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Ich will auch
Teil 2: Wolkenbruch

© 2011 by Hans von Wirth

"The beauty of a woman is not in the clothes she wears, the figure that she carries, or the way she combs her hair. The beauty of a woman is seen in her eyes, because that is the doorway to her heart, the place where love resides.”

"Die Schönheit einer Frau liegt nicht in der Kleidung die Sie trägt, ihrer Figur oder in der Art wie Sie ihr Haar kämmt. Die Schönheit einer Frau ist sichtbar in ihren Augen denn diese sind das Tor zu ihrem Herzen, dem Ort wo Liebe wohnt.”

Audrey Hepburn - Britische Schauspielerin

1929 - 1993

Fortsetzung von „Sonnenlicht“

Wir waren den Samstag nach unserem wundervollen Rendezvous im Bett geblieben und waren erst am frühen Vormittag des nächsten Tages aufgestanden.

Dann planten wir spontan ein kleines Picknick zu zweit zu machen weil das Wetter an diesem Sonntag gerade noch schön war - laut Wetterfee im TV war heute der vielleicht letzte sonnige Tag des Jahres. Ich packte in der Küche einiges zusammen, während Nicky im Wohnzimmer blieb um Doro anzurufen, um ihr Bescheid zusagen dass es wahrscheinlich später wurde. Nicky sagte mir, das beide noch einiges vorbereiten müssten für die Arbeit. Ich sehnte mich zwar jetzt schon nach ihr, aber natürlich konnte ich verstehen, dass es wichtig war. Ich nehme meinen Job ja schließlich auch ernst. Als Lehrerin muss man halt auch immer etwas vorbereiten und für den Unterricht vorausplanen. Das habe ich ihr genau so gesagt. Als sie es mir immer noch nicht so ganz traute, das es OK ist, sagte ich ihr, dass es meine Vorfreude darauf, sie wieder zu sehen nur steigern könnte. Da lachte sie plötzlich auf und sagte: „Na, dann will ich dir mal glauben!“

„Klar, das kannst du auch.“

Als wir im Stadtpark ankamen, wusste ich schon genau wo ich hinwollte. Zu der großen Kastanie, die fast zentral in der Nähe des Ententeiches steht. Genau dort machten wir es uns gemütlich und packten unsere Leckereien aus. Nach dem kleinen Imbiss lehnten wir uns aneinander und genossen den Sonnenschein. Nicky’s Kopf lehnte an meiner Brust und es war wunderbar ihr ganz sanft durch das Haar zu streichen. Ihr gefiel es sichtlich, denn sie schmiegte sich nun noch mehr an mich, den Kopf leicht zur Sonne geneigt, so dass ihr graziler Nacken frei lag. Ich beugte meinen Kopf und überschüttete ihren Hals mit Küssen. Nicky kicherte leicht. Ich hob meinen Kopf.

„Gefällt es dir hier?“

Nicky drehte sich nun zu mir um und sah mir tief in die Augen, dass mir vor Freude fast das Herz stehen blieb. „Ja, es ist sehr schön, aber noch schöner ist es, hier zu sein und auch noch von dir so verwöhnt zu werden.“ Sie küsste mich, dann umarmten wir uns. Ich streichelte ausgiebig ihren Rücken, Es war das schönste Gefühl auf der Welt, sie im Arm halten zu dürfen.

Mit einem Mal verkrampfte sie sich, und löste sich von mir. Sie schien vor irgendetwas erschrocken zu sein, ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. „Was ist los?“ fragte ich und sah mich um. Ein paar Jogger, nicht wenige Spaziergänger und drei andere Pärchen die den Tag ebenso zu einem Picknick im Park genutzt hatten war zu sehen, aber sonst gab es weit und breit nichts was mir ihre Schockreaktion hätte erklären können. Nicky stand auf, ganz wackelig auf den Beinen. „Ich kann nicht…. Ich muss...“ Sie sah auf irgendetwas hinter mich und ich folgte ihrem Blick. Sie sah Richtung Eingang, durch den wir den Park vor nicht mal einer Stunde betreten hatten. Oder wollte oder wollte sie mich nicht ansehen? Langsam löste sich ihr Blick, und sie sah mir Furcht zu mir. Sie dachte nach. Dann sah sie mir in die Augen. „Lass uns gehen, bitte. Ich hab noch viel zu tun und fühle mich nicht besonders wohl wenn ich Dinge zu weit hinausschiebe.“ Ich fragte noch einmal was los sei. Nicky sagte jedoch nichts, sondern schüttelte nur den Kopf. Was hatte sie nur so verstört? „Würdest du mich nach Hause bringen?“ fragte sie mich. Ich sah sie an. „Nichts lieber als das.“ Jetzt lächelte sie, in ihren Augen sah ich aber auch Erleichterung. Hatte sie Angst? „Bitte lass uns jetzt gehen.“, sagte sie. So machten wir uns auf den Weg zu ihrer Wohnung.

Ich versuchte natürlich herauszufinden weshalb sie so heftig reagiert hatte und was der Grund für diese Reaktion war. Sie schwieg. Da wurde mir klar, dass sie mir nichts sagen würde, und in meinem Kopf schwirrten hunderte von Fragen umher. War es wohl zu viel Nähe gewesen? Hatte ich sie zu sehr bedrängt? Oder hatte ich ihr zu früh gesagt dass ich sie liebe? Oder…. Bisher hatte sie sich nicht dazu geäußert, aber… Schämte sie sich vielleicht mit mir gesehen zu werden? Eigentlich schien sie mit meiner Einschränkung gut zu Recht zukommen dachte ich. Diese Ungewissheit machte mich noch Wahnsinnig. Ich musste mit Doro sprechen. Vielleicht wusste sie Rat. Aus Nicky war nichts herauszubekommen.

Als wir an der Haustür standen nahm ich Nicky’s Hände in meine.

Sie beugte sich zu mir und flüsterte mir ins Ohr: „Du hast nichts gemacht, es ist nur… ich werde dir alles erklären, aber ich brauche dazu ein wenig Zeit.“ Ich entgegnete leise: „Was immer los ist, ich werde dir helfen. Das schwöre ich.“ Daraufhin umschloss Nicky meine Lippen mit Ihren. Dann löste sie sich wieder sanft von mir und schaute mich an „Danke!“ „Bedanken muss ich mich bei dir.“ Sagte ich, und sah ihr tief in ihre wunderbaren blauen Augen, die jetzt ein wenig feucht glänzten. Ich küsste sie wieder. Ihre Lippen waren wieder wie Brennstoff für die Flamme die in mir loderte, und ihren Namen trug. „Danke dir!“ Dann entließ ich sie langsam aus meinen Armen. „Nun mach aber jetzt, dass du reingehst.“, meinte ich lächelnd.

„Na ja dann werde ich auch besser mal gehen. Bis dann.“ Wir mussten nichts weiter sagen. Denn das, was wir füreinander fühlten lag in unseren Herzen. Bei mir, als auch bei ihr. Dessen war ich mir sicher als ich sah, mit welch sehnsuchtsvollem Blick sie die Tür schloss. Dann machte ich mich auf den Heimweg. War es wirklich so? War es wegen irgendetwas was sie gesehen hatte, oder wollte sie mir nur nicht wehtun? Warum sagte sie es nicht direkt? Hatte sie die Furcht, ich könnte zusammenbrechen? Oder, hatte sie jemand anderen? Wollte sie vielleicht mit diesem jemand alles klären, bevor das, was uns beide verband weiterging?

All diese, und noch viele weitere Fragen gingen mir den ganzen Tag über durch den Kopf. Ich räumte schon meine Wohnung auf nur um mich abzulenken. (selbstverständlich gab es nicht viel Unordnung, das meiste hatte ich schon vor Nicky’s Besuch am Freitagabend erledigt, lediglich das benutzte Geschirr hatte eine Reinigung nötig, sonst war eigentlich alles in Ordnung; dennoch putzte ich die ganze Wohnung, das lenkte mich wenigstens ab. So saß ich dann abends gegen halb zehn ziemlich platt vor den Fernseher.

Das Telefon klingelte. Ich nahm ab.

„Hallo?“

„Nicky hier.“

Da war es wieder, dieses warme Glücksgefühl, das sich in mir ausbreitete wie Honig. Ich atmete tief ein

„Schön dass du anrufst. Geht’s dir besser?“

„Ja, und deswegen rufe ich auch an. Ich weiß, dass es schon spät ist, aber könntest du vorbeikommen? Ich muss mit dir sprechen und das geht so schlecht am Telefon.“

„Na klar, freu mich immer bei dir zu sein. Bin in circa 20 Minuten da.“

„OK, bis nachher.“ Sagte sie und legte auf. Etwas mehr als fünfzehn Minuten später stand ich vor der Tür und klingelte.

Nicky öffnete. Sie war schon Bett-fertig, trug einen Bademantel. Zur Begrüßung umarmte sie mich. All der Zweifel den ich vorher gehegt hatte war fort. Ich umfasste sie fest mit meinen Armen und sog den lieblichen Geruch ihres Haars ein.

Dieser Moment war schnell vorüber, aber hatte mir wieder soviel gegeben, so unbeschreiblich schön sie im Arm zu halten. Ich glaube nicht, dass ihr das bewusst war.

Sie bat mich diesmal nicht ins Wohnzimmer, sondern in ihr Zimmer, welches ich mit Neugier betrat. „Doro’s Freunde kommen nachher noch, hoffe es macht dir nichts aus.“ „Nein natürlich nicht. So haben wir Ruhe, das ist ja auch ganz schön.“

Ich sah mich im Raum um. Relativ wenige Möbel standen hier, den größten Platz nahmen ein Kleiderschrank und ihr Bett ein, ein kleiner Tisch stand noch neben ihrem Bett. Ich musste lächeln als ich das Bett sah, denn natürlich war dies mit blauem Bettzeug bezogen. „Das ist schön. Aber eigentlich kein Vergleich zum blau deiner Augen.“ Sie hatte meinen Blick bemerkt, und wollte etwas sagen, aber als ich meinen Satz beendet hatte, stockte sie plötzlich, und ihre Gesichtsfarbe wurde ein wenig dunkler. „Dankeschön. So häufig wie du hat mir noch nie jemand Komplimente gemacht.“ „Das mache ich normalerweise auch nicht.“ Bevor sie wieder erröten konnte, sagte sie dass sie durstig war und fragte mich, ob ich ebenfalls etwas trinken möchte. „Ja gern.“, antwortete ich. Als sie langsam den Raum verließ sah ich ihr mit sehnsüchtigem Blick nach, bemerkte dies allerdings erst, als sie aus meinem Blickfeld verschwunden war. Ein wenig irritiert (wie ich auch sonst in ihrer Gegenart war) konzentrierte ich mich auf die restliche Einrichtung des Zimmers. Ein Bücherregal hing an der Wand (Romane, überwiegend Dan Brown, Stephen King, und John Grisham. „Zum Glück nichts von Dean Koontz “, bemerkte ich leise.

