Die Reise nach Chan ek Dûr
© by Melanie Böcker (alias Elyra) und Verena (alias Crudelis)
Vorwort: Dies ist der zweite Teil eines langen Abenteuers, aber trotzdem ein eigenständiges Kapitel. Das erste Kapitel "Die Scheune hinter dem Wirtshaus" findet ihr auch hier. Eure Kritiken und Bewertungen könnt ihr unter meinem Thread abgeben, ich werde sie dann an Nightmare weiterleiten, da sie in unserem Forum nicht vertreten ist. Wenn ihr mehr über die Welt Meldoran wissen wollt, in der diese Geschichte spielt, dann besucht die Seite: http://meldoran.hohlbein.de/
Crudelis verlässt die Scheune gefolgt
von Elyra. "Wir können gern nach Chan ek Dûr gehen. Ich war
schon lange nicht mehr dort, und ich würde gerne meine Familie wieder sehen.
"Beim Wort ‚Familie‘ nimmt Crudelis‘ Gesicht einen sehnsüchtigen Ausdruck
an. Zielstrebig läuft sie die Hauptstraße entlang, die ostwärts
aus der Stadt führt. Kaum werden die Häuser und der Schmutz weniger,
verlässt Syrcâdyl Crudelis‘ Schulter und kreist hoch über ihnen.
Auch Crudelis selbst fühlt sich sichtbar wohler ohne die einengenden Bauwerke.
Tief saugt sie den Duft der voll in Blüte stehenden Wiese neben der Straße
ein. Lächelnd schließt sie kurz die Augen, um die Sonne spüren
zu können, die ihre Nasenspitze kitzelt. Zum ersten Mal seit Elyra sie
getroffen hat, wirkt Crudelis entspannt und zufrieden.
Elyra gibt Oskar einen Schubs, damit er Syrcâdyl folgt und auch etwas für seine Bewegung tut. "Es ist schön hier draußen, nicht wahr? .... Bist du dir sicher, dass das der Weg nach Chan ek Dûr ist, meinst du nicht, wir sollten uns irgend wo eine Landkarte kaufen..... falls es in dieser Stadt überhaupt so etwas gibt? Aber was rede ich da.... du müsstest den Weg eigentlich kennen, schließlich kommst du ja von dort." Elyra bleibt am Straßenrand stehen und pflückt ein kleines, weißes Blümchen. Sie nimmt es hoch, dreht es zwischen den Fingern und betrachtet es kritisch. "Bei uns zu Hause gab es nur blaue Blumen... durch den Krieg musst du wissen. Weil das Wasser verunreinigt war, wurden die Blüten der Blumen blau. Erst als ich meine Insel verließ, sah ich zum ersten Mal weite Felder von Blumen, in den schillerndsten Farben..."
"Ich kenne keinen direkten Weg nach Chan ek Dûr," gibt Crudelis zu. Sie lächelt, als sie fortfährt, "meine Eltern haben mich immer geflogen. Das heißt, ich werde wohl Syrcâdyl schicken müssen, damit er sie holt. Ich glaube, dass sie dich auch akzeptieren werden. Und wenn nicht, lasse ich auch Syrc fliegen, damit er uns die kürzeste Passage über das Meer zeigt. Wir werden uns halt irgendwo ein Boot besorgen müssen" Crudelis betrachtet nachdenklich das Blumenfeld. "Blaue Blüten sind schön... aber für sich allein genommen stellen sie nichts besonderes dar. Ich finde, die Variationen der Blüten und die verschiedenen Düfte machen die Natur so einzigartig und wundervoll. Wenn du nur eine einzige Blume betrachtest, wirst du die Gesamtheit niemals erfassen können."
"Fliegen?" Elyra wispert lediglich diese Frage, dabei wird sie leichenblass und lässt das Blümchen aus der Hand fallen. "Ich bin noch nie in meinem Leben geflogen. Ich bekomme schon Angst, wenn ich einen Abhang hinunter schaue, wie soll ich dann fliegen überleben... Aber wenn du meinst, dann werde ich es wohl versuchen... werde ich..." dabei sieht sie zu Oskar hinauf, der über ihren Köpfen kreist. "Sind deine Verwandten überhaupt groß genug um uns tragen zu können?"
Crudelis muss über die Frage Elyras unwillkürlich grinsen, "Du hast noch nie einen ausgewachsenen Drachen gesehen, oder? Anscheinend nicht, sonst wüsstest du, dass sie wahrlich riesig werden können. Mach dir darüber mal keine Sorgen. Es kann natürlich sein, dass sie dich nicht auf ihren Rücken lassen. Und wenn du sowieso nicht fliegen willst, werden wir wohl den Weg über das Meer nehmen müssen. Ich habe damit auch keine Probleme." Sie sieht zu Syrcâdyl, der in diesem Moment einen Sturzflug startet. "Du darfst von der Größe Syrcâdyls nicht auf die anderen Drachen schließen. Sicherlich gibt es einige kleine Arten auch, aber wenn man bedenkt, dass ein einziger ganze Städte verwüsten kann, bekommt man schon einen Eindruck ihrer Größe... und ihrer Macht." Nachdenklich betrachtet Crudelis die Pflanzen, die am Wegesrand wachsen. Dann pflückt sie zielsicher ein fleischiges Blatt einer in gelb-orange blühenden Pflanze und beginnt zu kauen. "Willst du auch was?," bietet sie Elyra ein weiteres Blatt an, "Es schmeckt ein bisschen nach Zitrone, aber erfrischt ungemein."
Elyra nimmt ein Blatt und kaut ebenfalls darauf herum "Was ist Zitrone?" spricht sie mit vollem Mund. "Ich kenne nur die Kräuter des Waldes und Äpfel... und Fleisch." Sie macht eine Pause und überlegt. "Andererseits könnte die Fahrt übers Meer auch sehr gefährlich werden. Gerade jetzt in dieser Jahreszeit. Als ich damals von meiner Insel auf das Festland kam, tobte ein Sturm über dem Meer. Viele von uns Flüchtlinge ertranken. Und dem Rest war totübel." Bei dem Gedanken lächelte sie "Und ich habe... na ja du weißt schon.... mir war so schlecht, dass ich...." Sie fuchtelt mit den Händen vor ihrem Gesicht herum um Crudelis zu symbolisieren, dabei lächelt sie immer noch "Es war schlimmer als bei dem heftigsten Fusel, den man auf unserer Insel kaufen konnte. So schlecht war mir noch nie."
Crudelis grinst bei Elyras Ausführungen. "Zitronen sind Früchte; gelb wie die Sonne und vielleicht so groß wie deine Faust. Schmecken ziemlich sauer, sind aber auch saftig. Wenn du sie auspresst und den Saft mit etwas über ein Feuer hängst, bekommst du einen guten Tee...," sie macht eine Pause, bevor sie weiterspricht: "Bei Sturm ist das Fliegen ebenfalls gefährlich; und man kann auch flugkrank werden." Wieder huscht ein Grinsen über ihr Gesicht, "und wenn du Höhenangst auch noch hast, könnte es sein, dass dir die Drachen es extrem übel nehmen werden, wenn sie auf einmal dein Mittagessen auf ihrem Rücken haben. Also wäre die Bootsfahrt doch besser, denke ich. Vielleicht finden wir ja jemanden, der Delphin-gezogene Boote verleiht. Dann ginge es um einiges schneller; zurück müssen wir halt dann eine andere Möglichkeit suchen." Crudelis pflückt noch einige Blätter, die sie aber in einen der kleinen Beutel an ihrem Gürtel steckt. "Hilft bei plötzlicher Übelkeit, Verdauungsschwierigkeiten und Mundgeruch," erklärt sie Elyra lächelnd, "Ich hatte fast nichts mehr davon, weil Syrc es so gern isst." Wie auf Kommando kommt der kleine Drache angeflogen. Seine Schnauze ist von der eben geschlagenen Beute noch blutverschmiert. Hechelnd landet er auf Crudelis‘ Schulter und bläst ihr den heißen Atem ins Gesicht. Crudelis verzieht keine Miene; sie war den Blutgeruch gewöhnt. Eins der eben gepflückten Blätter holt sie wieder heraus und gibt es ihrem Drachen, der begeistert wieder davonfliegt.
"Wie lange wird es dauern bis wir am Meer sind?" Elyra winkt Oskar auf den Boden zurück. Während dem Laufen kickt sie kleine Steine vor sich her. Oskar hüpft diesen hinterher, packt sie mit seinem Schnabel und versucht ebenfalls sie ein wenig weiter zu werfen. Dieses Spiel führen sie eine geraume Zeit lang.
"Ich weiß es nicht, wie lange wir brauchen," gibt Crudelis zu. "Aber wenn ich ehrlich bin, macht mir das nichts aus; ich könnte hier ewig wandern... es ist einfach schön... ich denke, wenn wir weiterhin dieses Tempo laufen werden wir in fünf bis sechs Tagen am Meer sein." Crudelis hält auf einmal inne und schnuppert. "Riechst du das auch?," fragt sie Elyra begeistert, "Wart hier, ich bin gleich wieder da." Mit diesen Worten rennt sie von der völlig verdutzten Elyra weg. Als sie zurück kommt, hält sie einige Stiele von Pflanzen in den Händen, an deren Enden erdige, nicht identifizierbare Klumpen hängen. Auch Syrcâdyl, der wieder auf Crudelis‘ Schulter sitzt, hält einige in seinem Maul. "Was ist das?," will Elyra wissen. Crudelis grinst: "Zwiebeln." Sie entfernt die Erde von den Enden der Pflanzen, bevor sie das Grünzeug entfernt, und die Zwiebeln in einen der Beutel steckt. "Mit denen kann man Fleisch ziemlich schmackhaft machen," erklärt sie Elyra, weil sie nicht sicher ist, ob sie Zwiebeln kennt. "Ich esse sie ziemlich gerne roh, und normalerweise findet man außerhalb der Städte keine mehr. Aber der Bauer da hat ein ziemlich großes Feld... ich hoffe, er vermisst sie nicht," dabei grinst sie wahrhaft diebisch.
"Zwiebeln, das sind doch die von denen man so viel....." sie überlegt kurz um ein passendes Wort zu finden ".... pupsen muss." Dabei lacht sie und sieht verlegen zu Boden. Da kommt ihr ein Gedanke und sie bleibt stehen und sieht Crudelis wehleidig an.... " Fünf bis sechs Tage??? Mein Gott, ich kann ja jetzt schon nicht mehr!" Crudelis wirft ihr einen verwunderten, aber gleichzeitig auch verärgerten Blick zu. Die Stille zwischen den Beiden dauert nur wenige Sekunden, hätte aber durchaus "tödlich" sein können. Aber Elyra kann sich nicht mehr halten und lacht aus vollem Halse los. "Keine Angst, ich hab nur Spass gemacht!" prustet sie.
"Das will ich doch auch hoffen," knurrt Crudelis etwas gereizt. Sie hatte ihr Leben immer in freier Natur zugebracht und dementsprechend gut trainiert. "Wenn du es nicht gewohnt bist, kannst du durchaus Schwierigkeiten mit deiner Darmflora bekommen, wenn du zu viele Zwiebeln isst. Apropos: weißt du schon, was du zum Abendessen willst? In dieser Gegend kommen eher weniger Tiere freilebend vor, weil die Stadt noch zu nahe ist, also wenn du Fleisch willst, sollten wir schon mal versuchen irgendein Tier zu fangen."
"Bitte verzeih mir den kleinen Scherz. Ich wollte dich nicht ärgern. Ich kenne es auch einen Abend mal nicht satt zu sein. Ich werde dir schon nicht gleich von Fleisch fallen. Aber wie meine Mama immer sagte, soll man den Teufel nicht herausfordern. Ich würde vorschlagen, wir legen uns auf die Lauer. Wenn wir was erwischen, gut, dann wissen wir schon, dass wir den nächsten Tag gestärkt beginnen können. Wenn nicht, dann müssen wir halt morgen unser Glück versuchen." sie blickt auf das Schwert, dass sie mehr mit sich schleift, als trägt. "Allerdings bin ich nicht so gut im Jagen. Meine Mahlzeiten sind eher Glückstreffer."
"Ich kann ja Syrcâdyl fragen, ob er uns ein Kaninchen fängt. Problem ist nur, dass es dann ziemlich unansehnlich wird. Ich könnte mich ja auch als Jägerin betätigen... ist gar nicht so schwer, du musst nur schnell genug sein, wenn du es lebend willst, und wenn nicht, musst du gut werfen können. Ich denke, wir sollten erst mal noch etwas weiter laufen; nicht sehr weit von hier gibt es ein Waldgebiet, in dem auch Bäche fließen. Dort können wir heute Nacht rasten, und ich kann jagen gehen... ich kann es dir ja beibringen; allerdings ist dazu ziemliche Ausdauer erforderlich, aber ich denke, das bekommst du hin... und wenn wir kein Tier erwischen, dann können wir immer noch auf Beeren oder Wurzeln ausweichen." Crudelis zieht einen kleinen Wurfdolch aus einer versteckten Scheide an einem ihrer Beutel, und zeigt ihn Elyra. "Die sind nur für Vögel und Kleingetier, bestenfalls junge Kaninchen geeignet. Sie sind ziemlich leicht zu werfen, aber leider nicht so gut in der Balance wie größere. Damit nehme ich die Tiere dann auch aus." Crudelis verzichtet darauf, Elyra die Eigenschaften des Dolches genau zu erläutern; sie hat ihn selbst geschmiedet, und weiß deshalb auch sehr gut darüber Bescheid, wie eine Waffe zu bestimmten Zwecken geschmiedet sein muss. Doch das ist teilweise ziemlich kompliziert, und Crudelis will Elyra nicht mit Wissen langweilen, das sie sowieso nicht anwenden kann.
"Das hört sich interessant an. Du kannst ja dein Glück mit mir versuchen. Und sollte ich mich nicht als gute Jägerin beweisen, können wir immer noch auf Syrcâdyl zurückgreifen.... ääähhh. auf das was er fängt, meine ich...." sie lächelt Crudelis an, doch tief in ihr, dort wo sich der Magen bereits vor Hunger umdreht, befürchtet sie, dass sie Crudelis enttäuschen wird.
