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DER TRÄUMER

© 2004 Svoon

0.Der Fremde in Schwarz

Irgendwo, Irgendwann...

Der Fremde spürte das er richtig war...An einem finsteren Ort, so hatte das Orakel es prophezeit, würde er auf IHN treffen.

Der Wald in dem er sich befand, hätte düsterer nicht sein können und die Nacht schien besonders dunkel, kein Stern am Himmel und der Mond glänzte auch nur durch Abwesenheit.

So wie die Umgebung war auch die Kleidung des Fremden, tiefschwarz, vom Hut bis zu den Stiefeln. Das Glimmen seiner Zigarette war das einzigste Licht weit und breit. Ohne Eile folgte er einem schmalen Weg, der nur undeutlich von den Schatten ringsum zu unterscheiden war. Der Fremde bemerkte, das die Luft sich veränderte. Sie wurde dicker, schwerer zu atmen. Mit diesem Gefühl einher ging ein anderes. Gefahr lag in der Luft, das sagten ihm all seine Instinkte, und die täuschten ihn nur selten. Und noch etwas anderes...Etwas würde geschehen, etwas würde sich ereignen. Das konnte nur bedeuten, das er sich am richtigen Ort befand. Der Fremde schnippte die Zigarette weg und zündete sich eine neue an. An einem großen, dunklen Stein beschloss er zu warten. Die Zeit schien an diesem Ort still zu stehen. Manchmal wünschte er sich, er hätte eine Uhr, auf der er nachschauen konnte, wie spät es war. Aber was sollte er mit solch einem Ding anfangen, in einer Welt wo die Zeit praktisch keine Bedeutung hatte?

Während er da wartete kam Nebel auf und es wurde kühler. Der Nebel kroch langsam über den Waldboden und leuchtete in einem düsteren Grau. Als hätte man die Welt damit geflutet, stieg er beständig an und kringelte sich an den Baumstämmen hinauf. Irgendwo in der Ferne ertönte ein Schrei. Wie, um auf seine Weise zu antworten spuckte der Fremde in den ansteigenden Nebel.

1. Der letzte Tag in der Realität

In der Getränkeabteilung des Supermarktes herrschte eine brütende Hitze. Seit zwei Tagen war die Klimaanlage jetzt schon defekt, kühle Getränke suchte die durstigen Kunden dort vergebens. Bodo saß schwitzend auf dem Drehstuhl neben der Kasse und ließ die große Uhr an der Wand nicht aus den Augen. Noch drei Stunden bis zum Feierabend. Er glaubte es nicht mehr länger auszuhalten. Diese niemals enden wollende Langeweile...Wenigstens ließ der Chef ihn in Ruhe und im Laden waren kaum Kunden. Aber wie hieß es doch so schön? Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Der Minutenzeiger der Uhr quälte sich nur langsam vorwärts. Doch zwangsläufig verging die Zeit doch, musste sie ja auch. 19 Uhr, Feierabend. Bodo wechselte im Umkleideraum den grünen Supermarkt-Kittel gegen seine Jeansjacke. Im Nu war er durch den Personaleingang und draußen auf dem Parkplatz. Sein altes Herrenrad (es wurde wirklich mal Zeit, ein neues zu kaufen) stand wie immer ganz links bei den Fahrradständern. Doch ein ruhiger Arbeitstag war ihm, wie so oft, auch heute verwährt geblieben. Zwei Stunden vor Ladenschluss hatte er einer alten Dame den Kasten Sprudelwasser den sie gekauft hatte, zu ihrem Auto auf dem Parkplatz getragen. Eigentlich war das nichts ungewöhnliches, gehörte es doch zum Service des Supermarktes. Aber die alte Dame bemerkte vor dem Eingang des Ladens das üppige Angebot an Blumen und Pflanzen, welches sie ausgiebig bestaunte, unschlüssig ob sie nicht noch eine der kleinen, hübschen Palmen mitnehmen sollte. Bodo stand nervös daneben während die Getränkeabteilung, in der es immerhin eine eigene Kasse gab, unbeaufsichtigt war. Unschlüssig, welche der Pflichten die dringendere war, entschied er sich weiter bei der alten Frau zu bleiben. Schließlich fiel ihr ein, das sie gar nicht mehr genug Geld bei sich hatte und Bodo konnte endlich den Kasten Wasser zu ihrem Auto tragen. Dort angekommen dauerte es noch eine Weile bis sie den Autoschlüssel aus ihrer großen Handtasche gekramt hatte. Als Bodo wieder zurück im Laden war, er war fast eine viertel Stunde fort gewesen, stand sein Chef schon mit verschränkten Armen in der Getränkeabteilung und erwartete ihn. Es folgte eine Standpauke, Belehrungen und die üblichen Drohungen, bevor der Chef genug Dampf abgelassen hatte und er wieder zurück zu seinem Büro stampfte. Bodo hatte nur mit dem Kopf genickt und gesagt, das so etwas nicht mehr vorkommen würde, hatte nicht mal versucht sich zu verteidigen oder sein Fortbleiben ausreichend zu rechtfertigen.

