdenken, aber wenn ich so gucke, ist mein Kopf meist so leer von allem, wie
eine Kameralinse vom Staub.
Mein Leben war so verfahren. Ich hasste es, durch meine Wohnung zu gehen und
immer das gleiche zu tun. Meine Lebensfreude war ausgebrannt, nur leider
fand ich das Feuerzeug nicht.
Ich raffte mich auf und machte meinen Schrank auf. Ich holte mir meinen
recht langweiligen Klamottengeschmack heraus und zog ihn an um mein langweiliges
Leben zu führen. Ich schaute mich in unserem Zimmer um und ich hasste auf
einmal, alles was ich dort sah, ich hätte am liebsten alles zerstört was ich
dort gesehen habe. Ich konnte einfach nicht mehr, ich war 33 Jahre alt und meine
Gedanken kreisten nur noch um wirre Probleme, was war aus dem jungen Mann
geworden, der mal ein richtiges Sexualleben hatte, seiner Frau blind vertrauen
konnte und ein Selbstvertrauen hatte wie ein Priester? Ich glaube, sie haben
sich gegenseitig umgebracht.
Ich ging runter zu meiner Frau, die Brötchen und Kaffee auf den Tisch
gestellt hatte.
"Es ist schon acht Uhr vier. Du solltest dich beeilen."
"Du hast Recht. Gibst du mir mal die Zeitung."
Sie gab mir die Zeitung und ich las was so in unserer Wirtschaft los war,
ich las über die spektakulären Einsätze der Polizei, wie sie eine Drogenbande
in einem Lagerhaus hochgehen ließen. Doch nichts bewegte mich, nichts erhellte
mein Leben.
Ich machte mich fertig und verließ meine Frau mit einem flüchtigen Kuss. Ich
machte das Garagentor mit meiner Fernbedienung auf und startete meinen BMW
3er, der seit einem Monat mein scheinbarer Stolz zu seien schien.
Ich fuhr über die Landstraße, die von unserem kleinen Ort in die nächste
Stadt führte, wo ein Atomkraftwerk stand, in dem ich als Sicherheitsbeamte
arbeitete.
Ich schaltete das Radio ein und mir kam gleich die Stimme von Anthony Kiedis
der Sänger von den Red Hot Chili Peppers entgegen, mit dem Song Scar Tissue.
Das trug ein wenig zu meiner Stimmung bei und es zauberte auch ein kleines
Lächeln von meinen Lippen.
Obwohl die Sonne schien, legte sich ein widerlicher grauer Schleier über
mich, wenn ich der Stadt näher kam. Ich hatte nichts gegen meinen Job, er war
öfter anstrengend, aber ich verdiente gutes Geld und konnte durch und durch
zufrieden sein.
In der Stadt war es immer das gleiche Bild die Leute gingen mit einer Tasche
durch die Straßen und schauten alle nach unten. Sie alle schienen nach einem
Lebenskick, einer Energiespritze zu suchen, die ihnen helfen sollte sich aus
einer misslichen Lage zu retten oder ähnliches.
Aber bei mir war so etwas nicht in Sicht.
Ich fuhr langsam durch den Sicherheitsbereich und suchte mir anschließend
einen Parkplatz. Ich nahm meine Tasche vom Sitz, schloss ab und ging in das
Atomkraftwek hinein, was zuletzt in großen finanziellen Schwierigkeiten steckte.
Ich ging durch das Atomkraftwerk und grüßte ein paar Kollegen und als ich
dann vor dem Pult mit den vielen bunten Knöpfen stand und meine Tasche
abstellte, überkam mich ein Schauer über meinen Arbeitsplatz. Auf einmal war es der
Ort, an dem ich am wenigsten auf der Welt sein wollte. Es wurde mir richtig
übel bei dem Anblick.
Ich ging erst einmal in dem Nebenraum um mir einen Kaffee zu holen und mich
wieder ein wenig zu beruhigen.
"Ist heute schon etwas Interessantes gelaufen, Steve?"
"Nein, nur noch ein mieser Tag in meinem Leben.", sagte er mit einem
leichten Lächeln.
