Wenn einer eine Reise tut...
"Sie kommt doch diesmal nicht wieder, oder?"
Ihre Augen huschen unruhig durch den Raum und bleiben schließlich wieder an
dem großen Mann vor ihr hängen.
"Nein", spricht dieser sofort mit beruhigender Stimme auf sie ein, "sie kommt
nicht wieder."
"Dann ist es gut", seufzt sie erleichtert und ordnet mit schnellen, geübten
Bewegungen ihr dichtes Haar.
"Andererseits", hebt der Mann erneut an, "unser Problem ist damit nicht beseitigt,
dass weisst du doch sicher!"
Die Frau läßt ihre Haare lose auf die Schultern fallen und entfernt sich ein
paar Schritte.
"So, meinst du", gibt sie mit ausdrucksloser Stimme zurück.
Dem Mann entgleitet ein Seufzer.
"Ich dachte du hättest inzwischen etwas dazugelernt. Offensichtlich habe ich
mich getäuscht. Ist es so?"
Sie weicht seinem festen Blick aus und senkt den ihren auf den Boden. Ein Finger
zwirbelt eine Haarsträhne.
"Ich weiss nicht, wovon du redest," entgegnet sie nach langer Pause und tritt
vor den bodenlangen Spiegel, "sie ist verrreist, dass ist doch die Hauptsache,
oder etwa nicht?"
"Schon...-"
"Und sie kommt nicht wieder, du hast es mit versprochen, so ist es doch?!"
"Das ist schon richtig...", versucht er das Wort zu ergreifen, aber sie unterbricht
ihn ein drittes Mal.
"Dann sehe ich kein Problem mehr in unserer Beziehung."
Geschickt greift sie nach einer Haarbürste und fährt sich ein paarmal durch
den Schopf.
Der große Mann verfolgt ihre hastigen Gesten unablässig mit den Augen, während
er sich leicht gegen den Türrahmen lehnt.
"Siehst du denn nicht ein, dass wir reden müssen über das was geschehen ist?"
Die Haarbürste fällt polternd auf den Boden.
"Reden?!" Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie ihn an, die Hand die noch
eben die Bürste über das Haar geführt hatte krallt sich so fest in die Lehne
des Stuhls dass die Knöchel weiss hervortreten.
"Wir müssen nicht reden, es ist doch alles in Ordnung!"
"Nein", versetzt er mit ruhiger Stimme, "es ist nichts in Ordnung und es wird
Zeit dass du einsiehst...-"
Ein lautes Klopfen an der Hintertür unterbricht ihn und eine fröhliche Stimme
lässt beide zusammenzucken.
"Huhu! Ist denn niemand daheim? Ach kommen Sie, ich möchte Ihnen doch nur den
versprochenen Kuchen vorbeibringen! Hallo, niemand da?"
Die Frau fährt zu ihm herum. "Sie ist wieder da", zischt sie, "du hast mich
angelogen!"
"Aber nein, das ist doch meine Nachbarin, wirklich...-"
"Lügner! Sie ist wieder da! Sie ist nicht verreist, sie ist wieder da!"
Er setzt erneut an. "Bitte, glaub mir doch, das ist nicht...-"
Mit einer Handbewegung schneidet sie ihm das Wort ab.
"Ich dachte dass das nie wieder vorkommt. Ich dachte wirklich, ich könnte dir
von nun an vertrauen." Sie schüttelt den Kopf.
"Alles gelogen. Sie ist wieder nicht verreist."
Er atmet heftig. "Was hast du vor?" Sie beachtet ihn nicht mehr.
"Sie ist nicht verreist, alles gelogen. Sie ist wieder da, sie ist zurück, sie
ist wieder da," murmelt sie ununterbrochen vor sich hin. Das Klopfen und Rufen
an der Tür wird lauter.
"Hallo, Sie müssen doch zuhause sein, ich habe Sie doch noch vorhin kommen sehen!
Bitte, ich störe auch nicht lange!"
Sie stellt sich vor ihn. "Es hilft nichts, sie muss weg. Ein für allemal."
Seine Augen weiten sich. "Nein, bitte, sie ist nicht...-"
Sie hebt abwehrend die Hände. "Es reicht, du hast mich wieder einmal angelogen.
Du hast gesagt sie käme nicht wieder und sie ist doch wiedergekommen, wie schon
so oft. Bring sie fort."
"Nein, so hör doch" Sein Atem geht stoßweise, er schüttelt den Kopf, streckt
die Hände nach ihr aus, doch sie weicht zurück und greift nach einem Gegenstand.
"Es geht nicht anders. Sie muss weg."
Sie drückt ihm den Gegenstand in die Hand. "Mach schon. Sie muss verreisen.
Sag es ihr. Sag, sie soll wieder verreisen. Sag, dass sie nicht zurückkommen
darf."
Sie tritt noch näher an ihn heran. Ihre drohende Miene wird weich.
"Sie wird doch verreisen, nicht?" Er schließt kurz die Augen und blickt dann
in ihr erwartungsvolles Gesicht.
"Ist gut", flüstert er heiser, "sie wird wieder verreisen." Dann atmet er tief
durch und nimmt den Hammer fester in die Hand.
"Ich komme schon", ruft er tonlos als er sich der Hintertür nähert.