„Der Schreibstil gefällt mir nicht so.“

Ich drehte mich erschrocken um. Nicky stand im Zimmer. Sie hielt mir lächelnd einen der beiden Becher hin, die sie in den Händen hielt. Ich hatte sie noch nicht mal reinkommen gehört.

„Ja dann ist gut, mein Fall ist der nämlich auch nicht. Dankeschön!“ Ich nahm den Becher entgegen und nippte daran.

Ich war unsicher, was natürlich an Nicky’s Reaktion im Park lag und dem, was sie mir sagen wollte. meine Hände umklammerten den Becher. „Bist du mit den Vorbereitungen für den Unterricht fertig geworden?“ fragte ich. Nicky nickte, dann sah sie auf ihre Hände. „Ja, lief schneller als gedacht. Deswegen hab ich dich noch eingeladen, weil ich unbedingt noch was loswerden möchte.“ Nun hob sich ihr Blick wieder, und sie sah mich an. „Ich wollte mit dir darüber reden, was heute im Park war.“ Mein Herz schlug schneller. „Ich denke ich muss weiter ausholen damit du verstehst.“ Hatte ich am Anfang schon etwas gemacht, was sie vielleicht so reagieren hatte lassen?

Sie nahm den letzten Schluck aus ihrem Becher, dann stellte sie ihn auf dem Tisch ab und wandte sich mir zu. „Also, ich habe dir ja gesagt, dass ich im Museum gearbeitet habe. Damals ist etwas vorgefallen.“ „Im Museum?“ „Ja.“ „Oh. Und was?“ „Außer mir arbeiteten damals in meiner Schicht noch Sandra und Andy im Museum. Sandra hatte allerdings an dem Tag, von dem ich erzählen will, frei. Wir waren sonst immer zwei Leute an den Kassen, und einer im ersten Stock als Aufsicht. Vor allem morgens war das wegen der Schulklassen immer notwendig. Die Schüler hinterließen gerne einiges an Müll. Nun musste einer an die Kasse, und dass war ich an dem besagten Tag. Andy war als Aufsicht nach oben gegangen, bald sollte ich ihn aber ablösen, es war fast halb elf. Darum hatte er auch einen Pieper dabei, damit die Kasse nicht unbesetzt blieb, und ich ihm so Bescheid geben konnte. Also piepte ich ihn an, weil gerade nichts los war. Außerdem hatte ich dringend eine Pause nötig, mein Magen knurrte wie verrückt. Ich ging zum Aufenthaltsraum. Kaum hatte ich mein Frühstücksbrot ausgepackt und herzhaft hinein gebissen, da kam der Museumsdirektor Herr Bormann herein. Er war ein älterer Mann, um die 60, dem sein Museum sehr am Herzen lag. Er sagte, er müsse dringend mit mir sprechen. Ich begleitete ihn in sein Büro. Auf dem Weg dorthin erzählte er mir, er sei etwas stutzig geworden wegen der Einnahmen, die stetig zu sinken schienen. Er hatte vermutet, dass einer von uns dahinter steckte. Zur Sicherheit hatte er an der Kasse eine zusätzliche Kamera einbauen lassen, die den Kassenbereich und die Besucher im Bild hatte. Im Büro zeigte er mir nun eine Aufnahme. Das Bild zeigte Andy, wie er gerade hinter der Kasse saß, und sich die Kleidung ordnete. Ich wusste zunächst nicht was der Herr Direktor meinte, aber dann deutete er auf die Hand, mit der Andy sich das Hemd hinten in die Hose steckte. Waren das Geldscheine? Ich wusste von Andy, dass er den Job wegen des Geldes genommen hatte, aber ich hatte nicht gedacht, dass er je so was gemacht hätte. Das waren natürlich eindeutige Beweise gegen ihn. Herr Bormann rief die Polizei und sage mir ich soll mich doch bitte um die Kasse kümmern, er versuche jemanden zu finden, der Andy’s Stelle heute noch kurzfristig besetzen könnte. Ich ging zurück zur Kasse und sagte Andy, dass er doch bitte zum Direktor kommen soll. Andy schien etwas zu ahnen, denn er sah mich mit einem argwöhnischen Blick an. Ich zuckte nur die Schultern. Dann ging er. Als die beiden Polizisten ihn abholten, ging er mit gesengtem Kopf an die Kasse in der ich saß vorbei. Plötzlich aber hielt er, und hob den Kopf. Er sah mich so hasserfüllt an, das habe ich noch nie erlebt. Er wurde zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Was ich erst nachher erfahren hatte war, dass er zu glauben schien, ich hätte ihn beobachtet bei seiner Tat, und dies dem Herrn Direktor mitgeteilt. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie er auf diese Idee gekommen ist.“

Ich fragte: „Hat er dich bedroht?“ „Nein, aber ich habe ihn gesehen, heute im Park.“ „Warum hast du nichts gesagt? Ich hätte ihm eine verpasst wenn er dir zu nahe gekommen wäre.“ „Nein, ich glaube er hat mich nicht gesehen, er verließ gerade den Park.“

„Warum hat er dir denn solch eine Angst eingejagt?“ „Ich weiß auch nicht.“ sprach sie weiter, „Sein Blick…“ Nicky kniff die Lippen zusammen und sah mich flehend an. „Er hat mich so schockiert.“ Ich legte Nicky einen Arm um die Hüfte. Sie zitterte nun. „Shhhhhhhh“ machte ich. „Ist ja gut.“ Ich drückte sie an mich. Das beruhigte sie. „Danke dass du es mir gesagt hast. Ich hatte schon die Befürchtung, ich…“ „Unsinn!!!“ sagte sie. Ihre Stimme war nun ein wenig lauter als vorher. „Dann hätte ich dich doch wohl kaum darum gebeten, mich nach hause zu begleiten.“ Da war etwas dran. Warum hatte ich nicht daran gedacht? Nicky nahm auf ihrem Bett Platz.

Ich hievte mich aufs Bett und setzte mich neben sie. Wir küssten einander. „Besser?“ fragte ich sie. „Na ja, zumindest ein guter Versuch.“ antwortete sie keck. Mit einer Hand streichelte ich ganz sanft über ihre Wange. Entspannt schloss sie ihre Augen und drehte den Kopf. Da fiel mein Blick auf den Wecker. Es war nun schon kurz vor Mitternacht. Ich sah sie an. Eigentlich wollte ich sie jetzt ungern allein lassen, aber andererseits musste sie morgen früh raus.

„Ich glaube ich sollte jetzt gehen, weil wir beide ja früh raus müssen.“, sagte ich. Da flüsterte sie leise: „Bleib bitte noch ein wenig, ich mag jetzt nicht allein sein.“ Ich legte mich wieder neben sie aufs Bett und drückte sie an mich. Mit einem Mal bebte ihr Körper. Ich drehte sie sanft zu mir, erst wollte sie nicht, dann jedoch drehte sie ihren Kopf herum. Auf ihrem Gesicht waren Tränen. Ohne ein Wort küsste ich ihr Gesicht; ihre Wangen, die von den Tränen noch feucht waren. So konnte ich sie nicht allein lassen. „Meinst du, der Platz reicht für zwei?“ neckte ich. Sie schlang die Arme um meinen Hals und küsste mich.

Ich wurde von einem unglaublich nervtötenden Surren geweckt. Ich drehte mich um und sah, dass ich so wie ich war eingepennt war. „Ganz Toll“ dachte Ich. Ich drehte mich zu Nicky um. Sie schaute mich an. „Guten Morgen.“ Ich strich ihr mit der Hand über die Wange. „Gut geschlafen?“ „Ja. Danke, dass du geblieben bist.“ Ich gab ihr einen Kuss.

Nach einer ausgiebigen Dusche und einem ausgewogenen Frühstück brachte ich Nicky noch zur Schule. Ich wollte auf Nummer sicher gehen, da mir die Geschichte von diesem Andy doch sehr gefährlich schien. Nicky war dagegen, aber da ich an der Schule auf dem Weg zur Arbeit ohnehin vorbei musste sah sie ein, dass es eigentlich nicht schaden konnte. Denn dann konnte ich ihr die Tasche tragen. Dies hat sie endgültig überzeugt Natürlich hätte sie mir sagen können, dass sie gestern noch sechzig Klassenarbeiten kontrolliert hatte, aber das hatte sie mir anscheinend aus gutem Grund verschwiegen und quittierte mein erleichtertes Seufzen mit einem Grinsen als ich ihr die Tasche zurückgab. Sie stellte sie ab und umarmte mich. Als wir ein negatives Stöhnen hörten, weil anscheinend einige Schüler von ihr uns gesehen hatten, sagte ich laut: „Zum Glück sind wir hier ungestört!“ und drückte ihr einen Kuss auf die Wange, was wiederum mit einigen Brechlauten kommentiert wurde. Ja die Pubertät, dachte ich so bei mir.

Ich wünschte Nicky einen schönen Schultag und sie betrat das Schulgelände. Ich ging grinsend weiter, die Straße entlang. Von hier aus war es nicht mehr sehr weit bis zur Firma. Dass Nicky und ich bei unserer Verabschiedung beobachtet worden waren, bemerkte ich überhaupt nicht.