"Mach weiter so", sagte ich und erwiderte sein Lächeln.
Obwohl ich noch recht jung war, bin ich der älteste Mitarbeiter in meinem
Kraftwerk. Ich war schon 9 ½ Jahre dabei. Es war ein ständiges Kommen und Gehen,
ich wusste auch, dass Steves Zeiten im Kraftwerk bald gezählt seinen würden.
Ich wusste nichts warum mein spießiger Boss mich so lange Zeit an der Leine
hielt, ich hatte mit meinem Boss nichts weiter zu tun, ich hatte auch keine
sonderlich gute Qualifizierung für meinen Job, ich schleimte mich auch nicht
bei ihm ein, er war nur mein Boss.
Ich machte meinen üblichen Arbeitstag und nach fünf Stunden freute ich mich
schon wieder auf mein Daheim, dass sich jetzt so warm und wohltuend anfühlte
wie schon lange nicht mehr. Ich konnte es gar nicht glauben, dass es noch am
selben Tag war, an dem ich mein Zu hause mehr hasste als alles andere. Es kam
mir auch nicht real vor, es schien, als würde ich es so schnell wie möglich
vergessen lassen wollen.
"Na Davey, wie geht's dir, mein Süßer?"
Sarah Storm, sie ist sehr arrogant und sie ist David ein Dorn im Auge, weil
sie sich die ganze Zeit an ihn ranschmiss. Sie war für die Außensicherheit
des Kraftwerks zuständig und hatte oft nicht viel zu tun. Carrie hatte einmal
gesagt dass es ein Wort für Frauen wie sie gab. Dieses Wort reimte sich auf
eine abfällige Form von Fernseher. "Sarah, hast du nichts Besseres zu tun, als
mich zu nerven?"
"Ach Davey, sei doch nicht so?", sagte sie und streichelte ihm abwärts über
dem Bauch. Er packte ihre Hand sehr fest und sagte: "Doch bin ich und nicht
anders, du Miststück."
"Na gut, dann geh ich halt wieder.", sagte sie straff und ging schnellst
möglich wieder aus dem Raum.
Es war mittlerweile schon zwanzig Minuten vor vier und es war für ihn auch
alles im grünen Bereich. Er fühlte sich richtig gut. Wenn er nach Hause kommt,
wird er sich wohl seine Frau schnappen und sie dann schön zum Essen
ausführen.
"Äh... David, kannst du mal kommen?"
Ich ging noch immer leicht verträumt in den Nebenraum.
"Was ist los, Steve?"
"Im Hauptreaktor gibt es Werte die weit über dem Standard sind."
"Erzähl keinen Scheiß!"
David ging wieder in seinen Raum und tippte ganz schnell auf seinem
Computer, um die Werte zu kontrollieren.
"Oh, mein Gott.", sagte er sich selber leise.
"Steve, mach sofort alle Türen zu, es darf hier keiner mehr raus."
Er guckte ein wenig erschrocken und gleichzeitig verblüfft, doch dann
gehorchte er und beillte sich, die Türen zu schließen.
"Sag dem Boß sofort Bescheid und check weiter die Lage im Haupreaktor. Es
kam bei der Spaltung zu Störungen. Gib eine Durchsage durch. Und jemand muss
das Problem manuell beheben."
"Aber wer kann das machen?"
"Wer ist denn dazu ausgebildet?", fragte ich hektisch.
Und das war genau das, was ich in so einer Situation nicht werden wollte.
Ich sah durch den Raum und probierte ganz tief Luft zu holen.
"Sarah Storm kann das machen!", sagte Steve, mittlerweile auch hektisch.
"Dann sag ihr Bescheid, wenn wir nicht bald handeln, werden wir alle
verstrahlt!"
Steve machte eine Durchsage und machte klar, wie die Lage im Haupreaktor
momentan war. Die Leute im Kraftwerk waren zum größten Teil sehr professional,
sodass sie probierten keine Hektick aufkommen zu lassen, aber wenn sie zu viel
Zeit ins Land verstreichen ließen, würde die Panik unaufhaltsam ausbrechen.