"Also," beginnt Crudelis mit einem Grinsen auf dem Gesicht – das Thema gefällt ihr; "Jagen ist im Prinzip ganz einfach. Das Wichtigste ist, dass der Überraschungsmoment auf deiner Seite ist; wenn ein Tier dich gesehen oder gehört hat, kannst du es normalerweise nicht mehr fangen, außer du bist wirklich schnell. OK, und dann musst du dich natürlich leise bewegen. Pass auch auf, in welche Richtung der Wind gerade weht; Tiere haben eine bessere Nase als wir, und wenn sie dich wittern, musst du dir ebenfalls ein neues Opfer suchen. Das nur mal als Allgemeininformation; nun kommt es darauf an, ob du ein Tier lebend fangen willst, oder es lieber mit Werfen versuchst. Als Alternative gäbe es noch Fallen, wobei man da zum einen Glück haben muss, und andererseits Zeit – also nicht das, was man auf einer Reise tun sollte. Bogenschießen kann man natürlich auch, aber ich selber besitze keinen Bogen und kann auch nicht sonderlich gut damit umgehen. Ich hätte auch noch Wurfsterne, aber das ist lebensgefährlich, wenn man es nicht kann... ich glaube, das ist nicht sonderlich zu empfehlen," Crudelis sieht Elyra an, die zustimmend nickt und fährt, "Das Dolchwerfen ist gar nicht so schwierig, man braucht aber einige Übung. Wenn du auf diese Art jagen willst, dann müssen wir erst an Zielscheiben und mit stumpfen Klingen üben, weil du ja nicht unbedingt jemanden umbringen musst, wenn du zufällig triffst," Crudelis zwinkert Elyra zu, der schon der Kopf von diesem Redeschwall schwirrt. "Ich kann dir auch die Tiere zeigen, die du locker schlägst, wenn du hinter ihnen herläufst. Da könnte ich dir eigentlich auch ‚Übungsmaterial‘ besorgen... die erwischen wir dann auch leicht wieder. Also, wenn du nichts dagegen hast, lass ich Syrcâdyl suchen, und ich fang dir dann was. Ich glaube, in der Gegend müsste es einige geben... Achtung, halt dir die Ohren zu, ich ruf Syrc mal." Crudelis‘ Augen suchen den Himmel der näheren Umgebung ab; Ihren Drachen aber kann sie nirgendwo sehen, was wahrscheinlich auch an dem hügeligen Gelände liegt. Crudelis räuspert sich noch einmal, und dann stößt sie einen derart schrillen, hohen Schrei aus, dass Elyra meint, sie spürt trotz den Händen über den Ohren das Vibrieren ihres Trommelfells. Es klingt wie der Schrei eines Raubvogels, nur noch höher, und vor allem lauter. "Kann ich die Hände jetzt wieder runternehmen," will Elyra wissen. "Klar," meint Crudelis, "es könnte nur sein, dass Syrcâdyl mir antwortet." Und tatsächlich taucht ein schmaler Schatten über dem nächsten Hügel auf, Crudelis‘ Drache saust elegant auf die beiden zu und schreit ebenfalls begeistert, allerdings bei weitem nicht so laut wie Crudelis. Diese streckt ihren Arm aus, und ihr Drache nimmt mit einem flatternden Flügelschlag darauf Platz. Crudelis sieht dem Tier tief in die Augen und geht mental eine Verbindung mit ihm ein. Sie erklärt ihm genau, was für eine Art von Beute sie erwartet, und bittet den Drachen, es in ihre Nähe zu treiben. Zum Schluss schärft sie Syrcâdyl noch ein: "Es darf nicht verletzt sein...," sie lächelt und streicht der Flugechse sanft über den Kopf, "Du kannst das, Syrc!" Dann spannt sie den Arm und wirft den Drachen wie ein Falkner seine Vögel... zu Elyra gewandt sagt sie: "Es dauert noch ein bisschen, dann können wir anfangen... am besten, du läufst am Anfang einfach noch hinter deiner Beute her – Syrc wird schon ein langsames Tier finden – wenn du das erst mal kannst, kannst du auch versuchen, ein Tier dahin zu treiben, wo du es haben willst. Es ist recht praktisch, dass wir zu zweit sind – dann können wir später auch zusammen jagen..." Crudelis‘ Augen funkeln vor Begeisterung und Tatendrang; das ist wirklich etwas, wo sie sich auskannte, und was sie auch gerne tut. "Dreh dem Viech bloß nicht gleich den Hals um, dann kannst du gleich öfter üben." Elyra sieht Crudelis etwas seltsam an, "Den Hals umdrehen?" "Wie willst du es denn sonst umbringen?? Lebend würde ich kein Tier kochen!" Crudelis lacht, "Du kannst es natürlich nur fangen, und ich erledige das Umbringen dann, wenn du nicht willst."
"Also gut, dann warten wir bis Beute eintrifft ." sie grinst, ist sich aber nicht sicher ob sie all das eben gehörte auch in die Realität umsetzen kann. Elyra nimmt ihre Tasche ab und setzt sich auf einen Baumstumpf um zu warten. Nach einiger Zeit kommt ihr die Idee ein Feuer zu machen um das eventuelle Abendessen später zubereiten zu können. Also sucht sie sich größere Steine und legt einen Kreis, in den sie trockenes Gras und einige Äste legt. Dann beginnt sie mit einem Feuerstein, den sie aus ihrer Tasche kramt, Funken zu erzeugen, um das Feuer zu entfachen.
Crudelis lächelt; sie findet es gut, dass Elyra so weit denkt, dass sie Feuer macht. Sie ist sich sicher, dass Syrcâdyl ein Beutetier finden wird. Immer noch lächelnd schließt sie die Augen und geht eine mentale Verbindung mit ihrem Drachen ein; sie sieht durch die Augen der Flugechse, sieht die Landschaft unter sich dahingleiten... Crudelis hebt ihren Kopf und fühlt den Wind beinahe ihr Gesicht streifen. Da! Auf dem Hügel unter ihr bewegt sich was. Syrcâdyl legt die Flügel an und beginnt einen atemberaubenden Sturzflug, direkt auf das Tier zu. Crudelis lässt die Verbindung abreißen, und wendet sich zu Elyra: "Leg schon mal alles ab, was dich beim Laufen behindern könnte; Syrc hat schon ein Tier gefunden... er muss es nur noch hertreiben, und das könnte bei der Geschwindigkeit etwas dauern..." Derweil stürzt sich der Drache auf den Murmelbär, ein etwa bibergroßes Tier, das einem Murmeltier nicht unähnlich ist, aber weder sonderlich intelligent noch schnell... starr vor Schreck blickt der Säuger die nahende Flugechse an, bevor er sich langsam abwendet, und mit einer – im Vergleich zu dem Drachen – lächerlichen Geschwindigkeit in Bewegung setzt. Dennoch war das Tier immer noch so schnell, dass es nicht mühelos zu schaffen war, es mit der Hand zu fangen. Mit ziemlicher Geduld treibt Syrcâdyl das Tier in Richtung Crudelis und Elyra. Als Crudelis sie an der Hügelkuppe auftauchen sieht, "redet" sie noch mal mit ihrem Drachen: "Treib es bitte ganz zu uns; ich will es erst noch fangen, bevor Elyra laufen darf." Mit einem Kreischen treibt der Drache den Murmelbären weiter voran, bis er der wartenden Crudelis fast in die Arme läuft. Die schnellt geschickt vor und packt das Tier. Dann hält sie es Elyra hin. "Sieh ihn dir genau an; er ist nicht wirklich schlau, und nicht wirklich schnell... gib ihm aber nicht zu viel Vorsprung, weil es kann nämlich sein, dass du ihn vielleicht beim ersten Mal einholst, aber nicht gleich fängst... Achtung, ich lass ihn wieder los." Sie setzte das Tier wieder auf den Boden und gab ihm noch einen leichten Stoß, damit es weglief.
Elyra hüpft dem Tier hinterher. Tatsache, es war wirklich nicht schnell, aber geschickt im Ausweichen. Sie rennt dem kleinen Tier hinterher, so wie sie noch niemals in ihrem leben gerannt war. Sie wollte es Crudelis beweisen, dass auch sie das Zeug zur Jägerin hatte. Das Tierchen rennt in einem großen Bogen über ein Feld um dann wieder Richtung Lagerstelle zu flüchten. Elyra merkt, wie ihr die Puste ausgeht. Doch das Tierchen ist auch sichtlich erschöpft, also nimmt Elyra ihre restliche Kraft zusammen und hechtet mit wildem Geschrei zu Boden. In ihrer kleinen Faust hält sie das linke Hinterbein des Murmelbäres. Das kleine Tier zappelt und strampelt um wieder frei zu kommen. Elyra liegt mit dem Gesicht im Staub. Sie ist fertig mit der Welt, aber wenigstens hat sie ein Abendessen gefangen. Wenige Meter von ihr stehen Crudelis und Syrcâdyl. Crudelis lacht aus vollem Halse und auch der kleine Drache scheint sich über Elyras Aktion zu amüsieren. "Meint ihr, dass das Fleisch überhaupt noch schmeckt? So viel Adrenalin, wie das Tier jetzt haben sollte?" Sie blickt auf und spuckt sich dem Staub aus dem Mund. Das Tierchen windet sich immer noch. Es beginnt zu kratzen und zu beißen. Erschrocken über die Zähne in ihrer Handfläche lässt Elyra wieder los. Der Murmelbär rennt wie vom Blitz getroffen davon. Elyra rappelt sich auf. Dieses kleine Miststück hatte ihr in die Hand gebissen! Jetzt war sie wirklich böse und rannte in noch wilderem Geschrei dem Tier nach. Dieses hat die Orientierung verloren und sieht sich plötzlich Crudelis und Syrcâdyl gegenüber, macht kehrt und verschwindet unter Elyras großer Tasche. Elyra selbst hat bereits die Tasche angesteuert, die sie zuvor in de Hektik fallen gelassen hat und alles herausgefallen ist, was sie mit sich führte. Es befand sich nun also nur noch der Murmelbär darin. "Warte nur du kleines Biest! Ich mach dich alle!" brüllte sie und ließ sich mit ihrem ganzen Gewicht auf die Tasche fallen. hörbar brachen ein paar Knochen. doch Crudelis konnte nicht ausmachen, ob es die des Tieres oder die von Elyra waren. Doch Elyra rappelt sich wieder auf, klopft sich den Staub aus den Kleidern und sieht Crudelis mit wütender Miene an. "Es hat mich gebissen! Ich werde Tollwut bekommen!" Sie hielt Crudelis ihre Hand entgegen, die zwar nicht stark blutete, aber doch eine tiefe Fleischwunde hatte.
Crudelis Mundwinkel zucken immer noch vor Lachen, als sie Elyra beruhigt: "Es ist kein tollwutgefährdeter Bezirk, in dem wir uns befinden... und außerdem hätte Syrc ein anderes Tier ausgesucht – er hat irgendwie ein Gespür für Krankheiten und Seuchen... Aber ich kann dir etwas blutstillendes geben, das Wundbrand verhindert." Crudelis sucht in ihrem Kräutervorrat nach einer bestimmten Pflanze, und gibt eins der seltsamen, dreieckigen Blätter, die gelb-grün gesprenkelt sind, Elyra. Dann zieht sie noch irgendwo ein Stück Leder hervor. "Du kaust das Zeug am besten selber. Ich finde nicht, dass es besonders gut schmeckt, es schadet aber nicht. Und dann verbinde ich dir die Wunde. Aber erst kümmere ich mich noch um unser Abendessen, falls es noch vorhanden ist." Crudelis geht mit federnden Tritten zu Elyras Tasche, die ziemlich verbeult aussieht. Sie kann sich immer noch kaum beherrschen, so erheiternd fand sie den Jagdversuch von Elyra. Mit einem Griff zieht sie den Murmelbär aus der Tasche – oder besser das, was von ihm übrig war. Elyra hatte sich anscheinend mit ihrem ganzen Gewicht auf ihn geworfen, und dementsprechend sah das Tier auch noch aus. Wenn das Fell nicht so robust wäre, wäre Elyras Tasche voller Blut und Innereien, teilte Crudelis Elyra mit, die eifrig auf dem Blatt herumkaut. "Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber ich persönlich habe momentan keinen Appetit auf Eingeweidesuppe. So was ess ich nur im äußersten Notfall... aber Syrcâdyl schmeckt es sicher noch. Und ich denke, Oskar ist Schlimmeres gewohnt; schließlich ist er eine Krähe, und damit Aasfresser. Und wir müssen uns noch mal auf die Suche machen. Wo ein Murmelbär ist, sind in der Regel mehr." Crudelis sieht zu Elyra hinüber, die sich sichtlich dafür schämt, dass sie das Tier auf diese Art und Weise gefangen hat, dass es nicht mehr zu verwerten war. Plötzlich hat Crudelis einen Anflug von Mitleid – sie wusste noch, wie sie das erste Mal allein jagen durfte. "Mach dir nichts draus – das wird noch besser." Sie lächelt die andere aufmunternd an, "Mir macht es nichts aus, noch ein Tier zu suchen, und wie gesagt, Syrc und Oskar essen bestimmt ‚deinen‘ Murmelbären auf." Crudelis klopft Elyra auf die Schulter und hält ihr den Lederstreifen hin, "Los, spuck’s drauf." Mit etwas verzogenem Gesicht – ob vor Ekel oder immer noch etwas beschämt, weiß Crudelis nicht. Vorsichtig faltet sie den Streifen und bindet ihn fest um Elyras Wunde. "Es kann sein, dass es etwas zu brennen anfängt, aber dafür heilt es besser. Wart hier; ich versuch mal, unser Abendessen zu retten." Crudelis zwinkert Elyra zu, pfeift nach ihrem Drachen und geht selber auf die Jagd, nimmt sich aber vor, ihre Beute lebend zu fangen.
Elyra war wütend. Sie hat sich durch ihren Zorn und ihren Schmerz dazu hinreißen lassen, dieses kleine Tier zu verstümmeln. Doch kann sie sich gar nicht mehr so recht an die letzten Minuten erinnern. Das Tier hat sie gebissen. Das weiß sie wohl noch, aber plötzlich stieg ihre Wut und ihr Adrenalin in ein unermessliches Ausmaß. Auch wenn sie das Tier nicht wirklich töten wollte, der Dämon in ihr wollte es. Nun versteht sie dass, wenigstens in diesem Punkt, der Dämon das gleiche Ziel wie sie verfolgt - überleben. Selbst wenn sie zu schwach oder bereits zu alt wäre, um zu jagen, der Dämon würde ihr die Kraft dazu geben. Und plötzlich erscheint sie sich ganz hilflos. Denn bis jetzt dachte sie immer, sollte der Dämon überhand gewinnen, so würde sie sich selbst umbringen. Doch nun wird ihr klar, dass dieser es wohl zu verhindern weiß, denn er ist der Herr über diesen Körper und sie wird nur geduldet, damit er überleben kann, bis er bereit ist, die Herrschaft zu übernehmen.
Oskar kommt herbeigeflattert und setzt sich zu Elyra die verlegen ihre Tasche wieder einräumt. "Denkst du Crudelis und Syrc wissen, dass sie mit einer lebenden Zeitbombe reisen?" fragt sie leise und traurig. Oskar krächzt und flattert einmal mit den Flügeln, so als wolle er mit den Schultern zucken. "Aber ich denke dass ihnen durch den Dämon keine Gefahr besteht. Er hat irgend etwas vor. Das spüre ich, mein Freund. Aber er wird ihnen nichts tun, so wie er dir und mir nichts tut. Vielleicht will er nur, dass ich jemanden habe, an dem ich mich festhalten kann, um nicht durchzudrehen...." sie wischt sich eine Träne aus den Augen. "Oh, Gott, bin ich ein Häulelieschen." Oskar krächzte wieder und es hörte sich beinahe wie ein "Ja." an... Elyra beobachtet das Feuer und legt Holz nach, damit es nicht ausgeht, setzt sich auf einen großen Stein und wartet auf die Rückkehr von Crudelis.
Crudelis läuft die Anhöhe hinauf und auf der anderen Seite wieder hinab, Syrcâdyl neben ihr herflatternd. "Wo hast du den Bären gefunden," will sie von dem Drachen wissen, der ihr mitteilt, er werde sie hinführen. Syrcâdyl überholt Crudelis mit einem eleganten Flügelschlag und gleitet majestätisch vor ihr her; die beiden überqueren noch einige Hügel, bis sie zu einem Loch im Fels kommen, das so groß ist, dass der Drache mühelos hindurchschlüpfen kann. "Treib mir bitte nur einen heraus, ich will Elyra noch eine Freude machen," bittet Crudelis Syrcâdyl, der mit einem Nicken in dem Gang verschwindet, der in einer Höhle endet. Eine ganze Murmelbärfamilie hat es sich dort gemütlich gemacht. Syrcâdyl mustert die Tiere. Er weiß genau, welche Art von Beute Crudelis erwartet, und auch, was am besten schmecken würde. Schließlich entscheidet er sich für eins der jüngeren, aber schon ausgewachsenen Tiere. Kreischend und flügelschlagend treibt er die anderen der Säugetiere so weit in die Höhle zurück, bis sein Opfer ganz allein vor ihm kauerte. Mit großen, panikerfüllten Augen starrt der Murmelbär den Drachen an. Syrcâdyl faucht das Tier an, das sich aber trotzdem nicht von der Stelle rührt; und Syrcâdyl hat zwar viele bewundernswerte Eigenschaften, aber Geduld gehört mit Sicherheit nicht dazu. Mit einem Satz landet er hinter dem Murmelbären und schiebt ihn fast in Richtung Ausgang, wo Crudelis wartet. Das Tier, das nur etwas kleiner als der Drache ist, stemmt sich mit aller Kraft gegen die Flugechse – vielleicht ahnt es, was für ein Schicksal es draußen erwarten würde. Doch Syrcâdyl gibt nicht auf. Beharrlich schiebt er das Säugetier Zentimeter um Zentimeter weiter. Knapp vor dem Höhlenausgang erleichtert Crudelis Syrcâdyl die Arbeit. Sie hat sich flach auf den Bauch gelegt und ihre Hände schließen blitzschnell vor, um den Murmelbären zu packen, als er in Reichweite war. Panisch windet sich das Tier in den kräftigen Armen, doch die Elbin denkt nicht im Geringsten daran, den Murmelbären wieder loszulassen. Einen Moment lang überlegt Crudelis, ob sie ihn mit einem Schlag gegen die Schläfe betäuben sollte, entscheidet sich aber dann dagegen, weil sie nicht sicher ist, ob das Tier diesen überleben würde. Sie hält Syrcâdyl ihren Arm hin; der Drache hüpft etwas erschöpft und ziemlich verdreckt darauf, um sich von ihr tragen zu lassen. Mit dem sich immer noch wehrenden Murmelbären im Arm läuft Crudelis wieder zu ihrem Rastplatz zurück, an dem Elyra sie mittlerweile etwas ungeduldig erwartet. "Wenn du noch einmal Lust auf ein Gerenne hast, dann lass ich ihn frei, und wenn nicht, zeig ich dir, wie ich Tiere normalerweise töte."
