Blind Date
von Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
25.07.2000
(Überarbeitete Version 22.08.2002)
Quälender Wind, kalte Umgebung. Zu zweit waren die Freundinnen unterwegs. Sie betraten einen Fast-Food-Laden. Es roch nach Bürger, Pommes und heißem Fett.
"Nein, nein, hier sind sie nicht. Ich hab’s gewußt, dass die uns verarschen!" sagte die Brünette.
"Gehen wir wieder?" fragte die Rothaarige.
"Ja, wir können gehen." antwortete die Brünette enttäuscht.
Sie standen wieder draußen auf der Straße.
"Eigentlich ist es noch nicht viertel nach." sagte wieder die Brünette.
"Dann warten wir eben noch fünf Minuten." meinte die Rothaarige.
Die Minuten vergingen. Der Wind pfiff um alle Ecken, der Nachmittag wurde immer kälter und dunkler. Aus den Geschäften strömte Licht. Von irgendwoher kam Weihnachtsmusik. Da hört der Wind auf und die Natur wurde ruhig. Langsam begannen dicke Flocken vom Himmel zu fallen. Ihr Atem war schon lange weiß und ihnen war kalt.
"Ela? Wenn die nicht kommen, gehen wir dann trotzdem Klamotten kaufen?" fragte die Rothaarige.
"Ja." antwortete die Brünette etwas genervt.
"Wie sehen sie denn aus?"
"Der eine groß und blöd, der andere süß und blond, gewaltsam blond."
"Gewaltsam?"
"Künstlich."
"Ach so."
Die Leute gingen an ihnen vorbei und sie standen da und froren.
"Sag mal Annika, kannst du dich noch an den Typen erinnern, der mich letztens im Pinocio angemacht hat?"
"Der Punk?"
"Ne, der Blonde."
"Blond..., nein."
"Doch, der der dachte, dass wir Schwestern sind."
"Ach ja, der gemeint hat, er lädt dich auf seinen Geburtstag ein."
"Genau der. Der hat mich den Tag darauf angerufen und hat mich wirklich eingeladen!"
"Aha."
"Was, aha?"
"Na du willst doch da nicht etwa hin gehen oder doch?"
"Ich war vorgestern."
"Ela, du spinnst! Warum lässt du dich immer auf solche Blind Dates ein?" und dann gleich ganz neugierig: "Hast was mit dem?"
"Vielleicht. Warum? Der sah doch nicht schlecht aus und er war echt nett." dabei glänzten ihre Augen diabolisch und Annika wusste, dass es so war.
"Na ja, wenn du meinst. Ich hab den aber letztens im Mash mit nem Typen knutschen sehen."
"Soll ich jetzt erzählen oder wollen wir uns anmotzen bis die beiden auftauchen?"
"Von mir aus, erzähl."
"Also, er hat mich angerufen und mich eingeladen..."
"Das sagtest du schon."
"Ja auf jeden Fall hab ich mir gedacht, mehr als daneben gehen kann die Aktion nicht. Er hat mir also erklärt, wo er wohnt. Einfach das größte Haus in der Straße hat er gemeint. Aber die Straße muss man halt erst mal finde. Ich mein ich kenne die Stadt, weil ich ja mal dort gewohnt hab, aber die haben in den 10 Jahren so viel umgebaut..."
"Ja, früher war alles anders!" ironisierte Annika.
"Verarsch mich net! Also ich bin erst mal überhaupt zur falschen Seite in die Stadt reingefahren. Theoretisch hätte ich ja gewußt, wie ich zur anderen Seite komme, bis ich kapiert hab, dass mittlerweile die halbe Altstadt Fußgängerzone ist. Ich hab dann also so´n bisschen rumgefragt, bis ich dann vorm Gefängnis gelandet bin."
"Das Kaff hat´n Gefängnis?"
"Klar. Also ich fahre dort auf den Parkplatz, weil ich mir denke ich brauche frische Luft und dann quatscht mich doch echt so´n Bulle an und meint, ich kann hier nicht parken, weil die grade einen Gefangenentransport oder so was erwarten. Ich hab ihm erklärt dass ich gleich wieder weg bin und dass ich mich nur verfahren hab. Wir haben dann noch nen Moment lang gequatscht und dann meint er so, wo ich denn her komme und so. Und irgendwie hab ich dann erwähnt, dass ich dort mal zur Schule bin und irgendwie über tausend Ecken haben wir dann rausgekriegt, dass wir in der gleichen Klasse waren. Cool was?"
"Ja, ja. Und was hat das mit dem Typen aus´m Pinocio zu tun?" - Annika, genervt.
"Jetzt wart’s halt ab! Ich bin dann halt weitergefahren, hab aber nicht dran gedacht irgendwie Adressen oder so was auszutauschen."
"Typisch." -Annika, kopfschüttelnd.
