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Die Nacht der Hexen

© 2004 Michael Böske

 
 

Sie rannte aufgeregt durch einen Wald. Die düsteren und alten Bäume schienen nach ihr zu greifen. Doch sie wich den Fängen der Bäume aus. Sie rannte so schnell sie konnte. Etwas verfolgte sie. Sie konnte bloß nicht erkennen, was es war, denn es war zu dunkel. Sie erkannte Umrisse und dass es sie verfolgte. Sie schüttelte es langsam ab. Erschöpft ließ sie sich zu Boden sinken. Trotz der Verfolgung fror sie in dieser kalten Nacht. Plötzlich beugte sich ein Wesen über sie und schnitt ihr den Kopf ab.

Schweißgebadet wachte Julia an diesem Morgen in ihrem Bett auf. Noch nie hatte sie einen solchen Albtraum gehabt. Und dazu hatte sie kein Detail von ihm vergessen. Sie konnte sich an diesen grausamen Wald erinnern. Aber trotz, dass sie geträumt hatte, konnte sie nicht erkennen, was für eine Gestalt ihr letztendlich den Kopf abschnitt. Eigentlich hatte sie auch keine Lust, sich Gedanken über so etwas Schreckliches zu machen. So kroch Julia aus ihrem Bett. Sie war begnadeter Buffy – Fan. So hatte sie auch viele Fanartikel. Ihre Bettwäsche war sehr flauschig und noch dazu waren Buffy und Angel darauf abgebildet, ihre Lieblingscharaktere, manchmal sogar Idole. Sie blickte herum, immer noch geschockt von dem Traum. Aber die unzähligen Buffy – Poster beruhigten sie etwas. Ihr Zimmer war recht groß. Sie besaß einen eigenen Computer, einen Fernseher, alle Buffy – Staffeln und natürlich viele Klamotten unter denen sie nie etwas Passendes anzuziehen fand. Ihre Möbel waren aus Eichenholz und sie war sehr zufrieden mit ihrem Zimmer. Deswegen vergaß sie ihren Traum auch schnell wieder. Sie blickte auf die Uhr. Es war schon 7.30 Uhr. Für einen Moment war sie glücklich, geträumt zu haben, denn sonst wäre sie zu spät zur Schule gekommen. Ihre Mutter war zwar zu Hause und arbeitete in der Küche, flitzte zwischendurch auch in andere Räume, war aber sehr vergesslich. Julia hatte manchmal das Gefühl, dass ihre Mutter sie einfach vergaß. Jetzt hatte sie auf jeden Fall keine Zeit nachzudenken. Sie stürmte ins Badezimmer und schmiss sich in ihre Klamotten, die sie wahrlos aus ihrem Schrank griff, da sie eh nicht auf die Schnelle passende Kleidung fand. Duschen und Haare waschen konnte sie schon mal vergessen. Sie schnappte sich eine trockene Scheibe Vollkornbrot, stolperte über den Staubsauger, den ihre Mutter im Flur vergessen hatte und ging aus dem Haus. Sie war gut gelaunt, denn sie sah ihren Freund Jan nach 3-wöchigem Aufenthalt in Neuseeland wieder. Es war der erste Schultag nach den Herbstferien. Sie hatten abgesprochen, dass sie ihn abholen käme. Julia wohnte in Eilshausen, das heißt am Rande des Dorfes. Die nächstgrößere Stadt war Bielefeld. Sie fand es zwar toll, dort Shoppen zu gehen, aber sie konnte sich niemals vorstellen, dort zu wohnen. Für sie gab es in einer Stadt einfach zu viele Autos und zu viel Lärm. Außerdem würde sie das Land vermissen. Hier gab es noch einen kleinen Wald und viele Feldwege, auf denen sie immer weite Strecken mit ihrem Hund Bennie lief. Dieser war im Moment bei ihrer Oma gut aufgehoben. Häufig ging sie zu Fuß zur Schule, nur selten fuhr sie mit dem Fahrrad. Erstens mochte sie Radtouren nicht so besonders und zweitens wurde ihr ein Fahrrad bereits gestohlen und ihre Mutter verbot Julia, ihr neues mit in die Schule zu nehmen. Sie blieb an Jans Haus stehen und klingelte ein paar mal. Niemand öffnete und so entschloss sie sich, alleine weiterzugehen. Sie versuchte sich auf dem langweiligen Schulweg Gedanken darüber zu machen, wie der erste Schultag wohl sein würde. Ob er so langweilig wäre, wie die Schulzeit vor den Ferien war? Auf jeden Fall hatten die Schüler in Geschichte als Hausaufgabe ein Referat aufbekommen. Jeder konnte sich selbst aussuchen, was er am Liebsten mochte, sofern es etwas mit Geschichte zu tun hatte. Julia hatte die Träume, wie diese Nacht, schon seit einigen Wochen. Damals waren sie noch nicht so regelmäßig, erst seit ein paar Tagen traten sie täglich auf. Manchmal hatte Julia das Gefühl, in ihrem Traum die verschwommene Gestalt näher zu betrachten. Wenn sie danach aufwachte, meinte sie, eine Hexe gesehen zu haben, obwohl Julia noch nicht einmal eine Vorstellung hatte, wie eine echte Hexe überhaupt auszusehen hat. Das alles brachte sie zu dem Entschluss, ein Referat über Hexenverfolgung in Deutschland zu halten. Sie hatte sich überlegt, es etwas aufzulockern, indem sie Elemente aus "Buffy" mit einbrachte. Sie wusste zwar, dass das nicht ganz passen würde, aber es waren ja schließlich Ferien und so hatte sie keine Zeit, lange Suchen im Internet zu beginnen. Obwohl Julia sich auch etwas langweilte, ohne ihren Freund Jan. Jan, das wusste sie schon, würde ein Referat über die Geschichte Neuseelands halten, das er während seines Urlaubs geschrieben hatte. Nun war Julia schon fast angekommen. Sie ging auf die Olof – Palme – Gesamtschule. Sie versuchte ihr Abitur zu erreichen und war seit dem Sommer in der 11. Klasse. Julia wusste, dass der Unterricht schwieriger wurde, aber musste er auch einschläfernder werden? In der ersten Stunde, die Julia brauchen würde, um nur Ansatzweise von Jan etwas über Neuseeland zu erfahren, hatte sie Mathe. Sie selbst interessierte sich für dieses Land und Jan hatte ihr versprochen im nächsten Sommer mit ihr noch einmal hinzufliegen, als sie letzte Woche telefoniert hatten. Die Schule bestand aus 4 Hauptgebäuden. Ein Unterstufenhaus für die Klassen 5-7, ein Mittelstufenhaus für die Klassen 8-10, ein Oberstufenhaus für die Klassen 11-13 und die Sporthalle. Zusätzlich befand sich im Oberstufenhaus die Mensa, in der sie mit Mittagessen verpflegt wurden und im Mittelstufenhaus die Aula, die vielen Veranstaltungen diente. Julia ging durch die großen Flügel des Oberstufenhauses wendete sich nach links und warf einen flüchtigen Blick auf den Vertretungsplan in der Hoffnung, Mathe würde ausfallen. Was alles zerstörte war ein freundliches "Guten Morgen" ihres Mathelehrers Herr Raprecht hinter ihrem Rücken. Mit einem künstlichen Lächeln grüßte sie überfreundlich zurück. Sie warf einen Blick in die Klasse. Überflog ihre Mitschüler, tat dies noch einmal, erblickte aber keinen Jan. Julia war enttäuscht und traurig zugleich. Wie sollte sie alleine die Mathestunde überstehen? Oder wie sollte sie es 3 Wochen und einen Tag ohne Jan aushalten? Außerdem hatte sie beschlossen, ihm von ihren Träumen zu erzählen. Nachdem diese sich häuften, erzählte sie es ihrer Mutter, die es erst ganz normal fand und auf ein Verschwinden hoffte, sie dann aber zu einem Arzt schickte. Dieser riet Julia aber nur, jeden Abend vor dem Schlafengehen an etwas Schönes zu denken. Meistens dachte sie an Jan. Dem wurde aber prompt im Traum ebenfalls der Kopf abgesäbelt. So wachte sie noch ängstlicher auf. Mittlerweile fühlte sie sich so hilflos, dass sie bei fast jedem Rat suchte. Bei ihrer Oma, ihrer Tante und jetzt auch bei ihrem Freund. Aber der erlaubte sich doch glatt nicht zu erscheinen! Hinter ihr stand jetzt Herr Raprecht und schob sie ein kleines Stück in die Tür und bat sie zur Seite zu treten. Sie setzte sich niedergeschlagen an ihren Platz. Neben Julia saß Monika. Sie war zwar ganz nett, aber sie ging ihr auf die Nerven mit ihrem GZSZ – Geschwafel und ihrer Angeberei. Monika schoss sogleich los von ihrem Urlaub zu erzählen, also schloss Julia kurz die Augen und blickte dann auf den rechten, freien Platz neben sich, auf dem jetzt Jan sitzen und sie von dem Gesülze ablenken würde. Es war erstaunlich, dass Monika noch nicht einmal merkte, wenn man ihr nicht zuhörte. Julia verdrehte die Augen, als Monika auch noch Herr Raprecht fragte, wie sein Urlaub gewesen war. Plötzlich klopfte es zweimal an der Tür. Julia horchte und schaute auf. Herein kam aber nur der "bombastische Basti" wie der etwas dickliche Sebastian in seiner Klasse genannt wurde, aber meistens tat es auch einfach nur ein "Basti". Die folgende Mathestunde kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Es ging über "Quadratische Funktionen", von denen sie eh nur "Bahnhof" verstand. In der zweiten Stunde hatte sie Deutsch. Jetzt hatte Julia einen Lehrer, den sie überhaupt nicht mochte, Herr Ottermeier. Sie empfand es als Selbstmord, drei Stunden in der Woche mit ihm zu verbringen. Allerdings konnte man sich wunderbar bei ihm einschleimen und ihr blieb nichts anderes übrig, als das auch zu tun, um gute Noten zu bekommen. Diese Stunde strich noch langsamer ins Land, als die erste. Da es ihr nicht so gut ging, vermutlich Nachwirkungen der ständigen Alpträume, setzte sie sich in der ersten Pause etwas vor die Tür, auf eine Bank. Im Augenwinkel sah sie einen Fahrradfahrer mit quietschenden Bremsen an sich vorbeizischen. Julia hakte mit einem zweiten Blick nach. Ja, es war tatsächlich Jan! Sie sprang auf, kurierte schnell das entstandene Schwindelgefühl aus und machte sich in schnellem Schritt auf zum Fahrradständer. Jan bemerkte noch nicht, dass jemand hinter ihm stand, als er das Fahrrad festkettete. Als er sich umdrehte erschrak er ein wenig, versuchte es aber zu verbergen, sobald er erkannte, dass es Julia war. Sie umarmte ihn und gab ihm einen Kuss, während er sich noch von dem Schreck erholte. Julia fragte: "Warum bist du so spät dran? Du hast die Mathestunde verpasst, in der du mir alles über Neuseeland hättest erzählen sollen!", sagte sie mit einem Grinsen. Er erwiderte: "Mir hat die Zeitumstellung zu schaffen gemacht! Deswegen hab’ ich heute Morgen verpennt. Hab’ ja nich’ viel verpasst. Und ich hole auf jeden Fall nach, dir im kleinsten Detail von Neuseeland zu erzählen." Schon hörten sie den Pausengong und begaben sich zurück ins Klassenzimmer. Nun hatten sie Geschichte. Julia hatte sich ja eigentlich darauf gefreut, aber jetzt wollte sie lieber hören, was Jan zu erzählen hatte. Sie verschob den Gedanken aber auf die zweite Pause, um die Doppelstunde aufpassen zu können. Noch dazu unterrichtete ihre Lieblingslehrerin in Geschichte: Frau Müller. Alle Schüler hatten keine Ahnung, wer heute mit dem Referat beginnen musste. Sie wussten nur, dass es bis heute fertig sein sollte. "Guten Morgen, alle zusammen!", wünschte Frau Müller, als sie die Klasse betrat. "Ich hoffe, ihr hattet schöne Ferien." "Waren sie im Urlaub?", fragte (wer auch sonst) Monika. Jan verdrehte die Augen und Julia musste schmunzeln. "Ja, Monika, ich war im Urlaub. Ich war in Rumänien, in Transsylvanien, um genau zu sein." "Hoffentlich wurden sie nicht von einem Vampir gebissen!", schoss Sören mit einem frechen Grinsen los. Frau Müller entgegnete mit einem freundlichen Lächeln: "Ja, hoffentlich nicht. Nun gut, jetzt lasst uns aber mit dem Unterricht beginnen." "War es schön da?", unterbrach Monika. "Lass uns das bitte später klären. Sonst bekomme ich am Ende noch Ärger mit der Schulleitung. Und das wollen wir ja alle nicht." "Das meinen sie.", bemerkte Sören. "Treib’s nicht zu weit, Sörilein!", drohte Frau Müller leise an, so dass es nur er hören konnte. "So, wir beginnen jetzt. Ich sollte vielleicht zu Beginn einmal fragen, wer seine Hausaufgaben, aus welchem Grund auch immer, nicht gemacht hat. Als Einzigster meldete sich Sören. "Ich hatte sie gemacht. Aber das hat meine Schwester in Schuld! Diese blöde Hexe hat sie mir zerrissen, vor meinen Augen!" "Solche Worte möchte ich hier in meinem Unterricht nicht hören!", schimpfte Frau Müller ernst. "Du hast Glück, dass du nur eine sechs für nicht gemachte Hausaufgaben bekommst. Ich sollte dir noch eine für Frechheit verpassen." So hatte ehrlich gesagt auch Julia Frau Müller noch nie erlebt. "Aber man kann ja auch mal schlecht geschlafen haben.", dachte Julia unbemerkt laut. "Oder kaum geschlafen.", gab Jan dazu. "Wie bitte?", fragte Julia. "Na, du sagtest, dass jemand schlecht geschlafen hätte und ich dachte du meintest mich?!" "Nein, nein. Ich meinte Frau Müller. So kannte ich sie bisher noch gar nicht. Sonst ist sie immer lammfromm, sogar zu Sören." "So, nun möchte ich aber wirklich beginnen, wenn’s weiter nichts zu sagen gibt?" Manche Schüler schüttelten langsam die Köpfe. "Gut, wie ich euch gesagt habe, entscheiden wir heute per Los, wer denn der Glückliche sein wird, der als Erster sein Referat vortragen darf!" Während Frau Müller in einen Beutel mit Namen griff, befürchtete Julia, gezogen zu werden. Sie hatte nicht gelernt oder sich vorbereitet, denn es waren ja Ferien. Frau Müller sagte immer: "Ein gutes Referat ist, wenn du es frei und sicher vortragen kannst und weißt was darin steht." Julia hatte Glück, wenn sie eine Forderung erfüllen würde. Frau Müller faltete jetzt den Zettel auf. "Es ist ein Mädchen." Julias Herz schlug etwas schneller, denn sie trug ungern frei vor der ganzen Klasse vor, noch dazu ohne Üben. "Die glückliche heißt: Monika." Julia ließ den Kopf langsam auf den Tisch sinken. Erstens verspürte sie Erleichterung und Zweitens eine plötzlich auftretende Müdigkeit. Monika kramte eifrig ihr Referat aus ihrer ordentlich sortierten Mappe. Julia begann für sich die Blätter zu zählen. Es kann sein, dass sie sich um eines vertan hatte, aber sie zählte genau 9 Blätter, ohne Linien und in einer Schrift, für die ein normaler Mensch eine Lupe bräuchte. Nun ja, Monika war auch anders als die anderen. Sie ging nach vorne und setzte sich gerade auf den Stuhl. Monika kramte ihre Folie heraus und legte sie auf den Projektor. Julia bekam nicht viel mit vom nachfolgenden Referat, aber sie horchte auf, als Monika etwas von dem "Herrn der Ringe" erzählte. Eigentlich hielt Monika ein Referat über den Weltkrieg und zog dabei Parallelen zu "Herr der Ringe". Da Julia Film-Fan war hörte sie ausnahmsweise gespannt zu. Monika verglich den zweiten Weltkrieg mit den Kriegen in Tolkiens Buch. Trotz allem hasste sie den Film über alles. Sie fand einfach alles daran schlecht und konnte nichts Gutes finden. Endlich traf das langersehnte Ende ein. "Ein Happy End.", meinte Julia zu ihrem Freund. Die Schüler klopften Beifall auf den Tischen für etwas, was der größte Teil nicht mitverfolgt hatte. "Danke schön, Monika. Das hast du wirklich toll gemacht. Und du hast wunderbar frei vorgetragen. Ein großes Lob an dich. Du darfst dich jetzt setzen." Monika setzte sich langsam zurück auf ihren Platz. "So, jetzt möchte ich gerne hören, wie ihr das Referat von Monika fandet. Bitte erst das Positive." Kaum jemand meldete sich und ja, Monika war wirklich anders. Sie meldete sich, um sich selbst zu bewerten. Tim meldete sich auffällig mit einem fuchtelnde Arm. "Bitte, Tim." "Also ich fand das Referat von Monika okay. Sie hat frei vorgetragen und ein spannendes Thema ausgewählt." Hätte man ihn jetzt danach gefragt, hätte er vermutlich nicht mal das Thema gewusst. Mittlerweile sanken alle Finger wieder, die das Gleiche sagen wollten. Also blieb Monika noch übrig. "Ich möchte auch noch etwas hinzufügen.", sagte Frau Müller. "Du hast wirklich treffend das Wichtigste aus den Weltkriegen genannt. Und ich fand es toll, dass du Parallelen zu Filmen gezogen hast oder auch zu anderen Beispielen." Julia verstand gar nicht, warum Monika das tat. Sie selbst tat es, weil sie ihr Referat verlängern wollte, aber Monika brauchte es doch nicht noch in die Länge zu ziehen. "Ich fand einfach alles toll!" "Was am Besten?", fragte Monika fast beleidigt über diese lächerliche Antwort. "Tja... einfach alles gleich gut." Frau Müller wurde leicht rot und Julia musste grinsen. Sie war wenigstens nicht die Einzige, die während des Vortrags fast eingeschlafen wäre. So war sie auch noch glücklich, dass es jetzt keine Hausaufgaben geben würde, weil sie Frau Müller nicht vergleichen könnte. "So, die Stunde ist schon um. Heute gibt es keine Hausaufgaben auf, weil ihr alle ruhig wart." "Das ruhig war ja wohl kein Problem.", sagte Julia zu Jan. "Ich brauch ’nen Kaffee.", meinte Frau Müller zu sich und verließ schläfrig den Raum. Nach diesem Vortrag ging die nächste Zeit schnell herum. Aber jetzt war erst einmal Pause und Jan musste Julia alles über Neuseeland erzählen. Ihm gefiel es dort sehr, aber es wurde ihm dann schließlich doch zu abenteuerlich. "Ich habe dich wirklich vermisst. Aber dann können wir ja nächstes Jahr zusammen hinfliegen, weil Spaß gemacht hat es mir trotzdem." "Ich habe dich auch vermisst. Du hättest mich mal sehen sollen, wie ich heute ungeduldig gewartet habe!" "Es tut mir Leid.", sagte Jan und gab ihr einen Kuss. "Jan, ich will dir unbedingt noch etwas sagen.", sagte Julia, bevor sie von Moritz, Jans Bruder, unterbrochen wurde. "Hei, Julia. Du, Jan, ich soll dir noch was ausrichten. Mama hat gesagt, du sollst ihr ein Buch ausleihen. Moment, was hat sie gesagt? Ach ja, "Leben und Sterben zwischen schwer erziehbaren Kindern" und "Wie töte ich meinen Mann?"." "Wie bitte?", fragte Jan erstaunt. "Hat sie gesagt. Kann ich auch nix für.", entgegnete Moritz. Er ging in die 8. Klasse und bewegte sich nun weiter in die Mensa. "Machs gut, Julia. Bis nachher, Jan." "Meine Mutter liest solche Bücher?", fragte Jan ratlos an Julia. "Wer weiß, was das für Bücher sind?" Man muss hinzufügen, dass Jans Mutter Annika eine Art Künstlerin war und sich viel kreativ auslebte. "Eigentlich, soweit ich das weiß, pflegt meine Mutter mit meinem Vater eine recht gute Beziehung?!" "Lass dich einfach überraschen." "Ja, und morgen finde ich meinen Vater tot im Gefrierfach." Jan grinste, den Vorfall nicht mehr ernst nehmend. "Hey, über so was macht man keine Witze!" Julia dachte an ihren Traum. "Tut mir ja Leid, hab’ ihn nur gemacht, weil ich das von meiner Mutter am Wenigsten erwarte." "Schon gut, ich bin auch nur so’n Nervenbündel, weil ich schon seit Tagen etwas träume. Und diese Träume werden immer intensiver und länger. Ich bin schon überall in Beratung gewesen und keiner konnte mir helfen oder alle hielten es für normal. Du bist echt meine letzte Hoffnung. Hoffentlich kannst du mir helfen. Ich weiß echt nicht mehr weiter, was ich machen soll, wenn diese Träume anhalten. Mir wurde sogar geraten, an was Schönes zu denken, aber immer wieder wurde auch das zum Schlechten gewendet." "Dann schieß mal los. Ich sollte den Traum vorher einmal kennen." "Du hast Recht. Es ist Nacht und ich renne durch einen Wald. Ich selbst habe das Gefühl, um mein Leben zu rennen. Die Bäume greifen nach mir und bewegen sich. Ständig schwanken sie hin und her und peitschen mit ihren Zweigen nach mir. Ich ermüde immer mehr, bis ich auf den Boden falle. Dann taucht eine schattige Gestalt hinter mir auf. In der Dunkelheit kann ich sie nicht erkennen. Sie zieht ein Schwert und... und...", jetzt stockte Julia und begann zu zittern. Jan nahm sie in den Arm. "Bitte erzähl weiter.", sagte Jan ruhig. "...und ...und schneidet mir den Kopf ab. Dann wache ich schweißgebadet auf. Sogar dir hat sie den Kopf abgeschlagen, als ich an dich dachte." "Es ist bestimmt nur ein einfacher Traum und den wirst du auch wieder los. Ich bin mir sicher. Wir können doch einmal zusammen zu so einer Beratungsstunde gehen. Wenn ich auch Bescheid weiß, fällt es dir bestimmt leichter, den Traum einfach wieder zu vergessen. Und du musst keine Angst haben, denn dir passiert ja nichts in einem Traum." "Das weiß ich. Ich habe Angst vor der Wahrheit. Der Traum könnte doch wahr werden, oder etwa nicht?" "Ich will nicht abstreiten, dass es so etwas nicht gibt, aber bei mir hat sich noch kein Traum bewahrheitet." "Eines habe ich dir verschwiegen. Manchmal meine ich eine Hexe zu sehen, aber wie gesagt, ich erkenne die Gestalt nicht." "Dann glaube ich weniger, dass der Traum jemals wahr werden könnte. Hexen kann es gar nicht geben." "Meine Mutter sagte mir einmal: Als ich 1 ½ Jahre alt war, fand man in meinem Laufstall einen Zettel. Sie erzählte mir, das niemand ihrer weitgereisten Kumpels diese Sprache lesen konnte. Meine Eltern legten darauf hin den Zettel zur Seite. Mit 4 Jahren war ich wohl im Malfieber. Ich zeichnete alles Mögliche, eine Krakelei, wie man sie eben von Kindern kennt. Doch ein Bild, meine Mutter hat es mir letztens gezeigt, ist deutlich genug. Alle haben darauf eine Hexe erkannt. Zwar war es kein Gemälde, aber man konnte eine alte Frau mit Besen sehen. Ganz klein daneben, durchgekrakelt von anderen Zeichnungen stand wieder dieses Wort. Darauf hin holten meine Eltern den Zettel wieder hervor und gaben ihn schließlich in Universitäten an Sprachexperten. Dort stellte sich heraus, dass das eine Hexensprache aus dem Mittelalter sei. Die Hexen benutzten sie damals als Verschlüsselung. In dieser Sprache unterhielten sich nur die Hexen, damit deren Verfolger nichts hörten. Wissenschaftler konnten sie dann anhand von Dokumenten doch übersetzen. Mein Wort heißt: Hexenkind. Und es geht noch weiter. Als wir den Zettel rausholten, fiel mir irgendeine Gemeinsamkeit auf. Ich verglich dann den Zettel mit meiner Handschrift. Er war fast genau gleich. Klar hat sich meine Schrift verändert, aber ich muss diesen Zettel geschrieben haben." "Langsam machst du mir richtig Angst, Julia. Weißt du das?". Jan drückte sie an sich. "Ich weiß, ich mache mir selbst Angst. Und jetzt diese Träume..." "Also eines ist klar. Ich komme Morgen mit zur Beratung." "Das ist lieb von dir." Julia gab ihm einen Kuss auf die Wange. In diesem Moment läutete die Glocke zur nächsten Unterrichtsstunde. Sie betraten das Schulgebäude wieder. Jan hielt Julias Hand, während sie die Treppen hinaufstiegen. Beide waren jetzt nicht mehr fähig, an den letzten beiden Stunden gedanklich teilzunehmen, denn sie konzentrierten sich auf den Traum. Nach der Stunde verabschiedete Jan sich von Julia. "Machs gut, bis Morgen." Er gab ihr einen Kuss. "Und bitte schlaf gut, ja?" "Ich werd’s versuchen.", lächelte Julia. Sie gab das Lächeln aber wieder auf, als Jan wegguckte. Bevor er das Gebäude verließ, warf er noch einen traurigen und nachdenklichen Blick auf Julia und ging dann weiter. Er überquerte die Straße und gelangte auf den Rathausplatz. Dort befand sich die Bücherei. Jan lieh sich die zwei Bücher aus. So große Augen, wie die Bibliothekarin machte, als sie die Bücher sah, hatte er noch nie gesehen. Und ihm war es auch peinlich. "Wie bringe ich meinen Mann um!", sagte er vor sich hin. Aber auf dem Nachhauseweg blätterte er etwas darin herum. Er und die Bibliothekarin hatten mit dem Schlimmsten gerechnet und dabei war es bloß eine harmlose Satire, genau wie das andere Exemplar. Klar, diese Bücher waren wie zugeschnitten für seine Mutter. Sie waren kreativ geschrieben. Manchmal versuchte sie sich selbst am Bücherschreiben, aber die Entwürfe landeten immer wieder im Papierkorb. Währenddessen kam auch Julia wieder zu Hause an. Den Rest des Nachmittags verbrachte sie mit Hausaufgaben, Nachdenken und "Buffy gucken". Abends ging sie noch eine Runde spazieren. Sie musste einfach ein wenig rausgehen. In der Regel ging sie diese Runde mit Bennie, aber der war ja nicht da. Dabei kam sie an Jans Haustür vorbei, verwarf dann aber den Gedanken zu fragen, ob er mitgehen würde, weil sie ihn nicht nerven wollte. Sie fand es verwunderlich, dass sie schon um 21 Uhr müde war. Sie taumelte noch die Treppe hinunter ins Wohnzimmer. "Gute Nacht, Mama.", sagte sie und gab ihr einen Kuss. "Gute Nacht, Papa." "Nicht so hastig.", unterbrach er sie. Ich muss noch etwas erzählen. Du wirst ab Morgen alleine hier sein. Das traue ich dir mittlerweile schon zu... glaube ich.", sagte Lutz lachend. So hieß ihr Vater und er war immer viel beschäftigt und oft auf Reisen, hatte aber dennoch nie Julia oder ihre Mutter vernachlässigt (sogar seine Mutter nicht). Das fand Julia bemerkenswert, wie viel er schaffte, unter einen Hut zu bringen. "Ich werde Morgen früh wegfliegen müssen. Ich habe beruflich zu tun.", fuhr er fort. Marita schloss an: "Und ich werde morgen Mittag nach München fahren, dort ist ein Schulungslehrgang für Künstler. Der dauert allerdings auch 4 Tage. Ich werde aber früher wieder da sein als dein Vater." "Dafür darfst du dir eine Stadt von Innen ansehen. Immer wieder ein schönes Erlebnis.", sagte Lutz spaßig zu Marita. Julias Eltern interessierten sich ebenfalls nicht für Großstädte. Marita wollte genau wie Annika, Künstlerin werden, bloß dass Jans Mutter es schon halbwegs war. Das verband auch Jan und Julia miteinander, denn oft tauschten die Mütter Neuigkeiten aus. Es kostete viel Zeit, Geduld und eine hohe Telefonrechnung. Marita konnte auch nicht leugnen, dass sie ein wenig eifersüchtig auf Annika war. Jans Vater verließ Annika bereits, als Jan noch ein Kind war und hatte sich seither nicht mehr blicken lassen. Nach einer Denkpause und nachdem sie die Daten verarbeitet hatte, sagte Julia schließlich: "Is’ OK. Komm’ schon allein zu recht." Sie taumelte noch mehr oder weniger schnell zum Sofa, auf dem ihr Vater lag und gab ihm einen Abschiedskuss. Dann ging sie zu ihrer Mutter zum Sessel und gab ihr ebenfalls einen, bis sie sagte: "Also, irgendetwas riecht hier angebrannt..." "Hast du schon den Braten aus dem Ofen geholt?", fragte Lutz aufgeregt. "Ach herrje! Julia, ich muss ganz schnell..." Julia sprang zur Seite und ihre Mutter flitzte aus dem Raum, stolperte im Flur über den vergessenen Staubsauger und landete gerade noch aufrecht in der Küche. Sie begab sich zum Ofen, riss die Tür auf und schaltete ihn dann aus. Dicke braune Rauchschwaden stiegen aus dem Ofen. Erste Blicke zum Braten konnte sie schon erhaschen. "Ich möchte jetzt ja zu harten Wörtern greifen, aber Julia ist noch hier!", schrie sie aufgeregt. "Der schöne Braten ist hin! Und ich hab’ mir solche Mühe gegeben." "Auch nicht schlimm, Schatz. Wir schmieren uns gleich ein knuspriges Brot, aber vorher sollten wir erst einmal lüften.", tröstete Lutz hinweg. Julia, die auch hinzugekommen war öffnete ein paar Fenster. Anschließend ging sie noch zur Tür, um einen größeren Durchzug zu erzeugen. "Guten Abend, Frau Peters.", grüßte sie freundlich eine alte Dame, die vor ihrer Einfahrt herging. Dicke Rauchschwaden drückten sich jetzt auch schon aus der Tür und zogen draußen nach oben weg. Zu erst schaute die alte Frau verdutzt, ging dann aber wenig angetan weiter. Julia verkroch sich schnell wieder im Haus. "Ich gehe aber schon schlafen. Ich hab keinen Hunger und bin müde. Also, viel Spaß auf eurer Reise." "Tu das Schatz. Schlaf gut.", sagte die Mutter halb abwesend. Julia hatte große Einschlafprobleme, weil sie befürchtete, wieder diesen grausamen Traum zu haben. Nach zwei Stunden, in denen sie über sich, Jan und Morgen nachgedacht hatte, überfiel sie dann doch die Müdigkeit.