Und als ob das noch nicht genug Aufregung für solch einen heißen Tag gewesen war, hatte der türkische Auszubildende nicht besseres zu tun, als Bodo in der letzten halben Stunde vor Feierabend mit einigen üblen Späßen aufzuziehen. Er wünschte sich er wäre etwas schlagfertiger, so das er wenigstens etwas Paroli bieten konnte, doch so musste er all die Sprüche und Gemeinheiten über sich ergehen lassen.

Doch er beklagte sich nicht großartig als er über den großen Parkplatz davon radelte. Er war es gewohnt, so behandelt zu werden, er war nun mal etwas langsamer im Denken als Andere.

Das Fahrrad klapperte altersschwach, als er auf dem Bürgersteig der Hauptraße nach Hause fuhr. Der Supermarkt befand sich in einem, nahezu ländlich anmutenden Vorort von Bochum, ganz am Rande der Stadt. Alte, Hohe Bäume wuchsen am Straßenrand zwischen den vereinzelten Gebäuden, meist schicke Eigenheime und einige, erst kürzlich gebaute, kleinere Bürogebäude. Der Schatten der Bäume und der Fahrtwind waren die erste Abkühlung an diesem heißen Sommertag. Bodos trübe Gedanken vergingen allmählich. Es war Freitagabend, und das bedeutete Wochenende. Zwei Tage ausschlafen, zwei Tage ohne die undankbare Schufterei im Supermarkt...Und nicht zu vergessen, das er heute Abend etwas Besonderes vorhatte. Er wollte sich gegen Neun mit den Jungs vom Fußballverein treffen, um in der Stadt einen trinken zu gehen. Die konnten zwar manchmal auch ziemlich fies zu ihm sein, besonders wenn er sich im Spiel ungeschickt anstellte, und das konnte schon mal vor kommen, Bodo war wahrlich nicht der Geschickteste, aber im Großen und Ganzen waren sie lustige Burschen und solch ein Abend in der Stadt versprach eine heitere Angelegenheit zu werden.

Gegen halb Acht kam er schwitzend Zuhause , beim noblen Einfamilienhaus seiner Eltern, an. Sie wohnten in einer Gegend wo nur solche Häuser standen, nicht weit vom Zentrum des Vorortes entfernt, wo der S-Bahnhof und die Geschäfte waren.

Sein Vater stand im Garten und goss die Blumen mit einer grünen Gießkanne.

"Hast du immer noch nicht dein Fahrrad repariert? Ich hab dich schon gehört als du in die Straße eingebogen bist..." Er war etwas kleiner als Bodo, sein graues Haar ging ihm allmählich aus und seit er im Ruhestand war hatte er einige zusätzliche Pfunde angesetzt.

"N-N-ein, n-noch nicht..."

"Bist du noch nicht mal dazu in der Lage!?" Sein Vater schien wirklich verärgert. Er, die Blumen gießend im schattigen Vorgarten und sein Sohn, schwitzend von der Heimfahrt, am Ende eines anstrengenden Arbeitstages, standen sich gegenüber und schauten sich an. Der Vater schüttelte verächtlich den Kopf.