"Wenn man diesen Kleinen so recht betrachtet, sieht er eigentlich ganz niedlich aus.... " Crudelis verdreht die Augen und hofft innerlich, dass Elyra das Tier nicht behalten oder freilassen will. "... Aber ich habe Hunger, grooooßen Hunger. Zeig mir wie du es töten würdest. Sonst kannst du unter umständen noch eine Eingeweidensuppe haben...." lacht sie.
"Erste Grundregel: Denk nicht darüber nach, wie süß oder niedlich ein Tier ist – du hast gesehen, was ein ‚süßes‘ Tier machen kann, wenn man es unterschätzt... OK, es gibt mehrere Möglichkeiten. Einmal kannst du es mit einem richtig platzierten und vor allem kräftigen Hieb gegen die Schläfe töten; aber wenn du nicht richtig triffst, oder zu sanft bist, ist das Vieh nur betäubt, und ich finde es nicht gerade eine gute Methode, ihm dann das Fell über die Ohren zu ziehen. Was ich am liebsten mache, wozu du aber auch recht viel Kraft brauchst, ist, ihm den Hals umzudrehen, ungefähr so:" Crudelis setzt sich hin, hält sich den sich windenden Murmelbären mit den Beinen fest, greift mit einer Hand hinter seine Ohren und legt die andere über dem Beinansatz an die Wirbelsäule. Der Murmelbär quiekt panisch, und versucht noch etwas heftiger, diesem tödlichen Griff zu entkommen, doch Crudelis hält ihn eisern fest. Mit einer raschen, kräftigen Bewegung beider Hände dreht sie dem Säugetier den Hals um 360° herum. "Siehst du, so einfach ist das. Man könnte ihm natürlich auch die Kehle durchschneiden, dann blutet er gleich aus, aber da ist er nicht unbedingt gleich tot. Oder man macht es wie Syrc und reißt ihm den Kopf ab; das funktioniert allerdings nur bei Kleingetier, wie Vögeln... naja, und jetzt muss man halt das Fell entfernen und ihn ausnehmen." Crudelis zieht den kleinen Dolch hervor, den sie Elyra schon gezeigt hat, und beginnt damit, was sie gerade Elyra beschrieben hat. Als Syrcâdyl das Blut riecht, hüpft er herbei und sieht Crudelis bittend an. Sie überlässt ihrem Drachen für die gute Jagd das Herz des Tieres. Die übrigen Eingeweide legt sie neben dem Murmelbären, den Elyra getötet hatte, ins Gras. "Sollen es doch die Aasfresser holen – vielleicht will ja Oskar nachher was. Willst du das Fleisch roh oder geröstet?", fragt sie Elyra, während sie ihre blutigen Hände von Syrcâdyl ablecken lässt.
Elyra sieht Crudelis anfangs noch respektvoll und interessiert zu. Als sie allerdings das Genick des Murmelbärs brechen hört, und Crudelis das Tier häutet und ausnimmt, dreht sich die Welt für sie. Sie wusste schon, warum sie nie selbst gejagt, sich auf ihren Reisen immer von Gräsern und Früchten ernährt und nur in den Städten in Wirtshäusern Fleisch zu sich genommen hatte. Crudelis riss dem Tier das Herz heraus und der Drache verschlang es gierig. Dann wurde es dunkel. Elyra sank auf das weiche Gras.
Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht Crudelis Elyra an. Sie hat nicht damit gerechnet, dass ihre Begleiterin derart schwache Nerven hat. Crudelis selbst war Anblick wie auch Geruch frisch getöteter und gehäuteter Tiere natürlich nicht fremd – Drachen pflegten ihre Beute teilweise übler zuzurichten. Kopfschüttelnd wischte sie ihre Hände noch am Gras ab und durchsuchte ihre Kräutervorräte nach etwas, das ziemlich intensiv roch, um den Blutgeruch zu überdecken. Crudelis fand schließlich noch einige Krümel einer Pflanze, mit der sie normalerweise würzte, zerrieb sie und hielt sie Elyra unter die Nase. Diese zeigte jedoch keine Reaktion. Crudelis setzte sich neben sie und hielt ihr die Beine hoch – sie glaubte sich erinnern zu können, dass ihr das mal jemand als Hilfe bei Ohnmacht gezeigt hat. Was hat der dann noch gesagt?? Krampfhaft versuchte sie sich daran zu erinnern. Syrcâdyl kam mit blutverschmiertem Maul herbeigehüpft und sah ihr interessiert zu. Crudelis sah ihrem Drachen in die unergründlichen, bernsteinfarbenen Augen, die fast belustigt funkelten. "Syrc, weißt du noch, was man bei Ohnmacht tun muss?," fragte Crudelis ihn, in der Hoffnung, dass der Drache ihr helfen könnte. Die Echse beantwortete die Frage mit ja. "Ehrlich?? Hilf mir bitte!" "Wieso denn?" "Ich weiß nicht, aber ich fühle mich irgendwie verantwortlich für sie. Schließlich ist sie mit mir mitgegangen, um etwas über mich herauszufinden – sie wollte mir helfen, also werde ich ihr auch helfen müssen." Syrcâdyl schnaubt spöttisch, meint aber, er würde es selbst erledigen. Der Drache flattert neben Elyras Kopf. Dann schlägt er ihr in rasender Geschwindigkeit mit seinem Schwanz gegen die Wange. Nach einigen Malen wiederholt Syrcâdyl das auf der anderen Seite, so dass Elyras Kopf immer hin und her wackelt. Es sieht so grotesk aus, dass Crudelis lachen muss. "Mach du nur weiter, ich werd das Fleisch schon mal braten, dass sie nicht gleich wieder ohnmächtig wird." Syrcâdyl nickt – ihm scheint seine ‚Arbeit‘ Vergnügen zu bereiten. Crudelis spießt den Murmelbären währenddessen auf ihren Spieß, den sie nur zu diesem Zweck immer dabei hat und hält das Fleisch in die Flammen. Nach einiger Zeit reibt sie es noch mit einigen Kräutern und etwas Zwiebeln ein. Nachdenklich in das Feuer starrend wartet sie darauf, dass Elyra wieder zu sich kommt.
Elyra spürt weit entfernt die "Berührungen" durch Syrcâdyl, welche immer unangenehmer werden, bis sie zu Untertäglichkeit werden. Plötzlich wacht ihr Geist auf und sie erkennt, was gerade mit ihr passiert. Sie schreckt hoch und packt die kleine Echse an der Kehle. Ihr Verstand braucht einige Momente um zu registrieren, dass sie Syrcâdyl vor sich hat und dieser sie gerade aus der Ohnmacht und ihren schrecklichen Nahtodeserlebnissen gerissen hat. Sie fürchtet, dass der kleine Drache sich wehren und sie verletzen könnte, also lässt sie ganz schnell von seiner Kehle ab und drückt ihn fest an ihr Brust und flüstert: "Danke, kleiner Freund. Du hast mir eben sehr viel Leid erspart." Sie drückt ihm einen kleinen Kuss auf die Stirn. Doch der Drache schien es nicht zu mögen und kratzte sich heftig an der Stirn. Irgend wie sah es auch lustig aus und Elyra muss zwangsläufig lachen. Sie setzt sich zu Crudelis ans Feuer. Tief in ihr, weiß sie, dass Ihre Begleiterin sich über sie wundern musste. Doch nur Elyra selbst weiß, was in ihr brodelt und dass ihre Seele um die Herrschaft mit dem Dämon kämpft. "Es tut mir leid. Normalerweise bin ich nicht so zimperlich." Sie redet mehr mit sich selbst und starrt dabei auf den Boden.
Crudelis zuckt mit den Schultern. Es ist ihr eigentlich nicht so wichtig, was Elyra als Entschuldigung sagt. "So was kommt vor," meint sie nur leichthin, "Vor allem, da du in deiner Kindheit schon mit schrecklichen Ereignissen konfrontiert worden bist..." Crudelis dreht den Braten noch einmal über dem Feuer. Fett tropft in die Flammen und verursacht einen beißenden, aber nicht unbedingt unangenehmen Geruch. "Wo ist eigentlich deine Krähe hin?," will Crudelis von Elyra wissen – mehr aus dem Grund, ein Gespräch anfangen zu können als dass es sie wirklich interessierte. Sie wusste selbst nicht, warum, denn als sie immer mit Syrcâdyl allein unterwegs gewesen ist, hatte sie die Stille genossen. Vielleicht spürte sie, dass Elyra die Ablenkung von ihren Gefühlen, wie auch immer sie aussehen mochten, gut tat. Crudelis hatte zwar keine gute Menschenkenntnis, doch sie war Elbin, und hatte ein feines Gespür für Gefühlsregungen. Und Elyra wirkt auf sie aufgewühlt, als ob sie innerlich uneins sein würde. Crudelis kannte das Gefühl ansatzweise von sich selbst auch, doch bei Elyra scheint es ein sehr viel heftigerer Konflikt zu sein. Syrcâdyl macht sich in der Zwischenzeit über die Reste des momentan bratenden Murmelbärens her. "Oskar sollte sich beeilen, wenn er noch etwas will," spricht Crudelis Elyra noch einmal an, "Kannst du ihn rufen?" Syrcâdyl schnaubt fast etwas verächtlich, als er Oskars Namen hört. Als er Elyra aufgeweckt hat, hat er zunächst erst einmal die Krähe vertreiben müssen, die ihn nicht in Elyras Nähe hatte lassen wollen.
"Manchmal streunt er tagelang umher bevor er wieder auftaucht. Ich kann ihn bewegen her zu kommen, wenn er in der nähe ist und wir uns gegenseitig sehen können. Aber so etwas wunderbares wie du es mit deinem Drachen kannst, das beherrsche ich wahrlich nicht. Darum beneide ich dich. Außerdem merkt er, wann ich.... wann ich..." sie stockt, weil sie Angst hat, es Crudelis gegenüber zuzugeben und versucht es zu umschreiben. "...er merkt, wann ich ihm nicht gut tue." Er weiß sich schon selbst zu ernähren, für ein paar Tage. Und wenn er wirklich großen Hunger hat, dann wird er her kommen."
"Er wird es wissen müssen... Aber bevor wir uns darüber den Kopf zerbrechen, wie Oskar sich versorgt, sollten wir für uns selbst sorgen. Der Braten ist fertig." Crudelis nimmt den Spieß aus den Flammen. Ein verführerischer Duft geht von dem gebratenen Fleisch aus, und lässt Elyra das Wasser im Mund zusammenlaufen. Crudelis zückt ihren kleinen Dolch und teilt das Tier in der Mitte; eine Hälfte gibt sie Elyra. Genießerisch schlägt sie ihre Zähne in das zarte Fleisch. Syrcâdyl hatte eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Das Fett läuft Crudelis über die Finger, als sie ein Stück Fleisch herausbeißt. Es gab in dem Moment nur einen Unterschied zwischen dem, wie Syrcâdyl seine Beute zu verspeisen pflegte, und der von Crudelis: ihr Fleisch war gebraten und statt Blut hatte sie Fett an den Fingern. Elyra dagegen isst wesentlich manierlicher; sie zerteilt das Fleisch mit einem Messer, bevor sie es isst. Dabei scheint sie sich wieder von ihrem vorherigen ‚Anfall‘ erholt zu haben, denn sie wirkt wieder ruhig und beherrscht. Crudelis ertappt sich dabei, dass sie überlegt, woher wohl Elyras plötzlicher Zwist gekommen ist. "Wenn sie es dir nicht sagen will, dann hat sie wohl auch einen Grund dafür," unterbricht Syrcâdyl ihre Gedanken. "Musst du mir eigentlich immer dreinreden," fragt sie etwas gereizt zurück. Der Drache funkelt sie mit seinen bernsteinfarbenen Augen fast belustigt an. Wenn er menschlich wäre, würde er garantiert spöttisch grinsen, als er antwortet: "Ja." Crudelis muss sich ein Lachen verkneifen. Das war wohl mitunter einer der Gründe, warum sie Syrcâdyl so gern hatte: er wusste immer genau, was er zu sagen hatte, um ihre verhaltene Wut zu dämpfen. Der Drache leckt sich noch mal die Lippen, als er den Rest der Innereien verschlungen hat, und hüpft dann auf Crudelis Schulter. Etwas geistesabwesend lehnt Crudelis ihren Kopf an den schuppigen Körper des Tieres; sie nagt die restlichen Knochen des Murmelbären ab, und wirft sie auf einen Haufen neben dem Feuer. Elyra hat inzwischen auch aufgegessen. Crudelis säubert noch ihre Finger, bevor sie sich im Schutz der Felsen hinlegt. Die Sonne steht bereits tief am Horizont und überzieht die Hügel mit einem goldenen Schimmer. Syrcâdyl rollt sich dicht bei Crudelis ein. "Gute Nacht, Elyra," murmelt sie noch, bevor sie einschläft, ohne auch nur darauf zu achten, ob Elyra es ihr gleichgetan hat.
Elyra fragt sich, ob Crudelis und Syrcâdyl in der Lage waren ihre Gedanken lesen zu können. Der Braten hat hervorragend geschmeckt und jetzt ist sie müde. Wieder hat sie für einen weiteren Tag sich und den Dämon in ihr am Leben erhalten. Sie legt sich zu den Beiden in den Felsvorsprung hinein. Breitet ihren Mantel aus und versucht so gut es geht, Crudelis, Syrcâdyl und sich selbst zuzudecken. "Sie tun mir gut" dachte sie sich. "Sie nehmen mir die Angst. Und dafür bin ich ihnen dankbar. Ob sie es wohl wissen?" Sie sieht zum Himmel rauf und betrachtet die ersten Sterne die am frühabendlichen Himmel auftauchen. Sie überlegt sich was wohl Oskar tun würde, wenn sie nicht mehr war....
Sie erwacht pünktlich um den Sonnenaufgang zu erleben. Crudelis und Syrcâdyl schlafen noch tief und fest, zumindest hat es den Anschein als ob. Elyra steht leise auf und bewegt sich langsam von der Schlafstelle weg. Um das Frühstück möchte sie sich heute kümmern. Sie bewegt sich auf eine Baumgruppe zu, in dem Gedanken dort vielleicht Wurzeln oder Beeren zu finden. Im Unterholz raschelt es und plötzlich kommt ihr der Gedanke, dass sie so unbeobachtet wie sie war, ihre "Jagdkünste" ausprobieren könnte. Also bleibt sie reglos stehen und horcht auf das Rascheln. Direkt vor ihr kriecht ein kleines Kaninchen verschlafen aus seinem Bau. Eine leichte Beute, zumal ein Kaninchen weitaus langsamer als ein Murmelbär ist. Sie packt den Mümmler an seinen langen Ohren, bevor dieser überhaupt merkt, was mit ihm geschieht. Er versucht zu beißen und zu kratzen, doch vergebens. Elyra hält ihn fest in ihrer Hand. sie kehrt zurück an die Lagerstätte, wo Oskar bereits auf sie wartet, und packt das Kaninchen in ihre Tasche. Fest genug, um es festzuhalten, locker genug, dass es nicht erstickt. Oskar krächzt vor Freude, denn er weiß, dass wenn es Kaninchen zum Frühstück gibt, er davon immer etwas abbekommt. "Nicht so laut mein Freund! Du weckst die Beiden hier noch auf!" lacht sie und blickt zu Crudelis und Syrcâdyl hinüber.