Als ich ins Büro kam, erlebte ich eine Überraschung, denn Michael und Sven waren in meinem Büro. Der Abteilungsleiter war auch gleich dabei. Er erklärte mir etwas von Umstrukturierung der Büroräume um gemeinschaftlich weiter daran zu arbeiten, das Unternehmen weiter nach vorn zu bringen. Von nun an würde ich mit den beiden mein Büro teilen. Machte mir nichts aus, groß genug war es ja, und Spaß würde es sicher auch machen. Als ich mit den beiden Michaels Unterlagen aus seinem Büro holten, wurde gerade einer jungen Frau - ich schätze sie Mitte Zwanzig - vom Chef einige Dinge über das firmeninterne Netzwerk erklärt. Okay, Umstrukturierung jetzt ist mir klar was damit gemeint war. Vor allem da der Chef sich sonst nie vor 11 Uhr blicken ließ. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht wurde uns die neue Sekretärin als Nadine Bauer vorgestellt. Sie hatte Michaels altes Büro bekommen, da es direkt gegenüber dem des Chefs lag, und er sie so besser Anleiten konnte, wie er es nannte. Nadines Vorgängerin war noch vom Seniorchef eingestellt worden und nun vor fast einem Monat in Pension gegangen. Wir betrachteten uns Nadine näher, und uns wurde recht schnell klar, dass der Chef von heute an früher im Büro sein würde, so wie er sie immer ansah.

Als Michael, Sven und ich das Büro verließen gaben wir uns wirklich Mühe, unseren Chef nicht allzu sehr anzugrinsen.

Der Tag war irgendwie seltsam. Die Arbeit ging schnell voran, oder zumindest kam es mir so vor.

Gegen Mittagszeit wurde Sven in eine andere Abteilung gerufen. Darauf schien Michael gewartet zu haben.

„Sag mal…“ sagte Michael, als er gerade einige Akten in den aufgeräumten Aktenschrank legte. „Ja?“ fragte ich. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, der mit bisher nur als Ablage gedient hatte und beugte sich jetzt ein wenig nach vorn.

„Wie war es?“

„Hm?“ antwortete ich und schickte gerade die für heute letzte Zahlung ins System

„Dein Wochenende.“ meinte er.

Ich lief rot an.

Michael sah mich erstaunt an. „So gut?“, scherzte er.

Ich lehnte mich über den Schreibtisch und sagte: „Sogar noch besser. Ich fühle mich großartig wenn ich bei ihr bin, sie ist so… ich weiß nicht. Liebenswert. Charmant. Ehrlich. Unbeschreiblich.“ Er nickte „Ich wünsche dir alles Gute mit ihr.“

„Danke. Es wäre zu schön nach all den Enttäuschungen etwas von Dauer zu haben.“ Ich lächelte.

Das Telefon klingelte. Ich hob ab. Natürlich war es Nicky. Sie wollte sich mit mir im Café am Markt treffen. Ihre Stimme klang angsterfüllt in meinem Ohr. Natürlich sagte ich zu und versprach ihr so schnell ich konnte bei ihr zu sein. Sie sagte mir, dass sie gerne mit mir über Andy sprechen würde. Nachdenklich legte ich nach dem Gespräch auf. Da

Michael sah mich an, er sagte jedoch nichts. Ich verabschiedete mich von ihm und nahm meine Sachen. Er wünschte mir einen schönen Tag.

 

Als ich die Straße entlang ging, grollte es von Osten her. Der Himmel war dunkel und bewölkt, trotz dass es Ende September war, war es nicht mehr so warm wie vor einigen Tagen. Es war halb fünf und einige Passanten gingen durch die Fußgängerzone die zum Marktplatz führte, wo jeden Freitag Markt war. Am anderen Ende der Straße lag das Café Ich sah durch das Fenster, und sah dass Nicky schon auf mich wartete. Sie saß am hintersten Tisch und hatte eine große Tasse vor sich stehen, die sie mit beiden Händen umschloss. Sie blickte ängstlich drein. Besorgt betrat ich das kleine Café Es waren fast alle Tische besetzt, so dass ich ein wenig Mühe hatte mich an den Personen vorbei zu schlängeln.

Als ich am Tisch ankam und mich an den Tisch setzte, begrüßte ich sie mit einem Kuss. Den Becher, der, wie ich nun sehen konnte etwa noch zu einem Viertel mit Kakao gefüllt war, hielt sie immer noch in den Händen. Ihr war so kalt, dass Sie zitterte. Ich legte behutsam meine Hände um ihre. Zumindest versuchte sie nun zu lächeln. Jemand räusperte sich. Es war die Bedienung die neben mir stand. Ich bestellte ebenfalls einen Kakao und wartete bis die Bedienung hinter der Theke verschwunden war. Da fragte ich Nicky was los war und strich ihr dabei sanft mit den Fingerkuppen über die Hände. Sie löste nun den Griff um ihren Becher und drückte meine Hände fest in ihren. Dann beugte sie sich näher zu mir, ihr Blick ganz fest auf mich gerichtet.

„Er war da.“

Sie sprach es leise flüsternd aus, als könne er allein durch seine Erwähnung gleich neben ihr stehen. Eine Gänsehaut zog von meinem Nacken hinunter bis zu meinem Steißbein.

„Hat er dir was getan?“ fragte ich erschrocken.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das nicht aber er ist mir glaube ich heute gefolgt. Ich habe auf dem Heimweg bemerkt dass ich verfolgt wurde. Dann bin ich durch die Stadt gegangen. Ich dachte, solange ich unter Menschen bin würde er mir nichts tun. Ich hab mich solange im Kaufhaus herumgetrieben bis ich dich anrief. Dann bin ich hier her.“ Ich drückte ihre Hand. „Du hättest mich sofort anrufen sollen! Wer weiß was passiert wäre wenn ...“ Ich ließ den Satz unvollendet und atmete aus, dann blickte ich ihr tief in die Augen. „Zum Glück ist dir aber nichts passiert. Entschuldige, aber ich hoffe du verstehst das ich es nicht so meine wie es vielleicht klingt. Ich mache mir Sorgen um dich.“ Ihre Hände schmiegten sich fest an Meine. „Ich…. Danke“ Da fiel mir etwas ein. „Denkst du, er weiß wo du wohnst? Nicht, dass er dir auch noch zuhause auflauert.“ „Ich glaube nicht. Damals, als das mit ihm im Museum war, wohnte ich noch bei meinen Eltern. Aber ich habe jetzt auch Angst, dass er etwas Doro antun könnte, falls er es herausbekommen haben sollte.“ „Dann lass uns was überprüfen.“ Sagte ich und wählte ihre Nummer auf meinem Mobiltelefon. Es klingelte, jedoch nahm niemand ab. „Sie wird vielleicht bei ihrem Freund übernachten.“ „Ok, dann lass uns das auch machen!“ schlug ich vor. „Zu ihrem Freund gehen?? Ich weiß doch gar nicht...“ „Ach Quatsch! Ich meine, dass du mit zu mir kommst.“ Ich merkte ihr zögern, darum fügte ich schnell hinzu: „Dann bist du nicht allein, Ich weiß dich in Sicherheit und Doro können wir kurz eine Nachricht hinterlassen damit sie Bescheid weiß. Wie wäre das?“ „Nein ich glaube nicht, du würdest…“ „Jetzt hör mir mal zu…“ sagte ich in ruhigem Ton. „Es ist schön dich bei mir zu haben, und selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass er uns beiden jetzt auch noch folgt, werde ich alles tun, damit er dir nichts tut.“ „Aber…“ Ich konnte es nicht fassen, sie war immer noch nicht überzeugt, Okay, dann eben ganz einfach. Ich kam um den Tisch herum, zog ihre Hände zu mir und sagte „Du kommst jetzt mit mir.“ Dabei gab ich ihr einen Handkuss auf beide Hände, dann legte ich ihre Arme um meine Schultern und gab ihr einen innigen Kuss auf die Lippen. Sie waren wunderbar warm, und ich kostete auf ihnen noch den leichten Geschmack des Kakaos. „Lass uns gehen.“, flüsterte ich ihr ins Ohr. Ich machte mich auf den Weg zur Theke und bezahlte die Kakaos, während Nicky noch ihre Jacke von der Garderobe holte.

Es war nun schon dunkel und das Wetter schien nun noch ungemütlicher zu werden, als es das ohnehin schon gewesen war. Donner grollte immer lauter, und die Wolken hingen nun schon regenschwanger am Himmel. Ich schaute die Straße entlang, konnte aber niemanden auffälliges entdecken. Als Nicky neben mich trat, fragte ich sie ganz leise, ob sie ihn irgendwo entdecken könne. Sie schüttelte den Kopf. Das Wetter schien ihn auch vertrieben zu haben, schien es mir. Dann gingen wir beide ganz langsam die Straße entlang, ich schaute mich alle paar Minuten um. Wir waren noch nicht sehr weit gegangen, da dachte ich, dass jemand uns folgen würde. Als ich mich umsah, - mich dabei schützend vor Nicky stellend -, konnte ich allerdings niemanden entdecken. „Wie sieht er eigentlich aus?“

„Ganz normal eigentlich. Kurze, schwarze Haare. Südländischer Typ. Den Eindruck verstärkt aber vielleicht auch sein Oberlippenbart. Ungefähr so alt wie wir. vielleicht ein wenig jünger, so um die siebenundzwanzig glaube ich. Ziemlich stämmig.“

Wir machten uns schnell auf den Weg zu ihrer Wohnung um Doro eine Nachricht zu hinterlassen. Wenige Minuten später trafen wir dort auch ein, und fanden die WG wie erwartet verlassen vor. Wir gingen gemeinsam in die Küche und Ich sah mich nach Schreibutensilien um. Bevor ich auch nur fragen konnte, hatte Nicky auch schon Einen Block und einen Stift in der Hand, und schrieb Doro das sie bei mir sei und dass sie bitte aufpassen solle da sie sich ein wenig sorgte bei dem ganzen Gesindel was sich hier herumtrieb („und erst dein Freund har har“ hatte sie darunter geschrieben). Ich selbst schrieb vorsichtshalber noch meine Telefonnummer darunter, damit sie mich im Notfall erreichen konnte.

Wir verließen die Wohnung, und bekamen direkt eine ziemliche Dusche ab, denn es regnete wirklich sintflutartig. Der Regen durchnässte mich rasch, so dass ich recht schnell fror. Nicky hatte wenigstens noch eine Jacke an, aber ich mit meinem Leichtsinn hatte lediglich einen dünnen Pullover über meinem Hemd angezogen. Wir beeilten uns so schnell wie möglich zu meiner Wohnung zu kommen.

An der Haustür glitschte mir der Schlüssel gleich mehrmals aus den feuchten Händen. Letztlich schaffte ich es, und ließ uns beide schnell hinein. Bevor ich die Tür schloss, sah ich mich noch einmal um, konnte jedoch niemanden sehen. Der plötzliche Regenguss schien auch ihn vertrieben zu haben. Hoffte ich zumindest.