"Geh rein und wasch dich, Mama wartet schon mit dem Essen auf dich." Dann wandte er Bodo den Rücken zu und goss weiter die Blumen. Geduckt schlich Bodo davon und schob das Fahrrad in die Garage. Neben dem luxuriösen Mercedes seines Vaters stellte er es ab. Nicht auszudenken, wenn der Wagen einen Kratzer abbekommen würde. Sein Vater würde ihm den Kopf abreißen...

Nach dem Essen und einem kurzen Gespräch mit seiner Mutter, in dem sie ihm vorwarf, das er nun 28 war, und noch immer kein nettes Mädchen kennen gelernt hatte - ich mache mir allmählich große Sorgen um dich- hatte sie gesagt, ging es dann erst mal unter die Dusche. Das kalte Wasser schien ihn rein zu waschen von all den Sorgen und Problemen, so das sein Laune sich wieder besserte. Ratlos stand er wenig später vor dem großen Spiegel des Kleiderschranks in seinem Zimmer, und dachte nach, was er denn für diesen Abend mit den Jungs anziehen sollte. Er hatte keine Lust wegen unpassender Kleidung blöde Sprüche zu provozieren, aber die Anziehsachen in dem Schrank waren weit davon entfernt, als modern und trendy zu gelten. Das lag zum Einen daran, das er seine Kleidung ausschließlich in den Geschäften in der Nähe kaufte, in die Stadt, wo es in den Einkaufsstraßen eine weitaus bessere und größere Auswahl gab, fuhr er so gut wie nie. Die Vielen Menschen und all der Lärm in den überfüllten Straßen machten ihn nervös, er fühlte sich dort äußerst unwohl und hilflos.Aber zum anderen lag das auch einfach daran, das er nicht viel hergab auf sein Äußeres. Schon in der Schule war er mit seiner Kleidung, und auch in anderen Belangen, ein Außenseiter gewesen.

Bodo wählte eine Jeans und ein braunes, kariertes Hemd. Er schätzte dies als unauffällig aber nicht altmodisch ein, und hoffte das es ihm keinen Spott einbringen würde. Rasch zog er sich an, kämmte sich die Haare und steckte Geldbörse und Haustürschlüssel ein. Jetzt war er bereit, das eine oder andere Bier zu stemmen, aber nicht zu viele, denn Alkohol vertrug er nicht so gut, weshalb er nur äußerst selten trank.

Als er ging ermahnte seine Mutter, die sich eine Quizshow im Fernsehen ansah, nicht zuviel zu trinken, und nicht zu spät nach Hause zu kommen. Bodo sagte zu allem ja und war froh, als er endlich die Tür hinter sich schloss und durch den Garten ging.

Mit dem Bus fuhr er zu dem vereinbarten Treffpunkt, dem Aldi-Laden des Vororts, wo die Jungs sich mit billigem Dosenbier eindecken wollten. Es war zwanzig Minuten vor Neun als Bodo aus dem Bus ausstieg.

Bernie und Kalle waren bereits da. Schick und Ausgehfertig angezogen, aber sie saßen auf der schmalen Treppe des Ladens, wie Obdachlose, mit einer angebrochenen Palette Dosenbier. Bodo gesellte sich zu ihnen. Sie begrüßten ihn überschwänglich und Bodo bemerkte gleich, das sie schon mächtig betrunken waren. Sie sagten, das sie bei Bernie mit dessen Cousin schon eine Flasche Wodka leer gemacht hätten, und drückten ihm eine warme Dose Bier in die Hand. Bodo dankte, öffnete es sogleich und nahm einen großen Schluck. Er musste laut rülpsen und lachte, Bernie und Kalle lachten mit ihm. Bodo fühlte sich wohl angesichts der freudigen Begrüßung. Als die anderen kamen, hatte Bodo gerade seine zweite Dose geöffnet und war schon leicht angetrunken. Dann nahmen sie alle den nächsten Bus in die Innenstadt, jeder mit einer Dose oder Flasche Bier in der Hand, eine lärmende und auffällige Meute. Alex, Mirko, Eiche und Dario, alle aus Bodos Fußballverein, waren noch hinzu gekommen und sie waren jetzt insgesamt zu siebt.