"Jetzt unterbrich mich net immer! Irgendwie hab ich’s dann doch gefunden. Wow, das is´n Schuppen sag ich dir! Ich steh also vor dem Haus und klingle. Da öffnete "er" mir die Tür und schaut mich an als ob er mich noch nie in seinem Leben gesehen hat..."
"Der wird schon gewußt haben warum." - Annika
"Ha, ha!"
"Hy." sagte "er" erstaunt.
"Hy. Alles Gute zum Birthday!" der Regen tropfte ihr ins Gesicht und rannte ihr die Klamotten hinab.
"Und zu wem willst du?"
"Na zu dir. Zu wem sonst?"
"Glaub ich nicht weil ich dich nicht kenne. Aber komm trotzdem rein."
Verblüfft betrat sie den Flur. An dessen Ende stand eine Gruppe Typen und blickte sie interessiert, wie ein Löwenrudel dass sich gleich auf seine Beute stürzt, an.
"Sicher. Ich bin Ela, wir haben uns im Pinocio getroffen?"
"Ne, da geh ich nicht hin." bei diesen Worten umspielte ein Lächeln seine Lippen. Einige aus dem Rudel grinste nun auch.
"Verarsch mich!"
"Nein! Magst was trinken? Jim, Jacky-Cola, oder..."
"Was alkfreies wenn’s geht."
Er verschwand nach rechts in die Küche, während sie noch mit Ihrer Jacke kämpfte und das Rudel sie immer noch anstarrte.
"Hallo Ela! Darf ich dir helfen?" jetzt stand er plötzlich links neben ihr auf der letzten Stufe der Treppe.
"Ist Cola OK?" und er stand rechts neben ihr in der Küchentür. "Moritz, ich glaub die gehört zu dir."
Der Typ kam von der Stufe herunter, "Das ist mein Bruder, Oliver. Oli, das ist Ela. Die aus´m Pinocio."
"Noch mal Hy!" sagte Oliver.
- Zwillinge. Schlimmer hätte es sie nicht treffen können - Na gut. Dann waren es halt Zwillinge. Ihr Gesichtsausdruck muss nicht schlecht gewesen sein, denn das Rudel brach in Gelächter aus.
"Hättest mich ruhig vorwarnen können." sagte sie vorwurfsvoll.
"Sorry. Aber ich wollte sich nicht abschrecken."
"Habt ihr sonst noch Geschwister, oder hab ich die Feuerprobe bestanden?" Wieder grinste das Rudel vor sich hin.
"Nein, wir haben lediglich noch einen Stiefbruder." meinte Oliver.
Es klingelte an der Tür und Moritz drehte sich um um sie zu öffnen. Herein kamen vier Kerle, die sich sofort unter das Männerrudel mischten. Sie konnte gerade noch Oli das Glas Cola aus der Hand nehmen, da schob sie Moritz schon in Richtung Wohnzimmer. Und dort erwarteten sie... noch mehr Männer. Sie war wie sie feststellen konnte das einzige Mädchen. Das konnte heiter werden. Die meisten der Gäste hatten sich schon über das Buffet gestürzt und saßen oder standen essend um den Fernseher herum. Ela musste sich strecken um sehen zu können, was gerade lief. Aber sie hätte sich das sparen können. Es lief Fußball. Wahnsinnig interessant, besonders weil es sich um die Aufzeichnung des gestrigen Spiels handelte.
"Mein Bruder und mein Vater waren gestern im Stadion. Die Deppen haben eins zu null verloren wegen einem Eigentor!" sagte sie beiläufig und zuckte mit den Schultern. Ein Stöhnen ging durch das Rudel.
"Was denn...?" fragte sie fast genervt.
"Jetzt ist es uninteressant. Weil wir wissen wie’s ausgeht." Sagte einer der Kerle und schaltete den Fernseher aus. Betäubende Stille. Wie ein Blitz schoss Ela der Gedanke durch den Kopf, was Männer auf einer "Party" eigentlich taten, wenn es kein Fußball gibt. Sie hatten früher immer Flaschendrehen gespielt, aber das war langweilig geworden. Schlimmer war...
"Strippoker! Wir spielen Stippoker! Hat jemand Karten dabei?" brüllte einer und schon lag ein Satz Karten auf dem Wohnzimmertisch.
"Möchtest du noch etwas trinken?" fragte Oli und deutete auf ihr leeres Glas. Er nahm es ihr aus der Hand und lief davon. Sie ging ihm hinterher, denn auf dieses Strippoker hatte sie keinen Bock. Sie als einziges Mädchen... In der Küche angekommen ging Oli zum Kühlschrank und holte eine Cola heraus.
"Pokern ist sicher nicht dein Ding. Wollen wir etwas anderes machen?" fragte er über die Schulter. Alles klar, er wollte Sex. Juhu. Na ja. Es war auf jeden Fall besser als Strippen. Sie zuckte mit den Schultern.
"Ich meine, wir könnten uns einen Film ansehen...? frage er vorsichtig.
"Und welchen?"