Nach wiederum gut 2 Stunden riss sie ihre Augen auf. Sie dachte ein Geräusch gehört zu haben. Es war eine Art kratzen auf dem Dach oder an der Wand oder vor ihrem Fenster. Klar konnten es auch Tiere sein, aber nach alldem, was sie im Traum erfahren hatte, wollte sie sich lieber vergewissern. Sie zog sich ihren Mantel über und ging vorsichtig die Treppe hinab. Da war es wieder, dieses Kratzen und nun vernahm sie auch ein leises Rufen nach ihrem Namen. Sie schaute sich vorsichtig im dunklen Flur um, erkannte nichts auffälliges und ging weiter zur Tür. Sie schob den Riegel aus dem Schloss und öffnete leise die Tür. Nun bemerkte sie die Kälte der Nacht, die um ihren Körper strömte. Sie ging hinaus auf die Eingangsterasse. Dann drehte sie sich zum Haus um und blickte zum Dach, zur Westseite zugeneigten Wand und zu ihrem Fenster. In diesem Moment schnappte die Tür ins Schloss. Sie hatte keinen Schlüssel mitgenommen und war jetzt aus ihrem Haus ausgesperrt. Ein paar Sekunden später vernahm sie einen grellen Schrei um Hilfe aus dem oberen Stockwerk. Der Stimme nach war es ihre Mutter. Was war geschehen? "Ich komme, Mama!", schrie sie aufgeregt. Sie rannte zurück zur Tür und versuchte mehrmals sie sowohl nach Innen als auch nach Außen zu öffnen. Nichts tat sich und sie trat dagegen. Als auch das ein Misserfolg war, irrte sie über die Straßen der Ortschaft. Nur ein paar Laternen belichteten die verlassene Gegend ein wenig. Mehrmals rief sie um Hilfe, aber in keinem Haus brannte noch Licht. Sie gab die Hoffnung auf, jetzt noch jemanden zu erreichen und ging langsamer. Sie machte sich große Sorgen, was wohl mit ihrer Mutter passiert war. Bis sie sah, dass die Haustür wieder aufging. Eine dunkle verschwommene Gestalt stand darin. Sie machte ein paar große Schritte auf die Tür zu. Bis sie erkannte, was aus der Tür herauskam. Es war eine Hexe. Sie erkannte es nicht an ihrem Aussehen, sie wusste es einfach. Sie fing sofort an, in die entgegengesetzte Richtung in den Wald zu rennen. Vor ihrer Haustür lag dieser Wald, in den sie nicht mal gern bei Tageslicht ging. Sie hatte im Gefühl, dass dieser Wald gefährlich sei. Gewiss nicht immer, aber gerade an solche Tagen wie heute. Das war jetzt auch egal. Jetzt hieß es: Der Hexe begegnen oder in einen Wald zu rennen. Sie wurde immer schneller, als sie bemerkte, dass die Hexe riesige Sätze machte, bald doppelte Schritte, als sie sie machte. Einen Besen, wie man ihn bei einer Hexe erwartet hätte, hatte sie nicht. Sie war inzwischen im Wald angekommen und bei ihrem Tempo rutschte sie auf dem nassen Blätterboden aus. Sie stand sofort wieder auf und nahm wieder an Tempo zu. Sie hatte das Gefühl, als wollten die Bäume sie ausbremsen. Sie stellten sich ihr in den Weg und leiteten sie über besonders glitschige Flächen, wie riesige Moosflächen. Auf diesen Stellen kam sie nur langsam voran und die Hexe, der die Bäume den Weg wieder freigaben, holte langsam auf. Einige alte und knorrige Bäume streckten die Wurzeln unter ihr aus, damit sie stolperte oder peitschten mit den Zweigen nach ihr. Manche warfen noch mit faulen übrig gebliebenen Früchten hinter ihr her. Sie war so erschöpft, dass sie schließlich über eine ausgestreckte Baumwurzel stolperte und der Wald schien auch kein Ende zu nehmen. Die Bäume hatten sie wieder und wieder im Kreis laufen lassen. Ihr Gesicht lag in nasser Erde, sie war aber zu schlapp, um es dort herauszunehmen. In einem Augenwinkel sah sie die Baumkronen, durch die das Vollmondlicht schimmerte. Sie konzentrierte sich auf diesen Anblick, da sie so etwas wahrscheinlich nie wieder erleben würde. Dann schob sich die dunkle schattenhafte Gestalt zwischen sie und den Mond. Sie blickte nun auf die verschwommene Frau. Die Aufregung und der Spurt durch den Wald hatten ihre Sinne getrübt. Doch als die Alte ihr Schwert zog, wurde ihr Blick klar und sie sah deutlich vor sich eine Hexe. Alle Hoffnung schien verloren. Doch da sprang ein zweiter Schatten über sie hinweg und die Hexe landete gestoßen von ihm ein paar Meter weiter auf dem Boden. Kurz drehte sich die zweite Person zu ihr um und sie erkannte Jans freundliches Zulächeln. Sie konnte nicht mehr anders und schloss die Augen. Sie hörte vielmehr, wie Jan sich mit der Hexe einen erbitterten Kampf lieferte, dann war es still. Sie machte die Augen langsam wieder auf. Vor ihr lag Jan mit einem schielenden starren Blick. Sie ließ ihre Augen ein Stück tiefer schweifen. Als sie erkannte, dass Jans Körper fehlte, begriff sie, dass nur sein Kopf neben ihr lag. Vor Schreck zuckte sie ein wenig zur Seite. Aber sie konnte ihren Blick nicht mehr von Jan nehmen und fing jetzt auch noch an zu weinen. Sie erstarrte aber plötzlich, als sie die Alte wieder heranschleichen sah. Sie beugte sich abermals über sie vor das Mondlicht, aber diesmal mit einem blutverschmierten Schwert. Sie holte aus. Durch den Wald ging ein Geflüster und Gelächter der Bäume. Dann war es auch für sie still.

Julia schreckte auf. Sie packte sich zuerst an den Kopf, um zu fühlen, ob ihr Kopf noch auf ihrem Hals saß. Dann verspürte sie diese Hitze. Schon wieder war sie schweißgebadet. Dieser Traum hatte sie noch vielmehr mitgenommen als ihre letzten. Eine Weile blieb Julia reglos im Bett sitzen und horchte auf die Geräusche der Nacht vor ihrem Fenster. Sie blickte auf die Uhr. Es war 2 Uhr und im ganzen Haus herrschte eine Totenstille. Ihr schossen alle Momente des Traumes durch den Kopf. Sie hätte ein Buch schreiben können, von dem, was sie noch wusste. Eines war klar: Sie wollte diese Träume so schnell wie möglich loswerden. Nachdem sie sich im Badezimmer frisch gemacht hatte, ging sie wieder schlafen und verbrachte den Rest der Nacht ohne Zwischenfälle.

Es war der Morgen des 27.04.2003 als Julia halb übermüdet aufwachte. Der Traum letzte Nacht hatte sie ganz schön mitgenommen. Sie hatte schlecht geschlafen, fühlte sich unwohl und hatte sogar ein wenig Angst. Sie war überglücklich, heute noch einmal Hilfe aufzusuchen und noch dazu war Jan dabei. Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Es war ihre Mutter: "Julia, jetzt aber ganz schnell raus. Es ist Viertel vor acht. Du kommst zu spät. Julia schreckte hoch und blickte auf den Wecker. Er war um 2 Uhr stehen geblieben. Egal was es war, sie hatte keine Zeit sich darauf zu konzentrieren, sondern sprang auf und zischte ins Badezimmer, um sich so schnell es ging fertig zu machen. Sie rief noch ihrer Mutter zu: "Ist Papa schon weg?" "Ja, der Flieger ging heute Morgen um 6 Uhr. Deswegen bin ich auch noch nicht ganz ausgeschlafen. Ich packe dir schon mal das Frühstück ein." In dem Moment klingelte es an der Haustür. Julia wurde plötzlich schwindelig und sie drohte umzukippen. Den Spiegel und ihr Bild darin sah sie nur noch verschwommen. Sie sah aber deutlich ihre Haustür und ihre Mutter die dorthin ging und über ihren im Gang vergessen Koffer stolperte. Sie schloss auf und wurde mit einem Ruck aus dem Haus gezogen. Dann folgte ein greller Schrei, der wie ein Hilferuf an Julia klang. Dann sah Julia wieder alles scharf und hörte sofort danach, dass ihre Mutter über den vergessen Koffer gestolpert war. Sofort rief sie ängstlich: "Nein, Mama! Mach nicht auf!" "Wieso nicht, Schatz?" Inzwischen hatte Marita schon durch den Spion geguckt. "Jan steht vor der Tür! Warum soll ich ihm nicht aufmachen?" Julia fühlte sich immer noch unsicher, aber es war Jan. "Ist schon OK!", rief sie nach unten und ihre Mutter schloss nachdenklich die Tür auf. "Guten Morgen, Marita.", sagte Jan freundlich. Er durfte sie schon lange duzen. Sie erwiderte ebenfalls: "Guten Morgen, Jan." "Ist Julia noch da?", fragte Jan und warf dabei einen flüchtigen Blick ins Haus. "Noch ist gut.", sagte Marita spöttisch. "Komm doch gerade rein. Sie hat verschlafen, aber wird wohl gleich fertig sein." Jan stand jetzt also im Flur herum und wusste absolut nicht was er machen, geschweige denn sagen sollte. Hin und wieder warf er einen Blick auf die Uhr. Es war jetzt 7.54 Uhr. Sie würden garantiert zu spät kommen, das war sicher. Noch dazu regnete es draußen und es war ziemlich windig. Endlich kam Julia die Treppe runtergehastet. "Morgen, Jan!", sagte sie und gab ihm im Vorbeigehen einen flüchtigen Kuss, bevor sie in die Küche hastete. "Morgen, Julia.", erwiderte er ihr hinterher in die Küche. Julia schnappte sich ihre Tasche und sagte ihrer Mutter noch: "Machs gut, Mama. Viel Spaß die nächsten Tage.", und gab ihr einen Kuss. "Dir auch viel Spaß. Möchte gar nicht wissen, was du währenddessen alles anstellst.", grinste sie. Jan sagte nur noch schnell "Tschüss" während er das Haus verließ. "Jan, tut mir Leid, dass du jetzt zu spät kommst wegen mir." "Ist schon OK. Ich hab ja schließlich freiwillig gewartet." "Aber ich war heute Morgen so müde. Ich hatte mal wieder einen Albtraum und selbst, als ich wach war." Julia berichtete Jan alles von der letzten Nacht. Sie war auch gerade fertig, als sie die Schule betraten. "Ich bin auch überglücklich, dass du heute mit mir zu dieser Beratung kommst. Ich hoffe, die wissen, was ich habe." Gleich heute war der schlimmste Schultag der ganzen Woche. Sie hatte eine Doppelstunde Deutsch. Die Zeit kroch nur so dahin. In der ersten Pause setzten sich Jan und Julia in die Mensa. Einige Zeit später kam Monika an ihren Tisch. "Ist hier noch frei für mich und meine Brieffreundin?" Julia überlegte erst, wie sie sie abwimmeln konnte, sagte dann aber doch: "Ja, setz dich." "Danke. Wisst ihr, meine Brieffreundin ist total nett und hilfsbereit." "Wie heißt sie denn?", fragte Julia. "Carolin. Ist ab heute neu bei uns. War vorher in einer Schule in Herford. Deswegen wollt ich euch bitten, ihr die Schule ein wenig zu erklären. Ich muss noch einiges mit Frau Boll besprechen. Ah, da kommt sie! Hei, Caro." Da war erst mal eine dicke Umarmung fällig. "Das sind Julia und Jan." "Morgen", sagten die beiden. Mehr als ein "Hei" brachte Carolin aber nicht heraus. "Die beiden werden dir jetzt die Schule noch ein wenig zeigen. Ich muss noch schnell weg." Monika bog wie der Wind um die Ecke zur Tür hinaus. "Ja, willst du anfangen, Jan?", schob Julia ab. "Na gut.", sagte er. "Das Wichtigste hast du bestimmt schon mitbekommen. Was du wissen musst, ist, dass die Schule um 8 Uhr anfängt und um 13.20 Uhr aufhört.", fügte er grinsend hinzu. Jan erläuterte noch ein paar mehr Dinge, die er als wichtig eingestuft hatte, bis es klingelte. "Und das bedeutet leider, leider, dass der Unterricht wieder beginnt. Die nächste Stunde war jetzt Chemie. Julia saß sonst immer alleine mit Jan an einem Tisch, aber jetzt baten sie beide, ob Carolin mit an ihrem Tisch sitzen wolle. Sie kannten zwar die Konsequenz daraus, nämlich dass Monika dann auch bei Carolin sitzen wollen würde, aber Caro war wirklich nett. Das hatte das Gespräch in der Mensa bereits ergeben. Als sie sich gesetzt hatten, trat ein Junge ins Licht und ließ einen Schatten auf den Tisch fallen, der ein Nichtbeachten nicht zuließ. Sie blickten auf und er sprach Caro an. "Wer bist du denn?" Julia kannte ihn bereits seit der 5. Klasse. Es war, so wurde er genannt, die "Petze Nr. 1". Eigentlich hieß er Tim. Caro war sehr schüchtern gegenüber Fremden und so sprang Julia ein. "Sie ist neu hier und heißt Carolin. Zufrieden?" Tim warf so einen strengen Blick auf ihren Mund. "Wer hat dir eigentlich erlaubt Kaugummi zu kauen?", rief er halblaut in die Klasse. Herr Heilos, der das mitbekommen hatte, sagte: "Spuckst du es bitte in den Mülleimer. Aber nicht einfach so. Erst in ein Tuch spucken. Ich liebe dieses Geräusch, wenn das Kaugummi dann unten "Plöpp" macht und man kann es nachher rauskratzen." Herr Heilos war gewiss nicht ihr Lieblingslehrer, aber er war ganz in Ordnung und immer zu einem Späßchen bereit. "Ich habe außerdem zwei erfreuliche Nachrichten für euch. Erstens haben wir eine neue Schülerin: Carolin Müller. Sie ist die Tochter von unserer Frau Müller. Also führt sie so gut wie möglich ein und ermöglicht ihr einen leichten Anfang. Und zweitens muss ich euch mitteilen, dass ihr bis zum Wochenende keinen Unterricht mehr bei mir habt. Ich bin auf Klassenfahrt. Sofort sprachen alle durcheinander. "Darf ich wieder um Ruhe bitten. Das ist ein Grund mehr, warum ich heute noch so viel, wie möglich schaffen muss, obwohl ich wirklich andere Dinge im Kopf hätte. Aber es ist mein Job." Den Rest der Stunde verbrachte Julia mehr damit, mit Caro zu quatschen, als dem Unterricht zu folgen. Herr Heilos wich auch ständig vom Thema ab und erklärte, was Rumänien für ein wundervolles Land wäre. Hätte er etwas über Neuseeland erzählt, hätte sie wenigstens noch aufgepasst. "Was hast du eigentlich für Hobbies?", fragte Julia. "Du meinst wohl "Hobbits".", mischte sich Jan ein. Julia musste lachen. Das war vor Monaten ein fataler Versprecher im Unterricht, mit dem Jan sie ständig aufzog. Statt "Hobbies" hatte sie "Hobbits" gesagt. Dabei mochte sie "Der Herr der Ringe" nicht unbedingt. Caro allerdings guckte ziemlich fragend, da sie den Witz nicht verstehen konnte. "Ähm, ich treffe mich gern mit Freunden, gucke gern Fernsehen und spiele gern PC oder gehe ins Internet. Ach ja, außerdem gehe ich gerne Shoppen." "Julia, bitte geh mit mir doch mal vor die Tür.", wandte Herr Heilos plötzlich ein. "Was ist denn jetzt los?", fragte Jan, während Julia aufstand und nach vorne schlich. "Ein wenig schneller, wenn ich bitten darf." Julia beschleunigte ihren Schritt. Sie ging zur Tür hinaus und Herr Heilos folgte ihr und ließ die Tür ins Schloss fallen. "Oh, ich sammle fast alles, was mit Fantasy zu tun hat, besonders mit "Herr der Ringe".", fiel Carolin ein. "Ist das dein Lieblingsfilm?", fragte Jan begeistert. "Na klar, deiner auch?" "Aber sicher! Ich würd mir so ziemlich alles kaufen, was mir in die Quere kommt, wenn das Geld da wäre." "Kenn ich nur zu gut. Aber bei HDR mach ich noch ne Ausnahme." In der Klasse brach eine riesige Unterhaltung los, die gerade erst in Gang kam, als Herr Heilos mit Julia wieder die Klasse betrat. "Julia, für den Rest der Stunde quatscht du kein Wort mehr. Ist das klar?" "Ja", entgegnete Julia lustlos. "Ich erzähle euch gleich, was passiert ist, falls ihr das hören wollt?" "Na klar, will ja wissen, was Herr Heilos heute auf der Seele brennt." Ungewollt wurde Julia den Rest der Stunde oft drangenommen, nachdem sich Herr Heilos dazu entschloss, sein Rumäniengeschwärme zu beenden und mit dem Unterricht zu beginnen. Da Julia kaum eine Antwort wusste, mangels Aufmerksamkeit, hatte sie zum Schulende ein wirklich schlechtes Gefühl, was ihre Noten betraf. Das war ihr jetzt aber auch egal. Sie hatte jetzt nur noch ihren Traum im Kopf, den sie so schnell wie möglich loswerden wollte. Vorher erzählte sie aber Jan und Carolin noch schnell, was sie mit Herr Heilos draußen vor der Tür gemacht hatte. "Das war voll seltsam. Herr Heilos hat mich zwei Minuten lang nur angestarrt und mir dabei tief in die Augen geschaut. Irgendeine Antwort hat er darin gesucht. Das hatte ich jedenfalls im Gefühl, aber ich weiß auch nicht wieso. Das klingt doch verrückt. Ich bin verrückt." "Quatsch, dafür gibt es bestimmt eine ganz logische Erklärung, obwohl diese schwer zu finden ist.", schoss Jan los. "Vielleicht.", antwortete Julia unsicher. "Dann wandte er den Blick von mir ab und sagte dann: "Wenn du nicht aufpasst, mein Fräulein, dann kannst du dem Unterricht nicht folgen. Ich weiß, dass du dich viel zu viel mit anderen Dingen beschäftigst, die für dich gar nicht gut sind. Und ich weiß ja nicht, ob du gerne Probleme bekommen möchtest.""Nun ja, das was ich meine, erlebt nicht jeder Schüler, nur ganz besondere Fälle und du bist ganz knapp davor. Also nimm dich in Acht!" Ich weiß nicht, was er damit gemeint hat, aber ich hab dann noch zur Ansprache gebracht: "Ich bin nie und nimmer die Schlimmste! Was ist mit Sören, der stiftet eigentlich die meiste Unruhe." "Du hast völlig recht, aber es gibt etwas Schlimmeres als Unruhe zu stiften, aber das kannst du nicht verstehen. Werd erst mal so ein Lehrer wie ich, dann wirst du sehen, was ich meine.", antwortete er dann. "Und jetzt komm wieder rein. Ich will weiter machen." "Mehr war da draußen nicht. Was das Anstarren wohl sollte?" "Der wollte dir bestimmt nur ne Heidenangst einjagen.", bemerkte Jan. "Kann schon sein, aber irgendwie war es etwas anderes, was er wollte." "Ich unterbrech’ euch jetzt nur ungern, aber ich muss zu meinem Bus." "Okay, geh nur. Bis morgen und ’nen schönen Tag noch." "Danke, dir auch." "Machs gut, Caro." "Am Besten gehe ich jetzt auch nach Hause. Ich muss schließlich noch kochen für mich. Möchtest du mitkommen? Irgendetwas werde ich schon zu Stande bringen.", fragte Julia. "Nein, danke. Mein Vater kocht heute für mich und meinen Bruder. Er hat uns etwas ganz Besonderes versprochen und da bin ich mal gespannt." "Okay, dann guten Appetit. Wann sehen wir uns denn dann nachher?" "Wann hast du denn deinen Termin?" "Ich hab gar keinen?" "Oh, das heißt für uns dann wohl länger warten, aber auch nicht schlimm." "Wie wär’s dann mit 15 Uhr? Ich denke, dann hat jeder gegessen." "Ist okay." "Dann bis 15 Uhr." Julia gab Jan einen kleinen Abschiedskuss und verflüchtigte sich über den Rathausplatz nach Hause. Ihr ging einfach nicht mehr der eindringliche Blick von Herr Heilos aus dem Kopf. Sie überlegte dauernd, warum er sie 2 Minuten lang angestarrt hatte und das ohne ein Wort zu verlieren. Nun war sie vor ihrer Haustür angelangt und kramte den Schlüssel aus ihrer Jackentasche. Sie trat zur Tür herein und fiel auf den Boden, weil sie über den unglücklich aufgestellten Besen stolperte. Sie erholte sich gerade wieder vom Sturz, als das Telefon klingelte. Julia stand schnell auf und hastete zum Hörer. "Hallo, Julia Brahms?" "Schatz, wie schön, du bist da." "Mama! Wie geht’s dir? Wie ist die Kunstausstellung?" "Also, erstens geht’s mir gut und zweitens ist diese Ausstellung nicht so, wie ich sie mir vorgestellt habe. Ich bin irgendwie enttäuscht. Jans Mutter ist auch hier. Mit uns sind außerdem nur 9 Künstler hier. Und der Vorsitzende scheint dem ersten UFO entsprungen zu sein. Also mit dieser Ausstellung werde ich bestimmt nicht berühmt. Und dabei geht das Ganze hier bis zum 1. Mai. Das alles wird schrecklich in die Länge gezogen. Wir besprechen jedes Bild mindestens drei Stunden. Und du wärst hellauf begeistert von unserer Unterkunft. Es gibt noch nicht einmal einen Fernseher. Ach ja, das Seltsamste fällt mir gerade ein. Alle Künstler, die ich angesprochen habe, kommen entweder aus der Umgebung von Herford oder der Umgebung von Thale. Ob das nur ein regionales Treffen ist?" "Na, dir scheint es ja nicht besonders zu gefallen dort.", unterbrach Julia sie endlich. "Ganz und gar nicht, wenn ich ehrlich sein soll. Ich hoffe, bald wieder zu Hause zu sein." Bevor sie weiterreden konnte, schoss Julia dazwischen: "Ich muss jetzt Schluss machen, Mama. Ich fahre gleich noch in die Stadt und muss vorher noch etwas essen." "Okay, Schatz, bestell deinem Vater auch schöne Grüße. Und viel Spaß noch zu Hause. Und bau mir bitte nicht das Haus um." "Ja, Mama. Bis bald." Julia hörte nur noch ein "Hu" ihrer Mutter, bevor das Freizeichen ertönte. Julia fiel jetzt der Briefkasten ein. Vielleicht hatte sie ja endlich einmal etwas gewonnen. Sie blätterte in der Eile durch die Briefe. Für sie war auch einer dabei. Julia steckte die anderen an den dafür vorgesehen Ort und riss den anderen auf. Tatsächlich, sie hatte etwas gewonnen. Sie las langsam die Beilage. "Julia Brahms hat eine Reise nach Cuxhaven gewonnen." So stand es zumindest im Brief. Aber Julia konnte sich überhaupt nicht erinnern, bei einem Gewinnspiel mitgemacht zu haben, indem man eine Reise gewinnen konnte. Aber gut, es schien wohl zu stimmen. Der Termin für die Reise war für den 31.4. angesetzt und das war schon in ein paar Tagen. Plötzlich hörte sie ein Rascheln in der Küche. Die eben weggesteckte Post war auf den Boden gefallen und hatte dabei eine Menge weiteren Papierkram mitgerissen. Sie blickte auf den Papierstapel auf den Boden und kniete sich nieder, um ihn aufzuheben. Da fiel ihr ein Brief auf, der an ihre Mutter adressiert war. Sie holte das Papier aus dem Umschlag und begann zu lesen. Es war die Einladung zu dieser Kunstausstellung. Sie bemerkte unheimlich viele Rechtschreibfehler, die für eine Einladung eigentlich unüblich waren. Julia dachte sich aber nichts dabei, packte den Brief wieder ein und hob den Stapel Papierkram auf den Tisch. Danach begab sie sich zum Kühlschrank und kramte sich eine Heißwurst mit Kartoffelsalat heraus. Sie holte einen schmutzigen Topf aus der Schublade, den ihre Mutter vergessen hatte, sauber zu machen. Sie spülte ihn schnell mit heißem Wasser aus und kochte darin dann die Heißwurst. Nach dem Essen warf sie einen Blick auf die Uhr. Es war 14.55 Uhr. Sie schreckte auf und schmiss sich in ihre Jacke. Langsam hasste es Julia, immer wieder zu spät zu kommen. Es war wie ein Fluch. Der Weg zur Bushaltestelle war glücklicherweise nicht ganz so weit. Sie rannte die Straße runter und konnte nun schon um die nächste Ecke Jan sehen, wie er ungeduldig wartete, da der Bus schon im Anrollen war. Julia legte einen Zahn zu und kam passend an, als der Busfahrer die Tür öffnete. "Hei, du bist aber früh." "Klappe.", sagte Julia locker. Julia suchte sich schon einen Platz, während Jan bezahlte. Am Bahnhof in Herford angekommen, machten sie sich auf den Weg in die Innenstadt. Nach einer Weile kam ihnen Moritz entgegen. "Hey, Jan." "Moritz, was machst du denn hier?" "Ich geh’ zu meinem Kumpel und brenn’ mir "Die Rückkehr des Königs". "Was brennst du dir denn?" "Das PC – Spiel." "Cool! Das muss ich unbedingt auch mal ausprobieren. Na, denn noch viel Spaß. Wir müssen dann weiter. Wir haben’s eilig." Sie gingen weiter in die Innenstadt und Moritz bog um die nächste Ecke in einen Hinterhof. Julia machte ihren Freund darauf aufmerksam, wo ihr Therapeut, falls man ihn so nennen konnte, seine Praxis hatte. Vom 4. Stock aus hatte man eine herrliche Aussicht auf Herford und den "Alten Markt". Das war ein Platz, wo sich viele Leute tummelten, ein Eis aßen oder einen Kaffee schlürften. Julia ging, wenn auch nun schon mit Widerwollen, gerade auf die Eingangstür des fünfstöckigen Hauses zu. Sie betätigte die Klingel von Dr. Bremse. Ein Surren ertönte und die Beiden betraten das Haus. "Möchtest du lieber Laufen oder Fahrstuhl fahren?", fragte Julia Jan. "Also ich persönlich bin heute so geschafft, dass ich lieber Fahrstuhl fahre." "Ist auch okay, hab ja nur gefragt." Julia drückte auf den Knopf und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Im Erdgeschoss angekommen schob eine Frau ihren Kinderwagen aus dem Fahrstuhl. Jan reagierte schnell und öffnete ihr die Eingangstür und hielt sie ihr offen. Julia stieg in der Zeit schon ein. "Halt mir bitte noch die Tür auf.", bemerkte Jan. Julia blickte auf die Schalter. Sie wollte gerade den Knopf drücken, als sie das Schild "defekt" daran bemerkte. "Jan, beeil dich. Ich kann die Tür nicht aufhalten." Sie hätte zwar gekonnt, aber es war ihr dann doch zu unsicher, sich zwischen die Türen zu stellen, da schon der Knopf defekt war. In dem Moment schlossen sich die Türen. Jan ließ die Tür gerade wieder zu fallen und versuchte noch den Fahrstuhl zu erwischen. Er handelte schnell und rannte einfach die Treppen herauf. Julia hatte noch keinen Knopf für das Stockwerk gedrückt und dachte jetzt daran, was sie tun würde, wenn sie jetzt wieder heraus wollte. Jetzt würde sie die Türen alleine doch nicht mehr aufkriegen. Ihr blieb also nichts anderes übrig, als alleine zu fahren und so drückte sie auf den 4. Stock. Jan wollte es sich jetzt aber nicht nehmen lassen, als Erster oben zu sein und fing an, ab dem 2. Stock die Treppen immer schneller hoch zu hasten. Julia stieg aus dem Fahrstuhl und bemerkte, wie Jan außer Atem ihr näher kam. "Geschafft", sagte er. "Wie er das wohl meint?", dachte sich Julia. "Komm jetzt! Du kannst doch nicht von den paar Treppen schlapp sein!", sagte Julia spaßig. "Wenn ich schon mal hier bin, kann ich auch einer Frau ohne Kinderwagen die Tür offen halten." Er öffnete ihr die Tür zur Praxis und wartete bis sie drin war. Sie bedankte sich freundlich. Die beiden gingen bis zum Empfang. Hinter dem Tresen hastete eine Frau eilig zum Telefon und nahm den Anruf an. Julia stellte sich hinter eine mittelalte Frau, die schon ungeduldig wartete. Jan stellte sich an den Rand des Ganges, nachdem er dem Doktor im Weg stand. Als Julia an der Reihe war, begrüßte sie die junge, freundliche Dame hinter dem Tresen. Julia erwiderte den Gruß, als schon wieder das Telefon klingelte. "Entschuldigen Sie mich bitte.", sagte die Frau. "Praxis Dr. Bremse, guten Tag?", nahm sie den Anruf entgegen. "Ja... natürlich... Im Moment ist es schlecht, aber wenn Sie in zwei Stunden kommen würden?... Ist auch okay... Wir haben ab acht Uhr geöffnet.... Etwa eine Stunde müssen Sie schon warten. Ist das okay?... Gut, Frau Drolch, bis morgen dann... Tschüss!", führte sie das Telefonat. "So, wo waren wir stehen geblieben?" "Ich bin Julia Brahms. Ich möchte gerne zu Doktor Bremse." "Haben Sie einen Termin?" "Nein, leider nicht." "Nun, Sie haben mit Sicherheit eben schon gehört, dass es heute sehr schlecht ist. Wir sind heute voll ausgebucht." "Ich konnte das erst kurzfristig entscheiden und wenn ich jetzt einen Termin machen würde, wäre es mit Sicherheit zu spät." "Wir hätten nächste Woche noch etwas frei." "Hm, es wäre schön, wenn es heute noch ginge." "Okay, weil Sie es sind. Ich kann aber nicht versprechen, dass der Doktor sie noch dazwischen nehmen kann. Es kommt ganz darauf an, ob wir noch etwas Luft zwischen den Terminen haben. Wir machen nur für besondere Fälle Ausnahmen." "Danke, wir warten gerne." "Wir?" "Ach so, ja, mein Freund ist auch mit." "Ach so, guten Tag.", grüßte die Frau hinter dem Tresen auch Jan. Jan grüßte im Vorbeigehen zum Wartezimmer ebenfalls. Julia wollte auch gerade gehen und den Platz für die mittlerweile zwei weiteren wartenden Patienten räumen, als ihr ein Mann ganz unauffällig auf den Rücken packte und seine Hand langsam heruntergleiten ließ. Sie drehte sich schnell um und blickte ihn ausgiebig an ohne ein Wort zu sagen und ging dann aus der Reihe. Jan hatte sich und Julia schon einen Platz im Wartezimmer gesichert. Julia betrat es und begrüßte die Menge, die fast die ganzen Stühle besetzte. Manche Leute grüßten laut und freundlich, mache leise und andere gar nicht zurück. Viele alte Leute blickten nur sehr verwundert auf, als wäre Julia ein Alien. Sie setzte sich neben Jan. Julia ließ ihren Blick durch das Wartezimmer schweifen und erblickte ungeduldig wartende Personen. Neben ihr war noch ein Platz frei und den besetzte auch prompt der Mann, der ihr eben über den Rücken strich. "Guten Tag, schöneß Fräulein. Wie geht´ß ihnen? Was plagen ßie denn für ßorgen?", sagte er flüsternd zu Julia. "Was wollen sie von mir?" Jan erblickte jetzt auch verwundert den Mann, der neben Julia saß. "Waß ich will, ißt meine ßache. Ich will dich bloß kennen lernen. Du gefällßt mir. Du bißt wunderschön. Von dir geht eine Lebenßkraft auß, die mich anzßieht. Komm mit mir!" "Du Julia, vielleicht sollten wir uns wo anders hinsetzten oder uns hinstellen.", unterbrach Jan. "Kommt gar nicht in die Tüte. Ich lass mich von so einem doch nicht unterkriegen. Sie können mir gar nichts und jetzt sind sie endlich mal still. Ich will nichts mehr von ihnen hören, außer wer sie sind." "Ich bin nicht wichtig. Dein Fehler ißt immer noch nicht verheilt. Daß tut mir Leid." "Sie sollten erst einmal ihren Fehler heilen!" "Waß für einen Fehler?" "Ich geb’s auf." "Ich hab keinen Fehler. Ich bin nicht deßwegen hier, ßondern wegen dir, schöneß Kind. Du bißt ßo schlank und groß und wunderschön." "Jetzt reicht’s aber!", riefen Jan und Julia gleichzeitig. "Ich ßetzße mich draußen an die Heizßung. Hier ißt eß mir zßu kalt und eß zßieht zßu ßehr. Nur fallß du mich ßuchßt, du..." Dann brach der sonderbare Mann ab, erhob sich und verließ das Wartezimmer. Bei jedem Schritt hob er seine Füße nur wenig vom Erdboden ab, sondern glitt vielmehr darüber, was bei ihm sogar ziemlich graziös und gekonnt aussah. Er war vollständig in schwarzes Leder gekleidet und seine Haut war glatt. Das hatte Julia gemerkt, als er versucht hatte ihre Hand zu nehmen, sie sie aber wegzog, Der Teil seines Kopfes, der nicht von einem Lederhut bedeckt war, war unbehaart. Von draußen hörten Julia und Jan jetzt, wie er versuchte sich bei der Frau am Empfang bemerkbar zu machen. Die beiden blickten sich verwundert an und dachten wohl das selbe. Ich habe das zuerst gar nicht verstanden und dann unsicher gefragt, was für Probleme er meine.