Als sie sich in einer der Bars, an einem belebten Platz in der City, niederließen, draußen an den Außentischen sitzend, da begann der Abend erst so richtig. Eine Runde Bier wurde geordert, die restlichen Dosen wurden in Mirkos Rucksack verstaut. Die nächste Runde ließ nicht lange auf sich warten, die darauffolgende war auch wenig später bestellt, und so ging das dann den ganzen Abend. Bodo hielt recht gut mit den anderen mit, er fühlte sich gut. Der Rausch und die heitere Stimmung ließen ihn all seine Sorgen vergessen. Zwischendurch kamen auch härtere Sachen auf den Tisch...Das letzte woran Bodo sich später, was diesen Teil des Abends betraf, erinnerte, war das er zum Klo getaumelt war und dann...Filmriss, Blackout. Höchstens zwei, drei mal in seinem bisherigen Leben war Bodo so betrunken gewesen und diese Abende hatten allesamt kein gutes Ende genommen.

Das nächste, woran er sich dann wieder erinnerte, war der Geruch von Erbrochenem und eine fremde, hässliche Frauenstimme, die ihn anschrie. Nur langsam kam Bodo zu sich, alles drehte sich um ihn und ihm wurde wieder schlecht. Das schlimmste war, das er gar nicht wusste wo er sich befand, zuhause in seinem Bett war er jedenfalls nicht. Als er langsam die Umgebung wahrnahm, während jemand grob an ihm rüttelte, sah er, das er sich zwar auf einem Bett befand, allerdings in einem fremden, schäbigen Zimmer.

"Steh auf du besoffenes Schwein!" Eine Frau, die er noch nie zuvor gesehen hatte, zehrte ihn vom Bett. Als er die wütende Frau ansah, hatte er so eine Ahnung, wo er sich befand. Die Frau war stark geschminkt, hatte den üppigen Busen in einen viel zu schmalen BH gezwängt und trug einen engen Lederrock. "Hast mir das ganze Bett vollgekotzt, du Spasti!"

Schwankend kam Bodo auf die Beine und musste feststellen, das er bis auf Socken und Unterhose nackt war. Panisch und mit hoch rotem Kopf schaute er sich nach seinen restlichen Kleidungsstücken um. Die Tür wurde aufgerissen und ein bulliger Schlägertyp stürmte in das Zimmer.

"Was soll das Geschrei!?...Alles klar, Angie?"

"Der Scheißpenner hat mein Bett vollgekotzt...ist total besoffen der Typ!"

Bodo hatte inzwischen seine Sachen gefunden und zog sich an. Viel mehr versuchte er das, denn er Zitterte vor Angst und Scham so stark, das er mit den Füßen nicht das Hosenbein fand.

"T-t-tut m-mir L-l—leid...." stammelte Bodo. Der Schlägertyp, wahrscheinlich ein Zuhälter, machte einen gewalttätigen und aggressiven Eindruck auf ihn.

"Bist du behindert, oder was? Zieh jetzt deine Scheiße an und verpiss dich ganz schnell bevor ich mich vergesse..." drohte dieser Bodo.

"Was für eine Sauerei! Wer soll das denn weg machen? Ich bin doch keine verdammte Putzfrau!" schrie die Frau, die aller Wahrscheinlichkeit nach eine Prostituierte war, und blickte dabei den Zuhälter und den mittlerweile fast vollständig wieder angekleideten Bodo an.

"Das kostet dich was extra Bursche!" Der muskelbepackte Typ packte Bodo grob an Arm, da er wohl Angst hatte, dieser könnte abhauen.

"J-j-a, i-ich b-b-bezahle!" Mit der anderen Hand griff Bodo, immer noch zitternd, aber zielstrebig, denn er hatte einen Ausweg aus dieser Lage erkannt, nach seiner Geldbörse. Der Zuhälter riss sie ihm sofort aus der Hand als sie zum Vorschein kam. Sogleich begutachtete er den Inhalt.