"Irgendwas schnulziges vielleicht?" und bei dem Wort Schnulzig hob er die Hände und malte zwei Anführungszeichen in die Luft. Halt! Ein Mann der sich schnulzige Filme reinzieht konnte nicht normal sein.
"Aber dann stören wir die da drinnen doch..." sie zeigte mit dem Daumen in Richtung Wohnzimmer.
"Nein, ich habe oben in meinem Zimmer auch einen Fernseher stehen. Du musst nur sagen, welchen Film du sehen willst."
"Welche hast du denn?"
"Ich kann dir bieten: Schlaflos in Seattle, Titanic, ..."
"Hast du nichts älteres, keinen Klassiker?" das war eine Fangfrage, weil ein Kerl, der sich mit Schnulzen auskannte, war nicht normal.
"Da hab ich denn sie wissen nicht was sie tun, Dirty Dancing, Pretty Woman..."
"Das hört sich nicht schlecht an."
"Gut, ich hole ihn nur noch aus dem Schrank und dann gehen wir rauf. OK?" damit ging er auch schon wieder ins Wohnzimmer, wo einige schon reichlich Kleidung lassen mussten. Als er eine Schranktür öffnete und sie lauter Videocover sah, die man leicht als Comedy und Liebesschnulzen abstempeln konnte, erkannte sie dass dieser Kerl verrückt war, denn er hatte Ahnung... Sein Zimmer war noch sehr kindlich eingerichtet. Die Wand war mit einer Tapete verziert auf der LKW´s und Motorräder zu sehen waren. Es standen zwei Betten mit Fußballbettwäsche in einer Ecke.
"Das ist Moritz´s und mein Zimmer. Ich hab allerdings eine eigene Wohnung, also schlafe ich nur hier wenn´s sein muss." Sie setzten sich auf den Boden und schauten sich gemeinsam den Film an. Sie unterhielten sich über die einzelnen Szenen und allerlei technischer Sachen die der Film beinhaltete. Als sie etwa die Hälfte des Films gesehen hatten, kam Moritz zur Tür herein und fummelte noch an seinem Gürtel herum.
"Schon wieder verloren?" fragte Oli.
"Ich hasse es. Die bescheißen doch alle... Ich wollt mal schauen was ihr so macht." Er sah zum Fernseher und rümpfte die Nase "Bäh, Liebesfilme mit Happy End. Frauen und Schwule sind doch alle gleich..." Ela sah Oli verwundert an.
"Hast gedacht ich will mit dir in die Kiste, was?" Sie nickte nur. "Nein, so einer bin ich nicht..."
"Ja genau, sondern ein viel schlimmerer..." mischte sich Moritz ein. In dem Moment ging die Tür ein weiteres Mal auf und "er" steckte den Kopf ins Zimmer.
"Hallo ihr. Lasst ihr eure Gäste da unten alleine, oder wie...?" grinste er.
"Ela, das ist unser Halbbruder Christian." prustete Moritz.
"Weiß ich, wir kennen uns schon." Moritz und Oli sahen sich beide fragend an um sich dann von Elas und Christians Lachen anstecken zu lassen.
"Sie hat mich heute bereits in der Arbeit besucht." Sagte Christian und sah ihr dabei tief und die Augen. Sie nickte nur.
"Dann lassen wir euch zwei mal alleine. Ich geh die halbnackten Männerkörper im Wohnzimmer betrachten." Sagte Oli und schob Christian mit sich aus dem Zimmer. Als die Tür hinter den Beiden zu ging, sah Moritz Ela an und dann zum Fernseher, wo immer noch Pretty Woman lief.
"Und... Was ist das... für ein Film?" fragte er schüchtern.
"Es geht um eine Prostituierte (sie zeigte auf den Fernseher wo Julia Roberts gerade zu sehen war) die einen Businesmann kennenlernt. Er bezahlt sie dafür, dass sie bei ihm ist, damit seine Freunde denken, er hätte eine Freundin... Das ist er, sie deutete auf Richard Gere. Zum Schluss verlieben sie sich und es gibt ein Happy End." Das Happy End sprach sie im gleichen Ton aus in dem es Moritz zuvor getan hatte.
"Und was passierte dann?" fragte Annika ungeduldig.
"Ich hab ihm den Film erklärt, warum?"
"Du weißt genau was ich meine! Habt ihr euch geküsst?"
"Ja. Und bei der Schlusszene hat er geheult wie ein Schlosshund."
"Typisch Mann. Harte Kerle sein wollen, aber bei so was können sie den Softie nicht verstecken."
Es entstand eine kurze Pause.
"Was frieren wir uns eigentlich die Füße hier ab? Gehen wir irgendwo hin Kaffeetrinken. Heute abend gehe ich sowieso zu Moritz. Wenn du willst, kannst du mitkommen."
"Und wenn die Kerle noch kommen?"
"Dann haben sie Pech gehabt. Ich bin jetzt eh vergeben." Sie fingen an zu lachen und gingen weg.