Julia und Jan saßen eine Weile still in den Stühlen und dachten nach. Besonders Julia machte sich immer noch Gedanken über diesen sonderbaren Mann, der sich jetzt halb auf die Erde gelegt zu haben schien. Dann aber unterbrach sie das Schweigen und fragte Jan: "Was hat euch dein Vater denn heute gekocht." Jan schreckte aus Gedanken auf: "Hmm? Ach so... mein Vater hat nichts gekocht. Er sagte, er käme mit dem Herd nicht klar. Deswegen hat er uns etwas von Mc Donalds mitgebracht. "Klar, und morgen geht’s dann wahrscheinlich nach Burger King...", spottete Julia. "Ich kann morgen ja bei dir essen." "Kannst du gerne tun, ob und was ich gebacken kriege, weiß ich aber nicht." "Was macht er denn jetzt?" Jan konnte von seinem Platz aus den Mann auf dem Flur hervorragend beobachten. "Wer?" "Ach, dieser komische Typ." Eine ältere Frau machte schon so große Augen, wie Jan sie noch nie gesehen hatte, vertiefte sich dann aber wieder in ihre Zeitung. Der Mann auf dem Flur stand an einer kopfhohen Zimmerpflanze und streichelte über ihre Blätter. Nach einer Zeit streckte er seine Zunge heraus, die merkwürdig lang war und leckte und tastete über verschiedene Stellen der Pflanze. "Würden sie bitte die Zimmerpflanze in Ruhe lassen?", sagte eine Arzthelferin. Der Mann tastete aber weiter. "Junger Mann?" "Bitte schön. Wenn man hier nicht mal ßeine Bedürfnißße befriedigen kann." "Am Besten ist es, wenn sie draußen warten, bis der Arzt da ist." "Ich bleibe hier!" "Dann benehmen sie sich gefälligst anständig!" Der Mann schlich zurück ins Wartezimmer und lächelte Julia freundlich zu. Sie tat so, als hätte sie es nicht bemerkt. Julia wusste absolut nicht, wo sie hingucken sollte. Auf keinen Fall wollte sie den Blicken des Mannes begegnen. Andere Leute wollte sie auch nicht anstarren. Also blickte sie dann die ganze Zeit zu Jan rüber, bis sie gerufen wurde: "Frau Brahms bitte..." "Julia und Jan standen auf und warfen einen flüchtigen Blick zu dem Mann, der jetzt in eine Tierzeitschrift vertieft war, sich dabei aber immer wieder über die Lippen leckte. Die Beiden gingen durch den langen Flur bis zu einem mit einer Glastür verschlossenem Raum. Dort begrüßte sie der Doktor mit einem kräftigen Händedruck. "Ich gehe noch schnell einmal hinaus. Ich bin gleich zurück.", sagte er. Eine Weile saßen Julia und Jan wieder Stumm in den Stühlen. "Oh Gott, jetzt bin ich furchtbar aufgeregt. Was soll ich ihm wohl gleich sagen?", dachte Julia bei sich. "Ich weiß, daß ßind wir alle.", ertönte die Stimme des verrückten Mannes durch den Lautsprecher. Als der Doktor die Türklinke ergriff, rief er zu seiner Assistentin: "Frau Normen, entfernen sie bitte diesen Mann aus meiner Praxis." Danach trat der Doktor ein. "So, da bin ich wieder.", sagte er zu Julia und Jan. "Setzt euch doch bitte." Die beiden setzten sich auf zwei Stühle, die so weich waren, wie Sessel. Der Doktor setzte sich auf einen anderen Stuhl vor die beiden, so, dass er Blickkontakt hatte. "So, wo brennt’s denn? Was ist euer Problem?" "Also, eigentlich ist es nur mein Problem. Mein Freund ist nur mitgekommen, um mir beizustehen.", meinte Julia. "Ich war mittlerweile schon bei vielen Therapeuten. Sie sind jetzt wahrscheinlich meine letzte Hoffnung, denn alle anderen konnte mir nicht helfen." Julia berichtete von ihrer Kindheit und dem, was sie damals erlebt hatte. "Und seit kurzem habe ich regelmäßig Alpträume, die immer intensiver werden. Sie werden immer schlimmer und länger. Ich beginne, immer mehr Details zu träumen. Heute morgen erst habe ich sogar mit offenen Augen geträumt. Ich stand im Badezimmer und plötzlich wurde mir schwindelig und ich wäre fast umgekippt. Es ist nicht eingetroffen, was ich gesehen habe, aber es war so real." "Ist überhaupt schon etwas deiner Träume wahr geworden?", unterbrach Doktor Bremse. "Bis jetzt noch nicht. Gott sei dank! Ich träume davon, dass mir, ich denke, es ist eine Hexe, mir den Kopf abschlägt. Und jede Nacht kommt das gleiche Szenario, wenn nicht noch ausführlicher." Julia weitete ihre Träume noch ein wenig aus. Dr. Bremse saß, das sah man ihm an, fast ratlos in seinem Stuhl. Als Julia fertig war, mit ihren Berichten sagte Dr. Bremse: "Ich muss dir ganz ehrlich sagen, dass ich ratlos bin. Ich könnte dir jetzt sagen, was dir sicherlich schon die anderen Ärzte gesagt haben. Aber ich denke, das willst du nicht hören, weil es dir nichts gebracht hat. Habe ich Recht?" "Ja. Andere Ärzte haben mir gesagt, ich solle an etwas schönes denken. Dann habe ich an Jan gedacht, aber ihm wurde dann auch der Kopf abgeschnitten. Und ich habe Angst davor, dass diese Träume wahr werden." "Ich kann dir versichern, dass das ziemlich unwahrscheinlich ist. Wenn diese Träume aber schlimmer werden, musst du dich dieser Gefahr stellen. Wenn du erkennst, was dir den Kopf abschlägt, solltest du dich informieren, warum es das tut? Es muss ja schließlich einen Grund geben, warum dir ausgerechnet eine Person etwas antut. Überleg, ob du irgendwelche Feinde hast, vor denen du Angst hast oder ob du irgendwelche schlechten Erfahrungen gemacht hast. Du musst dich in jedem Fall so viel wie nur irgendwie möglich mit dem Traum auseinander setzen und ihn in dein Leben einbeziehen. So einen unlösbaren Fall wie dich hatte ich noch nie. Ich hoffe ich war dir wenigstens eine kleine Hilfe." "Sie waren auf jeden Fall eine gute und haben mir zumindest keine Standardratschläge gegeben, sondern ein paar besondere." "Es kann auch gut sein, dass die Träume schon morgen aufhören, so schnell wie sie begonnen haben." "Ich danke Ihnen, Dr. Bremse." "Ich auch.", meinte Jan. "Ist doch selbstverständlich. Und bitte ruf mich an, wenn es noch ein Problem oder eine Frage gibt. Ich habe immer Zeit." Dr. Bremse stand auf und reichte Julia die Hand. Julia und Jan verabschiedeten sich freundlich. Als sie zur Tür hinaus waren, ließ Dr. Bremse sich zurück in seinen Stuhl fallen und verlor sich in Gedanken. Unten in der Einkaufsstraße schlurften Julia und Jan an ein paar Schaufenstern vorbei. "Denkst du, dass dir diese Vorschläge helfen werden?", fragte Jan. "Ich hoffe es zumindest. Es ist meine letzte Chance und ich hoffe, dass Dr. Bremse recht hat, dass die Träume wieder aufhören." "Ich helfe dir auf jeden Fall so gut ich kann, wenn du mehr über diese Träume erfahren willst. Ich werde dir folgen und dich immer begleiten, egal wohin.", tröstete Jan. "Das ist lieb." Ein paar Schaufenster weiter trafen sie Carolin, die gerade aus einem Laden kam. "Hey, Caro!", rief Julia. "Was machst du denn hier?" "Mein Hobby "Shoppen gehen" ausüben!", antwortete Caro. "Und was macht ihr hier?" "Ach, ich war bei so einer Therapie, wegen meiner Träume. Willst du uns begleiten? Wir wollen auch noch durch ein paar Läden stöbern." "Klar, kann ich machen. Hab aber noch ’nen Termin. Da muss ich nachher hin." "Wenn ich fragen darf, was ist das für ein Termin?" "Ähm... meine Eltern sind in einem Verein und die haben eine Sitzung. Meine Eltern haben mir gesagt, dass ich auch kommen muss, weil mich das mittlerweile auch etwas angeht. Genaueres über diese Sitzung weiß ich auch nicht. Aber ich begleite euch gerne. Ihr seid beide sehr nett." "Na dann kann’s ja losgehen." "Solange es kein Modegeschäft ist...", sagte Jan. "Bloß nicht!", sagten beide von modesüchtigen Müttern geplagten Mädchen. "Worauf warten wir dann noch?", meinte Jan. Die drei stürmten in den nächsten Buchladen. Jan und Caro blockierten die Abteilung für den "Herrn der Ringe", während sich Julia Bücher über "Schalke 04" anschaute. Sie selbst hasste "Schalke" wie die Pest, aber ihre Brieffreundin Katharina war ein großer Fan und die hatte bald Geburtstag. Direkt neben Julia stand Herr Heilos, den Julia erst erkannte, als er sich zu ihr umdrehte. "Ach, guten Tag, Herr Heilos." "Hallo, Julia." "Gehen sie schön einkaufen?", fragte Julia. "Nicht direkt. Ich muss heute zu einer Versammlung, bin aber etwas zu früh dran." Einen Moment starrten beide auf irgendein Buch, weil niemand wusste, was er sagen sollte. "Entschuldige mich, ich muss ganz schnell raus." Herr Heilos ging in schnellem Schritt vor die Tür. Draußen stand ein Mann, der Fensterscheibe mit dem Rücken zugewandt, mit dem sich Herr Heilos unterhielt. Der Mann versuchte Herr Heilos über das Gesicht zu lecken. Herr Heilos wehrte ihn mit einer Ohrfeige ab. Daraufhin drehte er sich zur Scheibe um, erblickte Julia und drehte sich sofort wieder um. Julia erkannte in diesem kurzen Moment den Mann aus der Praxis, der mit dem Sprachfehler. Nach einer kurzen Zeit kam Herr Heilos wieder rein, blickte Julia einmal kurz und grimmig an, schnappte sich dann ein Buch und ging es bezahlen. Jan kam jetzt auch zu Julia. "Das ist doch Herr Heilos." "Ja, aber er ist heute ziemlich komisch." Danach verließ er das Geschäft. Der Mann aber blieb vor der Scheibe stehen und schaute sich die Bücher an. Julia, Jan und Caro schauten sich noch kurz um und verließen dann das Geschäft. Daraufhin drehte sich auch der Mann weg und begann den Dreien langsam und mit seinem schlurfenden Schritt zu folgen. In der Fußgängerzone war es ziemlich voll und so verlor Julia einige Male den Blickkontakt zu dem Mann, aber sie fingen langsam an, ihn abzuhängen. "Hier, schaut euch das an. Hier muss ich unbedingt gucken.", sagte Caro als sie ein "Herr der Ringe" – Puzzle in einem Schaufenster erblickte. "Können wir nicht weitergehen? Ich möchte gerne nach Hause. Ich bin schlapp." "Bitte, nur noch schnell hier gucken, ja?", bettelte Caro. "Du musst ja nicht mit rein, wenn du nicht willst.", meinte Jan. "Auf keinen Fall! Ich komme mit rein!", sagte Julia ängstlich auf die Fußgängerzone schauend. Sie betraten das Geschäft, aber Julia sagte: "Ich bleibe aber hier unten.", und stellte sich daraufhin ganz nah an die Kasse. Der verfolgende Mann hielt vor der Tür an und betrat dann das Geschäft. Er stellte sich ganz nah zu Julia und zwinkerte ihr zu. Nach einer Weile fing er an, ihr wieder auf den Rücken zu fassen und seine Hand heruntergleiten zu lassen. Julia zuckte zusammen, zeigte aber keine Reaktion mit ihren Augen, sondern blickte verzweifelt weiterhin auf einen Punkt im Raum. "Haßt du Angßt, schöneß Kind?" Julia antwortete nicht. "Komm mit mir. Ich werde dir nichtß tun. Du bißßt bei mir ßo ßicher, wie ßonßt keiner. Ich werde dich vor ihnen beschützßen." Julia konnte nicht mehr anders, als ihren Blick auf den Mann zu richten, blieb aber hängen, als sie Herr Heilos wieder auf der Straße erblickte. Er stand auf der anderen Seite, blickte aber genau in das Geschäft, in dem sie war. Als er ihren Blick sah, wandte er sich ab und ging schnell weiter. Julia ließ ihren Blick weiterschweifen bis sie dem Mann genau in die Augen schaute. "Ich ßehe dich ßo gerne. Du bißt ßo… Ich mußß dich mitnehmen, versteh doch. Ich brauche dich, mon chéri, mon petit rat." "Verschwinden Sie!", rief Julia. Darauf hin schaute die Verkäuferin an der Kasse auf und der Mann begab sich mit widerwollen zur Tür zurück. Beim Hinausgehen warf er einen finsteren Blick auf Julia. Kurze Zeit darauf kamen Jan und Caro die Treppe heruntergestiegen und Julia konnte man eine Erleichterung anmerken. "’tschuldige, hat etwas länger gedauert.", sagte Jan. "Halb so schlimm.", log Julia. Auf ihrem Weg kamen Sie nach einiger Zeit an einem Cafe vorbei. "Habt ihr Lust einen Kaffee oder eine Schokolade zu schlürfen?", fragte Jan. "Also ich schon. Ich könnte jetzt was vertragen.", meinte Julia. Es war schließlich April und an den verregneten Tagen, wie heute, etwas kälter. "Tut mir Leid. Ich würde schrecklich gerne etwas trinken, aber es ist schon zu spät. Ich muss jetzt zu dieser Versammlung. Mein Vater hat gesagt, ich darf auf keinen Fall zu spät kommen. Sonst könne das für mich gefährlich sein. Fragt mich nicht, was er damit meint, aber gut.", schob Carolin hinterher. "Dann mach’s gut, Caro. Hat Spaß gemacht mit dir.", meinte Julia wieder. "Und noch viel Spaß bei der Versammlung.", ergänzte Jan. "Danke. Mit euch hat’s auch Spaß gemacht. Sollten wir öfters mal machen." Caro verließ die beiden und ging wieder zurück zum "Alten Markt", über den sie gekommen waren und bog dort in eine schmale Gasse. Jan und Julia wandten sich der Eingangstür des Cafes zu. "Ich zahle!", meinte Jan, als sie eine Tasse Schokolade bestellt hatten. Julia gab nach, weil es sich nicht lohnte zu diskutieren. Sie setzten sich an ein Fenster, durch das die Sonne hereinschien. Julia blickte hin und wieder auf die Fußgängerzone und beobachtete die Menschen, die dort vorbei gingen. Sie erblickte wieder diesen Mann, der sie wohl zu verfolgen schien. Er schaute sich einige Zeitschriften an und wechselte dann zur anderen Seite über, um sich Mode anzuschauen, bis er wieder zu den Zeitschriften ging. Zwischendurch warf er ein paar Blicke ins Cafe und auf seine Uhr. Mit der Zeit blickte er immer öfter darauf und schien ungeduldig zu werden. Irgendwann hastete er dann in Richtung "Alter Markt". Nachdem Julia und Jan die Schokolade ausgetrunken hatten, verließen sie das Cafe. "Was meinst du? Wollen wir nach Hause fahren?", fragte Jan. "Können wir, wenn du nichts mehr gucken willst?" "Nicht das ich wüsste. Okay, dann lass uns losgehen." Die beiden gingen den Weg zurück, den sie gekommen waren. Julia warf einen Blick in die Gasse, in die Caro gebogen war. Plötzlich hörte sie Stimmen. Sie konnte ihre Neugier nicht stoppen und ging ein Stück weit hinein, bis sie eine alte verlassene Kneipe sah. Die Tür stand einen Spalt weit offen. Eine Stimme wurde lauter, bis sie in Schreie ausartete: "Nein! Daß könnt ihr nicht mit mir machen! Ich hol ßie euch, aber laßßt mich. Ich will nicht!" Ganz klar war das die Stimme des verrückten Mannes. "Laßßt mich hier! Ich werde euch immer dienen. Hilfe! Nein! Hört... ßßßßßßßßßßßßßß!", sprach er weiter. Die Tür ging ein Stück weiter auf. Julia konnte draußen nichts erkennen, sah aber deutlich die Personen in dem hellerleuchteten Haus. Sie erblickte Caro, wie sie geschockt in einem Kreis zusammen mit den anderen stand. Als sie zur Tür hinausblickte und Julia sah, verließ sie den Kreis und setzte sich in eine dunkle Ecke, in der ihre Konturen verschwanden. Jan war nicht ganz in die Gasse mitgekommen, sondern wartete ein Stück weit hinter Julia. Sie kehrte zu ihm zurück und die beiden machten sich wieder auf den Heimweg. "Was war los?", fragte Jan. Julia berichtete ihm, was er gesehen hatte. Sie verließen bereits wieder den "Alten Markt", als eine Frau grell aufschrie: "Iiiiih! Eine Schlange!" Danach fingen noch weitere Leute zu schreien und zu quieken an. Julia und Jan blieben geschockt stehen, weil sie eine eigentlich unmögliche Befürchtung hatten. Dann sahen sie, wie ein großer Mann auf den "Alten Markt" gerannt kam. "Ich muss mich vielmals entschuldigen! Es ist meine. Sie ist mir ausgebüchst. Ich hoffe sie hat sie nicht zu sehr erschreckt!" "Der Stimme nach zu beurteilen ist das Herr Heilos.", dachte Julia sich. "Ist das wohl möglich, dass das da drüben Herr Heilos ist?", fragte sie dann öffentlich. "Meinst du? Aber er wohnt doch gar nicht hier. Warum sollte ihm dann eine Schlange entlaufen sein." "Hast du eben nicht auch gedacht, dass das der Mann von vorhin wäre?" "Schon, aber das ist doch unmöglich. Besonders, weil jetzt ja der Besitzer angerannt kam." "Vielleicht gehört er auch zu dieser Versammlung." "Ich weiß nicht... Du hast ja nicht gesehen, was sie mit dem komischen Mann gemacht haben. Sie haben sich bloß gestritten." "Du hast wahrscheinlich recht.", gab Julia nach. Der Schlangenbesitzer hing sich die Schlange über die Schultern. "Was ist das für eine?", fragte ein interessierter junger Mann. "Ähm... wissen Sie... das ist eine grüne Mamorschlange." "Interessant! Wo haben Sie sie her? Ist mir völlig unbekannt!" "Im Ernst? Die hier habe ich aus meinem Peru-Urlaub mitgebracht. Ist dort sehr bekannt. Die Menschen dort erzählen sich Legenden darüber." "Ist ja höchstinteressant! Und ich dachte, ich wüsste alles über Schlangen. Bitte rufen Sie mich doch mal an. Dann können wir uns genauer über dieses prachtvolle Exemplar unterhalten. Hier ist meine Visitenkarte." "Machen Sie’s gut." Die Schlange versuchte mittlerweile sich fest um den Hals des Trägers zu schnüren. Er hielt sie aber mit aller Kraft davon ab und ging in die dunkle Gasse. "Sehr eigenartig!", meinte Julia. "Wird halb so schlimm sein. Es gibt bestimmt für alles eine irgendwie logische Erklärung.", antwortete Jan.

Später an diesem Abend setzte sich Julia vor den Fernseher und schaute sich noch den Film "Dracula" mit Christopher Lee an. Sie war natürlich als Buffy-Fan an allen anderen Vampirsachen auch interessiert. Da sie morgen wieder Schule hatte, ging sie um 23 Uhr ins Bett und schlief ziemlich schnell ein.

Nach einiger Zeit schreckte sie auf und riss ihre Augen weit auf. Julia wusste, dass sie dieses Mal nicht geträumt hatte, aber hatte keine Ahnung, warum sie aufgewacht war. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war 2.22 Uhr. Sie ging nach unten, um sich einen Schluck Wasser zu gönnen. Julia wollte sich noch einmal vergewissern, wie spät es war und blickte auch auf die Küchenuhr, während sie sich ein Glas nahm. Diese Uhr zeigte 2.20 Uhr an. "Die muss ich morgen mal stellen.", dachte sie sich und stieg die Treppe wieder herauf. Als sie auf die Stufen blickte, sah sie Bluttropfen, die bis zur Haustür eine Spur bildeten. Sie stolperte über eine Stufe und fing sich gerade noch. Das Wasser schwappte über den Glasrand. Julia warf wieder einen Blick auf die Stufen, konnte aber nichts erkennen. Die Stufen waren sauber, so wie immer. Nachdenklich stieg sie weiter hinauf. Sie warf jetzt noch mal einen kontrollierenden Blick auf ihren Wecker, der die Zeit 2.16 Uhr anzeigte. Julia war aber viel zu müde, um sich daran zu stören und schlief schnell wieder ein.

Nach einiger Zeit schreckte sie auf und riss ihre Augen weit auf. Sie wusste, dass sie dieses Mal nicht geträumt hatte, aber hatte keine Ahnung, warum sie aufgewacht war. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war 2.00 Uhr. Sie ging nach unten, um sich einen Schluck Wasser zu gönnen. Julia wollte sich noch einmal vergewissern, wie spät es war und blickte auf die Küchenuhr, während sie sich ein Glas nahm. Diese Uhr zeigte 2.01 Uhr an. Plötzlich nahm sie ein Kratzen auf dem Dach wahr und ein Klopfen an der Jalousie vor dem Küchenfenster. An der Haustür rief Jemand ihren Namen. Julia vernahm diesen Ruf als Pflicht, die Tür zu öffnen. Sie musste noch einmal auf ihre Uhr schauen. Mittlerweile war es 2.05 Uhr. Als sie aber den Riegel berührte, hatte sie Angst, einfach so die Tür zu öffnen. Es war schließlich spät und es hätte jeder draußen stehen können. Sie wusste, dass sie jetzt auf keinen Fall aufmachen durfte. Weiterhin ertönte von draußen ihr Name. Julia drehte sich aber zur Wand und blickte auf ein Buffy-Poster, dass sie im Flur hatte aufhängen dürfen. Die Sekunden kamen ihr wie Stunden vor. Ihre Uhr zeigte erst 2.06 Uhr und das rufen wurde immer eindringlicher. Sie musste sich angestrengt zurückhalten, um nicht die Tür doch noch aufzumachen. Julia ging zurück in die Küche, um das Rufen nicht mehr so laut wahrnehmen zu müssen. Hier zeigte die Uhr bereits 2.16 Uhr. Ihre Armbanduhr war also ganze neun Minuten im Rückstand. Hin und wieder klopfte es noch an der Jalousie, das immer eindringlicher und lauter wurde. Es war vielleicht zwei Minuten später, als Julia einen grellen Schrei aus einem der oberen Zimmer wahrnahm. Es klang nach ihrer Mutter, wie sie um Hilfe schrie. Sie rannte so schnell wie möglich los. Anstatt die Treppe hinauf, um ihrer Mutter zu helfen, rannte Julia aber aus der Haustür hinaus. Als die Haustür ins Schloss gefallen war, war ihr klar, was sie getan hatte. Auf dem Boden waren Blutspuren zu sehen. Sie drehte sich zur Straße und sah dabei die Zeit der nahegelegenen Apothekenuhr. 2.19 Uhr zeigte sie an. Julias Verstand schaltete sich ab, als sie den Blick weiterschweifen ließ. Die Leiche ihrer Mutter lag mitten auf der Straße. Darüber war eine junge, hübsche Frau gebeugt. Plötzlich fand sich Julia auf der Straße wieder. Kurz vor dem Wald, der dunkel und finster war. Die Apothekenuhr war immer noch in Sichtweite und zeigte bereits die Zeit 2.25 Uhr an. Julia bemerkte, wie sich die junge Frau näherte. Julia nahm den Ruf von Jan wahr, der aus dem Wald ertönte. Dann schrie er auf. Die Frau ereichte Julia fast schon und löste sich dann in nichts auf. Ein grelles Quietschen ertönte zur gleichen Zeit am Waldesrand.