Ich drehte mich zu Nicky als ich die Tür geschlossen hatte, und fragte sie, wie es ihr ginge.

Nach einigem Zögern sagte sie: „Besser. Wirklich.“

„Also, ich werde mir etwas Trockenes zum anziehen holen, soll ich mal schauen, ob ich dir vielleicht was borgen kann? Du scheinst mir auch ein wenig eh. mitgenommen auszusehen.“

„Danke, sehr nett von dir.“ Sie strich mir mit einer Hand die Wange. Meine Körpertemperatur, so schien es mir, stieg so schnell das ich dachte meine Kleidung müsste eigentlich jetzt schon von allein trocken sein.

„Ich hol mal eben ein paar Handtücher damit du dich trocknen kannst. Moment!“ Als ich mit zwei Handtüchern, T-Shirt und Jeans für mich und einem schon etwas älteren, mir zu kleinen Trainingsanzug zurück ins Zimmer kam, hatte sie mir den Rücken zugewandt. Wie hatte schon ihre Bluse ausgezogen und legte sie gerade weg. Als sie so da stand beobachtete ich wie einige kleine Wasserperlen ihr von den nassen Haaren herunter liefen, ganz langsam ihre Schultern hinab, um dann am Verschluss des BHs aufgehalten zu werden. Selbst da, als sie wie ein begossener Pudel dastand, fiel mir auf wie bezaubernd sie ist. Ich muss sie schon lange angestarrt haben, denn plötzlich drehte sie sich um. Ungeduld lag in ihrem Blick. „Ehhh Ja hier.“, sagte ich und reichte ihr eines der Handtücher. Ohne dass sie mich darum gebeten hatte legte ich ihr ein Weiteres um die Schultern, und rieb es sanft über ihren Rücken. Wir sprachen kein Wort. Erst, als ich ebenfalls mich meiner nassen Kleidung entledigt hatte, und in T-Shirt und Jeans geschlüpft war, Lachte sie plötzlich. Dann fesselte mich ihr Blick. Sie kam langsam auf mich zu, schlang die Arme um mich und presste ihre Lippen fest auf die Meinen. „Ich kann es nicht glauben.“ flüsterte ihre samtweiche Stimme in mein Ohr, was mir wieder Schauer des Glücks über den Rücken jagte. Ich wartete, aber sie sagte nichts weiter. ich verschränkte meine Hände in ihrem Nacken und strich langsam mit den Daumen über ihre Haut.

„Ich weiß was du meinst, und ehrlich gesagt kann ich es noch weniger beschreiben. Ich bin auch wirklich erstaunt, dass ich eine tolle Frau habe. Du bist aber keine „Traumfrau“ für mich.“ Sie sah mich verstört an, also erklärte ich es ihr, obwohl ich eigentlich gehofft hatte, dass sie es verstanden hätte. „Die existiert normalerweise wie der Name ja schon sagt nur im Traum,… aber du bist wirklich hier.“ Meine Stimme brach bei den letzten Worten weg, so dass ich den Satz wiederholen musste. Ich senkte den Blick und atmete tief durch. Dann hob ich den Kopf, und plötzlich war alles was ich spürte wieder ihre Lippen, die sich nun sehr leidenschaftlich mit meinen Lippen verbanden, und ihre Arme, die mich eng umschlangen. Minutenlang küssten wir einander, bis sie fast ausgerutscht wäre, da der Boden noch von unserem Hereinkommen feucht war.

Ich strich mir die Haare glatt, die durch ihren kleinen Überfall auf mich doch ziemlich durcheinander geraten waren.

„Sollen wir uns vielleicht was zu essen kommen lassen?“, fragte Nicky.

„Okay, ich hab irgendwo in der Küche noch Bestellzettel.“ Langsam lehnte ich mich wieder zurück, und fuhr die fünf Meter bis zur Küchentür und sagte: „Ich schau mal nach.“ Meine Beine hörten nicht auf zu zittern, so dass es aussah, als würde ich zu einem nicht hörbaren Lied - welches wahrscheinlich noch auf „Vorspulen“ abgespielt wurde - mit dem Bein im Takt wippen. Die Spastik war im Moment schlimm. Gerade wenn ich aufgeregt oder nervös war hatte ich etwas zu kämpfen, das Zittern unter Kontrolle zu bekommen, aber wenn ich Nervös UND aufgeregt war, konnte ich sämtliche Versuche diesbezüglich in den Wind schreiben, und einfach abwarten bis es abgeklungen war. Ich zog kurz die Schublade auf in der ich für gewöhnlich die Bestellzettel, Ansichtskarten und ähnliches hineinstopfte. „Wie wäre Indisch?“ rief ich, während ich den Zettel studierte, auf dem mir ein freundlich drein blickender Mann mit Turban anlächelte. „Zeig mal.“ Ich fuhr in den Flur und folgte ihr ins Wohnzimmer. Ich gab ihr den Zettel und sie studierte die Gerichte gründlich. Sah irgendwie süß aus wie sie dabei eine Augenbraue hochzog und sich nachdenklich auf die Unterlippe biss. „Oookay. Ich nehme ein Hähnchen Masala!“ stellte sie fest. Das ist ein Hähnchengericht unter anderem mit Chili, Pfeffer, Koriander. „Gut, ich nehme ein Hähnchen Tika.“ Eine milde Variante.

„Magst du nichts Scharfes?“ fragte sie.

Bei dieser Frage konnte ich mir ein extra-breites Grinsen nicht verkneifen. „Hatte gerade schon einen kleinen Appetitanreger.“

„Benimm dich!“ sagte sie, gespielt empört

„Ist ja schon gut ich ruf dann mal an…“ ich rollte zur Tür. „…das Scharfe hol ich mir nach dem Essen.“

Bevor mich das Sofakissen treffen konnte, hatte ich schon die Tür hinter mir geschlossen.

Kurz nachdem wir mit dem Essen fertig waren rief Doro an. Sie war gerade mit ihrem Freund hergekommen weil beide dachten, sie könnten Nicky zu einem Spielabend überreden. Dann aber hatte Doro die Nachricht gelesen und war ein wenig besorgt. Nicky erklärte ihr dass sie Andy gesehen hatte, und von ihm verfolgt worden war. Doro bestand darauf dass Nicky bei mir blieb und keinesfalls allein unterwegs sein sollte.

„Was machen wir wegen ihm?“ fragte sie unvermittelt, während ich gerade unsere Teller zusammenstellte.

„Zur Polizei vielleicht? Meinst du, die können helfen?“

„Ich würde nicht darauf wetten, die helfen eh immer erst wenn es zu spät ist.“

Da hatte sie auch Recht, musste ich zugeben. „Aber was könnten wir sonst tun? Warten, bis er uns auflauert?“ „Ich möchte, dass du ab sofort etwas bei dir trägst, womit du dich verteidigen kannst falls es nötig ist.“ Nicky sah mich entgeistert an. „Das fehlte gerade noch das ich ihm die Genugtuung gebe zu zeigen das ich mich vor ihm fürchte! Soll ich jetzt etwa mit einem Baseballschläger zur Schule gehen? “ Ihre Augen glühten vor Entschlossenheit. Ich sah ein, dass Sie sich nicht zu solchen Vorsichtsmaßnahmen überreden lassen würde. Sie verhielt sich schon ein wenig irrational, zum einen fürchtete sie sich vor ihm, zum anderen aber wollte sie sich ihm aber im Fall eines Angriffs ihm praktisch Schutzlos präsentieren. Ich schüttelte den Kopf.

„Dann begleite ich dich aber morgens ab sofort. Betrachte es einfach als zusätzliche Zeit die ich mit dir verbringen möchte, Ok? “

„Gut.“

„Ich möchte außerdem, dass du, sobald du von der Schule nach Hause gehst, immer die Tür abschließt. Bevor ich zu dir komme rufe ich dich an und lass das Telefon zweimal klingeln. Damit du weißt das ich es bin.“

„Gut.“, antwortete sie wieder. Ich sah auf die Wanduhr mit dem Logo meines Lieblingsvereins. Die grün-weiß-schwarzen Balken leuchteten eine 23:06. Dann sah ich auch Nicky an, dass sie ziemlich geschafft aussah.

„Lass uns besser schlafen. Den Nachtisch heben wir uns auf für ein andermal.“, sagte ich mit einem müden Lächeln. Nicky sah ein wenig enttäuscht aus, aber dann konnte auch sie ein Gähnen nicht mehr unterdrücken.

„Okay“, meinte sie, sichtlich müde, „Ist wahrscheinlich besser.“

Sie lag auf der Seite, ebenso wie ich. Ihr Gesicht hatte sie mir zugewandt und sah mich an. Das konnte ich wegen dem Licht des Mondes, welches durch die Jalousien fiel sehen und auch spüren. Ich hatte bisher gedacht dass ich sie zu sehr brauchte, aber nun Begriff ich dass sie mich ebenfalls brauchte.

Ihre Augen glänzten im Mondlicht. Ich strich ihr sanft mit den Fingern über die Wange. Ein wohliges Seufzen erklang von ihr als ich damit fortfuhr. Dann raschelte die Bettwäsche, und sie rückte noch näher zu mir, so dass sich unsere Nasenspitzen berührten.

Meine Hand wanderte langsam in ihren Nacken und streichelte sie dort weiter.

Ich flüsterte: „Was immer ich für dich tun kann werde ich tun. Ich möchte nicht dass dir irgendjemand ein Leid zufügt, denn du bedeutest mir mehr als sonst jemand.“

„Ich fühle mich bei dir sicher und geborgen und habe das erste Mal das Gefühl bei jemandem, dass du wirklich meinst was du sagst.“

„Komm her.“ Sagte ich und schlang die Arme um sie. Nicky schlang ihre Arme fester um mich als ich gedacht hatte und musste mich herumdrehen, Nicky mit einem Arm an mich drücken und unseren Sturz mit einem Arm abfedern. Ich ruderte blindlings damit herum, bis ich im letzten Moment die Kante meines Nachtischchens fand und uns so gerade vor einer Landung auf dem Fußboden bewahren konnte. Ihre Hände streichelten mich und sie gab mir einen Kuss.

„Entschuldigung“, sagte sie.