Crudelis ist einem sehr unruhigen Schlaf verfallen. Wirre Bilder stürzten auf sie ein. Sie sah Syrcâdyl, der über einem weiten Meer dahinfliegt und auf einmal von einem heftigen Wind gepackt wurde und beinahe abstürzte. Doch als der Drache die Meeresfläche beinahe berührt hat, ist es auf einmal eine Krähe, die hilfesuchend in heller Panik kreischt. Dann findet sich Crudelis auf einem Drachenrücken wieder, der dem ihrer Mutter sehr ähnelt. Plötzlich stürzt ein kleines Geschöpf auf sie herab, das nicht zu erkennen ist, und Elyra beginnt zu fallen. Ein nicht enden wollender Schrei zerreißt die Stille, in der die beiden dagelegen sind. Fast panisch reißt Crudelis die Augen auf und fährt hoch. In dieser Bewegung reißt sie ihren Drachen mit, der empört aufflattert. Keuchend sieht sie sich nach Elyra um, die sie nachdenklich mustert. "Ich hab wohl schlecht geträumt," murmelt Crudelis entschuldigend. In Gedanken fragt sie sich, was der ganze Traum wohl zu bedeuten gehabt hat; und überlegt krampfhaft, ob sie anfängt, sich für Elyra verantwortlich zu fühlen. Syrcâdyl bemerkt ihren Gedanken, denn der Drache sieht sie mit einem Ausdruck von Wissen aus seinen bernsteingelb glühenden Augen an. Ein leichter Vorwurf ist auch zu erkennen. "Du hast sie nicht gezwungen mitzukommen," meint Syrcâdyl, "es war ihre Entscheidung, also ist sie für sich selbst verantwortlich!" Crudelis sieht zu Elyra: "Hast du was dagegen wenn ich laufen gehe bevor wir frühstücken?"
Elyra zuckt zusammen, als Crudelis hochschreckt. Sie sieht ihr in die Augen und der Ausdruck darin stimmt sie traurig. Sie weiß nicht warum, doch dieses traurige mischt sich schmerzlich mit Angst. "Ja, sicher. Geh ruhig. Unser Frühstück läuft uns nicht davon, dafür sorge ich." Oskar krächzt, als wolle er lachen, doch als er Crudelis´und Elyras´ Blicke sieht, verstummt er. Crudelis entfernt sich von der Lagerstelle und ihr kleiner Drache folgt ihr.
"Oskar, ich habe Angst." sagt sie leise. Die Krähe hüpfte auf Elyras Tasche, in der noch das Kaninchen einen Ausweg suchte. Er wurde durch die Bewegungen heftig durchgeschüttelt, wie beim Rodeo, und es schien ihm zu gefallen. "Hörst du mir überhaupt zu?" sie nippte an dem Te, den sie bereits gekocht hatte. "Er ist schon viel zu lange ruhig. Er plant etwas, das spüre ich. Er lässt mir meinen Willen, bis ich ihn vergessen habe... Ich habe Angst. Ich muss es Crudelis sagen, aber ich finde nicht den Mut dazu. Wenn sie mich mit nach Chan ek Dûr nimmt, muss ich es ihr sagen." Sie versinkt in einen Tagtraum und erwacht erst, als Crudelis wieder zurückkehrt.
Crudelis ist verschwitzt und atmet leicht keuchend als sie den Hügel hinunterläuft, an dessen Fuß sie heute Nacht geschlafen haben. Sie ist ziemlich lang gelaufen, selbst für ihre Verhältnisse. Doch es hat ihr gut getan, zumindest für eine Weile hat sie ihre Sorgen vergessen können. Langsam lässt sie sich neben Elyra nieder. Syrcâdyl fächelt ihr mit Flügelschlägen Wind ins Gesicht; Crudelis lächelt über den Einfall des Drachen. Auf dem Weg hat Crudelis einige verschrumpelte Äpfel gefunden, die sie Elyra anbietet. "Sie sehen zwar nicht mehr schön aus, sind aber durchaus genießbar." Sie nimmt einen Dolch und schneidet eine Frucht kleiner. Eins der Stücke gibt sie Syrcâdyl, ein anderes wirft sie Oskar zu, der es geschickt mit dem Schnabel auffängt. Den Rest kaut sie bedächtig, "Du hast gesagt, du sorgst dafür, dass unser Frühstück nicht davonläuft," erinnerte sie sich, "Wo ist es denn?," will Crudelis dann neugierig wissen.
"Genau. Ich habe ein kleines Kaninchen gefangen. Aber noch nicht getötet. Das überlasse ich dir." Oskar hüpft immer noch auf der Tasche herum. Er piekt mit dem Schnabel nach dem kleinen Kaninchen. "Lass das, Oskar! Es hat schon genug Angst!" Oskar hüpft von der Tasche und schüttelt sich einmal. Es sieht lustig aus, so lustig, dass Crudelis und Elyra darüber lachen müssen. "Wäre er ein Kind hätte er mir jetzt die Zunge rausgestreckt." lachte Elyra. "Wenn du natürlich noch keinen Hunger auf Fleisch hast, dann bastle ich eine Leine und wir nehmen es mit bis heute Abend, oder so." sie hielt Crudelis ihre wild hüpfende Tasche hin und blickte Crudelis fragend an.
"Wir können es natürlich gleich essen," Crudelis wiegt bedächtig ihren Kopf, "Aber auch falls wir es mitnehmen töte ich es lieber gleich; wer weiß, was es sonst in der Angst noch alles anstellt. Und wenn du schon mal was gefangen hast, wollen wir das natürlich auch ... sagen wir: feiern." Sie grinst Elyra an. "Wir könnten ein kleines Festmahl daraus machen; dann würde ich sagen, wir essen es Abends und schauen auf dem Weg noch nach Beilagen, in Ordnung?" Elyra stimmt zu und reicht Crudelis ihren Beutel. Wild windet sich das kleine Kaninchen in den starken Armen der Elbin. Mit vor Entsetzen unnatürlich weit aufgerissenen Augen starrt das Tier Crudelis an. Diese blickt unbeeindruckt zurück, fasst den Hals des Kaninchens mit einer kalten Neutralität, dass es fast schon brutal wirkt, drückt kräftig zu und dreht den Kopf des Tieres mit einem harten Ruck herum. Mit einem scharfen Knacken bricht die Wirbelsäule. Schlaff liegt das Bündel Fleisch in Crudelis‘ Armen. Sie steckt es in den Beutel zurück, den sie Elyra wieder gibt. "Ich habe noch etwas Brot übrig," meint sie, "Das können wir zum Frühstück essen... ich glaub, irgendwo hab ich auch noch Kräuter zum Würzen." Crudelis beginnt ihre kleinen Beutel zu durchsuchen und zieht schließlich einen hervor, der scharf und würzig riecht. "Meine Eigenkreation," teilt sie Elyra mit einer Andeutung von Stolz in der Stimme mit, "Schmeckt hervorragend und ist auch ziemlich nahrhaft..." Crudelis holt noch ein Stück hart gewordenes Brot heraus und schneidet es mit ihrem Dolch; die Hälfte gibt sie Elyra. Ihren eigenen Anteil belegt sie dick mit ihrer Kräutermischung und beißt dann herzhaft hinein. "Guten Appetit," wünscht sie Elyra mit vollen Backen kauend.
Elyra isst etwas mit. Dann fragt sie: "Könntest du mir heute Abend, wenn wir das Kaninchen braten das Fell aufheben? Ich möchte es gerben. Vielleicht bekomme ich einmal so viel zusammen, dass es für einen Umhang reicht."
Nach dem Frühstück setzen sie ihre Wanderung fort. Die Schwüle des gestrigen Tages ist vergangen. Statt dessen hängen dunkle, große Wolken am Himmel. "Es wird regnen." Bemerkt Elyra. Weit am Horizont sehen sie wie das Gras aufhört und in Felsen übergeht. "Vielleicht finden wir dort einen Unterschlupf" sie deutet auf den Horizont. Gegen Mittag erreichen sie die Felsen, die bis zu zwei Meter in die Höhe ragen. Die Luft ist salzig. Auf der Spitze sitzt Oskar und krächzt ängstlich vor sich hin. Elyra sucht sich eine Kerbe im Fels, stellt ihren Fuß hinein und stemmt sich nach oben. Sie sieht mehr Felsen, ineinander verschachtelt. Gelegentlich ein paar Moosfelder. Das Rauschen des Meeres ist beinahe ohrenbetäubend. Sie klettert nach oben. Cudelis und Syrcâdyl folgen ihr Elyra hüpft geschickt zwischen den Felsen entlang bis zum Abgrund, der senkrecht ins Meer absteigt. Etwa drei Meter unter den Reisenden peitschen die Wellen gegen den Stein. Elyra öffnet ihren Zopf und lässt den Wind durch ihre Haare und ihre Kleidung wehen. "Ist das nicht herrlich? Ich habe eine Idee, wir machen zum Kaninchen Seetang. Wie findest du das?" Crudelis rümpft die Nase. Seetang ist nun so gar nicht ihr Geschmack, aber sie lässt Elyra ihren Willen. Crudelis steht da und sieht zum Horizont. Chan ek Dûr war zum Greifen Nahe. Elyra hüpft zwischen den Felsen hin und her, als würde sie etwas suchen. Plötzlich ist sie verschwunden. Crudelis sieht sich hektisch um. War Elyra die Klippen hinab gestürzt? Oder liegt sie etwa irgend wo und hatte sich verletzt? Sie ruft nach ihr und ihre Stimme wird vom tosenden Meer fast verschluckt. Oskar lässt sich auf Crudelis´ Schulter nieder und blickt in Syrcâdys Augen. Er krächzt einmal und fliegt wieder davon. Elyras rufen kommt von weit her. Crudelis sieht sich erneut um, kann Elyra aber immer noch nicht sehen. Oskar lässt sich am Abgrund nieder und schlägt mit den Flügeln. Dort wo er sitzt scheint eine Art Weg hinab in Richtung Wasser zu führen. Crudelis tritt näher und sieht unten, knapp über den Wellen Elyra stehen und winken. "Komm runter! Ich habe was gefunden!" Das Meer hat im Laufe der Zeit Höhlen ausgespült. Elyra verschwindet in einer davon. "Ich denke, hier sind wir vor dem nahenden Unwetter geschützt. Und selbst bei Flut wird das Wasser nicht hier hineingelangen. Weiter hinten habe ich etwas altes Schwemmholz gefunden. Es ist trocken genug, um ein kleines Feuer zu machen. Die Decke ist hoch genug, so dass wir uns nicht selbst vergiften. Es ist nicht schön, aber es schützt. Während Crudelis sich zähneknirschend nieder lässt, verschwindet Elyra wieder und kehr wenige Minuten später mit einer Schüssel voll Seetang, Algen und Moos zurück. Sie bereitet es mit etwas Wasser und Gewürzen auf. "So, jetzt müssen wir es nur noch erhitzen..."
"Mach du mal ruhig das Feuer," meint Crudelis, "Ich gehe davon aus, dass ich das Kaninchen häuten und ausnehmen muss." Elyra lacht und stimmt ihr zu. "Ich mach´s draußen, dann kann ich den Abfall gleich liegen lassen... die Möwen werden ihn schon fressen." Crudelis verlässt die Höhle mit dem Kaninchen in der Hand und Syrcâdyl auf der Schulter wieder und läuft den schmalen Pfad auf die Klippe hinauf. Geschickt klettert sie an einem der herausragenden Felsen hoch und setzt sich; den Blick aufs Meer gerichtet. Da draußen, weit weg, lag Chan ek Dûr. Ein leichter Anflug von Wehmut überkommt sie. Syrcâdyl stößt sich von ihrer Schulter ab und gleitet auf das Meer hinaus. Es ist fast so, wie es immer auf der Dracheninsel gewesen ist. Nachdenklich nimmt Crudelis das Kaninchen und beginnt es sorgfältig zu häuten, dass das Fell keinen Schaden erleidet. Vorsichtig entfernt sie alle Innereien, so dass sie am Schluss nur noch das genießbare Fleisch in der Hand hält. Sie legt es wieder in die Haut und wickelt es darin ein. Die Innereien lässt sie einfach neben sich liegen. Bald schon kommen die ersten Möwen angeflattert. Da Syrcâdyl nicht bei ihr ist, beäugen die Tiere Crudelis nur misstrauisch statt sich gar nicht erst her zu trauen. Crudelis wirft einen Seitenblick auf die Vögel, die sich um das Fleisch zanken. Eine stand am Rand daneben; sie sieht schon ziemlich zerzaust aus. Mit schiefgelegtem Kopf sieht sie Crudelis an, die mit hochgezogenen Augenbrauen zurückstarrt. Die Möwe zeigt keinerlei Scheu vor der Elbin und hüpft langsam und sehr ungelenk zu ihr. Dabei spreizt sie einen Flügel sehr weit ab. Sie kreischt kläglich als sie ansatzweise versucht, auf Crudelis´ Bein zu flattern. Crudelis hat zu ihrer eigenen Verwunderung Mitleid mit dem Tier. Aber sie weiß, dass es keine Chance hat, zu überleben, wenn es nicht fliegen kann. Und dass der Flügel heilt ist auch äußerst unwahrscheinlich. Es ist ihr selbst zuwider, was sie tun muss. Sanft nimmt sie die Möwe in ihre Hand und streicht ihr über das weiche Gefieder. Der Vogel klappert zutraulich mit dem Schnabel; wie eine Katze, die schnurrt. Crudelis lächelt das Tier traurig an; sie streicht der Möwe ein letztes Mal sanft über den Kopf, murmelt, "Es tut mir leid... aber es geht nicht anders." Dann bricht sie ihr mit einer kräftigen Bewegung das Genick. Der kleine Körper erschlafft in ihren Händen. Crudelis steht langsam auf, sucht eine Mulde im Fels, legt das tote Tier hinein und schichtet Steine sowie Moos darüber. Sie fühlt sich elend und weiß nicht, warum. Früher hätte sie in Erwägung gezogen, das Fleisch zu essen, aber jetzt wird ihr bei dem Gedanken schon unwohl. Syrcâdyl kommt wieder angeflogen; als er landet vertreibt er mit einem Schlag alle Möwen, die schon fast alles aufgefressen haben. Er spürt, dass es Crudelis nicht besonders geht; sie setzt sich an die Felsspitze und starrt nachdenklich auf die Weite des Meeres hinaus. Der Drache flattert auf ihre Schulter, schlingt den Schwanz um ihren Hals und lehnt seinen Kopf an ihren. Er fährt mit der Zunge langsam über ihre Wange und schmeckt salziges Wasser. "Was ist mit dir los?" "Ach, Syrc," seufzt Crudelis, "Ich habe gerade eine Möwe umgebracht..." "Und?" "Sie hatte doch gar keine Angst, und sie war so jung... und zutraulich; und ich hab sie einfach getötet... einfach so... es ging ganz schnell." Syrcâdyl schnaubt verächtlich und schlägt ihr mit der Schwanzspitze leicht ins Gesicht; er weiß natürlich, dass Crudelis nicht grundlos getötet hat; das würde sie nie tun; entweder sie tötete Tiere, um sie zu essen oder um sich zu schützen aber niemals zum Spaß. Der Drache fragt sie danach und sie erzählt ihm die Geschichte. Wenn Syrcâdyl ein Mensch gewesen wäre, hätte er den Kopf geschüttelt. "Crudelis, wach auf!!! Sie war verletzt und wäre langsam und qualvoll gestorben; du hast ihr also einen Gefallen getan! Spinn jetzt nicht rum, was meinst du, was die andern sagen wenn du auf einmal sentimental geworden bist." Crudelis´ schlechtes Gewissen wegen der Möwe war verschwunden. Fast wütend blickt sie Syrcâdyl in die Augen. "Sentimental?!? Sag das nicht noch einmal! Sonst zeig ich dir, wie sentimental ich bin!!" Syrcâdyl weiß natürlich ebenso gut wie Crudelis selbst, dass das eine leere Drohung ist, aber zumindest war Crudelis wieder sie selbst. "Gehen wir," fordert sie ihren Drachen auf. "Du gehst," korrigiert er sie. Crudelis schnaubt und erhebt sich; nicht ohne ihrem Drachen einen Klaps auf die Nase zu verpassen. Sie hebt das Kaninchen auf und kehrt in die Höhle zurück, wo Elyra schon ein Feuer entfacht hat und nun auf sie wartet. "Was hast du denn so lange gemacht," fragt sie fast vorwurfsvoll. "Nichts Besonderes," weicht Crudelis aus, "Ich wollte nur etwas alleine sein."