"Pass doch auf!", regte sich ein aufgebrachter Mann auf. Julia ignorierte ihn und blickte an die Straßenecke. Sie erkannte einen Schatten, der zusammenschrumpfte und in den Wald kroch. Julia schreckte auf, als sie wahrnahm, dass sie sich auf der Straße befand. Sie ließ ihren Blick ins Runde schweifen. Zuerst erkannte Julia die Apothekenuhr, die als Zeit 2.00 Uhr anzeigte. Sie schaute in Richtung Wald und hörte aus ihm die Schreie einer Person, wie bei einem Streit. Ihr Blick fiel dann auf den Boden. Auf der Straße erblickte sie dicke schwarze Reifenspuren, denen sie folgte, bis sie zu einem vor einen Baum am Waldrand gesetzten Auto kam. Irritiert schaute Julia dann hoch und sah einen jüngeren Mann. Dieser stand mittlerweile verwundert, aber immer noch aufgebracht da. "Schau dir an, was du angerichtet hast!", meckerte er Julia an. "Wo bin ich?" "Was für eine dämliche Frage! Mitten auf der Straße natürlich!" "Das sehe ich. Aber es ist zwei Uhr und um zwei bin ich in meinem Haus aufgewacht und hab’ auf den Wecker geschaut. Mein Haus ist nur ein kleines Stück weit weg von hier. Deswegen frag’ ich mich, was ich hier mache?" "Schwachsinn reden, natürlich.", meinte der Mann auslachend. "Hören sie mal zu! Ich glaube mir selbst nicht. Es ist aber so!" "Das ändert alles nichts an der Tatsache, dass mein Auto kaputt ist. Ich hätt’ dich auch überfahren können. Mitten auf der Straße stand sie!", sagte er zu sich. "Ich bin wohl schlafgewandelt. Ich weiß echt nich’, wie ich hier her gekommen bin." "Das wird die Polizei klären. Irgendjemand muss mir den Schaden ersetzen."

Nach zwei Stunden auf dem Polizeirevier wurde Julia zurück nach Hause gebracht. Ein Beamter stieg mit aus, um Julia die verschlossene Tür zu öffnen, aber sie war offen. "Sie ist doch offen. Du sagtest doch, du hättest dich ausgesperrt und wolltest wieder rein.", meinte der Wachtmeister. "Ich weiß nicht mehr, was wahr oder falsch ist.", sagte Julia. "Bitte tu das, was wir dir geraten haben. Das darf nicht noch mal passieren. Gute Nacht und pass auf dich auf!", sagte der Polizist freundlich. Nachdem Julia die Tür geschlossen hatte äffte sie den Beamten nach: "Begeben Sie sich bitte in eine Therapie gegen Schlafprobleme. Sie müssen etwas gegen ihre Träume tun. Sie werden Ihnen sonst noch zum Verhängnis!" Julia fügte noch lächerlich machend hinzu: "Ach ne! Sollt’ ich vielleicht mal probieren! Könnte ja helfen!" Danach legte sie sich wieder schlafen. Den Rest der Nacht verbrachte sie ohne weitere Zwischenfälle.

Am nächsten Morgen fiel das Sonnenlicht grell auf ein Buffy-Poster an der Wand. Es war so hell, dass Julia langsam ihre Augen aufmachte. Als sie sich an das grelle Sonnenlicht gewöhnt hatte, griff sie nach ihrem Wecker, um zu sehen, wie spät es war. Fast im gleichen Moment schmiss sie ihre Decke zur Seite und richtete sich blitzschnell auf. Es war bereits 8.30 Uhr und Julia hatte schon fast die erste Stunde verpasst. Blitzschnell machte sie sich fertig und wieder einmal war sie zu spät. Diesmal nahm Julia sich aber das Fahrrad für ihren Schulweg. Ihre Mutter musste es ja nicht wissen, dass sie doch das Fahrrad zur Schule genommen hatte, aber sie wollte nicht auch noch zur zweiten Stunde zu spät kommen. Sie nahm an der Kreuzung einem Autofahrer die Vorfahrt und zischte um die Ecke. Sie kettete das Fahrrad gut am Ständer fest und rannte dann geradewegs die Treppen im Oberstufenhaus ihrer Schule hinauf. Kurz vor der Tür verlangsamte sie ihren Schritt und klopfte an die Tür. Ihre Lehrerin, Frau Müller, machte auf. "Ah, guten Morgen, Julia. Da bist du ja endlich. Du hattest Glück. Eigentlich wärst du heute mit deinem Referat dran gewesen, aber jetzt ist es auch schon zu spät." Julia schnaufte glücklich tief durch. "Fahr bitte fort, Jan." Julia grinste, dass ausgerechnet Jan an ihrer Stelle dran war. Als Julia sich auf ihren Platz gesetzt hatte, fiel Monika über sie her. "Monika, sei bitte still." "Weibergequatsche.", fiel Sören dazwischen. "Und du erst recht!", schimpfte Frau Müller. "Blah, blah!", sagte Sören. "Entschuldige mich einmal kurz, Jan. Sören, würdest du einmal mitkommen?", sagte Frau Müller freundlich, aber mit einem Lächeln. "Natürlich, Madame Müller!", machte er sich lustig. "Puh, keine Hausaufgaben!", dachte Julia sich, weil Frau Müller wieder die Hälfte des Referats verpassen würde. "Fahr derweil schon mal fort, Jan.", sagte Frau Müller, bevor die Tür ins Schloss fiel. Alle in der Klasse waren ganz still, um zu hören, was Frau Müller sagte: "Wir beiden gehen jetzt zum Direktor, Sörilein!" "Hören sie bloß auf, mich Sörilein zu nennen.", beschwerte sich Sören. "Zu Herr Heilos? Das wird lustig.", meinte Monika. Ganze zehn Minuten waren vergangen, als Frau Müller und Sören wieder in die Klasse kamen. Da Jan schon mit seinem Referat fertig war, herrschte eine Unruhe. Basti bekam die Türklinke in den Rücken, als Frau Müller schwungvoll die Tür öffnete, weil er gerade an den Mülleimern stand. "Entschuldigung, Basti.", sagte Frau Müller. "Halb so wild.", lenkte er ab, hielt sich aber auf dem Weg zum Platz die Hand an seinen Rücken. "Also, keinen Ärger mehr, Sören." "Nie wieder, ich verspreche es." "Okay, Kinder. Ich muss heute ausnahmsweise mal früher weg. Ich hab noch was Wichtiges zu besprechen. Hausaufgaben gibt es heute keine. Bitte bleibt aber noch im Raum, damit die anderen Schüler nicht gestört werden, sonst muss ich euch doch noch eine Aufgabe verpassen. Irgendetwas wird mir da dann schon einfallen. Also bitte nur leise unterhalten und am Besten bleibt ihr auf euren Plätzen." Nachdem Frau Müller die Klasse verlassen hatte, sprangen die meisten der Schüler von ihren Sitzen auf und unterhielten sich lautstark oder machten Unsinn. Nach wenigen Minuten des Schweigens fing Julia auch an zu sprechen. Monika hatte schon lange begonnen auf sie einzureden, aber sie hatte es einfach ignoriert. Nach einer gewissen Zeit hatte selbst Monika eingesehen, dass das nichts bringt. "Ich muss mal wohin.", sprach Julia Jan an. "Jetzt?" "Warum nicht? Uns sieht ja keiner. Wir sind schließlich Oberstufenschüler. Wir dürfen das!" "Okay, wenn du das sagst. Dann lass uns mal losgehen." Die anderen Schüler waren so sehr mit Unterhalten beschäftigt, dass sie gar nicht mitbekamen, dass Julia und Jan dabei waren, den Raum zu verlassen. Den meisten war das eh egal, aber ein paar anderen nicht. Ausgerechnet Sören, der sonst nur Quatsch gemacht hatte, meckerte plötzlich los: "Wo wollt ihr denn hin? Frau Müller hat gesagt, dass wir den Raum nicht verlassen dürfen. Und was denkst du, warum sie das gesagt hat?", wendete er sich dann an Julia, mit der er sich nicht sonderlich gut verstand. "Sei einfach ruhig, Sören. Du wärst auch gegangen, wenn du auf Toilette müsstest." "Wenn ihr geht, muss ich das Frau Müller melden!" "Du machst gar nichts." "Ihr werdet schon sehen. Ich dürft diese Klasse nicht verlassen! Das hat Frau Müller gesagt." "Na und? Komm, wir gehen!", sagte Julia zu Jan und schob ihn zur Tür raus. "Scheiße!", murmelte Sören zu sich. "Warte dann hier unten auf mich.", sagte Julia zu Jan, bevor sie in das Mädchenklo ging. Als Julia fertig war ging sie auf den breiten Schulflur, aber Jan war nicht in Sicht. Da noch Unterricht in den anderen Klassen war, war es ziemlich ruhig, aber Julia hörte auch laute Stimmen aus anderen Klassen, die wohl, genau wie sie, keinen Unterricht mehr zu haben schienen. Die normale Umgebung unterbrachen plötzlich lautere Stimmen aus dem Lehrerzimmer. Julia wunderte sich sehr, besonders weil Frau Müller sehr häufig das Wort ergriff und von allen anderen am lautesten sprach. Sie wusste nicht wieso, aber sie war an dem Gespräch interessiert und ging langsam zum Lehrerzimmer. Jan, der aus dem Klo kam, erkannte sie gerade noch, bevor sie um die Ecke verschwand. "Julia, warte. Wo willst du hin?" "Psst.", unterbrach sie ihn. "Was ist?" "Ich muss hören, was sie sagen." Julia stellte sich an eine Ecke hinter der Tür, die geschlossen war. Im Raum sprachen viele Lehrer durcheinander. Die Stimmen von Herr Heilos und Frau Müller waren deutlich herauszuhören, aber auch Frau Boll, ihre Musiklehrerin ergriff das Wort. "Eine Lehrerkonferenz, ja und?", sagte Jan. "Die sprechen über was anderes." Julia hörte genauer auf die Stimmen und auch Jan horchte genauer. "Gestern habt ihr ja alles gründlich vermasselt! Wir haben keine Zeit mehr! Sie weiß es! Und ihr macht so einen Blödsinn! Ich hätte euch das niemals anvertrauen sollen!", schimpfte Frau Müller. "Was hätten wir denn tun sollen? Sie ist nicht dann aufgewacht, wann wir es beabsichtigt hatten.", warf Frau Boll ein. "Ja und? Das hätte man doch regeln können. Ich hätte euch nicht so etwas Kompliziertes, wie die Zeit anvertrauen sollen. Ihr kommt damit einfach nicht klar, sie zu bestimmen!" "Wir haben alles versucht, aber es hat nicht geklappt!", sagte Herr Heilos. "Unsinn! Bei mir hätte alles geklappt! Ihr seid einfach zu dumm dazu. Wenn ihr nicht einmal die Zeit beherrscht, kommt ihr hier nicht weit. Bei ihm kann ich’s ja noch verstehen. Sein Geschlecht war schon immer dumm. Hier steht der Beweis." "So was lass ich mir nicht bieten!", antwortete Herr Heilos. Solche Ausdrucksformen kannte Julia von Frau Müller noch gar nicht. "Aber Frau Boll? Von Ihnen hätte ich wirklich mehr erwartet, Frau Boll." "Ich bin noch zu jung. Ich kann’s noch nicht." "Schon gut. Wir haben ja noch eine Chance! Und diesmal wird sie nicht vermasselt! Ist das klar? Das gilt auch für dich, du feiger Kriecher!" "Waß hab ich denn gemacht?" Julia schreckte auf, als sie die Stimme des verrückten Mannes hörte. "Nächstes Mal fangen wir sie! Kein Erbarmen! Ich hab auch schon eine Idee!" In dem Moment kam Caro ziemlich schnell um die Ecke. "Ach, da seid ihr ja. Julia, kommst du mit auf Klo?" "Ich war gerade.", sagte sie abweisend. "Trotzdem, bitte komm mit." Als Julia sich nicht bewegte, ergriff Caro ihren Arm und schleifte sie hinter sich her. Mit widerwollen ging sie mit und auch Jan ging hinterher. Er hatte sowieso nichts von dem verstanden, was eben besprochen wurde. Jan ging aber dieses mal schon hoch in die Klasse. Als Julia und Caro vom Klo kamen, sagte Caro: "Entschuldige mich bitte noch mal. Ich muss noch wo hin. Geh du schon mal in die Klasse. Die Pause hatte erst vor zehn Minuten angefangen und so hatten sie noch 10 Minuten Zeit, bis der nächste Unterricht begann. Als Julia die Klasse betrat, überfiel Jan sie mit fragen: "Was war da eben los? Warum wolltest du das hören?" "Kannst du nachher nach mir kommen? Dann erzähl ich dir alles ausführlich. Es ist wirklich wichtig. Das hat mich echt beunruhigt. Wäre ich doch bloß da geblieben, aber Caro hat mich mitgezogen." Am Ende der Pause gingen sie rüber ins Mittelstufenhaus, in dem sich die Musikräume befanden. Dort warteten sie auf Frau Boll, die sich immer verspätete. Als sie endlich kam, sie war unüberhörbar, weil sie einen Koffer auf Rollen nach sich zog, blieb sie vor Julia stehen: "Hallo, Julia. Wie geht’s dir?" "Gut?", fragte Julia unsicher. "Das ist ja schön. Bist du gesund oder hast du irgendwelche Krankheiten?" "Ähm..." "Was hast du?" "Warum fragen sie das?" "Ähm... Nur so. Warum?" Julia runzelte die Stirn und sagte dann: "Also ich bin auf jeden Fall gesund, wenn es Sie so stark interessiert." "Schön, schön. Das freut ihn, äh... mich." "Wen?" "Ach, schon gut. Ich bin heute ziemlich durcheinander, aber hatte auch ’nen schweren Tag." Frau Boll schwieg ein paar Sekunden und setzte dann fort: "Gut, dann wollen wir mal aufmachen." Sie ging zur Tür und schloss auf. Die Schüler begannen sich durch die Tür zu quetschen und setzten sich auf ihre Plätze. Den Unterricht verbrachten sie damit, Stücke aus Julias Lieblingsmusical "Tanz der Vampire" zu singen.

Mittlerweile war es 2.00 Uhr. Julia war erst vor 15 Minuten von der Schule nach Hause gekommen und war dabei sich etwas zu kochen. Sie entschied sich für Nudeln und schüttete diese in einen Topf mit kochendem Wasser. Sie erschreckte sich, als das klingelnde Telefon sie aus den Gedanken riss. "Julia Brahms, Hallo?" "Hallo, Mon Chéri", meldete sich eine freundliche Stimme. Julias Herz begann schneller zu klopfen, weil sie an diesen Mann dachte, der sie damit belästigt hatte. "Julia, bist du noch dran?" Erst jetzt erkannte sie, dass es ihre Mutter war. "Entschuldige, Julchen, aber ich hab zu viel mit Künstlern zu tun. Geht’s dir gut?" "Hallo, Mama. Ja, mir geht’s gut. Ich hab nur gerade an etwas anderes gedacht. Deswegen war ich ein wenig geschockt." "Also hast du Probleme?" "Nein, nein. Ist schon okay." "Doch, erzähl, wenn etwas nicht stimmt. Ist etwas mit Jan?" "Nein, Mama. Ist schon okay." "Na, wenn du meinst, Julia." "Was war eigentlich beim letzten Gespräch? Da hast du "hu" gerufen. Hab mir schon Sorgen gemacht." "Ach, bin bloß über meine Handtasche gestolpert." "Ach so. Und wie gefällt’s dir heute?" "Immer noch so langweilig wie gestern. Du, Julchen. Ich muss Schluss machen. Hab vergessen Kleingeld einz..." Danach hörte Julia nur noch ein Freizeichen. Sie legte langsam den Hörer zur Seite, bis sie das überkochende Nudelwasser auf dem Herd hörte. Sie rannte in die Küche, stolperte über den Staubsauger, den sie aus Faulheit noch nicht weggeräumt hatte und schraubte die Herdplatte niedriger. Danach griff sie nach dem Rührer und wühlte die Nudeln im Topf auf. Die meisten waren aber bereits im Topf angebrannt. "So ein Mist!", schimpfte Julia. Schon klingelte es an der Tür. Julia begab sich dort hin und öffnete. "Hei, Julia.", begrüßte sie Jan. "Oh, hei, Jan." "Stör ich?" "Nein, nein. Komm mal rein. Falls du noch nicht gegessen hast: Heute gibt’s angebrannte Nudeln alla versalzen, serviert mit "ohne Soße" an staubigen Teller." "Hört sich doch lecker an." "Setz dich." "Ich bring gerade meine Tasche nach oben in dein Zimmer. Hab nämlich ’ne Überraschung. Hoffe, ich kann dich damit ein Bisschen aufheitern." "Tu das." Julia war gerade dabei die restlichen Nudeln auch noch vom Topfboden zu lösen, als schon wieder das Telefon klingelte. "Papa?", sagte sie schon im Voraus, weil sie seinen Anruf erwartete. "Oh, wie nett, mein Kindchen. Du wärßt meine Lieblingßtochter. Waß haßt du auf dem Herßzen?" "Hören Sie auf, mich zu belästigen!", schrie Julia ins Telefon und legte auf. Sofort klingelte es wieder. Julia zog einfach das Kabel aus der Buchse. Sie ging aufgeregt in die Küche zurück und blickte aus dem Küchenfenster. "Haßt du Angßt?", sagte der Mann vor dem Küchenfenster stehend. Julia schrie vor Schreck einmal grell auf. Jan hastete die Treppenstufen runter: "Alles in Ordnung?" "Wo ist er? Er war hier!", sagte Julia aufgebracht. "Ganz langsam. Wer?" "Der Mann, der Verrückte aus der Stadt!" "Wo?" "Vor dem Fenster!" Julia blickte heraus. "Das heißt, er war da. Erst hat er hier angerufen und dann stand er vor dem Fenster!" "Bist du dir sicher?" "Na sicher bin ich mir sicher!" "’tschuldige, ich weiß echt nich’ mehr, was ich glauben soll. Das klingt alles so unglaubwürdig, aber ich weiß, dass du recht hast." "Ich glaube es ja selbst nicht, aber es ist einfach so. Ich kann nicht mehr zwischen Wirklichkeit und Traum unterscheiden." Während des Mittagessens, das Julia aus dem Topf gekratzt hatte, erzählte sie von ihren Erlebnissen, die sie letzte Nacht hatte. "Oh, Mann.", stöhnte Jan. "Alles, was unsere Lehrer heute im Lehrerzimmer besprochen haben, passte auf meinen Traum oder was immer es auch war." "Denkst du wirklich, dass du von deinen Lehrern träumst?" "Ich kann nicht nur von ihnen geräumt haben. Sie wussten doch davon. Sie haben über irgendetwas geredet, was misslungen sein soll und ich bin mir sicher, dass das gestern diese Zeitsprünge waren. Ich glaube, alles sollte so ablaufen, wie sonst auch immer. In der Schule hatte Frau Müller Herr Heilos und Frau Boll angeschrieen und sie haben, da bin ich mir sicher, von dieser Nacht gesprochen. Und dann war da noch diese Stimme von diesem verrückten Mann! Du hast doch auch das gedacht, was ich meinte, als plötzlich eine Schlange durch die Stadt kroch. Dann hatte Herr Heilos sie zurückgeholt und voilà, ist dieser Typ wieder da am nächsten Tag. Dazu kommt noch, dass er heute im Lehrerzimmer bei Herr Heilos war und noch nicht mal ein Lehrer ist." "Du beschuldigst also Herr Heilos?" "Und Frau Müller und Frau Boll. Die drei haben sicherlich etwas mit meinen Erlebnissen in der letzten Zeit zu tun." "Das klingt alles so..." "Sag nichts, ich weiß, verrückt. Ich bitte dich. Kommst du morgen mit nach Bielefeld? An der Uni kriegen wir vielleicht mehr darüber raus." "Worüber?" "Ich weiß nicht. Ich will mich über Hexen ein wenig informieren. In all meinen Träumen kam eine Hexe vor und ich möchte wissen, was diese Träume zu bedeuten haben. Unsere Lehrer lass ich erst mal außer Acht, weil das wäre zu verrückt, sie als Hexen abzustempeln. Ich will aber wissen, was, wer auch immer, von mir will und mir so etwas antut. Verfolgt haben sie mich auch!" "Wer?" "Unsere Lehrer! Besonders Herr Heilos lief immer hinter mir her, bis ich ihn gesehen habe." "Ich weiß was du denkst. Du glaubst, sie seien Hexen und wollen dir etwas antun. Du glaubst, dass sie für deine Träume verantwortlich seien. Du glaubst, dass sie alles, was du erlebt hast, in Schuld hätten." "Ja, aber das ist so unwahrscheinlich, so eigenartig." "Morgen können wir ja versuchen mehr heraus zu kriegen, aber ich glaube nicht, dass ausgerechnet sie etwas mit dir zu tun haben. Es muss einen guten Grund für alles geben." "Ja, es muss.", sagte Julia langsam. "Jan?" "Hm?" "Bleibst du heute nacht hier und passt auf?" "Worauf?" "Dass ich nicht träume oder wieder Schlafwandeln gehe?" "Mach ich doch gerne." "Ich glaub ja auch nicht, dass sie’s sind, aber logisch wär’s.", sagte Julia in Gedanken verloren. "Mach dir bitte keine Sorgen mehr. Morgen schauen wir nach einer Antwort und dann wird alles wieder normal." "Hoffentlich." Nach einem Moment der Stille unterbrach sie: "Jan?" "Ja?" "Was heißt Coßtnork?" "Keine Ahnung." "Und mon petit rat?" "Mein kleines Mäuschen. Wieso ?" "Der Mann hat das gesagt, der Verrückte. Er hat mich Coßtnork und mon petit rat genannt." "Dieser Mann ist schon sehr komisch."

Später an diesem Abend saßen Julia und Jan vor dem Fernseher. Sie waren gerade dabei den Film "Verschollen im Bermuda Dreieck" mit Christopher Lee zu gucken. Nach dem Abspann sagte Julia: "Du, lass uns ins Bett gehen. Die letzte Nacht hat mich echt mitgenommen und wir haben Morgen ja noch mal Schule." "Okay." Jan ging zum Fernseher und knipste ihn aus. Nachdem Julia aus dem Zimmer getrottet war, löschte er das Licht. Er ging langsam hinter Julia her, die wohl wirklich erschöpft war, weil sie die Treppen herauf schlich. Irgendwann waren sie dann schließlich bettfertig und legten sich hin.

Es war 1.45 Uhr, als sich die Tür zu Julias Zimmer ganz langsam und knartschend öffnete. Im Flur war es stockfinster. Durch das Mondlicht, das durch Julias Fenster fiel, leuchteten die Augen der Person, die jetzt hereinschaute, hell auf. Hinter dieser war noch eine weitere, größere Person, da die Augen weiter über dem Boden waren. Die Person verschwand aber im Schatten des Flurs. Nur die erste, kleinere ging ein Stück in das Zimmer hinein, blieb dann stehen und schaute sich langsam um. Auch in Julias Zimmer war es nicht besonders hell, aber die Person bewegte sich graziös und ohne Fehler durch das dunkle Zimmer. Sie ging zielstrebig auf Julias Bett zu. Die Person warf einen kurzen Blick auf die sichtbare Straße. Im Mondlicht stand dort eine weitere Person. Sie hatte eine gebeugte Haltung. Die Person im Zimmer drehte sich jetzt zu Julia um. Julia bewegte sich und drehte sich auf die Seite. Die Person, die draußen im Flur stand, gab der im Zimmer ein Zeichen. Darauf näherte sie sich langsam Julia an, zuckte dann aber zurück und schüttelte den Kopf. Die Person im Flur trat näher und drohte mit der Faust. Die Person im Zimmer näherte sich noch vorsichtiger und langsamer an, wollte gerade wieder zurückzucken, als sie den näherkommenden Schatten der Person im Flur sah. Vorsichtig kniete sich die kleinere Person am Bett hin und näherte sich Julias Kopf. Sie ging dann ein Stück tiefer, bis an ihren Hals. Julia konnte den Atem spüren und kratzte sich deswegen am Hals. Die größere Person wollte die andere zurückziehen, da hatte die kleinere schon zugebissen und begann das Blut von Julia aus ihrem Hals zu saugen. Der Blutsauger ging sehr behutsam um und so seufzte Julia nur ab und an. Sie verkrampfte aber ihre Hände, weil sie insgeheim Angst hatte und begann langsam, Jan aus Angst fest zu kneifen. Die größere Person ging zu Jan, um ihn zu überwachen. Dieser wachte aber gerade auf und fasste die Person im Zimmer sofort ins Auge. "Achtung, Julia!", schrie er so laut er konnte. Julia erschreckte sich und richtete sich auf. Dabei zog die blutsaugende Person ihre Zähne mit einem Ruck aus Julias Hals. Aus den beiden Bisslöchern tropfte Blut. Julia schrie, als sich die kleinere, im Gesicht blutverschmierte Person vor ihr aufrichtete. Julia sah ihr geschockt hinterher, wie sie aus dem Zimmer floh. Die größere Person schupste Jan mit einem heftigen Stoß gegen die Ecke eines Schranks. Er blieb reglos liegen. Julia erfasste jetzt erst Mut und begann, die nun auch flüchtende Person zu verfolgen. "Halt, bleiben Sie stehen!", rief sie hinterher und hastete die Treppen runter. Immer noch tropfte Blut aus ihrer Wunde, das sich bei ihrer Aufregung vermehrte. Die Haustür stand sperrangelweit offen, obwohl sie sie vorher gut abgeschlossen hatte. Nachdem die zweite Person aber das Haus verlassen hatte, fiel die Tür vor Julias Nase ins Schloss. Sie ergriff die Türklinke und machte die Tür wieder auf. Die letzte Person hatte schon einen kleinen Vorsprung gewonnen. Draußen wartete die kleinere auf die größere, mitten auf der Straße. Julia legte einen Zahn zu und packte die kleinere, langsamlaufendere Person hart an, so dass diese auf den Boden fiel und sich den Fuß verstauchte. Es war die Person mit dem blutverschmierten Gesicht. Erst jetzt erkannte sie, dass das Sören war. "Sören?", fragte sie Unsicher. "Du dumme Kuh!", schimpfte er. Julia wurde abgelenkt von einer weiteren Person, die im Schatten der Nacht wartete. Es war die, mit der gebeugten Haltung. Julia ging schnellen Schrittes näher auf sie zu, um zu sehen, wer es war. In der Zeit näherte sich die größere Person, um Sören bei der Flucht zu helfen, der nur noch hinkte. Die gebeugte Person schrumpfte plötzlich und war ab da an nicht mehr sichtbar. Julia drehte sich um zu Sören, der dabei war mit der größeren Person so schnell er konnte zu flüchten. Julia holte die beiden ziemlich schnell auf und drehte die andere Person gewaltsam um. Sie schaute genau in das strenge Gesicht von Herr Heilos. Vor Schreck ließ sie los und ihr fiel nichts anderes ein, als in ihr Haus zurückzurennen. Sie schloss zwei mal die Tür ab und lehnte sich dann dagegen, bis ihr einfiel, dass Jan noch oben in ihrem Zimmer war. Sie hastete die Treppen nach oben und kniete sich vor Jan, der immer noch auf dem Boden lag, sich aber bereits gesammelt hatte und sich bloß noch den Kopf hielt. "Geht’s dir gut?", fragte er benommen. "Mir geht’s gut und dir?" "Mir geht’s auch gut. Halt mal. Du blutest ja.", meinte er, als er Julias Hals sah. Er quälte sich rauf, indem er sich auf das Bett stützte, neben dem er lag. "Komm, du brauchst ein Pflaster." "Ist doch halb so schlimm." Das Blut hatte mittlerweile aufgehört zu tropfen, aber die Reißlöcher in ihrem Hals waren tief. "Was ist passiert?", fragte Jan. "Ich weiß nicht. Ich bin erst aufgewacht, als du geschrieen hast. Sören und Herr Heilos waren hier und eine weitere Person war auf der Straße und hat gewartet." "Wie bitte?" "Sie waren es. Ganz sicher. Ich hab’ sie verfolgt und genau erkannt. Wenn ich nicht wieder geträumt habe, waren sie es auf jeden Fall und da ich eine Wunde habe, bin ich mir noch sicherer." "Oh Mann.", stöhnte Jan. "Sören hat über mir gekniet, als ich wach wurde. Er hat mir in den Hals gebissen und als ich wach wurde, hat er seine Zähne wieder herausgerissen. Dich hat die andere große Person, Herr Heilos, an die Schrankecke gestoßen. Die beiden haben auf jeden Fall damit zu tun." Julia hatte bereits das Pflaster auf ihre beiden Bisslöcher geklebt. Bei Jan bildete sich eine hässliche, große Beule. "Wie ist’s mit dir? Ich kann heute nich’ mehr schlafen.", sagte Julia. "Ne du. Ich auch nich’." "Wir können ja gucken, was im Fernsehen so kommt." "Ich hol’ noch schnell was zu trinken aus der Küche.", sagte Jan zu Julia. "Tu das. Ich mach’ schon die Glotze an." Jan schlich langsam zum Kühlschrank und blickte zum Fenster raus auf die Straße. Ganz langsam ging der Mann aus der Stadt direkt vor dem Fenster her und warf einen finsteren Blick ins Haus, blieb dann stehen und klopfte laut gegen die Scheibe, bevor er blitzschnell verschwand. Jan war sprachlos und ging näher an die Scheibe heran. Niemand war zu sehen. Er sah nur den Schneefall, der eben erst begonnen hatte. "Julia, ich habe ihn auch gesehen.", sagte er, als er das Wohnzimmer betrat. "Nicht nur du.", meinte sie. Vor ihr schlich der Mann langsam auf sie zu. "Du entkommßt mir nicht." "Julia lauf, er ist nicht schnell." Julia rannte zur Tür. Jan holte sie aber in die Küche, dessen Tür er dann abschloss. "Hier sind wir sicher.", meinte er. "Ich habe Angst.", sagte Julia. Sie setzten sich an den Küchentisch und schliefen bald auf ihren Stühlen ein.