„Tja, das war knapp du kleiner Wildfang. Das hätte sicher einen ordentlichen Rums gegeben.“

Sie zog ihre Unterlippe nach unten. „Wie kann ich das wiedergutmachen?“ fragte sie mit einer traurigen kindlichen Stimme.

„Da hätte ich so einige Ideen, bleib nur mal genau so...“ Sie saß nun auf meinem Schoss. Langsam strich ich mit meinen Fingerspitzen über ihre Arme.

„Das ist schön“

Ihr Körper war warm, lediglich ihre Schultern fühlten sich ein wenig kühl an und als ich sie dort berührte, zitterte sie ein wenig. Ich zog die Decke ohne ein Wort um ihren Körper und sie beugte sich langsam über mich. Nun lag sie vollständig auf mir. Ich umarmte sie und lauschte ihrem gleichmäßigen Atem an meiner Brust. Selbst das schien mir so schön wie ein Liebeslied am Valentinstag.

„Wird dir wärmer?“ Sie hob ihren Kopf „Gleich“, Ihre Stimme war nur noch ein Hauchen und ihre Lippen pressten sich auf meine, genauso leidenschaftlich wie vorhin.

„Du bist unglaublich!“ sagte ich.

„Ja, unglaublich verliebt.“ Wir kuschelten uns aneinander und schliefen irgendwann ein.

***

Das Licht war gerade ausgegangen. Endlich! Der Mann in der dunklen Jacke, der schon seit einigen Stunden unter dem Baum gestanden hatte trat die Zigarette aus. Er wartete. Nach 10 Minuten voller Ungeduld wollte er sich eine neue Zigarette anzünden, stellte aber fest, dass all die Zigaretten die er dabei gehabt hatte wohl schon alle von ihm geraucht und unter seinen Schuh zertreten worden waren. Er war den beiden, ihr und dem kaputten Typ seit ihrer Wohnung auf den Fersen. Es war ein leichtes gewesen bei ihren schon etwas verkalkten Eltern anzurufen und sich als Studienfreund auszugeben der nur ihre alte Adresse hatte. Er hatte sich kaum verabschieden können, so sehr hatten sie ihn bequatscht. Er hatte ihnen klarmachen können dass sie ihr nichts sagen sollten, aber das Problem löste sich auf, als er heraushörte, dass sie mit ihren Eltern wohl wenig Kontakt hatte. Der Grund war anscheinend ein Streit während einer Familienfeier gewesen vor einigen Jahren. Das war ihm nur Recht.

Wo blieb sie denn nur? Er wartete und wartete. Als nach einer weiteren halben Stunde Immer noch niemand aus der Haustür trat, hieb er in seiner Wut so hart gegen den Baum, dass seine Knöchel begannen zu bluten er aber in seinem Zorn es nicht spürte. Wütend trabte er davon. Dann würde er sie sich eben morgen schnappen.

***

„Aufstehen du Schlafeule, Frühstück.“

Langsam öffnete ich meine Augen und verkniff das Gesicht, als das Tageslicht mir mitten ins Gesicht schien. „Nein bitte nicht, will noch liegen bleiben.“ Ein glockenhelles Lachen erklang von der Tür her. „Lach nicht, komm lieber wieder ins Bett, ich will lieber noch was kuscheln.“

„Das wäre keine schlechte Idee, allerdings hab ich erstens gerade Frühstück gemacht, und zweitens schon länger schlafen lassen damit du es nicht tun musst. Es wäre eigentlich schon Zeit das du aufstehst.“

Müde grummelnd schleppte ich mich aus dem Bett in Richtung Bad, während mir Nicky langsam folgte.

„Ich hab auch extra Kaffee gemacht.“, sagte sie, ging vor mich und öffnete mir freundlicherweise die Tür.

„Ah!! Du bist ja richtig klasse.“

„Nett das dir das auffällt.“ meinte Nicky neckend, ihren Kopf schräg haltend, wobei Ihr Haar ihr dabei teilweise ins Gesicht fiel. Sie lächelte schon wieder. „Sag mal, „ fragte ich sie nachdenklich, während ich meine Zahnbürste suchte, die sie anscheinend irgendwohin in meinen Hängeschrank geräumt hatte. „wie kannst du morgens immer so fröhlich sein?“

„Ach, so bin ich einfach.“, sagte sie. „Außerdem…“ sie öffnete ein Schubfach welches ich schon durchsucht hatte und entnahm daraus meine Zahnbürste die sie mir feierlich überreichte. „kommt es darauf an, mit wem man aufwacht.“

Ich hatte mich noch nie so beeilt im Bad.

„Treffen wir uns heute Nachmittag bei mir? Ich muss den Unterricht für morgen vorbereiten.“

„Natürlich, sehr gern!“

„Reich mir bitte mal die Butter“

„Bitte.“

„Danke.“

Ich räusperte mich. Nicky ließ das Messer mit welchem sie gerade eine Brötchenhälfte beschmierte sinken. „Was ist?“

Ich stütze die Ellenbogen auf den Tisch und faltete die Hände. „Pass bitte auf dich auf.“ Ich spürte wie leichter druck auf meinen Augen lag, doch ich blinzelte die Tränen weg. Ich lehnte mich über den Tisch und drückte ihre Hand. Sie atmete tief durch. „Ja klar. So gut ich kann.“ „OK.“

Wir machten uns auf den Weg zur Schule. Das Wetter war genauso schlimm wie gestern Abend. Zum Regen kam auch noch hinzu, dass überall nasses Laub herumlag, welches die Fortbewegung noch zusätzlich erschwerte, da es mir an den Rädern klebte. Ich hatte Angst um Nicky und sah mich um, und drehte alle paar Minuten den Kopf um zu sehen ob uns jemand folgte. Niemand war zu sehen der Nicky’s Beschreibung entsprach, dennoch hatte ich das Gefühl, dass wir beobachtet wurden. Wo war der Typ nur?

Ich umarmte Nicky an der Schule und drückte ihr noch einen Kuss auf die Wange (diesmal ohne jeglichen Kommentar, zum Glück!). Nicky beeilte sich ins Gebäude zu kommen, ich setzte meinen Weg fort in Richtung Firma.

An der Hauptstraße wartete ich an der Kreuzung, was in der Regel ziemlich lange dauerte, bedauerlicherweise so auch diesmal. Während ich die Gäste im Bus der Linie 21 nachsah, die stadtauswärts fuhr, sah ich mich in der Spiegelung der Scheiben, und ein wenig hinter mir, im Schatten des Baumes, dachte ich einen Herrn erkennen zu können. Ich erstarrte ein wenig, jedoch genug, dass ich als ich mich herumdrehte, nur noch jemand die Stufen zur städtischen Tiefgarage hinunter rennen sah, der eben eine solche Lederjacke trug, wie Nicky sie mir beschrieben hatte. Kein Zweifel, das war er gewesen. Und er hatte mich gesehen. Aber das war zweitrangig. Was war mit Nicky? War sie sicher genug in der Schule? Ich war nun überzeugt, dass sie es nicht war. Ich rief bei Nicky zuhause an. Doro nahm zum Glück ab.

„Hi Doro“

„Hallo! Was gibt’s?“ Sie klang fröhlich. Noch so ein Morgenmensch.

„Ich bin’s. Sag mal, kannst du heute Nicky abholen?“

„Was ist los?“ Mit einem Mal klang ihre Stimme besorgt. Sollte ich ihr sagen, dass ich ihn gesehen hatte und sie dadurch noch mehr in Panik versetzen? Besser nicht.

„Nur eine Vorsichtsmaßnahme. Ich weiß nicht ob es vergebens ist oder nicht, aber ich würde mich auf jeden Fall besser fühlen.“

„OK, ich mach’s. Kein Problem.“ Ich atmete aus. Mir war gar nicht bewusst gewesen wie angespannt ich gewesen war.

„Gut, Dankeschön. Ruf mich nachher mal an.“

Kurz nach meiner Mittagspause rief Doro an. Ich meldete mich mit dem üblichen Firmensermon. „Hi, schön das du anrufst. Ist alles klar bei euch?“ Die Erleichterung war in ihrer Stimme zu hören. „Ja, soweit ist alles klar mit ihr. Wann bist du hier? Ich hab nämlich noch was vor und möchte sie ungern allein lassen.“ Im Hintergrund war zu hören wie jemand energisch etwas sagte, was allerdings so schnell ging, dass ich es nicht verstand. „Oh, Ich glaube da will dich jemand sprechen.“, sagte Doro plötzlich. Ein Lachen erklang von ihr, als ihr allem Anschein nach der Hörer aus der Hand gerissen wurde.

„Hallo Schatz!“

„Hallo meine Süße. Ich werde nach der Arbeit direkt vorbeikommen, okay?“

„Ja ist schon gut. Ehm…“

„Was ist?“

„Du erinnerst dich doch sicher an die CD?“

„Die mit dem Lied was vermutlich für dich geschrieben wurde?“

„Ja genau!!“ Sie sprach es so aus, als würde man das Wort neuerdings mit etwa fünf „u“ schreiben. „Dann können wir noch ein bisschen Musikhören.“ Doro sagte etwas was ich nicht verstand. „Was bin ich froh wenn du mit deiner großen Klappe bei deinem Freund bist. Wahrscheinlich nennt IHR das so.“

Ich musste grinsen.

„Ich bring sie mit.“

„Was?“

„Die CD meine ich, dann können wir uns einen schönen Abend machen. Hab ohnehin morgen frei.“

„Oh ja, Schön. Ich…Ich freu mich auf dich. Bis dann.“

„Ich mich auch auf dich, Bis dann.“ Klick. Sie legte auf.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie die Zeit bis zum Feierabend so schnell vergehen konnte.

Dann war’s soweit. Hmm… Ich könnte jetzt zurück zu meiner Wohnung, die CD holen, und wieder auf den Weg zu ihrer Wohnung sein. oder auf dem Weg zu ihrer Wohnung mal eben für Nicky eine CD kaufen. Kalle könnte sie nett einpacken… Okay, das mache ich! Da freut sie sich sicher. Außerdem war es immer noch regnerisch, und so sehr Nass werden wollte ich auch nicht.