Elyra panscht im Seetang herum. Sie hat versucht, den Salzgeschmack etwas mit Gewürzen zu mildern. Aber es schmeckt weiterhin schlecht. Sie hat mal gehört, dass man sich diese Algen auch auf die Haut legen konnte. Also nimmt sie einen Löffel voll heraus und zerstampfte es mit einem Stein, den sie zuvor abgewaschen hat. Crudelis bereitet derweil das Kaninchen über dem Feuer zu. Sie ist völlig in sich gekehrt, also lässt Elyra sie lieber in Frieden. Sie zieht ihre Kleidung bis auf das Unterhemd aus um nichts zu verschmutzen. Dann bindet sie ihre Haare im Nacken zusammen und schmiert sich die Paste ins Gesicht. "Essen ist gleich fertig." ruft Crudelis zu ihr herüber. Sie tritt in den Schein des Feuers und als Crudelis sie sieht, stößt diese einen leisen, heiseren Schrei aus und zieht einen Dolch. "Sachte, sachte. Sieht es wirklich so schlimm aus?" lacht Elyra. Die völlig verwunderte Crudelis steckt ihren Dolch wieder zurück. "Spinnst du! Mich so zu erschrecken. Ich hätte dich töten können!" knurrt sie und schaut Elyra durchdringend an, als ob sie fragen will, was sie da auf dem Gesicht hat. Elyra versucht die Stille zu durchbrechen, nimmt noch etwas von der verbliebenen Creme auf den Finger und stupst es Crudelis auf die Nase. "Probier es auch mal, vielleicht werden wir ja zu wunderschönen Elfen!" lacht Elyra kindlich.
"Danke, das habe ich nicht nötig,"
faucht Crudelis äußerst gereizt zurück und wischt sich die Paste
wieder von der Nase. Elyra war über die Antwort etwas erstaunt, einerseits
wegen der unerwartet heftigen Schärfe, aber andererseits auch darüber,
was Crudelis gesagt hat. Sie hat sich Crudelis zwar noch nie sehr genau
angesehen, aber sie war nicht unbedingt auffallend schön, im Gegenteil.
Zugegeben, sie war eine Elbin und hatte markante Gesichtszüge, die vielleicht
hübsch gewesen wären, würden nicht von einer Narbe quer über
das Gesicht entstellt. Selbst wenn dieses Mal nicht gewesen wäre, würde
wahrscheinlich niemand auf die Idee kommen, Crudelis als hübsch oder gar
schön zu bezeichnen; ihre Züge waren hart und die graublauen Augen
stachen kalt und abschätzend aus ihrem Gesicht hervor, dessen relativ helle
Farbe von den pechschwarz glänzenden Haaren noch unterstrichen wurde. Viele
Adjektive würden auf Crudelis‘ Aussehen zutreffen, aber "schön"
zählte mit Sicherheit nicht dazu.
Crudelis verengt ihr linkes Auge zu einem Schlitz, was im flackernden Licht
des Feuers unheimlich wirkt und schnaubt: "Hast du jetzt genug gestarrt??"
Und wie als ob Elyras Gedanken gelesen hätte, fügt sie hinzu: "Es
ist nicht nötig, schön zu sein um überleben zu können...,"
abrupt wechselt sie dann das Thema: "Das Kaninchen ist fertig. Hast du
eigentlich jetzt irgendetwas Sinnvolles zum Dazuessen zustande gebracht, oder
gibt es wieder nur Fleisch??" Elyras Freude über ihren ersten Fang
ist wie weggeblasen. Sie ist enttäuscht über Crudelis‘ aggressives
Verhalten; sie kann es sich nicht erklären, wieso sie plötzlich so
... gemein zu ihr war. Hatte sie denn etwa etwas schlimmes getan?? Über
diesem Gedanken brütend isst Elyra schweigend ihr Fleisch. Crudelis starrt
die ganze Zeit finster vor sich hin und redet kein Wort. Auch für ihren
Drachen hat sie keinen Blick übrig, bis er mit einem empörten Kreischer
auf sich aufmerksam macht, als Crudelis versehentlich einen Knochen nach ihm
geworfen hat. "Nicht du auch noch," flucht Crudelis in Gedanken, "Mich
nervt heute schon genug." Sie sieht ihren Drachen wütend an, aber
anders als Elyra lässt er sich davon nicht beeindrucken. Er sieht nur kühl
zurück und versucht Crudelis zu beruhigen. Und tatsächlich verschwindet
langsam die Wut aus ihrem Gesicht und sie streckt die Hand aus, um Syrcâdyl
zu tätscheln. In Gedanken entschuldigt sie sich für ihr Verhalten
ihm gegenüber und holt dann aus einer ihrer Taschen eins der Blätter,
die sie gestern gepflückt hatte. Begeistert frisst es der Drache.
Elyra ist erleichtert, dass Crudelis sich wieder beruhigt hat; sie will es sich
zwar nicht eingestehen, aber irgendwie hatte sie schon so etwas wie einen leichten
Anflug von Angst ihrer Begleiterin gegenüber empfunden.
"Bitte entschuldige meine unüberlegten Worte." murmelte Elyra. "Ich wollte dich nicht kränken. Meine Mama hat immer gesagt, dass Schönheit von innen kommt. Und weißt du, bis jetzt ist mir es nicht aufgefallen. Also bist du für mich hübsch. Du hast eine wahnsinnige Ausstrahlung." Sie reicht Crudelis das Algen-Gemüse und blickt zu Syrcâdyl. Am Rand der Höhle sitzt Oskar und schüttelt sich den Regen aus dem Gefieder. "Wie gedenkst du nun nach Chan ek Dûr zu kommen?"
"Hm," Crudelis zuckt mit den Schultern, "Ich wäre dafür, wir suchen uns einen Bootsverleih... es ist nicht so weit; wenn die Sonne untergeht, kannst du bei schönerem Wetter die Silhouette von Chan ek Dûr am Horizont sehen... Wir müssen nur warten, bis das Wetter wieder etwas besser wird," sie wirft einen Blick zu Oskar hin, der sich am Feuer wieder trocknet, "Bei Regen und Sturm will ich nicht unbedingt über’s Meer; weder zu Wasser noch durch die Luft." Syrcâdyl kreischt zustimmend; er rückt ebenfalls näher ans Feuer. Crudelis steht auf und geht zum Eingang der Höhle. Etwas trübsinnig starrt sie den verdunkelten Himmel an, aus dem wahre Ströme von Regen fließen. Wieder flucht sie in Gedanken. Chan ek Dûr war so nah – und doch so weit weg; es wäre selbst für ihre Eltern, die ausgewachsene, mächtige Drachen waren, gefährlich gewesen, bei dem Wetter – zum Regen peitschte noch ein kräftiger Sturm das Meer – zu fliegen; Crudelis legt auch nicht viel Wert darauf, sie überreden zu müssen, dass sie Elyra und sie selbst flogen. Und mit einem Boot wäre es auch zu gefährlich gewesen; die Wellen waren weiter draußen schon fast meterhoch und der dichte Schleier des Regens machte eine Orientierung fast unmöglich. Seufzend dreht Crudelis sich wieder um und setzt sich neben Syrcâdyl an’s Feuer... "Wir werden wahrscheinlich noch etwas länger hier bleiben müssen; es sieht nicht so aus, als würde es in nächster Zeit besser werden..." Mit den Gedanken vollkommen woanders nimmt sie sich etwas von dem Algengemüse und beginnt mit dem seltsamen abwesenden Blick zu kauen.
"Ein Bootsverleih..." murmelte Elyra vor sich hin. Das wäre eine Gute Idee. Sie lehrte ein kleines Säckchen auf den Boden, aus dem einige Münzen fielen. "Viel Geld habe ich nicht mehr. Aber über die >Bezahlung< mache ich mir noch keine Sorgen." Dabei grinste sie und ihr Gesicht verzog sich zu einer Fratze, wie es Crudelis bis jetzt nur bei den größten Scharlatanen gesehen hatte. Ich habe gestern von Weitem Rauch aufsteigen sehen. Ich denke es war ein Dorf. Es dürfte nicht weit weg sein. Einen halben Tag vielleicht. Wenn das Wetter sich bessert, können wir aufbrechten..."
"Wenn irgendjemand mit seiner Bezahlung nicht einverstanden ist, wird er eben anders bezahlt," Crudelis grinst ebenfalls, es sieht gemein aus; sie streicht liebevoll über ihre Klauen, die an ihrer Seite hängen und zieht dann demonstrativ ihr Schwert und hält es Elyra leicht an die Kehle, "Schließlich ist das auch Metall." Elyra lächelt nervös, ihr behagt das scharfe Schwert an ihrem Hals nicht. Crudelis steckt die Waffe wieder zurück in die Scheide. "Und wenn ihm das nicht reicht, dann werden wir uns wohl auf ... illegale Art unser Boot besorgen..." Crudelis‘ Ansicht kommt Elyra seltsam vor – ist es denn nicht schon ganz astrein, wenn jemand mit Waffengewalt zu etwas gezwungen wird??? Doch ihr sollte es recht sein, Crudelis musste schließlich auch wissen, was sie tat. Die Elbin meinte noch: "Außerdem hat Syrcâdyl auch eine unheimliche Überzeugungskraft." Sie grinst hämisch.
Als sie wieder einen Blick nach draußen wirft, verschwindet ihr verzerrter Gesichtsausdruck und weicht einem fast bedauerndem. "Das Wetter macht noch keinen guten Eindruck, auch wenn es schon besser geworden ist... naja, vielleicht sieht es später besser aus..." Nachdenklich starrt sie noch einmal nach draußen. Irgendwas am Meer kommt ihr seltsam vor. Nicht wirklich falsch, sondern einfach seltsam. Aber sie findet keine Erklärung dafür. Crudelis wendet sich wieder zu Elyra: "Und was machen wir jetzt? Ich lege auch keinen Wert darauf, im Regen zu dem Dorf zu laufen. Vor allem, weil ich nicht weiß, wo es ist, und wir nicht sonderlich viel zur Orientierung haben..."
Nach einigen Tagen besserte sich das Wetter und die Sonne brach durch die Wolken. Die Stimmung in ihrem frei Zugänglichen Gefängnis war leicht angespannt. Sie hatten Tage in dieser Höhle verbracht. Sich wenig bewegt und sich ausschließlich von Algen und Fisch ernährt. doch jetzt konnten sie aufbrechen. Sie verließen die Felsenlandschaft und begaben sich auf die sperrliche Grünfläche, die parallel zu der Felsenmauer verlief. Hier war die Gefahr geringer, geringer als auf den nassen Felsen auszurutschen und sich die Beine zu brechen. Sie waren etwa einen Tag marschiert bis sie das Dorf von einer Anhöhe aus sehen konnten. Es sah leer und verlassen aus. "Ich schlage vor, dass wir hier irgend wo unser Nachtlager aufschlagen. Wer weiß, ob wir dort unten willkommen sind." Crudelis nickte und sie ließen sich nieder. Elyra betrachtete ihr Schwert, dass sie immer mit sich führte. Sie hatte es noch nie wirklich benutzt, doch sie hatte das Gefühl, dass sie es morgen brauchen würde....
Crudelis bemerkt Elyras Blick. Sie zieht eine Augenbraue fragend hoch, doch ihre Gefährtin sieht sie nicht an. Crudelis zuckt die Schultern und beginnt ihrerseits, ihre Waffen zu überprüfen. Ihre Klauen hat sie erst vor kurzem geschliffen und seither nicht mehr gebraucht; das Kettenhemd ist auch in tadellosem Zustand. Sie zieht ihr Schwert aus der Scheide. Es sieht an der Schneide schon etwas schartig aus; es ist schon länger her, dass sie es geschärft hat. Deswegen hol Crudelis einen Schleifstein hervor und beginnt die Waffe zu schärfen. Elyra sieht kurz zu ihr her und fragt sich, ob Crudelis ihre Befürchtungen teilt. Als Crudelis fertig ist, sieht sie sich auch Elyras Schwert an. "Soll ich es dir schleifen?" "Ich... kann nicht sonderlich gut damit umgehen...," meint Elyra zerknirscht. "Dann nicht; bevor du dich selbst verletzt. Falls wir morgen kämpfen müssen: schlag deinen Gegnern auf die Beine. Auch wenn dein Schwert nicht scharf ist, tut das ziemlich weh, und wenn du Glück hast, bringst du sie aus dem Gleichgewicht... außerdem rechnet damit niemand..."
Ohne einen weiteren Kommentar entledigt sich Crudelis ihres Umhangs und ihrer anderen Habseligkeiten; auch ihre Klauen, die in einer Art Scheide stecken, legt sie ab. Sie hält sich ihr Schwert vor das Gesicht und zieht mit der linken Handfläche das Blatt von oben nach unten nach. Als sie am Schaft angekommen ist, greift sie auch mit der Linken an den Knauf, so dass sie die Waffe beidhändig führt. Und dann... beginnt sie zu kämpfen – natürlich ohne Gegner, aber so wie Crudelis die Bewegungen ausführt, sieht es durchaus so aus, als ob sie jemanden vor sich sähe. Auch ihr Gesichtsausdruck ist angespannt und konzentriert. Sie schwingt die Waffe in einem atemberaubendem Wechsel zwischen attackierenden und verteidigenden Bewegungen, ein- oder beidhändig. Es sieht bei ihrer Statur und der seltsamen Eleganz der Elben fast wie ein Tanz aus... wie ein Todestanz.
Crudelis verliert sich völlig in den Bewegungen des Schwertes. Sie vergisst alles um sich herum, sieht nur noch ihre imaginären, schattenhaften Gegner vor sich, die sie attackiert. Ihr Zeitgefühl hat sie schon nach den ersten Hieben verloren und treibt nun in den fließenden Bewegungen des Kampfes...
Nach einiger Zeit ist es plötzlich
vorbei. Die Elbin senkt die Waffe und steckt sie vor sich in den Boden, eine
Hand am Knauf; sie kniet sich nieder und legt die andere Hand auf ihr Knie.
Ihre Atmung beruhigt sich langsam wieder. Sie wirft einen Blick zu Elyra, die
wie gebannt ihre Bewegungen beobachtet hat. Sie lächelt schwach. "Ich
habe Jahre dafür gebraucht, und bin lang noch nicht so perfekt, wie es
den Anschein hat... ich hatte keine wirklichen Gegner, und die, die du dir vorstellt,
reagieren wie du es willst. In einem echten Kampf denkt dein Gegenüber
selbst... ich kämpfe auch nicht so gern mit dem Schwert; mir sind meine
Klauen lieber – mit denen muss ich nicht so aufpassen; das Schwert hat ein ziemlich
großes Eigengewicht, wenn du Pech hast, reißt es dich nach einem
Schwung mit und dann..." sie deutet mit einer Bewegung ihrer Handkante
über ihre Kehle an, was dann sein würde. Sie richtet sich wieder auf.
Elyra kann die feinen Schweißperlen auf ihrer Stirn erkennen, auch das
glänzende Metall des Knaufes der Waffe ist angelaufen. Crudelis setzt sich
neben sie und schnallt die Klauen wieder an ihre Oberschenkel. Wie zur Erklärung
wendet sie sich an Elyra: "Ich fühle mich nicht wohl ohne sie; es
sind einfach meine Waffen... ich kämpfe mit ihnen besser als mit dem Schwert."
Während dieser Worte schiebt sie die Klinge wieder in die Scheide zurück
und befestigt sie wieder auf dem Rücken. "Ich hoffe, dass ich weder
Klauen noch Schwert morgen brauche; ich kämpfe nicht gerne offen."
Elyra wundert sich, wie sie dann sonst kämpfen wollte, aber weil Crudelis
ihr von sich aus keine Erklärung gibt, fragt sie auch nicht danach. "Kann
ich es auch lernen – das Kämpfen?"
Crudelis mustert sie nachdenklich. "Vielleicht... ich bin keine gute Schwertkämpferin und würde jedes ehrliche Duell verlieren... ich kann dir vielleicht einiges sagen, aber um es wirklich zu lernen, brauchst du einen guten Lehrer..." Sie unterzieht ihre Gefährtin noch einmal einer genauen Musterung. "Am besten führst du das Schwert beidhändig und nicht zu weit weg vom Körper – du bist zu leicht für einen Schwertkampf und dein Schwert selber ist nicht gerade das Leichteste; wie gesagt: Schlag irgendwie auf Beine oder Füße oder zwischen die Beine," Crudelis grinst fies, "Es wird wahrscheinlich keiner mit Gegenwehr rechnen; Frauen mit Schwertern sind selten... das bringt dir zumindest den Überraschungsmoment... und dann kann ich dir nicht viel mehr sagen, weil wenn du kämpfst, tust du es sowieso meist instinktiv und vergisst alles, was man dir beigebracht hat; du kämpfst dann einfach, um zu überleben ohne überhaupt an irgendwas zu denken..." Crudelis bricht abrupt ab; Syrcâdyl flattert auf ihr Knie und sieht sie mit seinem wissenden Blick an und vervollständigt ihren in Gedanken angefangenen Satz: "Oder du verfällst in Blutrausch..."