Die Sonne lächelte durch das Küchenfenster herein. Der Schnee, der liegen geblieben war, spiegelte das Licht wieder. Julia machte langsam die Augen auf. "Wie spät ist es?", fragte sie schlaftrunken. Jan schlief noch. Sie drehte sich auf ihrem Stuhl und warf einen Blick auf die Küchenuhr. Es war, wie auch sonst, schon zu spät. Sie hatten bereits eine viertel Stunde verschlafen. Sie ging schnell rüber zu Jan und machte ihn wach. "Jan, wir sind zu spät. Es ist schon 8.15 Uhr." "Wie bitte? Wir müssen aber noch nach mir und meine Schulsachen holen." "Dann beeilen wir uns jetzt mal." Julia hörte jetzt Stimmen aus dem Wohnzimmer. Sie wollte gerade die Küchentür aufschließen, als ihr etwas einfiel: "Meinst du, der Mann ist schon weg?" "Wir müssen nachschauen." "Okay." Julia öffnete vorsichtig und leise erst das Schloss und dann die Tür. "Hier ist niemand.", flüsterte sie, nachdem sie den Flur inspiziert hatte. Dann ging sie weiter zur Wohnzimmertür, die weit offen stand. Die Stimmen kamen vom Fernseher, den sie gestern schon angemacht hatte und der die ganze Nacht durchgelaufen hatte. Sie drückte auf den "Aus-Knopf" und erblickte hinter dem Fernseher etwas, was aussah, wie eine dünne Decke. Sie beugte sich herunter, um es genauer zu betrachten. "Was ist das?", fragte sie unsicher und sich ekelnd. Julia entschloss sich aber es anzufassen. Sie richtete sich wieder auf und hob es dabei hoch. Es fühlte sich ein wenig glitschig an, war aber auch weich und dünn. Sie ließ es sofort wieder auf den Boden fallen und dort blieb es liegen. "Nun sollten wir uns aber beeilen, dass wir nicht zu spät kommen.", meinte Jan. Die erste Schulstunde unterrichtete Frau Boll. Jan und Julia platzten mitten herein, als sie gerade in den Musikräumen etwas sangen. Frau Boll schaute nur kurz auf, wer herein gekommen war. Sören hörte auf zu singen, öffnete seinen Mund vor Erstaunen ein wenig und fixierte seine Augen auf Julia. So verblieb er bestimmt zwei Minuten und folgte ihr mit dem Blick, wenn sie weiterging und sich mit Jan in den Halbkreis stellte. Erst als Julia in Sörens Augen starrte, hörte er auf, sie mit seinen Blicken zu verfolgen und begann langsam wieder mitzusingen, mehr mitzuflüstern, da er keinen Ton mehr heraus bekam. Frau Boll hingegen, tat die folgende Stunde über so, als würde sie Julia gar nicht bemerken und antwortete nicht auf ihre Fragen. Sie warf nur hin und wieder einen kleinen, finsteren Blick auf Julia und verspielte sich dabei auf ihrem Klavier, mit dem sie den Gesang begleitete. Nach dem Unterricht fragte Frau Boll nur Jan, Julia ließ sie immer noch außer Betracht: "Warum seid ihr heute morgen so spät gekommen? Ich habe gehört, dass das schon mehrere Tage so geht. Ihr wisst, dass ihr dafür schlechte Noten bekommt. Ihr habt hier zu sein, wenn der Unterricht beginnt. Das hat oberste Priorität! Ist euch das klar?", schimpfte sie. "Ja, klar. Wir hatten ein paar Probleme. Es tut uns Leid." "Ihr bekommt noch mehr, wenn ihr weiterhin so einen Blödsinn macht!" Mit diesen Worten verließ Frau Boll das Musikzimmer. Auf dem Weg in die Klasse, kam den beiden Herr Heilos entgegen. "Guten Morgen, Julia.", sagte er freundlich. Julia sagte nichts, sondern schaute ihm nur verdutzt hinterher. Als sie auf ihrem Platz saß, stand Sören von seinem Platz auf und ging zu ihrem. "Julia?" "Ja?" "Hast du Geschichte verstanden?" Als Julia realisierte, wer vor ihr stand, sagte sie "nein", weil sie nichts mit Sören zu tun haben wollte. Den Rest der Pause saß sie Gedankenverloren auf ihrem Platz und bekam nicht mit, wenn sie ihre Nachbarn Jan oder Monika ansprachen. Erst als Frau Müller ein künstlich hervorgebrachtes "Guten Morgen" aus sich herausquetschte, wachte sie auf. "Geht’s Ihnen heute nicht gut.", fragte Monika. Zu aller Erstaunen blieb Sören kommentarlos. "Ich habe einen schrecklichen Tag hinter mir. Heute ist wirklich alles schief gelaufen!" "Also haben sie bloß schlechte Laune. Das legt sich wieder." "Nicht, bevor ich nicht das fertig gebracht habe, an dem ich soviel Lebenszeit verschwendet habe! Ich habe geplant und geplant und nun soll alles ins Wasser fallen?" "Muss ich das jetzt kapier’n?" "Wenn du’s wirklich wissen willst, komm nach der Stunde in mein Büro und sonst lass mich gefälligst meinen Job machen!" "Nein! Bitte geh nicht!", sagte Julia völlig verzweifelt zu Monika. "Wieso nicht?", fragte diese erstaunt. "Weil... weil... das ist so schwer zu erklären. Du würdest mir nicht glauben. Und ich darf erst recht nichts hier erwähnen, wo alle zuhören." "Das kapier ich nu’ auch nich’." "Musst du auch nicht, Monika, Schätzchen. Seit ein paar Tagen benimmt sich Julia wirklich merkwürdig. Nach der Stunde komm’ doch bitte einmal in mein Büro, Julia.", mischte sich Frau Müller ein, die das Gespräch mitgekriegt zu haben schien. "Ich werde nicht in ihr Büro kommen. Ich habe einen Termin.", meinte Julia frech. "Dann gehen wir eben jetzt gleich zum Direktor und du weißt, was dir da blüht?" "Ich weiß mehr als sie, das schwöre ich ihnen." "Na dann machen wir’s doch wohl eher auf die sanfte Methode." "Ich werde nicht mitkommen!", schimpfte Julia, merklich unter Druck gesetzt. "Julia, was hast du?", fragte Jan. "Gar nichts!" Julia sprang auf von ihrem Platz und verließ eilig den Raum und ließ die Tür ins Schloss knallen. Jan bleib sehr verunsichert auf seinem Platz sitzen. Julia hastete auf dem Flur die Treppen runter. Unten begegnete sie Herr Heilos. Dieser streckte seinen Arm vor ihr Gesicht. "Wo willst du hin? Es ist Unterricht. Du hast in deiner Klasse zu sein." Julia blieb erschreckt stehen, wie ein in die Ecke gedrängtes Kaninchen. "Wohin willst du so eilig? Ich hab’ gehört, Frau Müller wollte dich doch zu mir schicken. Welch ein Glück, dass ich dich hier antreffe. Ich wollte dich schon holen kommen. Naja, wenn man nicht auf Frau Müller hört, muss es eben auf die harte Tour sein. Folge mir doch... bitte." Herr Heilos nahm Julia fest an die Hand und ging schnellen Schrittes den Gang entlang zum Lehrerzimmer. Als er die Tür öffnete, sah Julia viele Lehrer, die in einem Stuhlkreis saßen und in ihrer Mitte stand ein freier Stuhl. Als Herr Heilos einen Moment lang nicht aufpasste, riss sich Julia von seiner Hand und rannte so schnell wie es ging den Gang zurück und dann um die Ecke. Sie schleuderte die Türen auf und verließ die Schule. Jan sah sie, wie sie um die Ecke bog, nachdem er sich entschlossen hatte, ihr zu folgen. Jetzt legte auch er einen Schritt zu, um sie aufzuholen. Ihm kam es ziemlich seltsam vor, als Herr Heilos ihn verfolgte und so ging er auf der anderen Straßenseite in die Apotheke. Herr Heilos verlangsamte seinen Schritt und ging zu einem Lebensmittelgeschäft. "Ich sagte, nicht so auffällig und was machst du Trampel?", sagte Frau Müller, die vor dem Eingang in den Laden wartete. "Es ist jetzt doch eh alles egal. Die beiden wissen genaustens Bescheid. Wir müssen uns jetzt beeilen." "Das sagst du mir? Dass ich nicht lache!" Jan verließ das Geschäft wieder und ging zurück in die Klasse, um zu sehen, ob Julia wieder oben war. Als sie es nicht war, ging er zur Lehrerin, die die nächste Stunde unterrichtete und entschuldigte sie mit Kopfschmerzen und sich mit Übelkeit. Die Lehrerin glaubte ihm zwar kein Wort, aber wenigstens hatte er sich entschuldigt. Danach verließ er die Schule und ging zu Julias Haus. Er klingelte an und wartete. Niemand machte auf und er klingelte noch einmal. Er drehte sich gerade zum Gehen um, als ihm Julia die Tür öffnete. Verweint sagte sie: "Komm rein." Jan nahm sie in den Arm. "Was ist mit dir?" "Nichts." "Ich möchte dir so gerne helfen, aber ich weiß nicht wie!" "Ist schon okay, Jan. Ich weiß es doch selbst nicht. Aber du hast doch auch gemerkt, dass die Lehrer ziemlich komisch waren, besonders zu mir." "Es stimmt schon, sie sind anders als sonst. Aber wieso denkst du, dass sie dir etwas antun wollen?" "Ich weiß nicht. Es ist nur so ein Gefühl. Entschuldige mich mal bitte. Mir ist schlecht!" Julia rannte ins Bad und stolperte dabei über den Staubsauger auf dem Flur, den Jan daraufhin an die Seite räumte. Am Fenster stand ein Mann im Schatten einer Buche. Er schien mit sich selbst zu sprechen. Durch das geöffnete Fenster konnte Julia hören, was er sagte, ihn aber nicht erkennen. "Gut, gut! Die Wirkung hat eingeßetzßt. Daß wird dem Meißter gefallen!" Seine Stimme war aber unverkennbar. Julia rührte sich nicht mehr und hörte jeden Schritt, den er im Gras machte. Bald entfernten sich die Schritte und gingen in einen auf Asphalt klackernden Ton über. Erst jetzt ergriff Julia den Mut zu handeln. Sie befahl Jan: Schnell, Jan. Wir müssen ihm hinterher!" "Wem?" Julia riss die Haustür auf und rutschte beim Bremsen ein Stück mit der Fußmatte, um den Briefträger nicht umzurempeln. "Guten Tag. Ein Paket für Frau Julia Brahms." "Ja, ja. Das bin ich." Noch bevor der Briefträger "Würden sie hier einmal unterschreiben?" gesagt hatte, hatte sie schon den Stift ergriffen und war am Schreiben. "Danke sehr. Schönen Tag noch." "Ebenso!" Julia versuchte sich am Briefträger vorbei zu quetschen, als Jan rief: "Julia! Das Telefon klingelt." "Scheiße!" Bei diesen Worten drehte sich der Briefträger noch einmal empört um, bevor er in sein Auto stieg. Julia ging schnellen und ärgerlichen Schrittes zum Telefon und sagte ziemlich patzig: "Hallo?" "Julia, ich bin’s. Was ist los? Hast du dich mit Jan gestritten?", fragte Julias Mutter. "Alles in bester Ordnung!" "Irgendwas stimmt doch nicht mit dir?" "Mir fehlt nichts. Ich bin nur ein wenig gereizt." "Hat dein Vater schon angerufen?" "Bis jetzt noch nicht." "Bei mir auch noch nicht. Vielleicht ist sein Handy kaputt." Zur gleichen Zeit sagte Jan, nachdem er über einen Besen gestolpert war, zu Julia, dass sich auf der Straße der seltsame Mann befände, auf welches Julia nur ein patziges "ach nee!" einfiel. "Klar, ich weiß doch, dass du dir das schon denken kannst.", sagte ihre Mutter daraufhin. "Nein, nein. Das galt nicht dir, Mama." "Wem dann?" Julia räusperte sich, als ihr einfiel, dass das eben nicht sonderlich nett war. "Jan.", sagte sie kurz und schnell. Daraufhin antwortete ihre Mutter: "Ihr habt einen Umgangston... aber ihr werdet’s ja wissen." "Wie gefällt’s dir überhaupt bis jetzt, Mama?" "Glaub mir. Ich würd’ mir viel lieber zehn mal "Herr der Ringe" anschauen, als hier rumzusitzen." "Oh, da wird sich Jan aber freuen." "Oh, ich höre schon, du hast dich wieder gefangen." "Naja, was soll’s. Der Typ is’ ja eh schon über alle Berge.", nuschelte Julia mehr für sich. "Welcher Typ? Sprichst du von Jan?" "Quatsch. Hab ich Typ gesagt?" (Julia fiel nichts Besseres ein) "Hast du." "Ich kann dir das jetzt nicht alles erzählen, Mama. Das ist viel zu kompliziert." "Bitte Julia, ich möchte es jetzt wissen, wenn du nichts dagegen hast. Es scheint mir doch schon ziemlich wichtig zu sein, was du zu sagen hast." "Wenn’s denn sein muss..." Und so erzählte Julia ihre Geschichte von Anfang an und welche Vermutungen sie hatte. Jan kochte derweil schon ein paar Nudeln nach Absprache mit Julia und dekorierte die Teller aufwändig, um Julia bei guter Laune zu halten. Sie konnte nämlich unerträglich sein, wenn sie sauer war. Julia war immer noch am Telefonieren, nach mittlerweile zehn Minuten. Plötzlich klingelte es an der Haustür und Julia rief Jan zu, er solle aufmachen. Jan eilte zur Tür und sah Caro. "Hei!", sagte er. "Was machst du denn hier?" "Ich wollte nur mal sehen, ob es Julia besser geht und warum sie heute weggelaufen ist." "Die zweite Frage kann ich dir leider auch noch nicht beantworten, aber anscheinend ihre Mutter, nachdem sie ihr alles erzählt hat." "Ach so. Sie telefoniert?" "Ja, augenmerklich." "Mit wem, sagst du?" "Mit ihrer Mutter!" Jan gingen diese seltsamen Fragen auf die Nerven. "Mit ihrer Mutter..." Caro schien in Gedanken zu sein und wachte nach ein paar Sekunden auf. "Ich habe meinen Hund mitgebracht. Danach verließ sie die immer noch aufstehende Haustür und hob ihren kleinen Hund hoch, um ihn dann im Haus abzusetzen. "Ich lass’ ihn mal laufen, ja?" Der Hund begab sich sofort ins Wohnzimmer und fing dort an die Kissen zu zerfetzen. "Halt! Stopp!", rief Julia. "Bleib mal ’nen Moment dran, Mama." "Julia! Hilfe, wer ist das?" Den letzten Satz ihrer Mutter hörte Julia schon nicht mehr, weil sie Caro und Jan anschrie: "Was soll das? Was macht ihr hier? Schafft den Köter raus!" "Das ist meiner.", sagte Caro in ruhigem Ton. Julia rannte ins Wohnzimmer und packte den Hund schell und kräftig, machte die Kellertür auf und setzte ihn unsanft auf der Treppe ab. "Da kann er bleiben!" Danach begab sie sich wieder ins Wohnzimmer, um die Kissen aufzuräumen. Dabei fluchte sie ständig. "Jan? Kannst du mir bitte zeigen, wo das Klo ist?" "Im gleichen Moment fiel Jan der Herd ein. "Oh Mist! Die Nudeln! Geh einfach die Treppe hoch und dann die rechte Tür!" Jan rannte zurück in die Küche. Caro blieb noch ein wenig in Gedanken versunken stehen und ging dann langsam zum Telefon. Die Verbindung zu Julias Mutter stand noch, aber sie war nicht mehr dran. Caro rückte den Tisch, auf dem das Telefon stand, ein wenig zu Seite und zog dann den Stecker aus der Buchse. Dann ging sie langsam die Treppe hoch, aber ging oben nach links und nicht nach rechts. Jan, der gerade nach Julia sehen wollte, bemerkte das und meinte: "Rechts! Nicht links!" "Oh, sorry. Danke!", rief Carolin zurück, drehte sich dann um und ging in die rechte Tür. Durch einen Türschlitz beobachtete sie Jan, wann er wieder in die Küche ging. Danach tapste sie schnell, aber leise in die linke Tür und schloss diese ab. Ungeduldig warteten Jan und Julia bereits mit einem Berg Nudeln auf dem Teller auf Caro. Die Dekoration war Julia mittlerweile auch egal, aber sie nahm sich vor, Jan irgendwann einmal dafür zu danken. "Entschuldigt, Leute. Hat etwas länger gedauert. Is’ mir peinlich, aber ich musste eben mal "groß".", sagte Caro, als sie in die Küche kam. "Nicht so schlimm.", meinte Jan. "Warst du etwa oben?", fragte Julia. "Ja, wieso?" "Ach nichts. Entschuldigt ihr mich mal gerade. Jetzt muss ich schnell aufs Klo." "Kein Problem." Nach einer kurzen Zeit kam Julia mit einem ziemlich nachdenklichen und enttäuschten Gesichtsausdruck zurück. Ach du heilige Nudel! Meine Mutter!", fiel ihr plötzlich ein. "Der Hörer lag neben dem Telefon und sie griff danach. "Hallo, Mama? Was geht hier vor? Die Leitung ist tot!" Sie kam noch verdutzter als eben in die Küche zurück. "Tut mir Leid, Jan, aber ich kann jetzt nichts mehr essen." Sie setzte sich an den Tisch und fiel in Gedanken. Dabei flüsterte sie zwischendurch verworrenes Zeug, das die anderen nicht verstanden. Dann setzte sie sich aufrecht hin und fing fast an zu weinen, aber sagte leise zu Caro: "Caro? Würde es dir was ausmachen zu gehen? Ich möchte jetzt allein sein." "Ich könnte helfen.", meinte Caro. "Bitte geh! Ich fände es besser, wenn du gehst. Bitte tu das für mich!" "Wie du meinst.", sagte Caro beleidigt und stand mit Widerwillen vom Tisch auf. Jan wollte aufstehen, um die Tür hinter ihr abzuschließen. "Kannst sitzen bleiben! Ich brauche niemanden, der mich rausschmeißt!" Mit diesen Worten verließ Carolin das Haus. "Julia! Ich will jetzt endlich wissen, was mit dir los ist!" Julia wischte sich die Tränen aus den Augen und sagte dann: "Komm mal mit!" Julia führte Jan ins Badezimmer. "Sie war oben im Bad, hat sie gesagt. Und sie hat "groß" gemacht, hat sie gesagt. Guck mal in die Kloschüssel." "Ja und?" "Seit heute morgen ist hier die Spülung im Eimer. Wie konnte sie also spülen?" "Das ist doch unmöglich! Verdächtigst du etwa Caro?" "Komm noch mal mit!" Sie gingen die Treppen wieder runter. "Die Leitung vom Telefon war tot. Jemand hat den Stecker gezogen! Ich denke oder ich hoffe, dass du das nicht warst." "Wie kannst du so was denken." "Ich kann niemandem mehr trauen!" "Das glaube ich einfach nicht!", beschwerte sich Jan. "Pech gehabt. Ich muss mich auch damit abfinden, dass sie eine Verräterin ist. Außerdem habe ich sie letztens in Herford gesehen. Dort, wo auch die Lehrer waren, nachdem sie zu ihrem Termin gegangen ist." Dann war es still. Bis Julia der Hund von Caro wieder einfiel. "Na toll! Jetzt darf ich ihr auch noch ihre Töle wiederbringen. Ich denke nicht, dass sie sie eben mitgenommen hat, so schnell wie die das Haus verlassen hat. Julia öffnete die Kellertür und machte das Licht an. Sie pfiff nach dem Hund, aber niemand kam. Sie stieg die Treppe weiter runter und schaute sich unten um. Kein Hund war zu sehen. Sie schaute hinter jeder Kiste nach und da gab es nicht viel zu schauen, da der Keller eher klein war. Nur das offene Kellerfenster erblickte sie. "Das ist doch unmöglich. Ein kleiner Hund kann nicht einen Meter hoch springen, um dann ein Kellerfenster aufzuschließen." "Aber ein Hund kann nicht einfach so verschwinden." "Doch! Durch’s Kellerfenster.", machte Julia sich über Jan lustig. "Mir reicht’s! Ich muss heute noch nach Bielefeld und dort nach Informationen zu diesen Vorgängen suchen. In der Bibliothek finde ich bestimmt was. Du kannst mitkommen oder hier bleiben. Ich werde jetzt gleich fahren." "Julia! Ich habe gesagt, dass ich dir helfen will und ich werde dich jetzt nicht im Stich lassen und dir beistehen, egal was passiert." "Dann müssen wir nur noch schauen, wann ein Zug fährt." Julia ging zu einer Schublade im Schrank, auf dem das Telefon stand und kramte einen Zugfahrplan heraus. "Da! Um 12 Uhr 32 fährt einer. Dann müssen wir uns aber beeilen. Es ist schon halb zwölf durch." "Dann mal los."

Am Bahnhof in Herford angekommen trafen die beiden wieder auf Caro. Julia versuchte sich umzudrehen und sich vor Caro zu verstecken, aber sie erblickte sie schon vorher. "Hei, Julia. Geht’s dir wieder besser?" "Geh weg, bitte.", flehte Julia. "Warum?" "Du weißt genau, warum. Ich will dich nicht mehr sehen!" "Ich weiß es nicht! Sag es mir!" "Das ist doch Quatsch." "Glaub mir, ich weiß es nicht. Ich möchte dir helfen. Ich weiß, welches Problem du hast in der Schule. Das hört sich jetzt vielleicht seltsam an, aber nur ich kann dir wirklich helfen. Mehr will ich im Augenblick nicht sagen und jetzt müssen wir aufhören, davon zu reden." "Und wie, bitte schön, kannst du mir helfen?" "Du blickst durch diese ganze Geschichte, die um dich herum passiert, noch nicht durch." "Das ist richtig. Und?" "Ich kann dir zeigen, wie du Antworten finden kannst. Den Rest musst du dann aber erledigen, weil ich es nicht darf. Das wäre sonst viel zu gefährlich für dich." "Das verstehe ich nicht." "Das musst du auch besser nicht. Aber glaub mir, egal, was du siehst von dem was ich tue, ich will dir nichts Böses. Lass mich bitte einfach nur machen, selbst wenn es gefährlich für dich aussieht. Du weißt, von was ich spreche." "Aber Caro..." "Wir sollten langsam das Thema wechseln, glaub mir. Sie denken immer noch etwas falsches, aber das kann sich bald ändern und das wäre für mich genauso unschön, wie für dich." "Ich habe Angst. Auch vor dir." "Musst du nicht, keine Sorge." "Julia! Schnell, wir müssen weiter. Er ist hinter uns!", schoss Jan dazwischen. "Wer?", fragte Julia. Auch Caro drehte sich um und erblickte Herr Heilos. "Los! Wir müssen hier weg!", sagte auch sie. So schnell sie konnten, aber ohne zu rennen, verließen sie den Platz und gingen in die große Bahnhofshalle. "Na, meine Schöne.", wurde Julia angemacht. Sie störte sich nicht dran und ging weiter. Wahrscheinlich bekam sie es noch nicht einmal mit, denn sie suchte eifrig nach weiteren Lehrern, da sie spürte, dass es hier gefährlich war. In dem nahegelegenen Buchshop sah sie auch prompt Frau Müller, wie sie über eine Zeitschrift hinweg, aus dem Schaufenster schaute in die Bahnhofshalle. Es sollte unauffällig aussehen, aber das war es nicht. Julia bemerkte sofort, dass sie nach ihr suchte. "Kommt, ich möchte mir noch schnell ein paar Fan-Zeitschriften von "Herr der Ringe" anschauen." "Caro! Sie ist da drin." "Ich weiß." "Und du willst mich da rein schleppen?" "Du verstehst nicht! Ich muss! Es war so vereinbart. Ich werde aufpassen, dass sie dich nicht kriegen. Schau dir Bücher in der ersten Reihe an. Danach verlässt du ohne mich den Laden." Die erste Bücherreihe war am Weitesten von Frau Müller entfernt. Dort stellte sich Julia hin und kramte nachdenklich durch ein paar Bücher. Jan stellte sich an die Zeitschriften an einer Ecke des Geschäfts. Caro ging an die andere Ecke zu den "Herr der Ringe" – Zeitschriften, denn das Zeitschriftenregal erstreckte sich über eine komplette Wand. Langsam kam Frau Müller näher an Caro ran und tat so, als suche sie nach einem Buch in den Regalen und blieb dann beim ersten Regal hinter Caro stehen und nahm sich ein Buch heraus. Sie erwischte das Buch "Van Helsing" und gab die Bemerkung "Weichling!" ab. "Ist dein Freund nicht auch "Herr der Ringe" – Fan, mein Schatz?" "Ja, eigentlich schon.", sagte Carolin sehr zögernd. "Und? Warum steht er nicht hier bei den Fan-Zeitschriften?" "Weil er noch eine andere sucht." "Und die sucht er anscheinend in der Bahnhofshalle und das durchs Schaufenster." "Ich bin nicht wegen ihm gekommen. Was ist mit Julia?" "Es wäre zu auffällig, wenn ich sie nehmen würde. Wir warten noch. Halte sie noch ein wenig in der Bahnhofshalle. Thomas wird euch folgen." So hieß Herr Heilos mit Vornamen. Jan erblickte ihn auch schon, als er durch die großen Türen von draußen herein kam. Sofort ging er schnellen Schrittes zu Julia und zog sie am Arm aus der Buchhandlung. "Komm, wir müssen hier raus. Herr Heilos kommt auch." "Geh jetzt mit ihnen und halte sie auf dem Bahnhof fest. Wir erledigen den Rest.", sagte Frau Müller zu Caro, bevor sie sich auf den Weg machte, den beiden zu folgen. Auch Herr Heilos begann dieser Gruppe zu folgen. "Caro, da bist du ja wieder." "Schnell, wir gehen jetzt auf Klo. Aber du musst dich weigern, auf Klo zu gehen, sonst verpasst du den Zug, kapiert?" "Nein, Caro. Wir haben keine Zeit! Ich muss den Zug erwischen.", rief Julia daraufhin schallend durch die große Halle. "Ich muss aber ganz dringend. Ihr müsst nur einen kleinen Moment warten." Jan blieb draußen stehen. Also blieb auch Herr Heilos stehen und betrachtete ihn aus sicherer Entfernung. Als erstes kam Caro wieder aus der Damentoilette raus, beachtete Jan nicht und ging schnurstracks zu einem der großen Treppen, die hinauf zum Bahnsteig führten. Herr Heilos sah zu, wie Caro sich immer mehr entfernte und blieb verdutzt stehen. "Wo ist sie? Wo ist Julia? Was macht Caro da? Warum geht sie ohne sie weg?". Diese Fragen stellte er ganz langsam und leise sich selbst. Jan hatte inzwischen Caro aufgeholt. "Wo ist J...?", setzte er an. Nun kam Julia aus der Toilette und sah die beiden um die Ecke biegen. Sie blickte auf die Uhr. Es war genau 12:32 Uhr, die Zeit, zu der der Zug abfahren wollte. "Bitte jetzt keine Verspätung haben.", sagte sie zu sich selbst. Danach rief sie den anderen hinterher: "Hey, ihr! Wo wollt ihr denn hin?", und fing an zu rennen, um die beiden aufzuholen. Sie hatte sie gerade erst aufgeholt, als sie schon am oberen Ende der Treppe waren. Sofort als Julia begonnen hatte zu rennen, folgte ihr auch Herr Heilos wieder. Gott sei dank stand der Zug schon mit geöffneter Tür da und so brauchten sie nur einzusteigen. Die Türen hatten sich gerade geschlossen, als Herr Heilos den Bahnsteig erreichte und wild durch die Gegend schaute, um die Drei irgendwo zu finden. "Das wäre geschafft." "Gut. Wir hatten Glück. Jetzt müssen wir wieder auf Toilette und unsere Kleidung zurücktauschen.", bemerkte die echte Caro in Julia’s Kleidung. "Ich halte uns derweil schon mal einen Platz frei.", fügte Jan hinzu.