Kalle begrüßte mich wieder freundlich. „Na, da is ja mein bester Stammkunde! Wie isses?“

„Sehr gut, Danke! Sag mal, hast du noch eine Ausgabe von der CD namens Piece By Piece die du mir verkauft hast?“

„Sicher, müssten noch ein paar hier sein…. Ha!... Sag ich doch.“ Triumphierend reckte er ein Exemplar in die Luft.

„Könntest du die CD einpacken? Soll ein Geschenk sein.“ Ich glühte bei den Worten.

„Ahh. Ich hab da was. Moment, bin gleich zurück.“ Mit diesen Worten verschwand er, ein Lächeln seine Lippen umspielend, im Lagerraum.

Um mir die Wartezeit zu vertreiben durchstöberte ich die Regale. Als ich die Internationalen Charts gerade halbwegs durch hatte, kam Kalle zurück. Er hatte eine durchsichtige Folie dabei, die mit den Konturen von kleinen roten Herzen bedruckt war.

„Na, was sagst du zu dem Papier? Passend?“, sagte er und deutete auf die Herzen.

„Mir gefällt es gut. Hoffe ihr auch, allerdings hab ich da noch eine kleine Sache geplant, und hoffe du kannst mir helfen.“

Ich erzählte Kalle von meiner Idee, und wir fanden eine Lösung, die ein wenig mehr kostete als normal, das machte mir aber nichts, denn nichts war wichtiger als Nicky eine Freude zu machen.

Im Nu hatte er die CD eingepackt eine kleine weiße Rose aus Papier draufgeklebt, und es im Nu in einer Tüte verstaut. Den Umschlag mit der Zusatzüberraschung nahm ich an mich.

Ich fand, dass er die CD toll eingepackt hatte. Ich bedanke mich bei Kalle. Er verabschiedete sich üblicherweise mit seinem gewohnten Satz, - Hab viel Spaß, aber nicht zu viel – und ich verabschiedete mich ebenfalls von ihm.

Ich war schon in Gedanken beim gemeinsamen Nachmittag mit Nicky, dann aber kramte ich nach meinem Mobiltelefon und rief die beiden an um Bescheid zugeben dass ich unterwegs war.

Es war jedoch besetzt.

Ich versuchte es noch einmal.

Schon wieder nichts.

Die Unruhe in mir wuchs.

Doro hatte zwar gesagt, dass sie noch weg wollte, aber würde sie Nicky aus diesem Grund allein lassen?

Ich hoffte doch wohl nicht.

Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen.

Meine Unruhe stieg und Ich fuhr den Rollstuhl so schnell wie es die Fußgänger und der Regen auf den Straßen zuließ Straße hinunter. Die Haustür stand offen, und ich nahm direkt den Aufzug. Meine Befürchtungen wurden wahr, denn die Tür stand offen. Ich hörte jemanden sprechen.

„Mach die verdammte Tür auf! Du hast meine Karriere kaputt gemacht also wirst du dafür bezahlen du Schlampe.“ Ich schob die Tür ein Stück weiter auf und wartete - Er bemerkte mich nicht und ich bewegte mich so leise ich konnte auf ihn zu. Was hast du vor? Fragte der rationale Teil meines Verstandes. Willst du ihn mit deiner Stimme verjagen? So wie er gebaut ist haut er dich mit einem Schlag K.O. Du sitzt außerdem im Rollstuhl, denk daran.

Da kam mir dann eine Idee.

„Hey Arschloch!“

Er drehte sich um, und im selben Augenblick holte ich so weit aus wie ich konnte. Ich traf ihn mittig am Kinn, und er schlug mit dem Kopf gegen den Türrahmen. Das lange Messer, das er in der Hand gehalten hatte fiel hin, und ich schlug sie mit der „Waffe“ die ich in der Hand hielt unter die Kommode auf der die Ladestation des Telefons stand. Mir fiel auf das das Telefon fehlte.

Die Fußraste, mit der ich ihn niedergeschlagen hatte hakte ich gleich wieder in meinen Rollstuhl ein. Dann klopfte ich ganz sacht an die Tür.

„Seid ihr da drinnen?“ Keine Reaktion.

Ich klopfte nochmals.

Ich bin’s. Der Kerl liegt hier. Wäre schade wenn er aufwacht, daher denke ich vielleicht ihr könntet mir helfen ihn ein bisschen zu verpacken damit die Polizei es einfacher hat.“

Ein Schlüssel wurde mehrfach gedreht und die Tür zum Bad ging auf. Nicky spähte mich an. Um sicherzugehen das ich es wirklich war. Sie hatte ein verweintes Gesicht, und eine Beule an der Stirn, aber ansonsten schien es ihr gut zu gehen.

Sie umarmte mich fest.

„Geht’s dir gut?“ fragte ich.

Sie gab ein „hm hm“ von sich. Und schluchze an meiner Schulter.

Ich hatte gar nicht darauf geachtet, aber es ertönten schnelle Schritte im Treppenhaus, langsam leiser werdend, dann hörte ich wie die Eingangstür zufiel Das gab es nicht! Er war weg. Da hatte ich ihn wohl doch nicht ganz so hart erwischt wie ich.…

Erst war auf der Straße eine Sirene zu hören, dann ein Kreischen von Bremsen, welche meine Gedanken durchbrachen. Letztlich ein dumpfer Aufprall.

„Komm, lass uns mal Nachsehen gehen.“

Ich konnte es im ersten Moment nicht fassen. Er war scheinbar vor einen Polizeiwagen gerannt und dabei angefahren worden. Oh Mist, natürlich, die Polizei, die hätten wir auch direkt anrufen sollen.

Nicky zog das Telefon aus ihrer Hosentasche.

„Ich hab mir das Telefon noch greifen können, bevor ich ins Bad rannte und rief sofort die Polizei. Die sagen mir ich soll mich ruhig verhalten, eine Streife wäre auf dem Weg.

Dann dachte ich schon, dass er weg wäre. Da rief ich dich an und wartete darauf dass du abnimmst. Aber du musst wohl schon weg gewesen sein. Dann hämmerte er plötzlich wieder gegen die Tür und ich ließ vor Schreck das Telefon fallen. Scheinbar ist es dabei kaputt gegangen. Tja, und dann bist du an der Tür gewesen.“ Ich drückte sie an mich. Da fiel mir wieder Nicky’s Mitbewohnerin ein.

„Wo zum Teufel ist eigentlich Doro?“

„Ehm… Das war meine Schuld. Ihr Freund rief an. Er hat einen platten Reifen und steht noch am Betrieb. Da hab ich einfach gesagt, Ok, mach dich auf den Weg und hol ihn ab, ich komme schon zurecht. Als sie dann gerade aus der Tür war, klingelte es. Da dachte ich sie hätte was vergessen…..“

„Aber das war dann Andy gewesen?“

Nicky nickte.

„Hallo?“ fragte da jemand.

„Wir sind hier.“, rief ich.

Eine junge Frau kam in die Küche. Die Rote Jacke, das weiße Hemd und die rote Hose waren ein eindeutiges Indiz dafür dass sie eine Notärztin war. „Mein Name ist Frau Dr. Böhmer. Ich möchte kurz sehen wie es ihnen geht. Darf ich sie untersuchen?“

„Mir geht’s gut. Aber ich hoffe den Typ unten hat es richtig schön erwischt. Er wollte mich umbringen“. Zischte sie. Trotzdem ließ sie zu das die Ärztin sich zumindest ihren Kopf ansah, um ihre Beule zu versorgen. Sie unterhielt sich lange mit Nicky und riet ihr die nächsten paar Tage nicht zur Schule zu gehen. Damit war Nicky anfangs gar nicht einverstanden, jedoch war sie nach einer kurzen Diskussion mit mir, bei der ich ihr vorschlug, dass sie zumindest bis übers Wochenende zu Hause blieb einverstanden.

Dann kamen zwei Polizisten in Uniform herein. Der eine, anscheinend der Ranghöhere, bat mich dass ich mich ausweise und dann erzähle was vorgefallen war. Mit einem prüfenden Blick schaute ich zu Nicky. Sie nickte und versuchte ein wenig zu lächeln. Ich ging mit dem Polizisten ins Wohnzimmer und erklärte ihm haarklein was vorgefallen war.

Nach etwa zwanzig Minuten ließ er mich gehen.

Nicky war in der Zeit von dem jüngeren Kollegen befragt worden.

„Wir müssen jetzt noch Spuren sichern, daher wäre es besser wenn sie beide zumindest vorläufig die Wohnung verlassen.“

„Kann ich wenigstens ein paar Kleidungsstücke mitnehmen?“

„Meine Liebe, natürlich dürfen sie das.“

Rasch beeilte Nicky sich eine Reisetasche zu packen. Im Nu war sie wieder da.

„Geben sie uns aber Bescheid, wenn sie noch etwas ergänzen möchten.“

Er reichte mir seine Karte. Hauptkommissar Hartmut Schröder hm, so sah er auch aus.

„Gut“, Ich wandte mich Nicky zu. „Dann komm erst mal mit zu mir, meine Adresse haben die Herren ja, dann lass uns gehen. Schützend nahm ich Nicky in den Arm. Wir gingen gemeinsam zum Aufzug. Dort lag eine weiße Plastiktüte die mir nur allzu bekannt vorkam.

Als wir an der Eingangstür heraustraten, fiel mir ein Krankenwagen ins Auge, der gerade die Türen geschlossen hatte. Kein Zweifel, darin musste er sich befinden. Ich hoffte es hatte ihn so richtig erwischt, so sehr, dass er die Schmerzen verspürte, die er Nicky seelisch zugefügt hatte. Ich hatte schon gedacht Nicky würde in meinem Gesicht ablesen können was ich dachte, aber sie machte einen abwesenden Eindruck. Um sie ein wenig zu Beschäftigen lenkte ich schnell Nicky’s Aufmerksamkeit auf die Tüte, die ich im Aufzug ohne ein weiteres Wort an mich genommen hatte. Ich drehte mich zu Nicky.

„Hab ich total vergessen.“ Ich überreichte ihr die Tüte. „Die ist für dich!“ Als sie die CD herausnahm und die Verpackung öffnete staunte Sie nicht wenig.

„Gutschein für Dinner bei Kerzenschein im Zagreb-Grill?“

Ich stutzte.

„Was? Wo?“

„Na, hier, in der CD. Tu nicht so überrascht, jemand anderes wird den hier wohl kaum hineingetan haben.“

Oha, das war es also, was Kalle in die CD getan hatte, und keine Quittung. Den würde ich Kalle auf jeden Fall bezahlen.