Crudelis verzieht das Gesicht. Es hat zwar durchaus seine guten Seiten, mit Syrcâdyl per Telepathie oder wie es auch immer möglich war, kommunizieren zu können, aber andererseits kennt ihr Drache all ihre Gedanken, und das wurde manchmal lästig.
"Auch wenn du nicht gut kämpfst, wie du sagst. Für mich sieht es göttlich aus. Ich würde gerne von dir lernen. Wenn es auch nicht viel sein wird. Aber teile deine Erfahrungen mit mir. Teile sie mit mir, als Freundin, nicht als Feind. Wir kennen uns jetzt schon einige Zeit und obwohl wir nicht viel von einander wissen fühle ich mich sicher bei dir. Und ich weiß, dass ich viel von dir lernen kann." sie sieht Crudelis an und weiß, dass sie nicht reicht weiß was Elyra ihr damit sagen will. "Warum erzählst du nicht viel von dir? Wovor hast du Angst?"
Angst?? "Habe ich tatsächlich Angst?!," Crudelis blickt fast
hilfesuchend zu Syrcâdyl, der sie aber nur unverwandt aus seinen glühenden
Augen ansieht. "Ich habe keine Angst," erklärt sie, aber ihre
Stimme klingt leicht belegt, "Ich habe nur kein Vertrauen mehr zu Menschen."
Sie sieht Elyra ernst an, "Nun weißt du mehr von mir als irgendein
Mensch." Crudelis wendet ihren Blick wieder ab und lächelt ihren Drachen
liebevoll an, der weiß, was sie damit sagen will. Vor ihm kann sie natürlich
nichts verbergen. Abrupt wechselt sie wieder das Thema, "Gib mir mal dein
Schwert. Ich kann dir schon etwas sagen, aber du wirst wahrscheinlich nicht
genug lernen, um eine Kriegerin zu werden, aber für das eine oder andere
Gefecht sollte es dir zum Überleben helfen." Elyra gibt Crudelis ihre
Waffe. Schon daran, wie sie den Knauf anfasst, erkennt Crudelis, dass sie noch
nie ernsthaft hatte kämpfen können. Sie wog das Schwert bedächtig
in der Hand und musterte es mit dem fachmännischen Blick der Schmiedin.
Auch ihr eigenes holte sie noch einmal hervor. Crudelis verglich die beiden
Klingen; ihr eigenes Schwert ist schlanker und länger geschliffen, konnte
deswegen ein- und beidhändig verwendet werden, hat aber ungefähr das
gleiche Gewicht wie die etwas gröbere Waffe Elyras. "Hm," sie
schwingt die beiden Waffen probeweise um die Handgelenke. "Das ist ein
gutes Schwert. Der Schmied hat etwas von seinem Handwerk verstanden..."
Sie gibt Elyra das Schwert wieder, "Du bist zwar etwas zu leicht für
das Gewicht der Waffe, aber es geht nicht anders; mein Schwert wiegt etwa genauso
viel, ich habe nichts, womit ich dir das Training anfangs erleichtern könnte.
So, erst einmal musst du das Schwert so halten," Crudelis zeigte es Elyra,
"Das ist eine Waffe, kein Besenstiel. Wenn du es nicht genug fest hältst,
verlierst du es beim ersten Schlag!" Elyra bemüht sich, die Waffe
auf dieselbe Weise wie Crudelis zu greifen, "Ok, schon besser... und nun,
schwing es mal; einfach kurz rauf und wieder runter..." Elyra versucht
es. Zunächst kommt sie sich etwas albern dabei vor, aber bald schon erscheint
es ihr natürlich und das Schwert fühlt sich irgendwie leichter an.
"Schön...," lobt Crudelis sie, "Und jetzt, lass es um dein
Handgelenk kreisen." Sie macht es Elyra vor, "Such dir aber erst sicheren
Halt, es ist nicht so leicht, wie es aussieht." Als Crudelis Elyras ersten
unbeholfenen Versuch sieht, muss sie sich das Lachen verbeißen. "OK,
noch mal, das sah schon nicht schlecht aus. Denk nicht so viel dabei, es ist
am Anfang komisch, ich weiß! Betrachte das Schwert nicht als irgendein
etwas, sondern als eine natürliche Verlängerung deines Armes, und
dann lass es kreisen." Die Elbin hält ihr Schwert wieder vor ihr Gesicht,
wie sie es auch am Anfang des Schattenkampfes getan hat, biegt dann das Handgelenk
nach unten durch; ihre Waffe beschreibt einen Kreis außen an ihrem Körper
vorbei und zuletzt hält Crudelis wieder in der Ausgangsposition vor sich.
"Das macht Spass!" jauchzt Elyra als sie die Klinge in ihrer Hand hält und drauf los fuchtelt. Es erfüllt sie mit Stolz, dass Crudelis sie lobt. Es gibt ihr ein Selbstwertgefühl, so stark, wie sie es schon lange nicht mehr gefühlt hat. Sie sieht Crudelis zu, wie sie es vormacht und plötzlich hat sie das Gefühl, als wäre Crudelis ihr große Schwester. Sie senkt das Schwert und versucht es so anmutig in den Boden zu rammen wie es Crudelis getan hat. Doch stellt sie sich das etwas zu leicht vor. So rammt sie sich den Knauf in die Rippen. Einige Momente bleibt ihr die Luft weg. Crudelis weiß nicht, ob sie über Elyras Gesichtsausdruck lachen soll, oder ob sie ihr zur Hilfe eilen soll. Doch Elyra rappelt sich auf und spricht mit heiserer Stimme: "Ich glaube für heute habe ich genug..." Sie setzt sich und denkt nach. Sie denkt gründlich nach ob sie das was sie vor hat wirklich zu Crudelis sagen soll. Aber sie sieht keine andere Möglichkeit. "Crudelis?" spricht sie leise. "Morgen ist es vielleicht so weit. Morgen setzen wir nach Chan ek Dur über. Und deshalb muss ich dir etwas wichtiges sagen. Auch wenn du nichts viel über dich erzählst... Es gibt etwas, das solltest du über mich wissen. Bevor ich meine Heimat verlassen habe, bin ich... " sie sucht nach dem richtigen Wort "infiziert worden... mit einem Dämon. Ich habe ihn unter Kontrolle. Denke ich zumindest. Manchmal versucht er zu dominieren. Ich trage ihn schon einige Jahre mit mir mit. Aber sollte er mich besiegen, sei es in Chan ek Dur oder sonst wo. Gibst du mir ein Versprechen, bitte? Würdest du es schnell beenden. Ich möchte so wenig Schaden wie möglich anrichten." Sie sieht Crudelis an. In der Dunkelheit kann sie ihren Ausdruck im Gesicht nicht wirklich ausmachen. Daher wartet sie auf ihre Reaktion.
Crudelis zögert, bevor sie eine Antwort gibt. Sie hat schon viele Lebewesen umgebracht, darunter auch nicht wenige Menschen, aber Elyra?? Andererseits, - sie musste dabei auch an die Möwe denken, die sie vor kurzem getötet hat – war es für Elyra dann eine Erlösung. Sie sieht fast hilfesuchend zu Syrcâdyl, doch dieses Mal schweigt ihr kluger Drache. "Ich werde tun, was mir möglich ist... du musst wissen, ich habe schon viel getötet, oder auch gemordet. Manche würden mich wahrscheinlich als grausam bezeichnen... vielleicht bin ich das auch; aber nur bei meinen Feinden. Du gehörst nicht dazu..." Sie sieht zu Elyra hinüber, deren Silhouette sich vor dem dunklen Himmel nur noch leicht abhebt, "Ich ...," sie stockt noch einmal, weil sie es nicht zu hart sagen will, aber sie findet nicht die richtigen Worte, "Ich werde dich töten." Crudelis wendet sich wieder ab, "Aber erst, wenn ich sicher bin, dass dir nicht anders zu helfen ist." Sie zieht die Schneide ihres Schwertes langsam über ihren Daumen, einige Tropfen Blut sickern aus der Wunde hervor und schimmern im fahlen Mondlicht. "Ich schwöre es dir." Elyra erkennt an Crudelis‘ Stimme, dass sie es ernst meint, sonst hätten diese Worte lächerlich geklungen. Leise, kaum hörbar, antwortet sie: "Danke."
Der Morgen ist angebrochen. Sie gehen mit leichten, schnellen Schritten auf das Dorf zu. Es sieht immer noch verlassen und leer aus. Die Häuser am Dorfrand machen einen verfallenen und verwahrlosten Eindruck. Der Putz bröselt von allen Ecken. Das Holz ist morsch und brüchig. Elyra und Crudelis bewegen sich über einen Weg aus Kies. Die Steine knirschen unter ihren Füßen. "So sind wir zu leicht zu hören." knirscht Crudelis. Die beiden Gefährten verlassen das Kiesbett und laufen hintereinander auf der Grasnarbe die neben dem Weg an den Häusern entlang verläuft. Sie sind auf der Hut, haben beide ihre Waffen gezogen. Sie haben die erste Häuserreihe hinter sich gebracht. Nun sehen sie Gebäude deren Fenster zugenagelt wurden. Tod und Hitze liegt in der Luft. Entfernt hören sie Geräusche. Der Kiesweg geht in eine Art Straße über. Breiter und aus festgetretenem Ton. Am Himmel sehen sie einen Schwarm Krähen. Elyra meint unter ihnen Oskar zu erkennen. Viele Krähen auf einen Haufe hatten nie etwas Gutes zu bedeuten. Sie sieht an den Häusern hinauf und erblickt ein Fenster, dass nicht vernagelt ist. Ein Kind sieht ihr entgegen. Als sie Crudelis anstupst um sie darauf aufmerksam zu machen wird das Kind vom Fenster weggezogen. Sie sehen eine Frau deren Gesicht entstellt war. Sie erscheint Krank und schon fast tod. Die Frau schließt das Fenster mit den sperrlich angebrachten Fensterläden. Elyra und Crudelis blicken sich fragend an. "Ich habe so etwas schon einmal gesehen." flüstert Elyra. "Es nennt sich Pest. Wir sind vielleicht in eine Verseuchte Stadt eingedrungen. Wir sollten gehen oder uns beeilen." Crudelis winkt sie weiter. Sie erreichen das Zentrum des Dorfes. Hier befinden sich einige Menschen, die auch nicht gerade gesünder aussehen. Sie wenden sich ab von den Fremden die durch ihr Dorf kommen. "Am besten folgen wir den Krähen. Wo sie sind werden kleinere verendete Tiere sein, die sie fressen können. Dort wird der Strand sein. vielleicht finden wir dort ein Boot"
"Ich will es zumindest hoffen... obwohl; wenn es in demselben Zustand ist wie die Häuser hier laufe ich freiwillig noch weiter... Oder willst du nach Chan ek Dûr schwimmen?," witzelt Crudelis etwas schwach. Nach einer Weile murmelt sie: "Es gefällt mir hier nicht... es ist nicht nur die Pest... da ist irgendwas; ich weiß nicht was..." Auch Syrcâdyl weiß dieses Mal keine Antwort, teilt aber ihre dumpfe Vorahnung.
Die beiden durchqueren das kleine Dorf und gehen zum Strand hinunter. Das, was Crudelis am Meer immer so geliebt hatte, die frische Gischt, den leicht salzigen Geschmack auf der Zunge, fehlt hier vollkommen. Es stinkt nach Tod und Verwesung. Einige Krähen zanken sich um eine nicht zu definierende Masse, die im stinkenden Sand liegt. Elyra dreht es schier den Magen um und auch Crudelis rümpft die Nase. "Ich glaube nicht, dass wir hier finden, wonach wir suchen... dort hinten sind noch ein paar Gebäude... lass uns mal schauen." Mit einem letzten Blick auf die Übelkeit erregende Szene verlassen Crudelis und Elyra das Strandstück und laufen in die von Crudelis gedeutete Richtung. Dort stehen wirklich einige Bauwerke, allerdings nicht in viel besserem Zustand als das Dorf. Einige Schiffe – im Stillen nannte Crudelis sie Nussschalen – dümpeln auf dem Wasser, das hier zumindest nicht mehr so unappetitlich braun-grün gefärbt ist.
Sie bleiben stehen. Bedauernd murmelt Crudelis: "Ich glaube nicht, dass irgendeiner von diesen Kähnen uns sicher nach Chan ek Dûr bringen kann..." Zu Syrcâdyl gewandt meint sie in Gedanken: "Tut mir leid, Syrc, aber es wird wohl noch etwas länger dauern, bis wir wieder zu unserer Familie können..." Der Drache, der wieder einmal auf Crudelis‘ Schulter sitzt, flattert mit den Flügeln und blinzelt die Elbin an. Fast wie um sie zu trösten schlingt er den Schwanz um ihren Hals.
Crudelis sieht ratlos zu Elyra. Sie hat sich noch nie so entmutigt gefühlt; so kurz vor dem Ziel und wieder eine Hoffnung verloren... "Was jetzt?," murmelt sie leise.
Elyra zittert als sie Crudelis antwortet. "Dann müssen wir wohl deinen
ersten Vorschlag in Kauf nehmen. Wir müssen fliegen. Ich werde es schon
überleben. Schicke Syrcâdyl nach Chan ek Dur." Wir können weiter
oben am Strand unser Lager aufschlagen. Was meinst du?"
Crudelis nickt langsam und nachdenklich, "Aber etwas weiter weg von diesem Dorf... mir gefällt es da nicht... am besten, wir gehen dahin, wo die Felsen wieder anfangen"
Die beiden kehren um und gehen wieder den Strand hinauf, bis sie die Stelle erreichen, an dem der Sand in harten Fels überging. Crudelis setzt sich auf einen von ihnen und blickt auf das Meer hinaus... irgendwo da draußen ist Chan ek Dûr... Syrcâdyl spürt ihre Gedanken und setzt sich auf ihre Knie. Die Elbin tätschelt ihrem Drachen sanft den Kopf. "Du musst unsere Eltern holen, Syrc," teilt sie ihm mit, "Kannst du sie rufen?" Syrcâdyl antwortet ihr, dass er dazu weiter hinaus fliegen müsse. Sie sieht ihn an, "Viel Glück." Crudelis gibt ihm einen Kuss auf die Schnauze. Syrcâdyl spreizt seine Flügel und drückt sich kräftig ab. Mit einigen wenigen Flügelschlägen ist er schon einige Meter weit über dem Meer. Bald schon ist er nicht mehr zu sehen. Dennoch sieht Crudelis lange in die Richtung, in die er verschwunden ist. Sie senkt den Kopf ein wenig. Sie kann zwar momentan keine Verbindung mit ihm aufbauen, da er seine Kräfte braucht, um mit ihren und seinen Eltern zu kommunizieren, aber sie weiß, dass sie es spüren wird, falls ihm etwas passiert... alle ihre Gedanken hängen an Syrcâdyl.
Elyra scheint es zu bemerken, "Er wird es schon schaffen," versucht sie, Crudelis aufzumuntern. Crudelis sieht auf; in ihrem Blick spiegelt sich Besorgnis und Nachdenklichkeit, "Ich hoffe es..." ihre Stimme wird zu einem Flüstern, "Aber ich habe immer wieder Angst um ihn; ich weiß nicht, was ich ohne ihn machen soll..." Sie zögert und überlegt, ob sie Elyra erzählen soll, was sie so sehr mit ihm verbindet. "Du musst wissen... er ist ... mein Bruder; er ist zur selben Zeit geschlüpft, wie die Drachen mich gefunden haben... ich lag selber neben seinem Ei ... und meine Eltern waren nicht da; ich war also das erste lebende Wesen, das er gesehen hat... wir sind zusammen aufgewachsen; und ich hätte mit ihm fliegen gelernt, hätte ich es gekonnt..." Bei letzterem muss Crudelis lächeln. "Aber ich bin mit ihm geflogen... das erste Mal, und dann immer wieder." Sie bricht ab, in ihren Augen spiegelt sich diese unendliche Sehnsucht nach dieser Freiheit wieder.