"Hast noch mal Glück, Freundchen! Das dürfte reichen..." Er zog einen Zwanziger und einen Zehner aus der Börse, bis auf ein bisschen Kleingeld war das der gesamte Inhalt, und steckte sie Bodo selbst wieder in die Hosentasche.

"A-a-aber..." wollte Bodo protestieren aber er wurde gewaltsam in Richtung Tür geschubst.

"Und jetzt verpiss dich ganz schnell oder ich breche dir alle Knochen!" Sagte der Zuhälter und kam ein wenig, in drohender Haltung, auf ihn zu.

Gedemütigt, ausgeraubt und immer noch total betrunken schlich Bodo davon. Er lief über einen längeren Flur in dem es noch weitere Zimmer wie das gab, aus dem er gekommen war. Bei manchen standen die Türen offen und man sah aufreizend gekleidete Frauen, einige Türen waren verschlossen, und aus denen war lautes, ordinäres Stöhnen zu vernehmen. Bodo standen die Tränen in den Augen und unter normalen Umständen hätte er laut losgeheult, aber dazu war er zu betrunken. Am Ende des Ganges war eine Treppe die nach unten führte und aus dem zwielichtigen Gebäude hinaus. Andere Huren und einige Freier kamen ihm entgegen und alle warfen ihm merkwürdige Blicke zu. Endlich war er draußen. Es war spät in der Nacht, aber auf dem Bürgersteig herrschte ein aufgeregtes Treiben. Er sah weitere leicht bekleidete Frauen und Mädchen, sowie unzählige, potentielle Freier aller Altersklassen und Schichten. Er hörte, wie jemand seinen Namen rief, und er war überrascht und froh, als er seine Kumpels sah, die auf dem Bürgersteig in der Nähe warteten. Im Grunde genommen, überlegte er als er auf sie zu lief, war er dann doch nicht so glücklich sie zu sehen, denn er hatte den leisen Verdacht, das sie es waren, denen er dieses peinliche Ereignis zu verdanken hatte.

Als er bei ihnen stand und sie fragend ansah, da ging das Gelächter auch schon los.

"Mann, wie siehst du denn aus!?" prustete Alex. Auch die anderen starrten ihn mit besoffenen Blicken an und lachten so laut, das die Leute auf der Straße sich nach ihnen umdrehten. Bodo sah an sich herab, konnte aber nicht die Ursache für dieses verspottende Gelächter ausmachen. Gut, er wer zwar etwas unordentlich angekleidet, das Hemd hing ihm aus der Hose und einige Knöpfe waren offen, aber das konnte doch nicht so lustig sein?

Endlich hatte der lange Eiche, der eigentlich Sebastian Eichmann hieß, erbarmen mit ihm und reichte Bodo ein Taschentuch, während er schmunzelnd auf sein Gesicht deutete.

"Du hast Kotze an der rechten Backe!" sagte Eiche "Und da am Kinn!"

Bodo wischte das Erbrochene fort. Er hätte vor Frust und Scham im Boden versinken können, aber da er das nicht konnte, stand er nur einfach da und war der Blamage voll und ganz ausgeliefert. "M-m-mist!" sagte er und versuchte ein Lächeln zustande zu bringen. Die Anderen lachten wieder, aber Bodo spürte ganz deutlich, das sie nicht mit ihm sondern über ihn lachten.

"Was für ein Blödmann...Kommt lasst uns weitergehen!" Die Gruppe bewegte sich über den Bürgersteig zum Ausgang des Rotlichtviertels. Sie wollten von Bodo wissen, was denn passiert sei, ob er denn die Hure wenigstens kräftig rangenommen hatte, aber Bodo wollte oder konnte nicht antworten. Sie zogen ihn weiter auf, machten ihre Scherze und amüsierten sich köstlich über Bodo. Doch dann, als sie das Rotlichtviertel hinter sich hatten, und über einen Parkplatz gingen der voller wartender Taxis war, da hatte Bodo genug von dem üblen Treiben, er war am Ende seiner Nerven.