Nach einer gewissen Zeit kamen sie am Bahnhof in Bielefeld an, nahmen sich danach ein Taxi und fuhren zur Universitätsbibliothek. Dort stiegen sie aus und gingen durch die großen Türen der Bibliothek. Julia schaute sich um und ließ ihren Blick durch die langen Regale schweifen. Caro kam kurz darauf angehastet und sagte ihr, wo die Hexen- und Vampirbücher ständen. Julia griff schnell ins Regal und holte ein Buch raus. Sie setzte sich an einen Tisch und blätterte es in der Mitte auf. Sie begann, den Inhalt zu überfliegen. Immer mehr vertiefte sie sich in das Geschriebene. Es ging um die Hexenverfolgung, um deren Leben und Ängste. Irgendein Forscher hatte diese Thesen einmal aufgestellt. Niemand hatte ihm jemals wirklich geglaubt. Julia aber hatte Vertrauen in diesen Inhalt. Denn Vieles, was darin stand, hatte sie bereits selbst erlebt. Im Wesentlichen ging der gesamte Inhalt um deren Geschichte und die heutigen Mythen und Sagen. Julia wusste jetzt, dass es die bittere Realität war. Es gab und gibt noch heute Hexen und Vampire. Im Buch wurde von einem Abkommen der beiden Arten berichtet, aber nicht näher drauf eingegangen, denn der einzige Zeuge dafür wurde noch in der selben Nacht nach der Befragung umgebracht. Kurz nach der Veröffentlichung des Buches verschwand auch der Autor. Ein Engländer berichtete den damals berühmten Autor (für seine Thesen aus diesem Buch) in der Nähe von London gesehen zu haben, wie er über sein Haus hinwegflog. Einige Wochen später wurde dieser tot in seinem Haus aufgefunden. Wahrscheinlich hatte er sich vergiftet. Genug der Geschichten: Weiter stand in dem Buch, dass die Hexen sich einmal im Jahr auf einem Berg treffen. Dieser ändert sich von Jahr zu Jahr. Dabei wechseln sie immer zwischen den Bergen der Herkunftsländer der 12 Oberhexen. Diese führen alle eigene Gruppen an. Eine Oberhexe allerdings befiehlt über alle anderen. Ein abtrünniger Vampir berichtete von der Hexe Walpurga, die in Menschengestalt auftritt und ewig lebt. Nur den Köper muss sie wechseln, wenn die menschliche Hülle stirbt. Sie ist laut der Aussage des Vampirs Deutsche. Nach zwölf Jahren also treffen sich alle im Land der Oberhexe. Anbei war ein Kalender gefügt, auf dem Julia und Co verfolgen konnten, in welchem Jahr die Hexen wo sind. Es war das zwölfte Jahr. Das bedeutete, dass sich die Hexen schon sehr bald auf dem Blocksberg treffen würden, besser bekannt als der Brocken im Harz. Jedes Jahr trafen sich die Hexen in der Nacht zum 1. Mai, während alle anderen feierten, konnten sie sich unbemerkt treffen. Was genau zwischen Vampiren und Hexen vorgeht in dieser Nacht, wurde nie erwiesen. Alle Zeugen, die sich daran versuchten, starben noch vor ihren Aussagen. Ein Mythos besagt allerdings, dass eine Person existiert, die wie Walpurga (so wie auch Dracula), die menschliche Hülle wechselt und ewig lebt. Diese Person ist dazu bemächtigt, die Hexen und Vampire aufzuhalten. Sie weiß als einzige darüber bescheid, was in dieser Nacht geschieht. Allerdings ist es ihr nicht möglich, ihre Gedanken auf das menschliche Gehirn zu übertragen. Diese Person kann man sich als einen Geist, etwas Unsichtbares, vorstellen. Dieser Geist bleibt immer in einer Generation zur anderen, die vorher sorgfältig ausgewählt werden muss. Das Hexenkind wird es genannt. In der alten Sprache der Hexen, die heute nur noch als Geheimsprache für verschlüsselte Botschaften genutzt wird und nur noch den Oberhexen und ihren Lehrlingen bekannt ist, heißt dieses Wort "Coßtnork". Daraufhin sprang Julia von ihrem Platz auf. "Das ist es! So hat er mich genannt!" Da Julia den Inhalt laut vorgelesen hatte, wussten die anderen bereits worum es ging. "Das müsste ja bedeuten, dass ich so ein Hexenkind bin!", fügte Julia hinzu. "Lies einmal weiter.", sagte Jan. "Och Leute, mir wird langweilig. Können wir nicht woanders hin?", nörgelte Carolin. "Nicht jetzt.", schimpfte Julia, die sich wieder in den Inhalt vertiefte. Noch stand in dem Buch, dass sich die Merkmale deutlich zeigen, wenn man ein Hexenkind ist. Julia erinnerte sich an ihre Kindheit. Manche Personen klagen über Träume, Visionen oder Erlebnisse. Julia fiel ein, dass ihre Mutter auch einmal über Alpträume geklagt hätte, die nach Julias Geburt sofort aufhörten und nie wieder kamen. Umso mehr sie von diesem, für sie informativem Inhalt las, beruhigte sie sich immer mehr und war nicht mehr so aufgeregt. Auch ihre Angst legte sich jetzt wieder. Sie wusste jetzt, dass diese Erscheinungen, wie zum Beispiel ihre Träume, immer nur kurz vor der Nacht der Hexen auftreten würden. Klar, unter dem Bild, was sie als junges Mädchen malte, stand, von ihrer Mutter gezeichnet, 29.4.. Also sollte sie auch schon zu dieser Zeit die Hexen an etwas hindern. Von dem, wie man sie hindern könne und was man tun müsse, stand da nichts. Auch wurde völlig ausgelassen, was für eine Rolle die Vampire zu spielen hatten. Aber es schien doch so, dass die Hexen die wichtigere Rolle zu spielen hatten. Danach waren viele Seiten heraus gerissen worden. Auch waren an einigen beschädigten Seiten Brandspuren zu sehen. Das Wesentliche wusste Julia aber jetzt. Erstens war sie und wie es schien, ihre Mutter davor, das Hexenkind. Ihre Mutter wusste nur nichts mehr davon, weil der Mensch nach einem Generationswechsel alles vergisst, was er in der Rolle des Hexenkindes getan hat. Nur noch manche Merkmale, die man damals hatte (wie Träume), bleiben manchmal im Gedächtnis erhalten. Und zweitens hatte sie die Aufgabe die Hexen an irgendetwas zu hindern. Das war auch der Grund, warum die Hexen sie unbedingt loswerden wollten. Die Vampire taten am Meisten dafür und so riet sie, dass sie die Diener der Hexen sein mussten. Weil die Zeit immer mehr drängte, wurden die Vampire immer aufdringlicher. Weil sie aber versagten, zogen die Hexen selber los, um Julia zu beseitigen, vielleicht sogar zu töten. Im Buch hatte sie auch einiges über das Verhalten von Hexen und Vampiren gelesen. So schloss sie darauf, dass Frau Müller eine Hexe war und Herr Heilos ein Vampir. Frau Müller als Oberhexe schloss sie auch nicht aus, da sie sich ja ziemlich frei gegenüber den anderen verhielt. Auch bei Sören konnte sie auf einen Vampir tippen. Julia hatte jetzt endlich auch Informationen über den seltsamen Mann, der immer wieder versuchte, sie auf Befehl (das hatte sie mittlerweile auch festgestellt) aufzuhalten. Manche Hexen benutzen Tiere als ihre Diener, Tiere in einer menschlichen Hülle. Nach dem Dialekt des Mannes zu beurteilen, konnte es nur ein Reptil sein, vermutlich eine Schlange. Und da Herr Heilos sich urplötzlich in Herford eine Schlange hielt, schloss sie auch auf eine. Julia klappte endlich das dicke Buch zu. Ihr war jetzt klar, was sie zu tun hatte und wer sie, jedenfalls für die nächsten Tage war. Sie wusste aber nicht, mit wem genau sie es aufnahm, mit wie vielen Personen und wogegen sie eigentlich kämpfte. Sie war aber so mutig, es endlich herauszufinden. Caro schien merklich erleichtert zu sein, als Julia das Buch zumachte. Julia erklärte jetzt auch alles Jan, was sie sich eben im Kopf zusammen gelegt hatte. Caro bekam es natürlich auch mit, während sie eher hinter den Beiden hertrottete. Nach einiger Zeit brach sie dazwischen. "’tschuldigt, Leute. Mir ist schlecht." Danach rannte sie so schnell sie konnte nach draußen. Dort blieb sie aber nicht stehen, sondern rannte immer weiter. Ob ihr wirklich schlecht war oder sie nur so tat, konnte Julia nicht feststellen. "Ich werde mit dir kommen, egal wo du hinmusst. Ich werde dir beistehen und so gut ich es kann, dir helfen, obwohl ich die ganze Geschichte immer noch nicht glauben kann oder ich will sie nicht glauben." "Ich doch auch nicht, Jan.", sagte Julia ausschnaufend. "Ich mache mir nur Sorgen um Caro. Ich denke, wir wissen beide, dass sie zu ihnen gehört. Ich glaube nur nicht, dass sie uns was Böses will. Sonst hätte sie auch schon längst angegriffen. Nur was passiert mit ihr, wenn die anderen erfahren, dass sie eine Verräterin ist?" "Wir hoffen es, dass sie eine ist...", fügte Jan schweren Herzens hinzu. "Denn du weißt, was die alle bis jetzt für Intrigen gesponnen haben, warum also nicht auch Caro?" "Ich kann wohl im Moment Keinem mehr trauen, außer vielleicht dir, Jan." "Mir kannst du trauen. Ich würde dich nicht verraten, so lange ich Herr über meinen Willen bin." Mittlerweile waren die Beiden schon auf dem Parkplatz angekommen. Jetzt waren dort viel mehr Schüler als vorhin. Hinter einem Baum bemerkte Julia Herr Heilos, hinter einem anderen sah sie, nachdem sie ein wenig die Gegend absuchte, Frau Müller und wiederum hinter einem anderen den Schlangenmann. Julia wusste, dass sie nun, da sie diesen Text gelesen hatte, nicht mehr sicher sein würde. Erstaunlicherweise verfolgte sie aber niemand. Alle, die sie vorher beobachtet hatten, bleiben an Ort uns Stelle. Plötzlich stieß Julia, nachdem sie sich wieder nach vorn gedreht hatte, mit einem älteren Herren zusammen. "Oh, entschuldigen sie bitte!", sagte der Herr. "Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich bin ja in sie reingerannt." "Na, ist ja auch nicht so schlimm. Ich möchte sie nur um eines bitten. Könnten sie für mich die Bücher aufheben?" Dem alten Mann waren zahlreiche Bücher beim Zusammenprall auf den Boden gefallen. "Moment mal!", wunderte sich Julia, als sie die Titel der Bücher las. "Sie sind der Autor, von dem ich eben ein Buch gelesen habe!" "Ach so? Welches meiner Werke hast du denn gelesen?" "Ich glaube es hieß "Hexen, Vampire und andere Mythen"." "Wunderbar! Und wie hat es dir gefallen?" Ab jetzt öffnete Jan seinen Mund immer weiter während des Gesprächs, nachdem er aus seinen Gedanken wieder aufwachte und ein Angstgefühl war in seinen Augen erkennbar. "Es war erstklassig und besonders hilfreich." "Wieso hilfreich?" "Wissen sie, ich hoffe, sie können mir noch mehr weiterhelfen, als ihr Buch. Ich bin ein Hexenkind und möchte gern mehr darüber erfahren." Jetzt sprang Jan dazwischen: "Julia? Wir sollten jetzt weitergehen. Wir verpassen sonst den Zug." Auch in seiner Stimme war Angst zu hören. "Nicht jetzt, Jan. Du weißt doch, dass es wichtig ist und ich treffe jetzt den Autor hier persönlich. So ein Zufall!" "Und was für einer...", meinte Jan. "Er kann dir auch nicht mehr helfen." "Natürlich kann ich. Inzwischen habe ich noch viel mehr über das Leben der Hexen herausgefunden." "Das ist ja super! Siehst du, Jan? Er kann mir helfen!" "Wollen wir nicht in das Café gehen? Da könnten wir uns entspannter unterhalten.", fragte der Autor. "Klar!" "Julia!", begann Jan eindringlicher zu werden. "Wir sollten jetzt gehen!", sprach er langsam und betont. "Hör doch jetzt endlich auf zu nörgeln! Ich dachte, du willst mir helfen. Du hast garantiert nicht solche Ratschläge auf Lager, oder ?" Julia begann dicht neben dem Mann ins Café zu gehen. Jan lief schneller hinterher, um Julias Arm zu fassen. Sie blieb mit einem Ruck stehen und versuchte sich mit Gewalt loszureißen. "Wir müssen jetzt gehen, verstehst du das nicht?", schrie Jan jetzt zornig, aber immer noch mit zittriger Stimme. In dem Moment tippte ihm ein Mann von hinten auf die Schulter. Jan reagierte nicht, sondern blickte Julia tief in die Augen, die jetzt auch spürte, dass er Angst hatte und besorgt war. Jetzt tippte der Mann öfters auf Jans Schulter. "Sorry, sorry.", sagte er dabei. Jan drehte sich wütend um und schrie: "Was?" Der Autor drängte Julia noch einmal: "Kommen sie!", und Julia ging mit. "Do you wissen wo Herforder Street is?", fragte der Fremde." "Nein!", entgegnete Jan immer noch wütend. "Thank you. Bye." "Bye, bye", wimmelte Jan ab. Als er sich umdrehte, sah er Julia und den Autor nicht mehr. Er stürmte ins Café und blickte über die Tische. Julia setzte sich gerade auf einen Platz gegenüber ihres Begleiters. Jan hastete zum Tisch und quetschte sich durch die herum laufenden Leute und Kellner. "Julia! Julia!" Nun entgegnete sie schon genervt: "Was willst du?" "Du musst einmal mit mir kommen und mir zuhören!" "Ich stehe nicht auf. Wenn du was willst, sag es hier oder wenn du deinen Zug nicht verpassen willst, dann geh besser jetzt und fahr allein nach Hause. Ich komme irgendwann nach, wenn du mir nicht helfen willst." "Ich will dir doch helfen! Du musst mir bloß zuhören." "Junge, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Ich habe eigentlich einen Termin, also lass mich mit ihr reden.", entgegnete der Autor frech. "Ich werde jetzt vor die Tür gehen und dort ein paar Minuten warten und erst dann wegfahren. Wenn du hier bleiben willst, dann bleib. Wenn du wissen willst, was ich dir sagen will, komm raus. Überleg, was ich dir versprochen habe und ob ich dich enttäuscht habe. Ich warte draußen!" "Ist das eine Nervensäge.", sagte der Autor frech, nachdem Jan den Raum verlassen hatte. "Vielleicht sollte ich ihm wirklich folgen." "Lassen Sie die Pfeife doch ziehen. Ich habe Ihnen etwas Wichtiges zu sagen, dass Sie bestimmt interessiert." "Eben, und Jan hat das bestimmt auch." "Hey, was ist im Moment für Sie wichtiger?" "Ich danke Ihnen, sie haben recht! Jan ist es!" Julia erhob sich und ging vor die Tür. Der Autor rief ziemlich laut durchs Café: "Idioten!" "Jan, Jan.", stoppte Julia ihn, als er gehen wollte. Nun sah er nicht nur ängstlich und besorgt aus, sondern auch noch traurig. Jetzt tat er Julia leid. "Was ist denn, Jan?" "Vertrau mir und komm mit. Wir haben jetzt keine Zeit." Jan sagte dies, nachdem er sah, wie der Mann im Café aufsprang, um wahrscheinlich Julia vor die Tür zu folgen. Sie rannten jetzt mehr zum Bahnhof und zum Zug, als der gerade die Türen schließen wollte. Jan konnte sie ebenso aufhalten. "Sie sorgen ab jetzt vor. Selbst hier im Zug sind wir nicht mehr sicher. So blöd das auch aussieht, du musst mit mir auf Klo kommen." Jan schleppte Julia, die sich ein wenig sträubte, mit auf das nächste WC." Die beiden quetschten sich ganz dicht aneinander, um überhaupt hinein zu passen. "Jan, ich hoffe, es ist wichtig, denn du weißt, wie wichtig mir die anderen Informationen waren.", sagte Julia etwas sanfter. "Es ist wichtig. Nachdem du in der Bibliothek das Buch zugeklappt hast, habe ich es noch einmal aufgeschlagen, um ins Impressum zu schauen. Das Buch wurde vor fast 180 Jahren verfasst, bloß zwischendurch neu verfasst. Das heißt, dein Autor, der dich angesprochen hat, ist ca. 200 Jahre alt. Nur Hexen oder Vampire haben eine so lange Überlebenschance. Du warst in höchster Gefahr. Er wollte dich bestimmt in eine Falle locken. "Mein Gott! Du hast Recht. Und ich hätte ihm fast vertraut." "Wir sollten jetzt nicht weiterreden. Erst wieder, wenn wir zu Hause sind." "Danke, Jan." "Du brauchst mir nicht danken." Mittlerweile stand schon eine ältere Dame vor dem abgeschlossenen WC. Sie schien nötig zu müssen und wollte sich nach Jan, der als Erster hinaus kam, hereindrängeln. Verschreckt blieb die Dame stehen, als sich auch noch Julia rausquetschte. Sie blickte den beiden verwundert hinterher, warf dann eine Blick in den kleinen Raum, erachtete ihn für zu eng und schaute noch verwunderter, als sie ein zweites Mal den Beiden hinterher blickte.

Es war Abend und Jan und Julia waren zusammen in ihrem Haus, eng aneinander gekuschelt auf dem Sofa, am Fernsehen. Julia wusste nichts Besseres um sich etwas von der bedrängenden Situation abzulenken. Sie fiel aber dennoch immer wieder in Gedanken, weil sie glaubte auch jetzt beobachtet zu werden. So ganz falsch war das auch nicht. Julia und Jan hatten abgesprochen, dass sie morgen auf jeden Fall nicht mehr zur Schule gehen würden und stattdessen nach Thale fahren würden, um dort gegen die Hexen vorzugehen, wie es ihre Aufgabe war. Die Bahntickets hatten sie sich eben bereits am Bahnhof gekauft. Julia wollte heute schon früh ins Bett gehen, da sie wusste, dass morgen ein anstrengender Tag vor ihr liegen würde, obwohl sie überhaupt nicht müde war und eigentlich auch nicht schlafen wollte, da sie befürchtete im Schlaf überrascht zu werden. Sie bat Jan aber dann doch, den Fernseher auszuschalten und mit ihr ins Bett zu kommen. Heute Nacht wollte sie auf keinen Fall alleine bleiben. "Ich gehe nur noch schnell etwas trinken, ja?", sagte Julia und öffnete die Küchentür. Sie machte Licht und auf der Suche nach etwas Trinkbarem fiel ihr der Brief auf, den sie bekommen hatte. Es war der Brief über einen Gewinn einer Nordseereise, der mit den vielen Rechtschreibfehlern. Schon vor ein paar Tagen war ihr dieser Brief spanisch vorgekommen. Doch jetzt überlegte sie genauer und kombinierte es mit der Hexengeschichte. Es war so, dass sie sie weghaben wollten. Sie sollte genau zur Nacht der Hexen an der Nordsee sein, damit sie ihnen nicht mehr in die Quere kommen könnte. Julia legte den Brief auf den Tisch und überlegte sich, ob es nicht sogar besser gewesen wäre, einfach davor wegzulaufen. Dann dachte sie aber, dass das keine Lösung ihrer Probleme wäre. In dem Moment klingelte das Telefon. Julia blieb angewurzelt in der Küche stehen und traute sich nicht, auch nur einen Meter zum Telefon zu gehen. Es war schließlich schon kurz nach 10 Uhr und wer sollte, außer die Bösen, noch um diese Zeit anrufen. Jan rief indessen von oben herab: "Julia, das Telefon klingelt!" Julia traute sich jetzt auch nicht, ihm zu antworten. Warum wusste sie selbst nicht. Sie stand einfach nur da und bewegte sich nicht. Das konnte sie auch nicht. Julia wollte sich überwinden und losgehen, aber es ging nicht. Jan dachte, Gott sei dank, schon mit und hastete die Treppe runter und ging selbst ans Telefon. "Jan Lambrecht, hallo?" "Guten Abend, Jan.", meldete sich eine freundliche Stimme. "Oh, guten Abend, Marita." "Du bist also auch bei meiner Julia? Kann ich sie mal sprechen oder seid ihr irgendwie beschäftigt?" "Nein, nein. Julia müsste eigentlich hier irgendwo sein." Jan legte den Hörer an seinen Oberkörper und rief dann nach Julia. Keine Antwort. "Julia? Deine Mutter ist dran!" Erst jetzt war es Julia überhaupt wieder möglich, zum Telefon zu gehen. Sie hatte jetzt die Sicherheit, dass dort draußen nichts Schlimmes war. "Sie nahm den Hörer in die Hand und legte ihn ans Ohr. "Hallo, Mama?" "Hallo, Schätzchen. Wie geht’s dir?" "Ach weißt du... ehrlich gesagt geht’s mir nicht so gut. Ich habe aber keine Möglichkeit, dir jetzt irgendetwas zu erklären, falls sie uns zuhören. Eigentlich wollte sie jetzt ablenken und sprach ihre Mutter auf ihren verspäteten Anruf an. "Tut mir Leid, Julia. Ich konnte nicht anrufen. Als du aufgelegt hast, wurde ich niedergeschlagen und ausgeraubt." "Ach du Scheiße!", rief Julia entsetzt. "Danach hat man mich, wie eigentlich auch alle anderen Mitglieder, gefesselt. Jan’s Mutter hat man auch gefesselt. Ein paar Stunden später wurden wir von der Polizei gefunden und losgebunden. Im Moment sind wir auf dem Weg nach Hause. Nachdem wir vom Polizeirevier gekommen waren, haben wir uns sofort das Busunternehmen bestellt. Der Bus hatte aber auf dem Weg hierhin eine Panne und nun rufe ich von einer Raststätte aus an, weil er schon wieder eine Panne hat. Wir werden wohl heute Nacht hier bleiben und nicht vor morgen Mittag ankommen." "Mein Gott, sie wollen dich auch weghaben. Du sollst mir nicht helfen.", nuschelte Julia ins Telefon, mehr zu sich selbst. "Was redest du da?" "Ich kann dir jetzt Nichts erklären, aber pass bitte gut auf dich auf, falls dich jemand verfolgt oder so." "Julia, ich mache mir wirklich große Sorgen. Was ist mit dir los?" "Versuch nicht mir zu helfen. Das könnte alles nur noch schlimmer machen. Jan und ich werden morgen nicht da sein. Wir kommen auf jeden Fall wieder, also mach dir keine Sorgen und bleib zu Hause. Verlass am Besten gar nicht erst das Haus und schließ dich ein. Darum bitte ich dich. Das ist wichtig. Sonst könnte dir etwas zustoßen, weil jetzt nichts mehr nach ihrem Plan läuft." "Aber Julia..." Nach diesen Worten legte Julia den Hörer auf die Gabel und zog den Stecker des Telefonkabels wieder aus der Dose, den Jan eben, während sie in der Küche war, bemerkt hatte und glücklicherweise rein gesteckt hatte. Sonst hätte Julia nie etwas davon mitgekriegt, dass die Hexen auch ihre Mutter loswerden wollten. Anscheinend war sie immer noch ein zu großes Risiko, weil sie ja früher ein Hexenkind war. Jan begleitete Julia jetzt in die Küche, denn sie hatte ja noch immer nicht getrunken. "Glaubst du, sie wird es verstehen?", fragte Julia nachdenklich in den Raum. "Ich glaube, dass sie sich morgen daran halten wird, was du gesagt hast. Sie hat großes Vertrauen in dich und wird dir blind auch glauben. Sie wird im Haus bleiben." Julia erzählte Jan die Geschichte ihrer und auch Jans Mutter und Jan fragte erschüttert: "Was wollen sie denn von meiner Mutter?" "Anscheinend sollte es so aussehen, als sei es ein wahres Kunsttreffen oder sie haben auch deine Mutter für eine Gefahr gehalten. Denn wenn unsere Eltern erfahren hätten, was in unserer Schule vorgeht, hätten sie ihnen bestimmt den Plan durchkreuzt, völlig unbewusst. Das könnte der Grund sein. Wir mussten zur Schule gehen, damit uns die Hexen und Vampire ausspionieren konnten und in unser Haus hätten sie auch nicht eindringen können, wenn Eltern da gewesen wären. Sie waren einfach im Weg." "Wir müssen sie alle morgen aufhalten!" "Das haben wir vor!" "Ich glaube uns steht ein ziemlich großes Abenteuer bevor." "Hey, du bist doch ein Abenteuerfreak." Jan war glücklich, dass Julia versuchte, ihm und sich bessere Laune zu schaffen. Aber sowohl sie, als auch er, wussten, dass sie jetzt nicht mehr lachen konnten. Es war einfach alles toternst. Die Situation, in der sich die Beiden befanden war ernst. Die Lage war ernst. Jeden Moment hätte etwas hereinkommen und sich auf Julia stürzen können. Als Julia ihr Zimmer betrat kam es ihr so verändert vor. Die sonst so helle Farbe und der süße Duft des Holzes des Kleiderschrankes waren jetzt dunkel und der Duft stinkend. Julia empfand es als solchen. Sie erfreute sich nicht mehr an den Buffy – Postern. Immer, wenn sie schlecht gelaunt war, hatte sie nach Anblick ihrer Postersammlung wieder gute Laune. Jetzt beängstigten sie die Poster sogar. Denn wie jeder, der die Serie schon einmal gesehen hat, weiß, ist Buffy eine Dämonenjägerin und verfolgt Vampire. Der Gedanke daran, selbst ein Teil dieser Fantasy – Serie zu sein, beängstigte sie. Sie wiederholte immer wieder für sich im Kopf: "Das ist eine Fantasy – Serie. Abgeleitet von Fantasie. Es ist nicht real." Ob die Serie real war oder nicht, die Situation in der sich Julia und Jan befanden, war es auf jeden Fall und Julia schaffte es nicht, sich einzureden, dass alles nur erfunden sei. Im Augenblick wäre Jemand, der sie weckte und ihr sagte, dass es ein Traum sei, ihr lieber gewesen als ein Lottogewinn oder Ähnliches. Aber es weckte sie niemand. Sie ließ ihren Blick vom Poster auf den Fußboden fallen und schwenkte dann ihren Kopf rüber zum Bett auf dem sie saß. Sie sah Jan, der mindestens genau so verzweifelt schaute, wie sie selbst. Auch er versuchte sich wahrscheinlich einzureden, alles sei ein Traum. Auch er hob seinen Blick Richtung Julia und schaute ihr in die Augen. So saßen die beiden eine ganze Zeit lang da und schauten sich einfach nur an. Sobald der Erste lächeln musste, schaute er weg, denn keinem war zum Lachen zumute. "Wir sollten jetzt schlafen gehen.", bemerkte Julia nach einigen Schweigeminuten. Sie ergriff die Initiative und wechselte zum Kleiderschrank über. Unbewusst griff sie nach einem der Schlafanzüge. Viele helle Klamotten befanden sich darunter, sie "erwischte" aber einen dunklen und ging damit ins Bad. Jan lächelte, als er merkte, dass Julia an die fast einzige dunkle Kleidung in ihrem Kleiderschrank geraten war, ließ das Lächeln aber wieder fallen, als sie den Raum verließ. Dann legte er sich lang gestreckt auf das Bett und blickte an die Decke, um in Gedanken zu fallen. Er musste sich keine Sorgen ums Umziehen machen, denn alle Sachen waren bei ihm zu Hause. Er hatte ja auch nicht beabsichtigt, heute Nacht bei Julia zu schlafen. Julia kam etwas schläfrig wieder herein. Sie hatte seit einigen Tagen schließlich keine durchgehende Nachtruhe mehr gehabt. Immer wieder wurde sie ja von den Träumen verfolgt, nach denen sie dann aufgewacht war. Julia beabsichtigte aber keineswegs einzuschlafen. Das war gerade heute viel zu gefährlich. Jan auf jeden Fall machte Platz auf dem Bett und Julia legte sich auch auf dessen Oberfläche. Ungefähr zwei Stunden lagen sie wach und konnten kein Auge zumachen. Es war totenstill im Zimmer und Beide lauschten auf Geräusche, die von der Straße kamen. Manchmal schmissen Straßenköter oder herumstreunende Katzen Mülltonnen um, aber sonst war nichts Verdächtiges zu hören. Plötzlich kratzte und scharrte etwas an der Schlafzimmertür. Dabei waren die Beiden schon fast eingeschlafen. Jetzt allerdings richtete Julia sich blitzschnell auf, war dankbar für die Weckaktion, da sie ja nicht schlafen wollte, bekam dann aber eine Heidenangst und furchtbares Herzklopfen. "Was ist das?", fragte sie verängstigt. "Das klingt wie ein Tier, dass an deiner Tür scharrt.", meinte Jan. "Das kann doch alles sein.", sagte Julia panisch. Dann begann das Tier zu jaulen. Am Pfeifen und Fipsen erkannte Julia ihren Hund Bennie. Sie schoss zur Tür und ließ ihn herein. Dieser wedelte heftig mit dem Schwanz und freute sich, Julia wiederzutreffen. "Wo kommst du denn her? Ich dachte, du bist bei Oma?", sprach Julia zu dem Hund. "Er scheint weggelaufen zu sein.", sagte Jan. "Schon möglich." Julia dachte einen Moment nach. "Unmöglich! Wenn er doch weggelaufen ist, würde er jetzt vor unserer Haustür stehen und winseln. Jemand muss ihn reingelassen haben. Jemand hat das Haus aufgemacht, Bennie ist mit reingelaufen, also ist Jemand hier im Haus." "Vielleicht ist deine Mutter wieder da?" "Kann nicht sein. Sie hat gesagt, dass sie wahrscheinlich die Nacht über da bleiben muss." "Dann sollten wir die Polizei verständigen. Es könnte ja genau so gut ein Einbrecher sein." "Hast du dein Handy hier?" "Nein, meins liegt zu Hause." "Und meins ist im Bad in meiner Hose." Jan stand ganz langsam und leise auf: "Dann werde ich es jetzt holen gehen." "Bitte pass auf dich auf." Jan öffnete ruhig die Tür, die dabei ein wenig knartschte. Danach schlich er sich durch den Flur und schaute dabei nach vorne, rechts und links, um nach Eindringlingen Ausschau zu halten. Die dritte Tür auf der rechten Seite schob er langsam auf und machte Licht. Er ging in das Badezimmer und schloss die Tür wieder hinter sich. Er griff nach Julias Hose und fuhr mit der Hand in die Taschen und ertastete dabei das Handy. Er nahm es und ging den Weg den er gekommen war auch genau so wieder zurück. Nachdem auch Julias Tür zum Zimmer geschlossen war, fing er an zu wählen. Er meldete einen Einbruch bei der Polizei. Ihm wurde versichert, dass gleich Jemand vorbeikommen würde. Die Zeit schien wie eine Ewigkeit zu sein. Jan und Julia saßen auf dem Bett und starrten wie festgenagelt auf die Tür. Sobald sie ein Stück aufging, waren sie bereit zu fliehen. Unten auf der Straße hörten sie ein Auto heranrollen, das vor ihrer Haustür zu stoppen schien. Sie hofften, dass es endlich die Polizei sei, die die Einbrecher festnähme, wenn es denn welche sind. Nach einer ziemlich geringen Zeit riefen die Beamten von unten die Anrufer herbei, dass wieder alles sicher sei. Julia und Jan gingen zur Treppe. Vor der Haustür standen zwei Polizisten mit einem festgenommenen Einbrecher. "Scheiße, Mann. Ich dachte, es wäre keiner zu Hause.", sagte der Einbrecher. Er hatte wohl das Haus eine Zeit lang beobachtet und gemerkt, dass niemand daheim war. Er hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, nach Bewohnern Ausschau zu halten. Denn laut Brief, den Julia glücklicherweise auf dem Küchentisch hatte liegen lassen, war auch sie, die einzige momentane Bewohnerin, an der Nordsee. Sonst wäre die ganze Situation vielleicht viel gefährlicher ausgegangen. "Danke, dass sie angerufen haben und einen schönen Abend noch.", verabschiedete sich einer der Beamten. Auch Julia und Jan verabschiedeten sich merklich erleichtert. Nachdem der Einbrecher ins Auto gesetzt wurde, schloss Julia die Haustür und verriegelte sie wieder. Die beiden trotteten wieder die Treppe rauf, um sich ins Bett zu legen. "Eins frage ich mich aber noch immer, Jan." "Und das wäre?" "Wie kommt Bennie bloß hierher? Er sollte eigentlich noch bei Oma bleiben, bis meine Mutter ihn abholen kommt." "Vielleicht ist er einfach nur weggelaufen." "Das ist unmöglich. Meine Oma sperrt ihn immer im Haus ein und Türen auf- und zuschließen kann er bis heute noch nicht. Hoffentlich ist ihr nichts passiert." "Was sollte ihr schon passieren? Du machst dir zu viele Gedanken. Das war bestimmt alles halb so kompliziert, wie du denkst." "Ich muss meine Oma gleich morgen früh anrufen, dass Bennie bei mir ist." "Tu das. Gute Nacht." Jan kuschelte sich aufs Bett. "Wir dürfen jetzt nicht schlafen, auch wenn wir müde sind. Es kann sonst was passieren." "Ich glaube nicht, dass uns heute noch etwas geschieht. Sie hätten schon längst eingegriffen, wenn sie hier wären." Julia überredete Jan aber doch noch ein wenig aufzubleiben. Julia wurde dann aber doch von der Müdigkeit übermannt und schlief nach zwei Stunden schließlich ein und auch Jan machte danach die Augen zu und schlief tief und fest.