"Oh ich beneide dich so darum. Ich wurde im Krieg geboren. Wir Kinder hatten nicht viel Spass und nichts zu lachen. Als der Krieg zu Ende zu sein schien wussten wir, dass es nur ein Scheinbild war. Unser König war übergelaufen zur anderen Seite um seinen eigenen Kragen zu retten. Er lässt das Volk darunter leiden. Wir waren naive Kinder von 16 Jahren. Wir haben uns in den Kopf gesetzt diesem König das Handwerk zu legen. Wir haben unsere Insel unter Lebensgefahr verlassen und uns geschworen uns eines Tages wieder zu begegnen. Mit genug Erfahrung und Stärke um dem Elend in Gilead zu beenden. Manchmal denke ich noch an meine Freunde. Wie es ihnen geht, ob sie noch am Leben sind, oder ob sie gar schon auf mich warten. Und ich weiß, ich kann nicht zurück, wegen... wegen.. diesem Ding in mir." sie krallt sich in ihrer Tasche fest und dreht sich von Crudelis weg. Doch diese sieht die Tränen in Elyras Gesicht deutlich. "Wir hatten es schwer und deswegen versuche ich jetzt so viel Freude und Spass nachzuholen wie ich kann. Solange ich noch Zeit habe. Denn wenn ich wirklich einmal nach Gilead zurück kehren sollte, dann nur ohne diesen Dämon in mir." Sie wischt sich die Tränen weg und öffnet ihre Tasche sie zieht daraus eine Kugel. Für Crudelis sieht sie aus wie eine Glaskugel welche die Scharlatane auf Jahrmärkten hatten aus denen sie angeblich die Zukunft erraten konnten. Als Elyra sie mit der zweiten Hand berührte, begann diese leicht zu schimmern. "Ich habe die Kugel schon lange nicht mehr benutzt. Sie ist wie eine Droge. Man kann nicht von ihr lassen, wenn man es öfter tut. Aber dir möchte ich etwas zeigen, wenn du es möchtest. Leg deine Hand so wie ich auf die Kugel und du wirst meine Gedanken und Erinnerungen sehen können, wenn du es möchtest."
Crudelis sieht Elyra und die Kugel in ihrer Hand misstrauisch an. Sie glaubt nicht, dass ihre Gefährtin sie anlügt und freut sich insgeheim über ihr Vertrauen, aber... was immer diese Kugel ist, auf jeden Fall hat sie etwas mit Magie zu tun, etwas, dem Crudelis grundsätzlich ablehnend gegenübersteht. Und die Gefahr, abhängig zu werden, was Elyra erwähnt hat, gefällt ihr auch nicht besonders. Es ist wieder eine der Fragen, bei der ihr Syrcâdyl am besten geholfen hätte. Doch ihr Drache befindet sich weit draußen über dem Meer... schmerzlich denkt Crudelis an ihn. Sie blickt tief in die wabernden Nebel der Kugel. Sollte sie es wagen?? Sie hebt eine Hand und nähert sie dem schimmernden Glas. Langsam legt die Elbin ihre Hand auf den pulsierenden Gegenstand. Er fühlt sich warm an, angenehm, nicht kalt und ablehnend wie sie es erwartet hat. Die Farbe des Nebels beginnt sich zu verändern, wandelt sich in einen rasenden Wirbel aus Farben und Formen, und irgendetwas öffnet sich Crudelis. Sie sieht Bilder in Zeitraffer an sich vorüberfliegen, Bilder von zerstörtem Land, brennenden Häusern, weinenden Kindern, die sich über die Leichen ihrer Eltern beugten; fühlt den Stolz in Elyra, als sie mit ihren Freunden den Schwur ablegte und wie die Kinder dann flohen über die stürmische See... und dann, wie der Dämon von Elyra Besitz ergriffen hatte. Es ist ein seltsames Gefühl für Crudelis, unbekannt, undefinierbar, aber für die Elbin fühlt es sich nicht schlimm oder falsch an... obwohl der Dämon Elyra nicht freundlich gesinnt ist. Was ist er?? Und wieder stürzt eine Flut von Bildern auf Crudelis ein, ihr scheint, als würde sie Elyras bisheriges Leben erleben, bis hin zu dem Zeitpunkt, als sie sie selbst traf und mit ihr auf Reisen ging. Ohne zu wissen, wohin; einfach, um wieder eine Person zu haben, dem sie nahe war und von der sie lernen konnte... Crudelis nimmt ihre Hand von den Kugel. Das Pulsieren wird schwächer. Sie sieht Elyra an, ohne ein Wort zu sagen, ohne auch nur irgendeine Regung zu zeigen. Crudelis hat zwar all die Gefühle Elyras nachvollzogen, aber nur für einen winzig kleinen Moment und nun fühlt sie sich einfach leer... sie sammelt noch einmal ihre wirren Gedanken, die sich teilweise mit Elyras Erinnerungen vermischt haben und meint: "Du hattest eine schwere Kindheit... vielleicht erscheint dir dein Schwur damals jetzt albern, aber es mag sein, dass er dich bindet; die anderen könnten zwar genauso wie du denken, aber ... ein Schwur, selbst wenn er von jemanden so jungen geschworen wurde, ist etwas...," sie sucht nach dem passenden Wort, "Sagen wir einmal: Heiliges. Vielleicht kommen wir ja eines Tages nach Gilead... es gibt mit Sicherheit Möglichkeiten, den König zu stürzen, und es müssen nicht einmal viele sein... eine kleine Revolte hier, mal ein Gerücht dort in die Welt gesetzt; es ist nicht schwer, jemanden schlecht zu machen und keiner wird traurig über den Tod eines Tyrannen sein..." Crudelis blickt versonnen auf das Meer hinaus. Sie weiß nicht warum, aber sie hat auf einmal eine Menge Ideen, wie man diesen Herrscher stürzen könnte, aber eine verwegener und komplizierter als die andere; sie sagt Elyra auch nichts davon. Stattdessen meint sie: "Ich kann dir meine Vergangenheit nicht so darlegen... und möchte es auch nicht... vielleicht wirst du es eines Tages erfahren... wenn es Zeit dazu ist..." Elyra ist etwas enttäuscht, dass Crudelis ihr offensichtlich nicht vertraut; schließlich hat sie selbst all ihre Gedanken und Gefühle offengelegt.
Bevor sie diesen Gedanken weiterspinnen kann, fragt Crudelis: "Willst du diesen Dämon loswerden?" Was für eine Frage! "Natürlich!," Elyra ist fest überzeugt davon. "Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit; ich kenne mich mit Dämonen nicht aus, aber vielleicht jemand anderes... meine Eltern kennen bestimmt jemanden und unsere Reise hat sowieso kein Ziel; wir könnten ja einmal suchen." Crudelis weiß selbst nicht, wieso sie auf einmal dieses Gefühl verspürt, Elyra unbedingt helfen zu wollen, aber sie will von sich selbst ablenken, und den ursprünglichen Grund der Reise verdrängen.
Elyra blickt sie fast ungläubig an: "Das würdest du tun?" Crudelis schnaubt verächtlich, "Es wird viel über mich gesagt, aber eins habe ich noch nie getan: Mein Wort gebrochen!"
"Dann nehme ich dich beim Wort und freue mich, dass du mir helfen möchtest. Das gibt mir Hoffnung, dass es nicht nur böses auf der Welt gibt..." Elyra will ihren Gedanken noch mehr Worte verleihen, doch Crudelis stürzt auf. "Still! Ich habe etwas gehört" dabei streckt sie die Hand aus und macht somit ihre Worte noch deutlicher. Im nahen Unterholz kam etwas auf sie zu...
Crudelis greift nach ihren Wurfsternen. Vorsichtig zieht sie einen davon aus
dem Beutel. Mit einiger Kraft schleudert sie ihn in das Gebüsch, aus dem
das Geräusch gekommen ist. Ein erschreckter Schrei ist die Antwort. Sie
wartet noch einen Moment und wirft dann erneut. Der dumpfe Schmerzensschrei
zeigt, wie gut sie getroffen hat. Dann geht alles ganz schnell. Zwei Männer,
abgemagert, aber nicht schwächlich, brechen aus dem Unterholz hervor, mit
schartigen Säbeln und Messern in der Hand, ohne Rüstung. Crudelis
reißt sich ihren Umhang förmlich herunter und zieht ihr Schwert fast
aus einer Panikreaktion heraus. Normalerweise bevorzugt sie die Klauen beim
Kämpfen; auch Elyra hält ihr Schwert in der Hand, scheint aber nicht
recht zu wissen, was sie damit machen soll.
Crudelis stürzt sich auf den ersten der Männer. Sie weicht einem ungezielten Dolchstoß aus und schwingt ihr Schwert. Mit einer Geschwindigkeit, die der magere Körper nicht vermuten ließ, blockte der Mann es mit seinem Säbel ab. Das kreischende Geräusch von Metall auf Metall lässt Elyra zusammenfahren, als Crudelis‘ Klinge an der des Mannes entlang rutscht und dem Angreifer den Ärmel der Lederkleidung aufschlitzt und dabei einen tiefen Kratzer auf dem Arm zurücklässt. Crudelis weicht einen Schritt zurück, um in eine bessere Position zu kommen; der Mann scheint durch den Kratzer recht wütend geworden zu sein. Wutschnaubend dringt er auf sie ein. Die Elbin dagegen führt ihr Schwert mit einer kühlen Sachlichkeit. Beherrschter als der Mann und mit einer Kraft, die der Angreifer keiner Frau zugetraut hat, schlägt sie zu. Aus den Augenwinkeln sieht sie, dass auch Elyra sich in das Kampfgeschehen einmischt. Unkontrolliert führt sie ihre Waffe. Hat etwa der Dämon die Macht übernommen. Der kurze Augenblick der Unaufmerksamkeit reicht Crudelis‘ Gegenüber um ihr das Schwert aus der Hand zu prellen. Er stößt mit dem Fuß dagegen und befördert die Waffe aus ihrer Reichweite. Verdammt! "Na, jetzt bist du wohl nicht mehr so mutig," der Mann grinst gemein und geht drohend auf Crudelis zu. Die Elbin blickt ihm ruhig entgegen und greift an die beiden Scheiden an ihren Schenkeln. Sie sieht noch einmal kurz zu Elyra, die mit ihren unberechenbaren Schlägen den zweiten Mann in Zaum hält. In den Augen ihres Gegenübers funkelt die Begierde. Crudelis umfasst ihre Waffen. Um den Mann abzulenken macht sie einen Schritt zurück. Ein böses Grinsen breitet sich auf dem Gesicht des Angreifers aus. Bei dem Anblick der verkümmerten gelben Zähne wird Crudelis übel. Siegessicher nähert er sich der Elbin, immer noch grinsend und voller Triumph um sich seine ‚Belohnung‘ zu holen. Crudelis weiß, was er vorhat; sie hat es oft genug erlebt und bei anderen beobachtet. "Noch einen Schritt näher..." Der Schlag musste sitzen, sonst würde es zu lang dauern; Elyra würde auch nicht ewig standhalten können. Der Mann stinkt für Crudelis‘ Wahrnehmungen entsetzlich, und sein ganzes Erscheinungsbild macht ihn für sie einfach nur abstoßend. Die glimmende Gier in seinen Augen dreht ihr schier den Magen um. "Jetzt gehörst du mir...," flüstert er heiser und will nach ihr greifen. "Nein!" Crudelis reißt ihre Waffen aus der Scheide und zieht eine kraftvoll durch seine Kehle, die andere stößt sie in seinen Brustkorb. Mit einem Ausdruck maßlosem Entsetzens auf dem Gesicht geht er zu Boden. Blut quillt aus seinem Mund und läuft über den Stein. Ruckartig reißt Crudelis ihre Waffe aus seinem Körper. Die trüben Augen starren sie anklagend an. Mitleidlos verpasst sie ihm noch einen Tritt und wendet sich dann Elyra zu. Auch sie hat ihr Schwert schon verloren – man musste den Männern eins lassen, sie kämpften nicht schlecht. Angstvoll starrt Elyra ihren Gegner an, der aus diversen Schnitten blutet. Auch sie selbst ist leicht verletzt. Ihr Gegner ist der, den der Wurfstern von Crudelis getroffen hatte; das Geschoss steckte tief in seiner Schulter. Die Waffe ist so geschmiedet, dass sie sich nur schwer wieder entfernen ließ.
Crudelis leckt sich ihr Blut von den Lippen, sie hat eine kleine Wunde im Gesicht abbekommen. Die wenigen Meter bis zu Elyras Angreifer überwindet sie mit wenigen Schritten; stößt einen wilden Schrei aus und stürzt sich auf den Gegner. Dieser ist zunächst vollkommen perplex; er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass Crudelis in der Lage sein würde um zu kämpfen. Als er das Blut an ihren Klauen sieht, gerät er in Raserei und dringt wütend auf die Elbin ein. Doch diese ist nun wieder in den Rausch des Mordens verfallen. In ihren Augen glimmt etwas, was nicht zu definieren ist, ihr Gesicht war nicht mehr das einer Elbin, nicht einmal mehr menschlich. Sie stößt wieder einen schrillen Schrei aus, als sie ihre Waffe über den Brustkorb des Mannes zieht. Elyra hat sich einige Schritte von dem Kampfgeschehen entfernt und betrachtet den Zweikampf, unfähig sich zu rühren. Kämpfte da tatsächlich Crudelis?!
Die Elbin hat eine ihrer Klauen mit dem Säbel des Mannes verhakt und windet ihm die Waffe aus der Hand. Fast wie nebenbei bricht sie ihm dabei einige seiner Finger. Der Mann schreit vor Schmerz und kämpft mit bloßen Fäusten weiter. Er raste in Agonie, er weiß, dass es sein Ende ist. Geschlagen – von einer Frau! Diese Schande... zum Glück würde es keiner mehr erfahren... Er sieht die kühlen blauen Augen, die ihn verächtlich anstarren, das blasse Gesicht, das von einer großen Narbe entstellt wurde und das rote Blut, das noch dunkler auf der bleichen Haut wirkt. Wo hat diese Frau nur so kämpfen gelernt?
Gnadenlos treibt Crudelis ihren Gegner immer weiter zurück. Der Mann schwankt bereits; Elyra hat ihn anscheinend einige Male kräftig auf die Beine geschlagen. Crudelis tritt ebenfalls fest zu, der Mann stöhnt auf als ihr Fuß gut plaziert zwischen seinen Schenkeln landet. Er krümmt sich und sinkt auf die Knie. Angstvoll starrt er Crudelis an, die wie drohendes Unheil über ihm steht. Das letzte, was er sieht, ist ihr gemeines Grinsen, bevor sie ihm das Genick bricht.
Elyra steht immer noch stumm daneben; ihr Schwert hat sie wieder fallen gelassen. Ist Crudelis etwa auch besessen?! Mit einem Ausdruck maßlosen Entsetzens beobachtet sie, wie Crudelis erst ihre Klauen wieder säubert und einsteckt und dann ihr Schwert begutachtet. Auch an der Klinge klebt Blut. Sie wischt es weg und schiebt es wieder in die Scheide. Dann hebt sie ihren Umhang auf und geht wieder zu den Leichen. Mit geübten Griffen entfernt sie einen Beutel von ihnen. Elyra hat sich wieder gefasst: "Was machst du da?"
Crudelis sieht sie an, herablassend, verachtend, als ob das eine Frage gewesen wäre, die sie sich selbst beantworten hätte können, wenn sie nur etwas überlegt hätte. "Ich hol mir das Gold und meinen Stern zurück." Sie geht zu der Leiche des zweiten Mannes und drehte das Geschoss wieder heraus. Zwei der fünf Zacken waren blutverkrustet. Achselzuckend steckt Crudelis den Stern ein. Sie konnte ihn später auch noch säubern.