Es sammelten sich einige Leute im Sicherheitsbereich an, um uns ein wenig zu
unterstützen. Dann kam auch Sarah in den Sicherheitsbereich und machte sich
kundig.
"Sarah, du musst in den Haupreaktor und das Problem manuell beheben, weil
die Steuerung von hier nicht auf den Hauptcomputer im Reaktor übergreifen
kann", sagte ich, wobei ich aber befürchtete, dass sie eine arogante Bemerkung
machen würde oder so etwas wie: Jetzt soll ich dir meine Dienste zur Verfügung
stellen? sagen würde und somit sich vorerst weigern dort hinein zu gehen.
"Ja, ich werde gehen, wie lange hält der Reaktor noch dicht?", fragte sie
vollkommen ohne Unterton. Vermutlich hatte sie selber Angst um ihr Leben und
hatte alles andere für einen Moment vergessen.
"Eigentlich müsste er noch mehr als 20 Stunden halten, aber es wurden von
einiger Zeit schon starke Sicherheitsmängel festgestellt. Es könnten locker nur
noch 4 Stunden oder weniger sein", antworte Steve.
Dann ging alles ziemlich schnell, Sarah zog sich schnell um, nahm ein
Headset mit, damit wir mit ihr im Reaktor Kontakt halten konnten. Sie nahm einen
der für Kraftwerkverhältnisse steinzeitalten Isolieranzug.
Sarah machte ein sehr besorgtes Gesicht und hatte wohl so großes Angst wie
noch nie zuvor in ihrem Leben. Ich beobachtete sie, wie sich umzog und machte
dabei ebenfalls ein besorgtes Gesicht. Ich wäre jetzt mit Carrie in
einer der edelsten Resturants der Stadt und würde mich mit ihr über unsere schönen
Momente unterhalten, ich würde mit ihr lachen und mich wahrscheinlich bis zwei
Uhr nachts mit ihr unterhalten und einer der besten Zeiten unserer Ehe
einläuten. Doch jetzt war ich noch im Atomkraftwerk und es bestand sogar die
Möglichkeit, dass ich nie wieder mit ihr reden könnte. Ich wusste aber auch, dass
das Leben der Stadt viel wichtiger ist, als eigene Interessen.
Es waren etwa 500 Meter von dem Sicherheitsbereich bis zu dem Hauptreaktor,
er war schon des öteren diese Strecke gegangen, aber noch nie kam ihm die
Dauer der Strecke so lang vor sie jetzt. Im dem Sicherheitsraum waren etwa 12
Personen, die alle hinter dem Stuhl von Steve standen und auf den Computer
starrten. Ich stand auch dahinter und hatte als Sicherheitsleiter das andere
Headset auf.
"Alles in Ordnung, Sarah?" fragte ich durch die absolute Stille im Raum.
"Bis jetzt sind mir keine Störungen aufgefallen." sagte sie nervös.
Sie hatte ungefähr die Hälfte der Strecke geschafft, als ein weiterer Beamte
in den Raum stürmte, auf mich zu ging und mich bat in den Nebenraum zu
kommen wegen einer wichtigen Information.
"Der Anzüge, die wir hier zur Verfügung haben, haben alle eine undichte
Stelle am Brustkorb. Sie ist bei dem letzten Transport festgestellt wurden. Wenn
wir sie nicht zurückholen, wird sie mit Sicherheit verstrahlt!", sagte er
aufgeregt.
"Oh mein Gott!" Konnte ich nur sagen.
Ich konnte nicht darüber entscheiden. Wenn ich sie zurückholen würde, hätten
wir keinen weiteren Anzug um jemand loszuschicken. Ich musste ihr sagen,
dass sie sterben würde und nie wieder spazieren gehen konnte.
"Oh mein Gott! Ich kann nicht über ihr Leben bestimmen, das ist nicht meine
Aufgabe, es ist seine..."
Auf einmal war ich mir nicht mehr über meine Aufgabe klar.