"Es ist schon eine ganze Zeit lang still.", bemerkte eine Person, von der, in einem Schrank auf dem Flur stehend, nur die Umrisse zu sehen waren. Eine andere antwortete ebenfalls aus einem Schrank: "Noch ein wenig Geduld. Wir warten noch."

Es war knapp eine halbe Stunde vergangen und immer noch war es im Schlafzimmer von Julia still. Also wagten sich die Personen aus ihren Schränken hervor. Erst ging die eine Tür auf und dann die, des anderen Schrankes. Erst jetzt wurden die Personen im Mondlicht, das durch das Fenster herein schien, deutlich erkennbar. Es waren die Besucher aus der letzten Nacht. Ein großer Vampir und ein kleiner Vampir waren es. Der große hieß Herr Heilos und war Julias Chemielehrer und der kleine hieß Sören und war Julias Klassenkamerad, der sich eines Tages plötzlich verändert hatte. Also mussten sie ihn zum Vampir gemacht haben. Julia und Jan schliefen noch immer fest. Die Schlafzimmertür ging langsam auf und zwei Köpfe schauten vorsichtig hinein. "Lass mich das tun.", sagte Sören. "Das ist zu riskant. Du hast zu wenig Erfahrung und kannst damit noch nicht umgehen. Das mache ich besser alleine." "Ich darf immer die Drecksarbeiten machen!" "Unsinn! Du hast gestern gut gearbeitet und sie fast leergesaugt. Ich denke, sie ist schon so weit." "Sie war so lecker. Das wollte ich schon immer einmal tun.", schwärmte Sören. "Halt einfach nur deine Klappe, ja?", fuhr ihn Herr Heilos an. "Warum traust du mir das nicht zu? Ich kann ihr genau so gut befehlen wie du.", wurde Sören jetzt lauter. "Auf dich wird sie nicht hören. Du besitzt noch keine Macht. Jetzt sei still. Wenn dieser Jan aufwacht, mache ich dich einen Kopf kürzer!" "Mache ich dich einen Kopf kürzer...", wiederholte Sören frech und versuchte dabei Herr Heilos nachzuahmen. Herr Heilos drückte ihn fest gegen den Türrahmen und drohte ihm, ihn umzubringen, wenn er nicht still wäre. Sören wusste, welche Macht Herr Heilos besaß und war von da an vorsorglich lieber still. "Du bleibst hier stehen und rührst dich keinen Moment vom Fleck. Ich werde Julia jetzt wecken gehen.", sagte Herr Heilos finster. Er schlich sich langsam und gekonnt zum Bett. Seine Füße hörte man nicht auf dem Teppich aufsetzen. Er setzte sich neben Julia auf das Bett und streichelte ihr sanft über das Haar. Er wollte das nicht, aber er musste, denn sie durfte nicht schnell aufwachen, da sie sonst Jan geweckt hätte. Julia machte ganz langsam und schläfrig die Augen auf und fühlte sich nicht bedrängt, als sie erkannte, dass sie Herr Heilos tief in die Augen schaute. Seine Augen waren tief und grau. Julia fühlte sich bei ihm sicher und geborgen. Sie gehörte zu ihm und er zu ihr. Sie fühlte, dass nur er sie wirklich verstand. Es war, als wäre ihr echter Verstand ausgeschaltet. Julia hatte nicht das Bedürfnis nach Hilfe zu rufen, obwohl sie sehr genau wusste, dass Jan direkt neben ihr lag und sie ihn nur zu wecken hätte brauchen. Herr Heilos begann jetzt ruhig und sanft zu ihr zu sprechen: "Wie fühlst du dich, Julia." "Mir ist ein wenig schwindelig.", antwortete sie ebenso ruhig. "Du bist also schon verändert. Du fühlst dich frei, hab ich Recht?" "Ja." "Kann ich dich um etwas bitten, dass du tun sollst für mich?" "Kannst du auch was für mich tun?", brach Sören dazwischen, der nur Blödsinn im Kopf hatte. "Was soll ich denn tun?", fragte Julia und ließ Herr Heilos keine Zeit auf Sörens Kommentar zu antworten. "Es ist wichtig, dass du es tust und ich muss dir vertrauen können. Kann ich das auch wirklich?" "Bitte entschuldige. Ich habe auf Sörens Antwort gewartet." "Hörst du ab jetzt nur mir zu? Um Sören kümmere ich mich später noch sehr sorgfältig." Sören rannte aus dem Haus und die Straße entlang. "Sicher." "Also noch mal: Es ist wichtig, dass du es tust und ich muss dir vertrauen können. Kann ich das auch wirklich?" "Natürlich. Ich gehorche nur dem allmächtigen Dracula." "Und meinen Gefolgsleuten." "Und deinen Gefolgsleuten." "Brav." "Wuff!", entgegnete Julia dreist. Ein Zeichen dafür, dass ihr Verstand noch nicht so weit war, Befehlen ihres Meisters ganz zu gehorchen. Irgendwann, wenn die Entwicklung so weit fortgeschritten wäre, würde sie sich telepatisch mit ihm verständigen und Befehle selbstständig ausführen. Jetzt aber hörte sie nur darauf, was ihr gesagt wurde, wenn es ihr auch gesagt wurde. Die Entwicklung zu einem Vampir durch den Biss letzte Nacht war noch nicht weit genug fortgeschritten. Innerhalb einer Woche wäre sie vollständig ein Vampir gewesen. "Sehr witzig.", entgegnete Herr Heilos daraufhin. Julia musste schmunzeln. "Du musst mir jetzt ganz genau zuhören." "Was hat mein Meister zu sagen?", sagte Julia mittlerweile ziemlich gelangweilt. Herr Heilos musste sich beeilen, da sie sonst wirklich aufwachen würde. Selbst er konnte sie noch nicht lang genug fesseln. "Konzentriere dich! Du wirst jetzt die Treppe herunter gehen." Julia stand auf und stieg die Stufen hinab. Unten angekommen blieb sie wie angewurzelt stehen. Herr Heilos war ihr gefolgt und stand am oberen Ende der Treppe und befahl ihr jetzt: "Du wirst jetzt in die Küche gehen, dir ein großes Fleischmesser holen und wieder an die Treppe kommen." Herr Heilos merkte, dass Julia einen sehr starken Willen hatte, denn sie kam und kam nicht zurück. Normale Vampire hätten eigenständig gehandelt, aber Julia weigerte sich, das zu tun. Er schaute ihr über die Schulter, als er in die Küche gekommen war. "Wenn ihr kein Fleischmesser besitzt, nimmst du ein kleineres!", sagte er leicht angesäuert. "Wie mein Meister befielt." Sie nahm erst jetzt ein kleineres Messer und ging damit an die Treppe zurück. "Steig jetzt die Treppe nach oben und geh zurück ins Schlafzimmer." Herr Heilos folgte ihr. "Konzentrierst du dich immer noch und hörst du mir noch aufmerksam zu?" "Ja." "Dann geh jetzt an die Bettseite deines Freundes und töte ihn. Stich ihn ab." Julia näherte sich dem Bett und stellte sich gerade vor Jan, der auf dem Rücken im Bett lag und sich ganz darüber ausgebreitet hatte. Julia warf einen dunklen Schatten über Jans Körper. "Warte." Julia drehte den Kopf zu Herr Heilos. "Ziehe erst die Bettdecke ein wenig runter und töte ihn dann." "Julia griff nach der Bettdecke und zog sie ein wenig zu Jans Füßen. Jetzt hob sie das Messer fast über ihren Kopf, um auszuholen. Sie bleib dann aber angewurzelt stehen. Selbst wenn sie spürte, dass sie zu Dracula, ihrem Meister, gehörte, spürte sie auch, dass sie zu Jan gehörte und sie fühlte sich einerseits sicher bei Dracula, andererseits aber auch bei Jan. Jetzt stand sie in einem Zwiespalt mit sich selbst. Sie konnte sich nicht entscheiden. Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie es wirklich tun sollte. Julia wusste nicht mehr, was das Richtige war. "Tu es!", fuhr sie Herr Heilos an. Julia zuckte und holte mit dem Messer, das sie sinken gelassen hatte, noch einmal hoch aus. "Töte ihn!" Julia stach mit dem Messer zu. Sie bremste sich gerade noch so, dass Jan nur einen kleinen Kratzer davon trug und davon auch aufwachte. Dadurch, dass Jan nun wach war, sammelte sich Julia wieder und warf das Messer mit Schwung auf Herr Heilos. Dieses landete in seinem Bauch. Als Jan das sah, richtete er sich blitzschnell auf, tat aber gar nichts, da er die Situation noch nicht verstand. Herr Heilos zog das Messer aus seinem Bauch heraus und lachte dabei finster. Danach rannte er die Treppe herunter und die Straße entlang, bis er in den Wald einbog und dort verschwand. Aus einer Wunde tropfte kein Blut und auch an dem Messer, das auf dem Boden lag, war kein Blut, außer an dessen Spitze, die Jan getroffen hatte. Julia versuchte Herr Heilos zu folgen, aber als sie an der Haustür ankam, erkannte sie, dass das zwecklos sei und sie keine Chance gegen ihn hätte. Auch Jan hatte sich inzwischen gefasst und versuchte Julia zu folgen. Auf der Treppe wurde er langsamer und bemerkte seinen Kratzer, der blutete. Julia drehte sich um und schaute Jan an, wie er sich seinen Kratzer anschaute und sich zu wundern schien. "Oh Gott! Es tut mir Leid, Jan. Glaub mir! Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht verletzen." "Schon gut, Julia. Ich glaube dir.", sagte Jan und nahm sie in den Arm. "Wir müssen ein Pflaster drauf kleben. Komm mit.", sagte Julia. Als die beiden auf dem Weg ins Bad waren, fragte Jan: "Was war da eben los?", obwohl er über alles Bescheid wusste, was er wissen musste. Julia war in Gefahr, sie sollte ihn umbringen und die Bösen hatten doch noch zugeschlagen. Die Blutung war schon einigermaßen gestockt und Julia klebte das Pflaster über die Wunde. Der Schnitt war glücklicherweise nicht tief und auch nicht lang, da sie ja gerade reinstechen wollte. Den Rest der Nacht verbrachten sie auf jeden Fall hellwach sitzend auf Julias Bett. Ans Schlafen konnte Keiner von den Beiden mehr denken. "Dracula sagte irgendetwas davon, dass ich mich zu einem Vampir entwickeln würde.", erzählte Julia. "Moment mal. Das heißt Herr Heilos ist Dracula, das Oberhaupt der Vampire?" "Es scheint wohl so." "Und du sollst dich also zu einem Vampir entwickeln?" "Ja, aber ich glaube, es dauert ein wenig, bis ich einer bin. Ich habe Herr Heilos’ Befehle zwar ausgeführt, aber seine Macht und meine Entwicklung waren noch nicht stark genug und so konnte ich mich Gott sei dank bremsen. Sonst wärst du jetzt wahrscheinlich tot." "Aber wenn du dich zu einem Vampir entwickelst, kann deine Verwandlung dann noch gestoppt werden?" "Ich weiß es nicht. Ich hoffe schon. Sollte ich ihm noch einmal gegenüber treten, werde ich ihn fragen. Er wird mir bestimmt antworten, weil er ja weiß, dass ich eine von ihm bin. Ich fürchte, wenn meine Entwicklung zu weit fortgeschritten ist, will ich gar kein normaler Mensch mehr sein." "Julia! Denk das nicht! Du musst auch an mich denken. Du kannst jetzt nicht aufgeben und dich einfach in einen Vampir verwandeln. Nicht kampflos!" Julia und Jan unterhielten sich noch bis zum nächsten Morgen. Es gab soviel zu besprechen und dabei wussten sie so wenig über diese Wesen. Sie würden sich in der nächsten Nacht in einen hoffnungslosen Kampf stürzen, von dem sie so wenig Ahnung hatten, was da auf sie zukäme, wie ein Fleischer vom Backen.

Da sie schon die ganze Zeit auf dem Bett gesessen hatten, waren sie es Leid und gingen schon um 6 Uhr runter in die Küche, um sich Kaffee und das Frühstück zuzubereiten. Beide waren heute morgen sehr schweigsam, denn sie mussten an den folgenden Abend denken. Den ganzen Tag lang waren sie damit beschäftigt zu überlegen, was sie erwarten würde, wie man Julia heilen könnte, ob sie Jan noch einmal angreifen würde, wie weit ihre Entwicklung schon fortgeschritten war, wie man gegen die Hexen und Vampire am Besten vorgehen konnte, gegen wie viele sie ankämpfen müssten und noch Vieles mehr. Sie hofften aber doch noch, etwas mehr über die Begebenheiten in Thale herauszufinden. Deswegen, um den Ort auszukundschaften und auch den naheliegenden Hexentanzplatz, auf dem sich die Hexen und Vampire wahrscheinlich treffen würden, fuhren sie schon sehr früh, es war gerade mal 8 Uhr, mit dem Bus zum Bahnhof. An der Schule würden sie heute selbstverständlich nicht mehr teilnehmen. Sie malten sich immer wieder aus, wie sich normale Leute an diesem letzten Tag im April hoffnungslos besaufen würden, wenn sie in den Mai tanzten, Julia und Jan aber würden sich hoffnungslos in den Kampf stürzen, während alle anderen feierten. Dazu kann man noch sagen, dass man an diesem Morgen Sörens Leiche in der Schülertoilette fand. Man schlug ihm den Kopf ab. Auch viele Lehrer fehlten an diesem Tag und einige Schüler ebenfalls, die anderen freuten sich über viele Freistunden. Julia und Jan konnten sich aber trotzdem nicht sicher fühlen auf ihrer Reise nach Thale. Als sie schließlich in Herford in den Zug stiegen, bemerkte Jan auf seinem Weg zum Klo, in einem anderen Wagon eine Frau, von der er nur die Frisur sah. Er meinte aber Frau Müller zu erkennen. Es wäre auch nur zu logisch gewesen, denn sie fuhr kein Auto und diese "Hexen fliegen auf Besen – Nummer" war selbstverständlich Unsinn. Selbst Hexen haben nicht die Gabe Gegenstände zu verändern oder zu bewegen, dafür aber die Zeit zu verändern. Wenn Hexen sich ganz stark anstrengen, könnten sie sich sogar durch die Zeit katapultieren, danach wäre ihre Energie aber für ungefähr die nächsten fünf Jahre aufgebraucht. Nur die Oberhexe hat mehr Kraft als die anderen. Das war auch der Grund, warum Julia in der einen Nacht solange durch die Zeit gereist war. Hexen besitzen auch die Möglichkeit, ihre Gabe und Energie an andere weiterzugeben. Das tat Frau Müller und gab ihre Fähigkeiten an Dracula. Das ist der Grund, warum Dracula, der diese Gabe des Weitergebens, als Einziger der Vampire, auch besitzt, die Zeitreisen von Julia verursacht hatte, mit Hilfe der anderen, die von ihm einen Teil der Kraft bekommen hatten. Dieses ist allerdings ein schwieriges Unterfangen, da Vampire sich nicht genug konzentrieren können. So gab es Komplikationen und Julia wurde praktisch in der Zeit ständig hin und her geschleudert.

Zurück zur eigentlichen Geschichte: Jan erblickte also Frau Müller. Er ging in diesem Fall natürlich nicht mehr auf Klo, denn obwohl er musste, dachte er sich, er könne ja auch noch nachher gehen und hielt es im Augenblick für viel wichtiger, Julia vor der neuen Gefahr zu warnen. Er konnte sich gar nicht vorstellen, was Frau Müller mit Julia anstellen würde, wenn sie sie in die Finger bekäme. Hätte sich Frau Müller tatsächlich auf die Suche begeben, was sie aber nicht tat, da sie ja nichts von den zwei weiteren Passagieren ahnte, hätte sie sie so oder so gefunden, egal wo sich versteckten. Ab jetzt waren die Beiden also noch aufmerksamer und noch ängstlicher. Sie taten so unauffällig wie nur möglich, was dann natürlich noch auffälliger wirkte. Der Schaffner, der die Fahrkarten kontrollierte, schaute sie schon ganz verdutzt an, als sie sich schon fast auf den Boden geworfen hätten, weil sie dachten, Frau Müller würde hereinschauen. Dieses Ausschauhalten hielten sie noch fast zwei volle Stunden durch. Erst dann kamen sie am Bahnhof in Thale an. Sie warteten aber noch eine Weile, bis Frau Müller ausgestiegen war und erst, als die Beiden sich einigten, dass sie raus sein müsse, stiegen sie auch aus. Das war aber ein riesiges Missverständnis, das zusätzlich davon zeugte, wie wenig die Beiden doch von Hexen wussten. Hexen haben sozusagen einen sechsten Sinn, der aber nicht ganz ausgereift ist. Sie können spüren, wenn ihr Feind in der Nähe ist. Und so spürte Frau Müller im Zug, dass etwas Böses in ihrer Nähe war. Da Hexen ja nicht dumm sind, wartete auch sie, aber nicht darauf, dass ihr Feind ausgestiegen war, wie es Julia und Jan taten, sondern sie schaute voraus und wartete darauf, bis die anderen, die wie sie wusste, gewartet hatten, herauskamen, so dass sie sie überraschen konnte. Glückleicherweise hatten Julia und Jan noch länger als lang gewartet, bis der Zug fast schon wieder abgefahren war. Somit kamen sie nach Frau Müller aus dem Zug, die allerdings auf dem Bahnsteig höchstens ein paar Meter vor den Beiden ging. Sie drehte sich auch um, weil sie eben die Fremden spürte, erblickte aber niemanden, da Julia und Jan sich absichtlich hinter einer großen Gruppe bewegten, die jetzt schon in Saufstimmung, eingestellt auf heute Abend, war. Julia und Jan warteten ein wenig, indem sie durch die Geschäfte im Bahnhof stöberten. Frau Müller sollte längst weg sein und so verließen sie schließlich auch den Bahnhof und schlürten durch die Stadt. Ihr erstes Ziel war es, noch bis zum Nachmittag ein geeignetes Hotel zu finden. Irgendwann erblickten sie auch ein solches, mit einem riesigen Schild auf dem "Zimmer frei" stand. Sie gingen also um die Straßenecke. Die Straße, an der das Hotel lag, war schmal und an ihr lag eine Apotheke mit einer digitalen Uhr davor. Auf der anderen Straßenseite endete die Stadt und der Wald, so wie man den Harz kennt, fing dort an. Er war selbst jetzt am Tag düster, aber bei Touristen sehr beliebt. Was Julia und Jan noch nicht ahnten, war, dass dort der Weg zum Hexentanzplatz aufstieg. Das sollten sie aber noch später herausfinden. Jetzt aber schoben sie das Tor zu dem gepflegten Garten auf, in dem ein wunderschöner Springbrunnen sprudelte. Jan drückte auf die Klingel. Ein Schrillen ertönte im unteren Teil des Hauses. Es dauerte einen Moment, bis jemand zur Tür kam. Eine alte, freundliche Dame machte auf. Mit einer Stimme, die Julia an ihre Muter erinnerte, begrüßte sie die Beiden freundlich. "Guten Tag,", erwiderte Jan. "Wir würden für heute Nacht gerne ein Zimmer haben, wäre das möglich." "Aber natürlich. Kommt doch herein." Im Haus angekommen, schloss die Dame die Tür wieder ab. "Macht es Ihnen etwas aus, wenn Sie alleine das Zimmer beziehen? Ich steige nicht mehr gerne diese Treppen herauf. Ich bin schon zu alt." "Wir finden den Weg alleine." "Ich danke Ihnen. Hier ist der Schlüssel. Sie können das Haus jederzeit verlassen, aber bitte vergessen Sie nicht abzuschließen." "Wohnen hier noch mehr Gäste?" "Ja, ein Zimmer haben wir noch vermietet. Seltsame Leute sind das, wenn Sie mich fragen. Halten Sie sich besser von denen fern." "Okay, danke für den Tipp." "Jetzt ruhen Sie sich aus, ich muss unbedingt mein Buch weiterlesen. "Der Herr der Ringe" ist einfach zu spannend!" Jan grinste und ging dann mit dem Schlüssel in der Hand die Treppe rauf und wandte sich nach links, um das Zimmer aufzuschließen. Die Konstruktion des Hauses ähnelte Julias Haus ein wenig und auch die Lage ihres Zimmers war in diesem Haus vergleichbar. Sachen hatten die Beiden keine mitgenommen, also hatten sie auch Nichts auszupacken. Julia und Jan schauten sich ein wenig in dem Zimmer um. Es war alles vorhanden, was man zum Schlafen brauchte und eine Mini-Küche, in der man kochen konnte. Julia schlug aber vor, sich schon einmal hier in Thale umzusehen und den Hexentanzplatz einmal zu besuchen, bevor es heute Nacht ernst wurde. Jan stimmte zu. Da sie aber die genaue Lage des Platzes nicht kannten, wandten sie sich noch einmal an die alte Dame, die jetzt bewegungslos vor ihrem Buch saß und fasziniert vom Inhalt, daraus las. Sie gab den Beiden die Auskunft, dass der Hexentanzplatz ganz in der Nähe läge und das er sich auf dem höchsten Punkt des gegenüberliegenden Waldes befand. Julia und Jan bedankten sich und gingen aus der Haustür, überquerten die Straße und gingen nur mit Widerwollen in den Wald, obwohl es dort normale Wanderwege gab, auf denen auch jetzt noch andere Personen gingen. Trotzdem fürchteten sie sich, als sie den großen und dunklen Wald betraten. "Es ist wirklich unheimlich hier.", bemerkte Julia und schaute sich dabei die riesigen Bäume an. So große Bäume hatte sie bis jetzt noch nicht gesehen, obwohl sie oft in Wäldern umher ging. Die Bäume schienen wirklich bedrohlich zu sein und sie hatte Angst davor, ihnen, den eigentlich unbeweglichen Lebewesen, heute nacht zu begegnen. Sie hatte Angst, sie könnten sie zerstampfen. Ein wirklich idiotischer Gedanke! So gingen Julia und Jan weiter durch den Wald. Der Weg stieg steil an und so gelangten sie langsam, aber sicher auf die Bergkuppe. Der Wald wurde auf dem Weg dort hin immer dichter und folglich immer dunkler. Bald fielen bloß die letzten Sonnenstrahlen durch das dichte Laub der Kronen. Sie schlugen sich förmlich durch das dicke Laub des Herbstes des Vorjahres, als sie auf eine mit grasbewachsene Lichtung traten. Es war die Bergkuppe und die Sonne schien ihnen hell ins Gesicht. Es war traumhaft schön hier, doch sie wussten, heute nacht würde sich hier das genaue Gegenteil abspielen. Sie gingen langsam über die große Bergkuppe, um die Gegend auszukundschaften. Fast das komplette Plateau war von Bäumen umgeben, außer die eine Seite, zu der sich Julia und Jan bewegten. Dort war ein Zaun gespannt, ziemlich hoch, damit kein Kind, das dort spielte und von denen es im Sommer hier nur so wimmelte, hinunterstürzen konnte, denn hinter dem Gitter fiel ein Anhang fast senkrecht ab. Er war geprägt von scharfen und spitzen Kanten, die einen gut und gerne aufspießen konnten. Danach endete er wieder flach und dort wuchsen die Bäume weiter. So war ein Blick über die dort noch jungen Bäume möglich, rüber zu den anderen traumhaften Bergen dieser Gegend. "Hier ist es so wunderschön.", schwärmte Julia. "Kannst du dir vorstellen, dass wir hier gegen Hexen kämpfen sollen und das noch gegen unsere Lehrer? Das ist doch bestimmt alles nur ein grässlicher Traum." "Darauf würde ich nicht hoffen, Julia. So leid es mir tut." Julia und Jan hielten sich auf der Spitze des Berges fast zwei Stunden lang auf und die Menschenmassen nahmen immer mehr zu. Plötzlich rannte ein Kind zur Absperrung und wollte auf das Gitter klettern, das den Steilabhang abgrenzte. "Vorsicht!", rief der besorgte Vater. Julia schritt schnell ein und griff das Kind einmal um die Brust und setzte es zurück auf den Boden. Sogleich fiel es hin und fing bitter an zu weinen und schien sich vor Schmerz zu krümmen und hielt sich dabei die Brust. "Was soll das? Was machen sie mit meinem Kind?", schrie der Vater aufgebracht. Er betrachtete das Kind genauer und blickte dann verschreckt auf. "Wer sind Sie?" "Wer sollen wir denn sein?" "Entschuldigen sie mich. Ich war nur ein wenig aufgebracht. Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen?" "Nein danke, wir müssen weiter! Komm, Jan!", sagte Julia. Der Mann blickte den Beiden noch hinterher, bis sie im Wald verschwunden waren. Auch andere Blicke schienen nun auf sie zu fallen. Aber hier, im dunklen Wald, war niemand und hier konnten sie ungestört wieder den Berg hinab steigen. Nach einer guten Weile, sie waren noch nicht lange herab gestiegen, man konnte die Hügelkuppe noch gut erkennen, hörten sie etwas in einem der dichten Büsche, die sich von den wenigen Sonnenstrahlen ernährten, die es schafften, durch das Blätterdach zu kommen. "Was ist das?", fragte Julia augenscheinlich in Panik versetzt. Es raschelte noch einmal. "Da ist Jemand im Busch.", sagte Jan. "Schnell, Jan, lass uns weitergehen!" "Wir sollten gucken wer oder was da ist." "Jan, ich will nicht." "Und wenn er uns weiter folgt, sind wir heute nacht aufgeschmissen, weil sie wissen, dass wir hier sind." "Du hast recht." "Also schauen wir nach, ob es einer von ihnen ist." Hinter dem Busch saß eine gekrümmte Gestalt mit einem Fernglas in der Hand, das auf die Bergkuppe gerichtet war. Er schaute gespannt dem Treiben der Menschen zu. Er schien jung zu sein und trug eine Brille. Neben ihm lagen ein paar Notizblöcke und Blätter mit seinem Gekrakel. "Entschuldigen Sie bitte.", sprach Jan den Mann an. Dieser erschreckte sich und ließ dabei sein Fernglas in den Busch fallen. "Ja?", entgegnete der Mann. "Was machen Sie hier, wenn wir fragen dürfen?" "Wenn es euch interessiert. Auf der Uni wurde das für das seltsamste Projekt aller Zeiten erklärt." "Sie sind von einer Universität?" "Ja. Es ist mein erstes Jahr dort und jeder hat ein Projekt vorzustellen." "Sind sie ganz alleine?" "Nein, meine Partnerin ist verwundet und liegt im Hotelzimmer und wertet meine Ergebnisse aus." "Was machen sie denn jetzt genau?", unterbrach Julia das Gespräch zwischen dem Mann und Jan. "Ach ja. Heute ist doch Walpurgisnacht und ich stelle heute nacht Forschungen über Hexen an." "Wirklich?", fragte Julia begeistert. "Ich weiß, dass das lächerlich ist, aber ich und meine Partnerin haben Spaß daran." "So lächerlich ist das gar nicht mal." "Wie bitte?" "Ich möchte das ungern hier draußen erklären, aber möglicherweise könnten wir ihnen und sie uns helfen.", schlug Julia vor. Der Student verstand natürlich nicht die Bohne, was Julia da erzählte. Aber er nahm an, weil er jetzt neugierig war. "Wir können runter zum Hotel gehen und dort weiterreden." Alle waren einverstanden und so machten sie sich auf den Weg. "Wie heißen Sie eigentlich?", fragte der Mann. "Ich bin Jan." "... und ich bin Julia. Und Sie heißen?" "Ich heiße Sven. Und wo wir schon mal unsere Namen kennen, können wir uns ja auch duzen, oder nicht." Jan und Julia stimmten zu. Nach zehn Minuten kamen sie im Hotel, in dem Sven mit seiner Partnerin wohnte, an. Das Hotelzimmer war gemütlich eingerichtet. Svens Partnerin Sandra lag gemütlich auf dem Bett und hatte sich, obwohl es draußen ein warmer Aprilabend war, mit zwei Decken eingedeckt und schaute gerade eine Dokumentation über Gespenster. Die Beiden schienen wirklich vom gleichen Schlag zu sein. Sven stellte die beiden Besucher seiner Partnerin vor. Die Partnerin stellte sich danach vor. Auch sie bot den Beiden fast augenblicklich das "Du" an. Freizügige Menschen waren das. Im Zimmer stand ein Laptop, der den ganzen Tag in Betrieb war und auf dem alle Daten der letzten Tage gespeichert waren und auch noch einmal die Kritzeleinen abgetippt wurden. Jan konnte sich nicht mehr halten und fragte: "Wie kommt ihr zu diesem Projekt? Was war der Grund dafür?" "Nun, dafür gab es viele Gründe. Sandra interessierte sich schon immer für Dokumentationen über Übernatürliches und ich war schon als Kind von solchen Sachen fasziniert und haltet mich für verrückt oder nicht, aber als ich damals, ich war sechs Jahre alt, in Irland war... Es war atemberaubend und gruselig zugleich. Ich kann mich noch genau an die Nacht erinnern. Ich war mit meinen Eltern dort. Wir übernachteten in einem Hotel an einer verlassenen, staubigen Straße. Nebenan waren alte, verlassene Burgruinen. Mein Vater war geschäftlich dort. Da wir in der Stadt keine Zimmer fanden, fuhren wir raus aufs Land. Dort fanden wir ein altes Haus, von dem die Farbe schon abblätterte. Wir klopften und wurden freundlich von einer netten, alten Dame empfangen. Wir saßen noch den ganzen Abend am Kamin. Es war traumhaft schön. Doch ich blickte immer wieder raus aus dem Fenster zu den alten Burgruinen. Mein Vater bemerkte meine Neugier und wusste, dass ich von Mythen und Sagen besessen war. Er verbot mir, mit einem sehr strengen Blick, dorthin zu gehen. Ich hatte Respekt vor meinem Vater und so blieb ich in der Nacht auf meinem Zimmer. Als ich fast eingeschlafen war, hörte ich einen Schrei, der das Glas der Fensterscheibe zum Zittern brachte. Ich schreckte auf und entschloss mich zur Burgruine zu rennen, aus der der Schrei kam. Meine Mutter kniete auf dem Boden und schluchzte und kriegte sich nicht mehr ein. Sie schrie immer weiter und die Tränen flossen ihr am Gesicht herunter. Sie kniete über dem leblosen Körper meines Vaters. Ich war geschockt, als ich ihn erblickte. Er hatte einen furchtbaren Gesichtsausdruck. Etwas hatte ihn erschreckt, denn er war sichtlich geschockt. Ich kniete mich neben meine Mutter und schwor Rache für meinen Vater zu nehmen. Ich wollte denjenigen kennen lernen, der am Tod meines Vaters die Schuld trägt. Auch mir flossen die Tränen, als ich meinem Vater ins Gesicht blickte und seinen Ausdruck zu deuten versuchte." Auch Julia kamen bereits die Tränen und sie sagte: "Das ist ja grausam." "Nicht so sehr, wie ihr jetzt denkt, denn ich habe seinen Mörder entdeckt und ihm verziehen. Meine Mutter kam kaum noch auf die Beine und zog meinen Vater mit letzter Kraft, die sie noch aufbringen konnte, ins Haus. Sie nahm mich mit. Als sie aber nicht aufpasste, entwischte ich ihr und rannte an die Stelle zurück, an der mein Vater ermordet wurde. Als ich an der Stelle ankam, hörte ich jemanden, weiter hinten in den Ruinen, ebenfalls so stark weinen, wie meine Mutter es tat. Ich ging langsam und vorsichtig weiter und näherte mich dem Schluchzen. Ich blieb geschockt stehen, war bewegungsunfähig, mein Herz klopfte dermaßen schnell, dass es fast aufhörte zu schlagen. Aber ich hielt durch, denn ich hatte Rache geschworen dem Mörder und diese "Person" war es vielleicht. Ich stand vor ihm und er sprach mich an, mit verheulter Stimme: "Ich wollte das nicht. Ich wollte ihn nicht töten, glaub mir. Ich hatte nicht die Absicht. Oh Gott, es tut mir so Leid. Bitte verzeih mir. Er hat sich zu Tode erschreckt. Ich hoffte, dass es nicht meine Schuld wäre. Aber ich bin an allem Schuld. Ich habe Schuld!" Er sah so mitleidig aus, dass ich ihm verzieh und ich glaubte ihm, dass er keine Schuld trug und den Tod meines Vaters nicht beabsichtig hatte. Von diesem Moment an habe ich nicht länger um meinen Vater getrauert. So unwirklich das auch klingt: Das war meine erste Begegnung mit einem Geist. Die alte Dame, als ich sie nach sechs Jahren wieder besuchte, erzählte mir, sie warte schon eine Ewigkeit auf mich, um mir etwas auszurichten. Sie wusste durchaus um den Geist, der in den Ruinen spukte, bescheid und er erzählte ihr, dass er endlich, nach dem Tod meines Vaters, seine ewige Ruhe antreten könne, wahrscheinlich dank seines Mitleids, dass er hatte und er werde sich nun bei meinem Vater persönlich entschuldigen. Ein normaler Geist kennt kein Mitleid oder Trauer! Nach ein paar Minuten, nachdem die Frau mir diese frohe Botschaft überbrachte, starb auch sie. Sie wusste, dass ich noch einmal kommen würde und hatte bis dahin weitergelebt.