"I-i-ihr v-v-verdamm-m-ten Sch-sch-scheißk-kerle!" schrie Bodo und schlug mit der Faust unbeholfen nach Bernies Schulter. Ihm standen die Tränen in den Augen und er war wieder kurz davor loszuheulen.

"He, pass bloß auf!" schrie Bernie und drehte sich um.

"Was ist denn mit dem los?"

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wandte Bodo ihnen den Rücken zu und stapfte geduckt davon. Er weinte nun, und diese Blöße wollte er sich nun, nicht auch noch vor den Anderen geben. Er lief schneller, er wollte nicht das sie ihm nachkamen, aber darum hätte er sich keine Sorgen machen müssen, sie kamen ihm nicht nach. Sie kamen ihm nicht nach, es waren keine echten Freunde, eigentlich hatte er gar keine Freunde. "Lass den Spinner doch gehen..." war das letzte was er von ihnen hörte. Als er weiter weg war, ließ er die Tränen ohne Hemmungen fließen. Er weinte über die Ereignisse des Abends, aber eigentlich weinte er mehr über andere Dinge. Was sich an diesem Abend ereignet hatte war nur das Resultat seines beschissenen Lebens. Ein verdammter Schwächling war er, feige und zu allem noch dumm, langsam. Bodo hasste sich selbst mehr denn je, warum war er nur solch ein Verlierer? Er lief jetzt durch die Einkaufsstraßen der Innenstadt. Es musste schon spät in der Nacht sein, nur wenige Menschen kamen ihm entgegen. Bodo wollte nachsehen wie spät es war, doch seine Armbanduhr, ein Geschenk seines verstorbenen Großvaters, war nicht mehr da, er musste sie in dem Hurenzimmer vergessen haben. Für einen kurzen Augenblick dachte er daran, wieder zurück zugehen und die Uhr zu holen, doch als er sich an den Schlägertyp erinnerte, verwarf er den Gedanken ganz schnell wieder.

Schluchzend und fluchend taumelte Bodo durch die verlassenen Straßen, er war noch immer ziemlich betrunken . Er dachte nicht daran nach Hause zurückzukehren, er war jetzt in einer Stimmung, in dem ihm alles egal war, scheißegal, um es mit Bodos Gedanken zu sagen. Was hatte er schon zu verlieren? Unter normalen Umständen wäre ihm die menschenleeren Straßen unheimlich vorgekommen und außerdem hatte er seit einigen Jahren eine panische Angst, überfallen zu werden, weshalb er bestimmte Plätze mied. Aber in diesem Zustand kümmerte er sich nicht drum. Am Rande der nördlichen Innenstadt kam er an einer Tankstelle vorbei und da fasste er, einen wie er fand , angemessenen Entschluss. Er würde dort Alkohol kaufen und sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken, er würde soviel trinken, bis es nicht mehr ging, bis er einschlief, und wenn er dann nicht mehr aufwachte, dann war das auch nicht so schlimm.

Später konnte er sich nur noch bruchstückhaft daran erinnern wie er schwankend die Tankstelle betreten hatte, es war eine von denen, die rund um die Uhr geöffnet hatten, und wie er eine Flasche Wodka und eine Literflasche Wein aus dem Regal genommen hatte. Dann wusste er noch, wie er den Kassierer gefragt hatte, ob er mit seiner EC-Karte bezahlen könne, Geld hatte er ja keins mehr, aber wie es ihm dann gelungen war, den Pin-Code in die Kleine Tastatur einzugeben, das konnte er sich später nicht erklären.