„Ja, ehm… schön wenn es dir gefällt.“

„Ja schon aber….“ Sie ließ die Arme sinken. „nicht heute, Ok? Mir ist absolut nicht nach ausgehen zu mute.“

„Nein, lass mich nur machen.“ Ich nahm ihre Hand und drücke ihr einen Kuss darauf.

„Lass uns zu Hause essen.“ Ich hatte da schon eine Idee.

Nicky wollte sich hinlegen und dann ein ausgiebiges Bad nehmen. Nach dem Stress den sie wegen Andy hatte durchstehen müssen hatte sie es sich wirklich verdient fand ich. So hatte ich genug Zeit alles vorzubereiten.

Leider klingelte es zehn Minuten zu früh, so dass ich mich ziemlich beeilen musste um fertig zu sein bevor Nicky zurück aus dem Bad war.

Es passte gerade so, denn als ich meine Gehilfen verabschiedete, hörte ich hinter mir eine Stimme. „Wer war das denn?“

Ich drehte mich zu ihr um. Jetzt hatte sie mich schon ertappt. Nunja, nicht zu ändern. Sie stand da, in einer sehr schönen Bluse und einer dazu passenden Jeans. „Das wirst du gleich sehen.“, sagte ich und machte eine Verbeugung und streckte die Arme zur Küchentür hin aus. „Meine Dame, bitte sehr.“ Ich weiß nicht ob es wegen meiner Komischen Verbeugung oder aus Verlegenheit war dass ich so ein Theater wegen ihr machte, aber sie lachte. Ich hoffte ich konnte sie jetzt auf andere Gedanken bringen.

„Warte einen Augenblick…“ sagte ich, düste an Nicky vorbei durch den Flur, im Schlafzimmer nahm ich mir den Umschlag von der Kommode und steckte ihn in meine Hosentasche. Nach einem kurzen überprüfenden Blick in den Spiegel (offenes Hemd, darunter ein schwarzes T-Shirt und eine passende Hose, Ja ich nicht allzu übel, wie ich mir selbst eingestand) Dann kehrte ich in den Flur zurück, fasste Nicky an der Hand und sagte „OK, komm!“

Ich führte sie mit ein wenig Mühe in die Küche, was sie bereitwillig zuließ. Da sah sie auch schon den gedeckten Tisch in dessen Mitte eine Kleine Platte mit Reis, einigen kleinen Schweinemedaillons und Erbsen stand. „Oh meine Güte, wie hast du das angestellt?“

„Ach…“ begann ich, „ich habe mir einfach gedacht ich mache dir eine Freude und frage einfach mal an, ob es bei „Ana mit einem n“ vielleicht so etwas wie einen Lieferservice gibt. Leider gibt es den eigentlich nicht. Aber ich konnte trotzdem eine Kleinigkeit ergattern." Sie warf mir einen misstrauischen Blick zu. „Ja gut, ich habe einwenig in Aussicht gestellt, dass wir im nächsten halben Jahr einmal im Monat dort essen, aber ich denke mir, so eine „Qual“ wird es wohl nicht werden.“ Die 100 Euro extra die ich bezahlt hatte verschwieg ich in dem Wissen, dass sie dann wieder sagen würde es sei zu viel Aufwand für Sie.

Anfangs verlief das Essen ganz harmonisch, wir sprachen über die Zukunft, was wir in nächster Zeit machen könnten und aßen dabei. Dann aber wurde sie immer ruhiger, bis Nicky schließlich die Hände vors Gesicht schlug und anfing zu schluchzen. Ich ließ die Gabel mit den Erbsen auf den Teller sinken und rollte hinter sie. Als ich sie Leicht am Arm berührte, zuckte sie zusammen. Ich stoppte kurz, ratlos was ich tun sollte. Da versiegte ihr Weinen und sie sprach mit tränenschwangerer Stimme.

„Tut mir leid das ich dir den Abend ruiniere, ich bin einfach so entsetzt über das was heute passiert ist, dass…“ Ich schnitt ihr das Wort ab. „Das ist Blödsinn. Ich will nur dass es dir gut geht und dass du dich wohlfühlst. Den Abend könntest du mir gar nicht ruinieren, denn…“ Ja, was ? Sollte ich ihr sagen dass Andy mir mehr als nur den Abend ruiniert hätte, wenn er ihr etwas angetan hätte? Dass ich es nicht hätte ertragen können, falls ihr etwas passiert wäre? Letztlich sagte ich doch etwas.

„Nein“.

„Bitte?“

„Nein, das kannst du nicht. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen als in deiner Gesellschaft zu sein. Weißt du, ich habe hier etwas für dich.“ Mit diesen Worten holte ich den Umschlag hervor.

„Was ist das?“

„Mach einfach auf.“

Sie nahm den Zettel heraus und las ihn durch „Auftragsbestätigung… Eintrittskarten….. Katie Melua? Das ist doch die mit der tollen Stimme, von der CD?“

„Genau die und keine andere.“

„Wann ist das Konzert?“

„Eh, hier haben wir ein kleines Problem…das wäre schon morgen, und wir müssten morgen Mittag los, mit dem Zug. Das dürfte aber kein Problem sein, ich nehme dich einfach als Begleitperson, dann fährst du kostenlos. Die Karten sind an der Tageskasse hinterlegt für uns.“

„Du bist der Wahnsinn.“

„Oh nein, das bist du.“, sagte ich, und stupste mit dem Finger ihre Nasenspitze an.

„Haha, na ja, habe für morgen ohnehin nichts geplant.“

Dann sah Nicky mich an. Ich bemerkte, wie müde sie aussah. „Du siehst ziemlich geschafft aus. Willst du dich nicht besser schlafen legen?“ Ich strich ihr sanft die Haare zurück, und sie schmiegte ihre Wange in meine Hand.

„Wenn du möchtest kannst du mein Bett haben, ich lege mich dann auf die Couch. Also, nur wenn du willst, ich weiß ja nicht ob dir das lieber wäre.“ Sie sah mich an.

„Nein, bitte nicht, bleib bei mir.“

„Hey..“ Meine Stimme war jetzt fast ein Flüstern. „Ich gehe nicht weg. Ich hab nur gedacht, vielleicht ist dir das jetzt ein wenig zu viel.“

„Blödsinn.“, sagte sie, doch ein wenig sauer klingend. „Ich hab dich gern in meiner Nähe.“ „Okay, vergiss was ich vorhin sagte.“

Wir gingen zu Bett.

Nicky hatte sich an mich gekuschelt, und ich nahm sie, -ein wenig unbeholfener als sonst- in den Arm.

Bei jedem Atemzug den sie tat spürte ich, wie sie die Luft einzog, und wieder ausatmete. Keiner sagte ein Wort. Lediglich von draußen war ab und an ein Auto zu hören das vorbeifuhr. Das Brummen der Autos und Nickys langsames, stetes Atmen machten mich langsam schläfrig.

Langsam öffnet sich die Türe des Schlafzimmers.

Eine Großgewachsene Gestalt kommt zum Bett.

Im Licht der Straßenlichter das vom Fenster herein scheint blitzt ein metallischer Gegenstand auf.

Die Gestalt beugt sich über die beiden Personen, die im Bett liegen.

Ich wurde von einem Schrei geweckt. Ich tastete nach dem Lichtschalter der Nachttischlampe und klickte ihn. Nicky saß aufrecht im Bett, die Arme um sich geschlungen.

Atemlos stammelte sie vor sich hin. Ohne direkt mit mir zu reden, so schien es. „Oh mein Gott… er ist hier…. Messer…. kann nicht…“

„Nicky, es ist alles OK, du bist hier bei mir.“, sage ich ruhig.

Erschrocken sah sie sich um. Es schien als würde erst langsam zu ihr durchdringen was ich gesagt hatte. Sie drehte den Kopf. Sah mich an. Die Panik die ich in ihrem Blick sah brach mir das Herz.

„Oh Gott. Ich sah ihn hier stehen, über uns gebeugt. Das war so real.“

Ich rutschte langsam näher.

„Ist schon gut. Du bist sicher, er kann dir nichts tun. Er ist bei seiner Flucht angefahren worden und liegt jetzt wohl im Krankenhaus. Ich werde mich gleich morgen bei der Polizei erkundigen deswegen. In Ordnung?“

Sie war immernoch verstört, doch schien sich Nicky nun ein wenig mehr zu entspannen und rückte ein Stück näher an mich heran.

"Morgen?"

"Ja, versprochen."

Wie legten uns wieder schlafen. Ohne ein Wort nahm Nicky meine Hand.

Als ich am nächsten Tag erwachte, hielt Sie sie immernoch fest.

Direkt nach einem kurzen Frühstück rief ich Hauptkomissar Schröder an um mich wie versprochen zu erkundigen, wie es Andy ging.

"Nicht sehr gut. Die Ärzte sagten mir gestern dass sie nicht sagen können ob er überhaupt durchkommt, bei dem Unfall hat er sich drei Rippen gebrochen und eine Schädelfraktur zugezogen. Man muss warten ob er überhaupt durchkommt." Bevor ich meine Frage aussprach stellte ich noch den Lautsprecher an, damit Nicky mithören konnte.

Die Antwort des Kommissars folgte prompt: "Nein, er wird ihr nichts mehr tun können. Falls er überhaupt durchkommt, wird er sicherlich mit mehreren Jahren Gefängnis zu rechnen haben. Da können sie ganz beruhigt sein."

Ich verabschiedete mich von ihm und legte auf.

"Zufrieden?"

Sie stand neben mir und hatte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck.

Ich seufzte. "Ich weiß, es ist jetzt schwer. Aber ich bin für dich da, ganz egal was los ist."

"Danke." sagte sie und umarmte mich. Sie presste ihre Lippen kurz an meine Wange, dann ging sie in die Küche und ich hörte sie das Geschirr wegräumen.

Die Fahrt mit dem Zug verging wie im Flug. Nicky war allerdings sehr still, was mir keine Ruhe lies. Ich hoffte, ihr durch das Konzert ein wenig Ablenkung verschaffen zu können.

Ich kannte die Halle in der das Konzert stattfinden sollte, und wusste daher genau zu welchem Eingang ich gehen musste. Nicky folgte geduldig meiner Führung. Es war schon früher nachmittag, und wir hatten noch nichts gegessen, da ich aber nicht genau wusste wo die Restaurants in der Nähe waren, erkundete ich das Internet auf der Suche nach einer akzeptablen Lösung.