"Wow, das war echt super. Ich hätte keine Chance gehabt und du hast sie beide fertig gemacht." Elyra nimmt den Dolch von Crudelis´ Angreifer - handlich und immer gut zu brauchen. "Hoffen wir, dass uns nicht noch einmal solche Gestalten über den Weg laufen. Obwohl, gegen einen heißen Jüngling hätt ich eigentlich nichts einzuwenden." dabei grinst sie, doch sie merkt schnell, dass Crudelis es nicht so amüsiert. "Das hätte auch schnell ins Auge gehen können." faucht sie. Elyra blickte dem Himmel entgegen und betete, dass so etwas nciht noch einmal passieren würde, und dass die Drachen bald hier sein würden...
Crudelis folgt ihrem Blick und geht langsam an den Strand. Sie stellt sich auf einen der ins Wasser ragenden Felsen und schließt die Augen. Ihr Bewusstsein fliegt über die Meeresfläche dahin und sucht ihren Drachen. Da! Die Elbin spürt die Flügelschläge, das Treiben in der Luft. Und daneben, um etliches größer, ihre Mutter! Crudelis liegt ein Lächeln auf den Lippen, vergessen ist der Kampf. Sie fühlt sich frei, fliegt mit den beiden Drachen über die endlose Weite des Wassers hin... Syrcâdyl stößt ein vergnügtes Kreischen aus – er spürt ihre Anwesenheit; Crudelis wiederholt den weithin hörbaren Schrei und entzieht sich dann langsam dem Kontakt. Immer noch im Zustand der Ekstase des Fliegens meint sie :"Sie kommen." Dabei sieht sie Elyra aber nicht an. "Nimmt sie mir immer noch die Sache mit dem Jüngling übel?," fragt sie sich. Crudelis ist eindeutig seltsam, als ob sie ebenfalls einen Dämon in sich hätte. Elyra spinnt den Gedanken nicht weiter.
"Los, sammel alles zusammen, was du mitnehmen willst; viel wird es ja nicht sein," bei diesen Worten schnallt sich Crudelis die Schwertscheide wieder auf den Rücken und befestigt die Beutel mit diversem Inhalt an ihrem Gürtel.
Weiter weg taucht ein Schemen am Himmel auf, noch undefinierbar, doch er wurde schnell größer. Neben ihm, kaum wahrnehmbar, eine zweite, schattenhafte Silhouette. Die Schemen werden rasch größer, bald kann man zumindest beim größeren einzelne Gliedmaßen ausmachen. Crudelis blickt auf das Meer hinaus, voll freudiger Erwartung. Wie lange ist es her, dass sie ihre Mutter nicht mehr gesehen hat! Ihr scheint es plötzlich wie eine Ewigkeit. Noch einmal lässt sie ihre Gedanken fliegen und teilt die Freude am fast schwerelosen Schweben; Dahingleiten über das so endlos scheinende Wasser, Treiben in der Unendlichkeit...
Es dauert noch einige Zeit, bis die beiden Drachen heran sind. Syrcâdyl plumpst mehr auf Crudelis’ Schulter als dass er landet; er ist sichtlich erschöpft vom Flug. "Das hast du gut gemacht mein Kleiner," zärtlich streicht die Elbin über seinen Kopf. Dann sieht sie zu ihrer Mutter auf. Die riesigen Flügel werfen verdunkeln die Sonne am Strand. Majestätisch legt das Drachenweibchen die Flügel an und lässt sich langsam zu Boden gleiten, wobei sie mit dem Körper im Wasser landet.
Die großen Augen, in der sich eine Weisheit widerspiegelt, die von keinem Menschenverstand zu erfassen ist und den Drachen zu eigen ist, sehen Crudelis mit einem Sanftmut an, den keiner bei einem so riesigen Tier erwartet hätte. Sie schnaubt leicht, als Crudelis ihr gegenübertritt und sanft die schuppige, blauschwarz glänzende Haut berührt. Die Stimme der Elbin ist ein heiseres Flüstern, "Hallo Mama..."
Elyra starrt wie gebannt dien Drachen an, der da im seichten Wasser gelandet ist. Diese Wesen waren größer als es Elyra sich vorgestellt hat. Weiter unten konnte man das Dorf sehen es war etwa eine Stunde Fußweg entfernt, doch es war ersichtlich, dass den Menschen dort, die Ankunft der Drachen auch nicht unbemerkt blieb. Denn man konnte kleine helle Punkte sehen, die Wohl Fackeln waren, welche langsam auf sie zu kamen. "wir müssen uns beeilen." stottert Elyra leise. Sie ist sich nicht sicher, ob sie sich traut auf diesen Drachen zu fliegen. Sie sind sooo riesig. Unbewusst schleicht sie langsam hinter Crudelis um sich hinter ihr zu verstecken. "Wo ist nur Oskar. Wir werden uns verlieren wenn er nicht bald auftaucht". denkst sie sich. Syrcâdyl sieht sie über Crudelis´ Schulter an und er weiß, dass Elyra Angst hat. Fast sieht es so aus, als würde er schelmisch grinsen.
Crudelis geht zur linken Seite des Kopfes und klettert an den mächtigen Knochenplatten hoch, die einen Kranz aus Hörnern um den Halsansatz des Drachen formen. Sie setzt sich bequem zwischen die beiden großen Hörner in eine Spalte zwischen den Platten; Syrcâdyl rollt sich in ihrem Schoß zusammen. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen steigt Elyra ihr nach und setzt sich hinter sie und klammert sich fest an zwei der Hörner.
"Achtung, gut festhalten," warnt Crudelis sie vor. Das Drachenweibchen hebt den Kopf vom Stein hoch und öffnet ihre ledrigen Flügel wieder. Ein Zittern läuft über den mächtigen Körper, als sie anfängt, mit den Schwingen zu schlagen. Das Wasser kräuselt sich und bald werden die Wellen immer größer. Das Tier richtet sich zu seiner vollen Größe aus und befördert sich mit einem gewaltigen Flügelschlag in die Luft. Das Wasser schlägt meterhoch gegen die Felsen; der Wind pfeift den beiden um die Ohren. Crudelis hält genießerisch die Augen geschlossen, Elyra etwas ängstlich zugekniffen.
Zu Beginn des Fluges werden sie noch kräftig durchgeschüttelt, doch dann werden die Bewegungen ruhiger und der Drache gleitet ruhig dahin. "Schau!," Crudelis zeigt mit dem Finger auf einige dunkle Flecken, die weiter zu sehen sind, "Das sind Krähen; meinst du, Oskar ist dabei?" Elyra sieht die Elbin fast hilflos an; woher sollte sie das jetzt wissen. "Kann sein," antwortet sie vage. "Ruf mal, vielleicht nützt es ja etwas..." Elyra zuckt mit den Schultern; mehr als schiefgehen kann es ja auch nicht. "Oskar," schreit sie, so laut es ihr nur möglich ist. Sie wartet einen Moment, doch es geschieht nichts. Der Drache lässt sich etwas tiefer sinken und Elyra ruft noch einmal. Und tatsächlich: einer der Vögel löst sich aus dem Schwarm und flattert herbei. Die Krähe erkennt ihre Herrin und nähert sich furchtlos dem Drachen. Oskar flattert auf Elyras Hand und krächzt leise zur Begrüßung. Elyra streicht ihrer Krähe das zerzauste Gefieder. Auf nach Chan ek Dûr!
Sie fliegen übers Meer. Mal durch die Wolken, mal war der Himmel tiefblau.
Elyra sieht hinunter, trotz ihrer Höhenangst. Sie lässt sich verzaubern
von den Wellen die unter ihnen ihr Spielchen treiben. Mal sanft mal glatt. Es
kommt ein leichter Wind auf. Elyra lässt ihn sich durch die Haare gleiten.
Sie genießt es, so schön hatte sie sich fliegen nicht vorgestellt.
Jetzt beneidet sie Oskar, das er eine Krähe ist und die weite Freiheit
spüren kann. Etwas entfernt werden die Wolken dunkler. Es sieht nach Regen
aus. "Dort könnte es etwas turbulent werden!" schreit Crudelis durch den
Wind und zeigt mit dem Finger in die Richtung. Sie erreichen die dunkle Wolkenfront
und auf einmal werden sie von einem heftigen Wind gepackt und beinahe wären
sie abgestürzt. Doch als der Drache die Meeresfläche beinahe berührt
hat, ist es auf einmal eine Krähe, die hilfesuchend in heller Panik kreischt.
Dann findet sich Crudelis auf einem Drachenrücken wieder, der dem ihrer
Mutter sehr ähnelt. Plötzlich stürzt ein kleines Geschöpf
auf sie herab, das nicht zu erkennen ist, und Elyra beginnt zu fallen. Ein nicht
enden wollender Schrei zerreißt die Luft über dem Meer. Elyra fällt
und fällt. Sie blickt mit angsterfülltem Blick hinauf zu dem Drachen
und zu Crudelis. "Schön, dass ich dich treffen durfte und du meine Freundin
warst." schießt ihr durch den Kopf. Dann taucht sie in das tiefe salzige
Wasser. Ihr Gewicht und der weite Fall drücken sie immer tiefer. Sie sieht
Fische. Es kommt ihr vor, als wäre sie schon auf dem Meeresgrund, denn
da ist eine Versunkene Stadt und Wesen, die aussehen wie halb Mensch, halb Fisch.
Aber das konnte nicht sein, wie konnte sie so schnell auf den Meeresgrund gelangen
in einem Meer das annähernd unendlich tief zu sein scheint. Sie musste
träumen. Dann verliert sie das Bewusstsein...
Crudelis starrt nach unten, zu der Stelle, wo Elyra verschwunden ist, unfähig, auch nur den kleinsten Finger zu rühren; erneut packt eine kräftige Windböe das Drachenweibchen. Dann ist es auf einmal still; der Himmel klart wieder auf. Wieso haben sie ausgerechnet in diese Wolkenfront gelangen müssen? Crudelis sieht nach hinten. Dort sitzt Oskar und legt den Kopf schief. Er stößt ein leises Krächzen aus, als er die Elbin ansieht. Seine jettschwarzen Augen glänzen matt. Die Krähe scheint sich zu fragen, wo Elyra hin ist; beinahe bittend blinzelt er Crudelis an. Die atmet tief durch und schreit ihrer Mutter zu: "Umkehren, wir haben einen Passagier verloren!" Der Drache legt die Flügel an und wendet. In weiten Kreisen ziehen sie über die glatte Meeresfläche, die nur durch ein paar Wellen gekräuselt wird. Weit und breit ist nichts zu sehen. Oskar flattert auf und kreischt. Treibt da etwas? Die Krähe saust nach unten – es ist nur ein Stück Treibholz; weit ist die Insel auch nicht mehr weg. Enttäuscht fliegt Oskar zurück. Elyra treibt in einem wirren Wirbel von Farben und Bildern dahin. Nichts davon hat auch nur einen Hauch von Realität. Ihre Haare umgeben wie eine Wolke das Gesicht, das blass im Wasser schimmert. Sie fühlt im Unterbewussten, wie sie etwas im Rücken anstupst. Ihr Treiben im Meer gleicht einem Schweben, das nach oben führt. Crudelis seufzt; es hat keinen Zweck. Elyra ist tot. Bedauernd sieht sie Oskar an. "Wir können nichts tun, Kleiner... Fliegen wir weiter." Oskar schüttelt energisch den Kopf. Crudelis runzelt die Stirn. Sie hat gehört, dass Tiere den Tod von vertrauten Personen spüren können; Oskar scheint überzeugt davon, dass Elyra noch nicht tot ist. "OK, wir versuchen es noch einmal." Das Drachenweibchen gleitet noch tiefer hinunter, die Flügelschläge peitschen das Wasser hoch. Da vorne! Ein unförmiges Etwas treibt im Wasser, darunter einige dunkle Schemen. Der Drache hat es auch gesehen und hält darauf zu. Es ist tatsächlich ein menschlicher Körper! Oskar späht nach unten und fliegt darauf zu. Er krächzt freudig, als er auf dem Körper landet. Es ist tatsächlich Elyra; die Krähe stößt einen schrillen Schrei aus und flattert wieder hoch. Der Drache hält direkt auf den Körper zu, steigt etwas höher und holt Elyra dann geschickt aus dem Wasser wie ein Greifvogel, der seine Beute packt – natürlich sanfter. Die dunklen Schemen im Wasser verschwinden. Kraftvoll schlägt das Drachenweibchen mit den Flügeln; Chan ek Dûr ist nah. Bevor sie selbst landet, setzt Crudelis‘ Mutter erst mal Elyra ab. Crudelis springt nach der Landung von ihrem Kopf und läuft zu Elyra hin. Ist sie bewusstlos oder tot? Die Elbin fühlt den Pulsschlag; äußerst stockend... die Haut ist eiskalt und salzverkrustet. "Was mach ich bloß?," hektisch sieht sich Crudelis um, "SYRC!!" Ihr Drache blickt sie etwas mitleidig an und sagt ihr dann, was zu tun ist. Er selbst bläst Elyra heiße Luft über den Körper, um sie wieder zu wärmen. Oskar sitzt mit schräggelegtem Kopf neben dem von Elyra und beobachtet Crudelis‘ Bemühungen genauestens. Kräftig drückt sie Elyra auf den Brustkorb, um das Herz wieder anzutreiben und macht eine Beatmung vom Mund zur Nase. Sie tut es zum ersten Mal und hofft inständig, dass sie es richtig macht. Elyras Augenlider flattern. Vor Schreck hört Crudelis auf mit der Massage. "Elyra?" Ihre Gefährtin hustet; die Elbin dreht sie schnell auf die Seite. Elyra keucht noch einmal und erbricht dann Salzwasser. Sie öffnet die Augen ganz. "Wie geht’s dir?," will Crudelis wissen. "Den Umständen entsprechend," Elyra hustet noch einmal, "Nur mein Brustkorb fühlt sich an, als wäre eine Elefantenherde darüber getrampelt!"
Erst jetzt bemerkt Elyra den Sand unter ihr. "Wo sind wir?" haucht sie. Ihr Brustkorb fühlt sich an wie zusammengequetscht. Das Atmen fällt ihr schwer. Noch ist ihr schwummrig. Crudelis sieht sie besorgt an und etwas entfernt erkennt sie die Umrisse der Drachendame. Sie erscheint ihr noch größer als zuvor. Oskar kommt zu ihr gehüpft und schmiegt seinen Kopf an ihre Schulter. Er sit froh, dass sie am Leben ist. "Ich habe Dinge gesehen, unwirklich, aber doch so real. Eine versunkene Stadt, seltsame Wesen die in dieser Stadt wohnten..." sie sieht verwirrt zu Crudelis.
"Zu deiner Frage: Wir sind auf Chan ek Dûr," Crudelis sieht Elyra mit einem Lächeln im Gesicht an. "Eine Stadt? Ich weiß nicht, was hier früher vorgegangen ist; keine Ahnung, was da unten ist – ich war noch nie dort." Sie zuckt mit den Schultern, "Es ist mir ehrlich gesagt aber auch egal." "Fühlst du dich gut genug um zu den Höhlen zu fliegen?" Elyra setzt sich auf, doch ihr wird wieder schwindlig. "Gut, dann nicht... wir können ja später laufen." Crudelis geht zu ihrer Mutter: "Du kannst fliegen, wenn du willst – wir kommen später." Die Drachin öffnet eins der bernsteingelben Augen und sieht Crudelis an. Sie wiegt das mächtige Haupt bedächtig und schüttelt es. Crudelis wundert sich – wieso will sie noch nicht heim? Ihr soll es recht sein – sie hat die Gegenwart allgemein von anderen Drachen außer Syrcâdyl schon lange vermisst. Es beginnt zu dämmern auf der Dracheninsel. Die Sonne versinkt mit einem prachtvollen Farbspiel im Meer. Ein goldener Glanz überzieht den Strand an dem die Gefährtinnen rasten. Das Drachenweibchen hebt kurz den Kopf, dann kommt nähert es sich den beiden und legt sich neben sie. Crudelis versteht diese Geste; sie bereitet ein Lager am Körper der Drachin, knapp hinter den Vorderbeinen. Die Elbin hilft Elyra hinüber; die schuppige Haut des Tieres hatte sich in der Sonne noch mehr erwärmt, so dass es gemütlich am Bauch der Drachin ist. Syrcâdyl kuschelt sich an Crudelis und Oskar flattert zutraulich zu Elyra. Am Himmel beginnen die ersten Sterne schwach zu funkeln. Crudelis seufzt selig und rollt sich zusammen, den Blick auf das weite Meer gerichtet. Wie schön ist es doch endlich wieder zu Hause zu sein!