Bodo hatte also seinen Alkohol und machte sich auf die Suche nach einem Ort wo er sich einsam und allein betrinken konnte. Nach einen kleinen Fußmarsch vorbei an den Wohnhäusern eines angrenzenden Stadtteils, Bodo vermutete im Norden der Stadt zu sein, fand er einen kleinen Park. Still und dunkel lag er vor ihm. Alte, hoch gewachsene Bäume und dichtes Gebüsch verschluckten das Licht so das Bodo den Weg, der hineinführte, kaum erkennen konnte. Niemals hätte er sich alleine an einen solch finsteren Ort getraut, aber in dieser Nacht war er in einer Art selbstmörderischen Stimmung, so das er nicht großartig darüber nachdachte, was ihm denn passieren könnte. Er lief über den Schotterweg in den Park und nach einer Weile, als er sich weiter von der hell erleuchteten Straße entfernte, da gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und er konnte den Weg deutlicher sehen. Es dauerte nicht lange bis er auf eine Parkbank stieß. Bodo setzte sich hin und öffnete den Schraubverschluss der Wodkaflasche. Um ihn herum waren tiefe Schatten und die Zweige der Bäume, die zu dieser Jahreszeit alle Blätter trugen, machten die Dunkelheit vollkommen. Er nahm einen großen Schluck Wodka, doch das war ein Fehler. Das pure Getränkt brannte so sehr in Kehle und Magen, das er sich fast erneut übergeben hätte, und so beschloss er sich erst mal dem harmloseren Wein zuzuwenden. Dieser war recht bekömmlich und Bodo begann die Flasche zu leeren. Er saß einfach nur da in der Dunkelheit, trank, starrte in die Schatten und versuchte an überhaupt nichts zu denken, seinen Verstand einfach auszuschalten und sich voll und ganz dem Rausch ausliefern. Die Nacht schritt voran und Bodo gelang es tatsächlich die Flasche Wein allmählich zu leeren. Seinen Kummer hatte er fast vergessen, aber der Preis war hoch. Er konnte kaum noch laufen und die düstere Welt drehte sich um ihn. Bei dem Versuch, in einem Gebüsch in der Nähe zu urinieren, fiel er mehrere male auf den Rasen davor und musste laut darüber lachen. Beim Laufen kam er sich vor, als wäre er auf dem Mond, so fühlte es sich an und so betrunken war er. Zurück auf der Bank, trank er noch einige große Schlucke von dem unangenehm schmeckenden Wodka, er fühlte sich seinem Vorhaben verpflichtet. Doch dann irgendwann, im Zustand der absoluten Trunkenheit, an der Grenze zur Bewusstlosigkeit, der Wodka war zur Hälfte leer, da schien er einen scheinbar vernünftigen Gedanken zu fassen.

"I-i-ich m-muss jetzt n-nach H-hause" lallte Bodo und schmetterte die beiden Flaschen auf den Boden, die klirrend zu Bruch gingen, was ihn zu einem irren Lachen veranlasste. Er taumelte, stark schwankend wie ein Schiff bei rauen Wellengang, auf den Ausgang des Parks zu, doch er sollte nicht weit kommen. Nicht weit von der Bank entfernt, schwankte er so stark vom Weg ab, das er in ein Gebüsch stürzte. Hätte er es wirklich gewollt, dann hätte er den Sturz wahrscheinlich verhindern können, aber er dachte sich: He, was soll´s , und ließ sich fallen. Äste brachen unter ihm weg und er fiel auf den vom Regen am Vortag feuchten Erdboden. Er machte keine Anzeichen aufstehen zu wollen, vielmehr dachte er sich, wie schön es doch ist, dort zu liegen. Einfach dort in einem Gebüsch zu liegen und sich um nichts mehr kümmern zu brauchen. Wie friedlich es auf dem nassen Boden, zwischen den Ästen die seine Kleidung aufrissen, war. Bodo schloss die Augen und atmete ganz ruhig. Man konnte behaupten, das er sich dort wirklich wohlfühlte, jedenfalls dachte er gar nicht daran, aufzustehen. Er wurde schläfrig, was ja auch kein wunder war angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit und den Mengen an Alkohol die er zu sich genommen hatte. Eines stand jedenfalls fest, er war nicht in der Lage aufzustehen und zu laufen, außerdem hatte er keine Lust dazu. Er blieb also liegen und hielt die Auge geschlossen. Dieser merkwürdige Ort erschien ihm so bequem, das er glaubte dort schlafen zu können. Und das glaubte er nicht nur, sondern, das tat er dann auch. Der Schlaf übermannte ihn und schickte ihn ins Reich der Träume...

ENDE KAPITEL 1

 

to be continued ...

 
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