"Hier raus und rechts die Strasse runter." sagte Nicky plötzlich.

"Hmh? Warst du schonmal hier?"

"Nein, aber ich habe den Mann dort drüben gefragt. Er ist auch nicht von hier, konnte mir aber ein Restaurant empfehlen."

Ich folge Nicky's Handbewegung. Der Mann auf den sie deutete war vielleicht fünfzig bis sechzig Jahre alt und hatte rotblondes lockiges Haar. Irgendwie kam mir sein Gesicht bekannt vor, aber ich wusste nicht so recht woher.

Wir machten uns auf zum Restaurant, welches im Erdgeschoss eines Hotels war.

Es war relativ wenig los, es war ja auch noch früh am Abend.

Nachdem Nicky und ich unsere Bestellung aufgegeben hatten schien sie sich endlich ein wenig zu entspannen und sich auf das Konzert zu freuen.

Ich erzählte ihr was ich mit Hilfe des Internets über Katie Melua's bisherige Karriere erfahren hatte, das sie von einem Musikproduzenten entdeckt worden war, ihren ersten Auftritt mit 15 Jahren hatte (Dazu hatte ich sogar ein niedliches Video gefunden!). Nicky hörte mir die ganze Zeit gespannt zu. Ich war durch meine doch schon recht umfangreiche Sammlung an Musik CDs und aufgrund der Tatsache das mein Musikgeschmack ein wenig vielfältiger war, schon ein bisschen Stolz darauf ihr von Katie Melua's Band erzählen zu können, und mit welchen Musikern sie vorher zusammengearbeitet hatten.

Dann drohte ich fast an meinem Stück Steak zu ersticken, weil mir einfiel wer der Mann gewesen war, den Nicky angesprochen hatte. Nach einem Schluck Cola ging es mir etwas besser, so dass ich Nicky fragte: "Der Mann der dir das Restaurant empfohlen hat, er hat nicht zufällig englisch gesprochen?"

"Zufällig schon, Ja. kennst du ihn?"

"hmhm... und ob ich ihn kenne. Du wahrscheinlich auch."

"Nein, ich hab ihn zum ersten Mal gesehen."

"Aber wahrscheinlich schonmal gehört."

Nicky's ungläubiger Blick war Gold wert.

"Größte Deutschsprachige Fernsehsendung, Thomas Gottschalk?"

"Wetten Dass..?"

"Ja und jetzt rate mal wer die aktuelle Titelmusik dazu komponiert hat."

"Der ist das?"

"Genau.Den Song "Bright Eyes" kennst du vielleicht auch?"

"Ach, das ist auch noch von ihm? Hätte ich jetzt nicht gedacht. Er sieht mir irgendwie gar nicht wie ein Komponist aus. Was er hier wohl macht. Vielleicht gefällt ihm Katie's Musik ja."

"Sollte man meinen, er hat sie schließlich entdeckt. Er heißt Mike Batt, und ist eben jener Musikproduzent von dem ich dir vorhin erzählt habe."

Während ich mich wieder meinem Teller zuwandte, war Nicky's Kinnlade immernoch irgendwo auf Höhe des Teppichbodens.

Es wurde Zeit für das Konzert. Die Halle war schon gut gefüllt bei unserer Rückkehr, so dass wir uns schnell unsere Plätze suchten.

Zunächst spielte eine Vorgruppe die ganz gute Musik machten.

Nach etwa 40 Minuten war es aber dann Zeit für Katie Melua. Sie begrüßte das Publikum und begann zu spielen.

Kaum erklang der erste Ton, schon schien sich eine Art unsichtbarer Mantel auszubreiten, der jeden Besucher umfing, eine Art Zauber der von der Musik ausging. Es wurde ganz still. Kein Laut war mehr zu hören. Nur noch Katie Melua's Stimme, begleitet von der Gitarre, das Lied "It's Only Pain" spielend. Sonst nichts. Ich sah zu Nicky hinüber. Sie hatte die Augen geschlossen, und konzentrierte sich nur auf die Musik. sachte drückte ich ihre Hand. Sie öffnete nicht die Augen, aber ein Lächeln umspielte nun ihre Lippen. Ich habe Nicky genau deswegen mitgenommen zum Konzert. Musik hatte schon immer eine große Rolle in meinem Leben gespielt, daher war ich nun glücklich das sie die Musik genauso in sich aufnahm wie ich es sonst immer tat.

Wir sprachen während des Konzerts nicht miteinander. Wir hatten beide Angst, die Magie des Konzerts könnte verschwinden.

Trotzdem ging das Konzert viel zu schnell vorbei, obwohl doch mindestens zwanzig Lieder gespielt worden waren.

Wir standen im Foyer des Konzertsaals. Es war etwa 23 Uhr.

"Ich glaube ich weiß, warum du mit mir zum Konzert wolltest."

"Ja? Warum denn?"

"Die Lieder. Du hast das sicherlich auch gespürt. Ich hab die Lieder gehört, und habe gedacht, dass sie über mich singt. Ganz seltsames Gefühl, sie kennt mich ja noch nicht mal."

"Genau darum geht es."

"Das musst du mir erklären."

"Manchmal wenn ich Musik höre, und es mir nicht so gut geht, passiert genau das, was du gerade gesagt hast. Dann fühle ich mich in den Liedern gut aufgehoben und verstanden. Rockmusik zum Beispiel ist gut wenn ich im Park herum fahre. Und gerade weil du jetzt so was durchmachen musstest, dachte ich, dass es vielleicht das ist was du jetzt brauchst. Da kam die Frage nach der CD irgendwie in den Sinn, und ich hab die Tickets gekauft."

"Das war eine wunderbare Idee von dir. Danke sehr."

Nicky umarmte mich. Das erste mal seit dem Vorfall, dass sie mir wieder Nahe kam.

Als wir uns wieder von einander lösten, klingelte plötzlich mein Handy.

"Hallo?"

"Guten Tag, ich arbeite beim Restaurant zum Ratskeller und habe ihre Telefonnummer , kann es sein, das sie hier ihre Geldbörse liegen gelassen haben?"

"Oh Mist. Bin gleich da."

"Wir müssen nochmal zum Restaurant, ich habe dort meine Geldbörse liegenlassen."

"Schussel" meinte Nicky, jedoch nicht vollkommen ernst. Die Sache war mir ohnehin schon peinlich genug.

"Sollen wir dort noch was trinken gehen?"

"Guten Abend" sagte der Mann hinter der Theke.

"Sie sind der Herr mit der Geldbörse."

"Ja, genau." sagte ich, so leise wie möglich, damit es nicht jeder mitbekam.

Ich steckte die Börse ein die der Mann mir reichte, und bestellte zwei Gläser Rotwein.

Gerade als wir unsere Getränke erhielten, öffnete sich die Tür, und Mike Batt persönlich kam herein. Natürlich führte sein Weg direkt an uns vorbei. Er erkannte Nicky und fragte auf englisch: "Hallo, Das Restaurant war doch ein guter Tipp, nicht wahr?" Nicky antwortete: "Ja, das war ein toller Tipp, vielen Dank." Er stellte sich mir vor. - Er konnte ja nicht wissen das ich ihn erkannt hatte.- und ich mich ihm ebenfalls. Natürlich kamen wir recht schnell auf das Konzert zu sprechen. Wir sagten ihm, wie toll wir es fanden, und wie viel Gefühl Katie Melua in ihre Songs gelegt hatte.

Als wir redeten, kamen noch ein paar Leute herein, und nun waren es Katie Melua, ihre Bandmitglieder und noch ein paar andere Leute.

"Die ist aber klein." sagte Nicky.

"Shhh!"

Ich blickte so unauffällig wie möglich zu Katie Melua herüber. Sie sah sehr geschafft aus, machte aber dennoch einen sehr glücklichen Eindruck. Sie nahmen alle gemeinsam an einem etwas abgelegenen Tisch Platz. Einen Augenblick lang erwog ich, zu ihr zu gehen und ihr kurz für das Konzert zu danken, dann jedoch entschied ich mich dagegen. Sie hat sich nach so einer tollen Performance die Ruhe redlich verdient.

Wir verabschiedeten uns von Mike, und wünschten ihm noch einen schönen Abend, da sagte er: "Wollt ihr nicht noch kurz Hallo sagen? Katie freut sich sicher wenn sie hört, wie sehr euch das Konzert gefallen hat." Bevor ich auch nur ein Wort des Widerspruchs sagen konnte, folgte ich Mike, da Nicky folgte und mich dabei an den anderen Tischen vorbei schob.

"Was ist wenn sie ihre Ruhe haben will?" nuschelte ich Nicky zu.

"Dann hätte er es doch gesagt." Widerwillig überließ ich mich Nicky's Führung. Mike stellte uns vor. Katie hatte ihren Onkel und seine Frau dabei, die Katie zum ersten Mal während einer Tour besuchten. Ich verlor meine Bedenken und dankte Katie für ein tolles Konzert. Wir unterhielten uns ein wenig über die vielen Einflüsse die sich in ihrer Musik widerspiegeln. Nach einigen Minuten war es aber wirklich Zeit zu gehen, denn ansonsten würden wir unseren Zug verpassen. Daher verabschiedeten Nicky und ich uns von allen wünschten noch eine weiterhin erfolgreiche Tournee, und verließen das Restaurant.

Wir erreichten die Bahn gerade noch rechtzeitig, denn als wir eingestiegen waren, fuhr der Zug auch schon.

Nicky nahm direkt neben mir Platz.

"Das war wirklich ein wunderbarer Abend. Vielen vielen Dank!"

Sie strich ihre Hand ganz sanft über meine.

"Das habe ich wirklich gern gemacht und es freut mich das es dir gefallen hat."

"Schon seltsam, wie sehr ihre Musik das Publikum verzaubert hat, nicht wahr?"

"Na ja, manche Menschen sind halt eben wirklich außergewöhnlich." sagte ich und sah ihr direkt in die Augen.

"Danke" hauchte sie, und legte den Kopf an meine Schulter.

Durch das langsame Rütteln des Zuges war sie nach ein paar Minuten eingeschlafen.

ENDE Teil 2
Fortzsetzung in Ich will auch - Teil 3 - Sommerwind
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