Es war beinahe 2 Uhr in der Nacht, als ich durch ein komisches
Geräusch geweckt wurde. Ich richtete mich auf und sah auf die Uhr. Geht
denn das schon wieder los?, dachte ich aufgebracht. Seit Monaten hatte
ich keine Nacht mehr durchgeschlafen.
Im März hatte es angefangen: Ich wurde während ich schlief von
einem seltsamen Geräusch gestört. Es klang so, als würde man mit den Fingernägeln
auf einer Schiefertafel entlang fahren; es quietschte unangenehm, ja beinahe
nervtötend in den Ohren. Sobald ich wach war, begannen sich plötzlich Dinge
um das Haus zu bewegen. Ich hörte Schritte, hörte wie das Brennholz, das draußen
fein säuberlich aufgestapelt war, umkippte, und noch viele andere selt- same
Geräusche. Doch als ich dann am nächsten Morgen nachsah, fand ich nichts,
keine Fußspuren, das Brennholz lag aufgestapelt hinter dem Haus, es deutete
überhaupt nichts auf einen nächtlichen Besucher hin.
Vielleicht, das wäre die plausibelste Erklärung, vertrug ich meinen
Job nicht mehr. Ich war Friedhofsgärtner. Tagsüber machte mir mein Job zwar
Spaß (ich habe schon als Kind gern im Garten geholfen), das Problem aber war,
dass ich auch auf dem Friedhof wohnen und übernachten musste. Das hätte den
meisten Menschen nicht viel ausgemacht, aber ich war schon seit meiner Kindheit
abergläubisch. Anfangs stellte das für mich ein Problem dar, aber mit der
Zeit gewöhnte ich mich an die düstere Friedhofsatmosphäre und bald schlief
ich wieder ganz normal.
Doch vor 3 Monaten waren erstmals diese Geräusche aufgetreten und
kamen seitdem jede Nacht wieder. Ich fürchtete mich vor ihnen. Ich fürchtete
mich so sehr, dass ich seit März keine einzige Nacht länger als 4-5 Stunden
geschlafen habe.
Nun lag ich wieder einmal zusammengekauert in meinem Bett und wartete.
Wartete, dass die Geräusche wieder verschwanden; wartete auf den Tagesan-
bruch; wartete, dass die Nacht endlich vorbei sei.
So geht das nicht weiter!, dachte ich, während mir vor Angst
beinahe die Trä- nen kamen. Vor 3 Monaten war noch ich ein großer, muskulöser,
wenn auch schon etwas älterer Mann gewesen. Jetzt war ich ein kleines Häufchen
Elend. Meine Falten waren tiefer als die Niagarafälle und ich hatte Tränensäcke,
so dick wie eine Zwiebel.
Als ich so in meinem Bett lag, wurde mir auf einmal klar, dass
ich etwas unter- nehmen musste. Einfach versuchen zu schlafen brachte nichts,
dass wusste ich, denn das probierte ich jede Nacht von neuem aus, und jede
Nacht blieb ich er- folglos.
Also blieb mir nur eine einzige Chance: ich musste mich der Gefahr
stellen. Ich konnte zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, ob mich draußen
wirklich eine Gefahr erwartete, aber trotzdem hielt ich es für am sinnvollsten,
dieses Etwas, dass da draußen war, als Gefahr zu bezeichnen;
denn etwas, irgendetwas, war da. Ich konnte nicht sagen was, aber ich
war mir vollkommen sicher, dass da draußen etwas war.
Nun lag ich aber immer noch in meinem Bett und klapperte
vor Angst mit den Zähnen. Ich wusste, dass ich nach draußen gehen und nachsehen
musste, um dieses Etwas zu verscheuchen, aber ich war mir nicht sicher,
ob ich genügend Mumm in den Knochen hatte. Vielleicht würde ich es schaffen,
die Haustür aufzuschließen, vielleicht würde ich es auch schaffen, ein paar
Schritte vor die Haustür zu machen, aber wahrscheinlich würde ich spätestens
dann schlapp machen.
Ich hatte die Qual der Wahl: entweder blieb ich sicher in meinem
Bett liegen und wartete, bis die Nacht vorbei war, aber dann würde ich weiterhin
schlaflose Nächte haben; oder ich ging nun endlich hinaus und stellte mich
der Gefahr, wenn es denn eine war. Ich konnte mir zwar nicht sicher sein,
dass dieses Etwas dann auch wirklich verschwand, aber eine gewisse
Chance war halt da. Ich entschied mich schließlich, mich der Gefahr zu stellen.
Ich knipste das Licht an, zog meinen Bademantel über und ging zur Haustür.
Jetzt überkamen mich plötzlich Zweifel. Wollte ich das wirklich tun? Was war,
wenn dieses Etwas wirklich gefährlich war und auf mich los ging?
Doch ich drückte die Zweifel beiseite.
Ich schloss also auf, drückte die Klinke hinunter und öffnete die
Tür. Aber die Geräusche waren noch da. In diesem Moment fiel hinten der Brennholzstapel
um. Ich trat vor die Tür. Ich machte einen Schritt, 2 Schritte, 3 Schritte,
und - die Geräusche verschwanden. Ich hatte es geschafft.
Die Geräusche kamen in jener Nacht auch nicht wieder. Ich schlief
und schlief und schlief, und als ich am nächsten Morgen pünktlich um halb
7 aufstand, fühl-te ich mich wie neugeboren.
Noch am selben Tag reichte ich meine Kündigung ein. Ich suchte
mir ein schönes Haus in der Stadt, das mir sehr gefiel, und beschloss, bis
an mein Le- bensende hier wohnen zu bleiben.
Heute bin ich 81 Jahre alt und ich weiß bis jetzt noch nicht, was
das Etwas war, das mir damals den Schlaf raubte - und wenn ich ehrlich
bin: ich will es gar nicht wissen.
Ende