Und dank dieser vielen mystischen Ereignisse, bin ich auf ein Projekt, wie dieses gestoßen, denn mit Hexen habe ich mich noch nie beschäftigt.

Was rede ich da! Wahrscheinlich nehmt ihr mir diese schwachsinnige Geschichte gar nicht ab." "Und wie! Wir haben auch so eine Geschichte hinter uns und glauben sie selbst noch nicht!", bemerkte Julia. "Aus diesem Grund dachte ich, wir könnten uns gegenseitig helfen." "Das wäre mir eine Ehre, sozusagen. Keine Ahnung, aus welchem Film ich das schon wieder aufgegabelt habe." "Und wie haben sie ihre Partnerin kennen gelernt?", fragte Jan. "Nun, sie ist nicht nur eine Partnerin, sondern eine Freundin. Damals war sie die Einzige, die mir diese Geschichte mit meinem Vater abgekauft hatte." "Lasst uns doch auf die Hexen zurückkommen.", unterbrach Julia. Sie fand diese Gespräche zwar höchst interessant, aber sie sah auch die untergehende Sonne, die nur noch über die Baumwipfel schaute und die Zeit drängte schließlich. Also musste sie, so Leid es ihr auch tat, die Anderen in Eile versetzen. Und Jan begriff schnell, worauf Julia hinaus wollte, also lenkte er auch auf die Hexengeschichte. Sie erzählten Sven und Sandra alles über ihre Erlebnisse, die sie bis jetzt schon hatten und was Wahrscheinlicherweise ihre Pflicht heute nacht oder besser gesagt Julias Pflicht, sei. Sven, der sich natürlich vorab über Hexen und das Mittelalter informiert hatte, konnte alles nur mit Neugier und Zustimmung aufnehmen. Alles was Julia und Jan herausgefunden hatten, war soweit wahr. Dem zu Folge konnten sie ebenfalls sicher sein, dass sie heute genau das erwarten würde, was sie sich schon ausgemalt hatten. "Von einem Hexenkind habe ich bereits gehört. Viele Autoren stritten sich schon darüber, ob es eine solche Person gäbe, aber ich habe daran geglaubt. Und jetzt steht das Hexenkind vor mir!", sagte Sven. "Werdet ihr uns denn helfen?" "Ich werde euch helfen, so gut ich es kann, doch die Hexen musst du ganz alleine aufhalten, ob es dir passt oder nicht. Diese Aufgabe hast nur du und niemand anders kann diese Kraft dazu aufbringen. Und Sandra kann nicht mit uns kommen, sie ist noch zu stark verletzt." "Wie kommt das?", fragte Jan. Jetzt ergriff Sandra das Wort: "Ich hatte schon zu viel herausgefunden. Ich wusste Bescheid über die Geschichte der Hexen und über ihre Pläne. Ich hatte Informationen und Daten über die Vampire, die irgendwie, ich weiß noch nicht wie, im Zusammenhang mit den Hexen stehen. Für sie war ich zu weit gegangen und so griffen sie mich an, auf offener Straße, mitten in der Nacht. Sie haben versucht, mich zu töten, es aber nicht geschafft, weil ein Saufclub vorbeikam, an die zwanzig Mann stark. Sollten sie mich auffinden, weiß ich, dass sie mich töten werden, aber ich bleibe hier und stehe Sven bei! Bitte, wenn ihr heute nacht dort draußen in der Dunkelheit seid, passt auf euch auf, auf euch gegenseitig! Und dir viel Glück, Hexenkind." "Danke, das werde ich wohl brauchen." Julia war aufgeregt, als wenn sie jeden Moment in die schnellste Achterbahn der Welt einsteigen würde und zugleich war sie es nicht, denn es schien ihr immer noch nicht real, was mit ihr passierte. Sie glaubte immer noch daran, dass es Hexen nicht gäbe, obwohl sie mehr als genug Beweise dagegen hatte. Hexen! Hexen! Was für ein Quatsch! Damit jagt man Kindern Angst ein! Wie dem auch sei, Julia und Jan verabschiedeten sich freundlich und erleichtert, weil sie jemanden gefunden hatten, der ihnen beistand und verabredeten sich mit Sven am Busch, an dem sie sich treffen wollten, denn als Gruppe den Berg zu erklimmen, wäre zu gefährlich gewesen. Das letzte Dämmerlicht hing über der Stadt, als Julia und Jan das Hotel verließen. Danach begaben sie sich zu ihrem eigenen. Oben im Zimmer angekommen, traten sie durch die weit offen stehende Tür in ein unordentliches Zimmer, das von Kopf bis Fuß durchwühlt worden war. "Was machen Sie da?", fragte Julia aufgebracht die alte Dame, die die Sachen durchwühlte. "Ich räume bloß auf, damit sie nicht soviel Arbeit haben. Es waren Einbrecher hier und haben das ganze Zimmer durchwühlt. Ich weiß nicht, nach was sie gesucht haben, aber sie haben nichts mitgenommen!" "Entschuldigen sie mich. Ich war nur geschockt. Ich habe heute sehr viel um die Ohren.", entschuldigte sich Julia. "Ist halb so schlimm." Sie erinnern mich an meinen Sohn. Er wurde ermordet, draußen im Wald, auf dem Hexentanzplatz, genau heute vor 4 Jahren." Der alten Damen kamen ein paar Tränen, die sie aber unterdrückte. Spätestens jetzt war auch Julia klar, dass sie nicht zu den Hexen gehören konnte. "Wir sind Ihnen sehr dankbar, aber den Rest räumen wir auf.", sagte Jan gutmütig. "Passen Sie bitte auf. Ich fürchte, dass die Einbrecher noch mal kommen." "Wir werden vorsichtig sein. Noch mal vielen Dank." Nachdem sie ihr Zimmer halbwegs aufgeräumt hatten, schalteten sie den Fernseher ein, um sich noch ein wenig abzulenken, was aber gründlich misslang. Immer wieder tauchten sie mit ihren Gedanken ab und starrten einfach nur leer auf das Bild. Ungefähr um zehn Uhr wollten sie losgehen. Die Hexen würden sich erst im Dunkeln treffen und was viel wichtiger war, wenn alle anderen, normalen Menschen, dank des Alkohols, nicht mehr ansprechbar waren. Erst dann konnten sie ungehindert ihr Ritual vollziehen. Was Julia und Jan noch nicht ahnten, als sie stumpfsinnig eine Folge von "Big Brother" sahen und sich kein bisschen daran störten, weil sie einfach nicht aufmerksam waren, war, dass die Hexen bereits bestimmte Vorkehrungen trafen, die sie mit dem Laufe der Zeit sorgfältig ausgearbeitet hatten. Sie teilten sich in Gruppen ein oder besser gesagt, die Oberhexen hatten hierbei das Kommando und liefen die Straßen ab, um zu kontrollieren, wie weit die Menschen in ihrem Suff schon gegangen waren. Wo noch "aufmerksame Feierer" saßen, tranken die Hexen, bei denen Alkohol keine Wirkung zeigte, weil sie viel zu klug waren, schon mal ein Bier mit, um die Menschen noch trunkener zu machen. Erst, als sie die Lage als sicher eingestuft hatten, machten sie sich auf den Rückweg. Andere Gruppen bildeten Wachposten rund um den Tanzplatz, damit auch niemand in dessen Nähe kam. Und eine Gruppe war für einen bestimmten Bereich zuständig. Frau Müller, die Oberhexe höchst persönlich, teilte ihre erfahrensten Hexen dafür ein. Sie sollten den Bereich des Waldes überwachen, den Julia hinaufsteigen würde, denn mittlerweile wussten sie, wo Julia sich aufhielt. Nach Möglichkeit sollte sie ihr Hotel nie wieder verlassen. Und die Hexen nahmen ihre Pflicht toternst. Sogleich machten sie sich bereit für den Abstieg, runter in die kleine Siedlung, zum Hotel, wo sie den Auftrag hatten, Julia und Jan zu ermorden und dazu hatten sie wenig Zeit. Glücklicherweise hatten die Hexen ihre eigenen Pläne, die sie jetzt, wo sie nicht beobachtet und kontrolliert wurden von ihrer Meisterin, auch ausführen konnten, denn Hexen hassten es, Befehlen zu gehorchen. Die Gruppe der Hexen löste sich also auf, denn einige meinten, es wäre schon zu spät, um zum Hotel zu gehen, Julia befände sich schon längst auf dem Weg. Sie verloren sich in den Wäldern, jeder seinen eigenen Wachposten einnehmend. Nur eine Hexe, die die meiste Durchsetzungskraft hatte, kam unten auf der Straße an, um in das Hotel einzudringen. Es war nicht zu fassen! Julia und Jan schliefen tief und fest! Alle Beide schliefen sie! Und das bei all der Aufregung! So konnte die Hexe unbemerkt in die Nähe des Hauses gelangen, um ihren mörderischen Plan auszuführen.

Nach gut 2 Stunden, die Julia bereits in aller Seelenruhe geschlafen hatte, riss sie ihre Augen auf. Sie dachte ein Geräusch gehört zu haben. Es war eine Art kratzen auf dem Dach oder an der Wand oder vor ihrem Fenster. Klar konnten es auch Tiere sein, aber nach alldem, was sie bis jetzt im Traum erfahren hatte, wollte sie sich lieber vergewissern. In der Tat saß die Hexe oben auf dem Dach und schabte darauf herum, um sie aus dem Haus zu locken. Sie zog sich ihren Mantel über und ging vorsichtig die Treppe hinab. Da war es wieder, dieses Kratzen und nun vernahm sie auch ein leises Rufen nach ihrem Namen. Hexen haben eine hypnotisierende Stimme, mit denen sie eindringlich rufen konnten. Das Kratzen kam mittlerweile von der unteren Hauswand. Die Hexe war die Dachrinne heruntergeklettert, während Julia die Treppe hinab ging. Sie schaute sich vorsichtig im dunklen Flur um, erkannte nichts auffälliges und ging weiter zur Tür. Sie schob den Riegel aus dem Schloss und öffnete leise die Tür, so dass sie niemand hörte, weder die Person, die draußen war, noch die alte Dame, bei der sie wohnten. Jan hatte sie in diesem Augenblick vollständig vergessen. Er interessierte sie nicht mehr! Nun bemerkte sie die Kälte der Nacht, die um ihren Körper strömte. Die Sterne waren größtenteils verdeckt durch mehrere Wolken. Sie ging hinaus auf die Eingangsterasse. Dann drehte sie sich zum Haus um und blickte zum Dach, zur der Westseite zugeneigten Wand und zu ihrem Fenster, dort, wo es zum ersten Mal geschabt hatte. In diesem Moment schnappte die Tür ins Schloss. Sie hatte keinen Schlüssel mitgenommen und war jetzt aus dem Haus ausgesperrt. Ein paar Sekunden später vernahm sie einen grellen Schrei um Hilfe aus dem oberen Stockwerk. Sie dachte erst an Jan, jetzt fiel er ihr wieder ein. Sie hatte ihn alleine dort oben gelassen, im Stich gelassen. Aber der Stimme nach zu urteilen war es ihre Mutter. Was war geschehen? "Ich komme, Mama!", schrie sie aufgeregt. Sie rannte zurück zur Tür und versuchte mehrmals sie sowohl nach Innen als auch nach Außen zu öffnen. Nichts tat sich und sie trat dagegen. Als auch das ein Misserfolg war, irrte sie über die Straßen der Ortschaft. Nur ein paar Laternen belichteten die verlassene Gegend ein wenig. Mehrmals rief sie um Hilfe, aber in keinem Haus brannte noch Licht. Sie gab die Hoffnung auf, jetzt noch jemanden zu erreichen und ging langsamer. Alle, die zu Hause waren, waren entweder so betrunken, dass sie tief und fest schliefen oder noch gar nicht von den Sauftouren heimgekehrt. Sie machte sich große Sorgen, was wohl mit ihrer Mutter passiert war. Bis sie sah, dass die Haustür wieder aufging. Eine dunkle verschwommene Gestalt stand darin. Erst jetzt wachte sie so richtig auf. Sie war gar nicht zu Hause! Das hier, wo sie stand, war nicht ihre Straße! Sie war hier in Thale und vor ihr stand eine Hexe. Sie erinnerte sich daran, dass die alte Dame eine ähnlich klingende Stimme wie ihre Mutter hatte. Noch dazu machte sie sich jetzt Vorwürfe und Sorgen um Jan, den sie alleine dort oben hatte schlafen lassen. Was sie nicht wusste, war, dass Jan vom Schrei der alten Dame, die ermordet wurde, aufgeschreckt worden war. Die Hexe schlug ihn daraufhin bewusstlos. Julia machte jetzt aber ein paar große Schritte auf die Tür zu. Bis sie sicher erkannte, was aus der Tür herauskam. Es war ohne Zweifel eine Hexe und es war hier und jetzt. Sie erkannte es nicht an ihrem Aussehen, es war viel zu dunkel, sie wusste es einfach. Sie fing sofort an, in die entgegengesetzte Richtung in den Wald zu rennen. Vor ihrer Haustür lag dieser Wald, in den sie nicht mal gern bei Tageslicht ging und nun musste sie notgedrungen nachts hinein. Sie hatte im Gefühl, dass dieser Wald gefährlich sei. Gewiss nicht immer, aber gerade an solche Tagen wie heute. Das war jetzt auch egal. Jetzt hieß es: Der Hexe begegnen oder in einen Wald zu rennen. Sie wurde immer schneller, als sie bemerkte, dass die Hexe riesige Sätze machte, bald doppelte Schritte, als sie sie machte. Einen Besen, wie man ihn bei einer Hexe erwartet hätte, hatte sie nicht. Sie war inzwischen im Wald angekommen und bei ihrem Tempo rutschte sie auf dem nassen Blätterboden aus. Sie stand sofort wieder auf und nahm wieder an Tempo zu. Sie hatte große Probleme, Geschwindigkeit aufzunehmen, denn es ging stetig bergauf. Sie hatte das Gefühl, als wollten die Bäume sie ausbremsen. Sie stellten sich ihr in den Weg und leiteten sie über besonders glitschige Flächen, wie riesige Moosflächen. Auf diesen Stellen kam sie nur langsam voran und die Hexe, der die Bäume den Weg wieder freigaben, holte langsam auf. Einige alte und knorrige Bäume streckten die Wurzeln unter ihr aus, damit sie stolperte oder peitschten mit den Zweigen nach ihr. Manche warfen noch mit faulen übrig gebliebenen Früchten hinter ihr her. Mehrmals stolperte sie also über diese Wurzeln und die jungen Triebe der Bäume peitschten ihr ins Gesicht. Julia wurde um mehrere Ecken getrieben. Die Bäume kicherten, als sie sie zum zweiten Mal an ihnen vorbei rennen sahen. Manchen sahen sie drei mal. Die Bäume hatten Spaß daran, sie um ihr leben rennen zu sehen. Sie hatte schon längst begriffen, dass sie hier und jetzt ihren Traum erlebte. Diese Szene hatte sie also immer wieder vorrausgesehen und sie war sich auch über das Ende des Traumes im Klaren. Wenn alles so bliebe, würde sie auch dieses noch miterleben. Sie war so erschöpft, dass sie schließlich über eine ausgestreckte Baumwurzel stolperte und der Wald schien auch kein Ende zu nehmen. Die Bäume hatten sie wieder und wieder im Kreis laufen lassen. Ihr Gesicht lag in nasser Erde, sie war aber zu schlapp, um es dort herauszunehmen. Nur leicht hob sie den Kopf, denn sie war sich im Klaren, was nun käme. In einem Augenwinkel sah sie die Baumkronen, durch die das Vollmondlicht schimmerte. Die Bäume hatten dem Vollmond Platz gemacht, damit er das Opfer belichtete und die Hexe schneller zu ihm hinfand. Sie konzentrierte sich also auf diesen Anblick, da sie so etwas wahrscheinlich nie wieder erleben würde, selbst wenn dieses traumhafte Bild dem Bösem diente. Dann schob sich die dunkle schattenhafte Gestalt zwischen sie und den Mond. Sie blickte nun auf die verschwommene Frau. Die Aufregung und der Spurt durch den Wald hatten ihre Sinne getrübt. Doch als die Alte ihr Schwert zog, wurde ihr Blick klar und sie sah deutlich vor sich eine Hexe. Alle Hoffnung schien verloren. Doch da sprang ein zweiter Schatten über sie und die Hexe landete gestoßen von ihm, ein paar Meter weiter auf dem Boden. Kurz drehte sich die zweite Person zu ihr um und sie erkannte Jans freundliches Zulächeln. War es real? War da wirklich Jan? Danach verließ die Hoffnung sie aber wieder, denn obgleich er es war, er würde auch sterben, früher als sie. Sie war aber zu schwach, um ihm zu helfen. Sie konnte nicht mehr anders und schloss die Augen. Sie hörte vielmehr, wie Jan sich mit der Hexe einen erbitterten Kampf lieferte, dann war es still. Sie machte die Augen langsam wieder auf. Vor ihr lag Jan mit einem schielenden starren Blick. Sie ließ ihre Augen ein Stück tiefer schweifen. Als sie erkannte, dass Jans Körper fehlte, begriff sie, dass nur sein Kopf neben ihr lag. Vor Schreck zuckte sie ein wenig zur Seite. Aber sie konnte ihren Blick nicht mehr von Jan nehmen und fing jetzt auch noch an zu weinen. Sie erstarrte aber plötzlich, als sie die Alte wieder heranschleichen sah. Sie beugte sich abermals über sie vor das Mondlicht, aber diesmal mit einem blutverschmierten Schwert. Sie holte aus. Durch den Wald ging ein Geflüster und Gelächter der Bäume. Plötzlich sprang ein weiterer Schatten über sie und stieß die Hexe gegen einen Baum. Wer war Julias neuer Retter? Möglicherweise war es Sven. Ihr Traum schien eine sonderliche Wendung zu nehmen. Sie versuchte ein wenig hoch zu gucken, ohne Jan noch einmal in die starren Augen schauen zu müssen. Sie konnte aber nicht anders und musste noch einmal hinblicken. Er war weg! Jans Kopf und sein Körper waren weg! Sie schaute zu ihrem Retter hoch, das heißt, er kämpfte immer noch erbittert mit seinen Fäusten gegen die Hexe, während sie ein Schwert trug. Sie erkannte ihn nur von hinten, aber es war eindeutig Jan. Sie war fassungslos, Jan war noch am Leben! Der Tod Jans war nie passiert. Sie hatte sich alles nur eingebildet, so stark hatte sie an die nächsten Geschehnisse geglaubt. Jan stieß die Hexe über eine Baumwurzel, die eigentlich für ihn gedacht war und diese rollte ein paar Meter weit den Abhang hinab. Hätte sie nicht ein Baum gebremst, der an die Stelle trat, um sie zu stoppen, wäre die Hexe bestimmt noch bis zur Straße heruntergerollt. Beim Sturz hatte sie aber ihr Schwert verloren. Es glänzte noch und war kein bisschen mit Blut verschmiert. Jan beugte sich über die Hexe und stieß zu. Dann war es endlich für sie still. Den weiteren Weg machten die Bäume keine Umstände mehr. Sie schienen wieder normale, bewegungsunfähige Lebewesen zu sein. Julia war überglücklich, Jan nicht verloren zu haben, und klammerte sich um ihn. Die Beiden hatten aber dennoch wenig Zeit und mussten so schnell wie möglich zu dem Busch gelangen, an dem sie sich mit Sven treffen wollten. Julia machte sich immer noch Vorwürfe, Jan zurückgelassen zu haben und hatte Angst, dass sie es noch einmal tun könnte. "Wie bist du aus dem Hotel gekommen?", fragte sie. "Die Hexe hat mich bloß Bewusstlos geschlagen, weil du sonst entwischt wärst. Sie hatte keine Zeit, mich auch noch zu töten. Danach, das heißt, als ich aufgewacht bin, bin ich sofort in den Wald gerannt. Ich bin deinem Traum gefolgt, den du mir erzählt hattest, denn Vieles sprach dafür, dass das dein Traum war, den wir eben erlebt haben. Ich wusste, dass die Bäume dich in eine Falle geleitet haben und so bin ich nicht ihren Weg gegangen, sondern habe mich durch die Lücken gepresst, die noch blieben. Und so, glaube ich, habe ich den grundlegenden Traum verändert und es ist nicht mehr das passiert, was hätte passieren sollen. Zum Teil musste ich über die ersten Äste der Bäume klettern, was ein wenig länger gedauert hat, aber ich bin ja noch rechtzeitig gekommen." "Ich bin froh, dass du lebst, Jan. Ich werde dich nie wieder der Gefahr überlassen, das verspreche ich dir." Vielmehr versprach sie es sich, da sie fühlte, dass Jan ihr immer mehr und mehr egal wurde. Es war ihr gleichgültig, was mit ihm heute nacht geschah, Hauptsache war, sie würde diesen Tag heile überstehen. Sie vergaß Jan ab und an, obwohl er direkt neben ihr ging und sie überhörte ihn, wenn er etwas erzählte. Sie brauchten ziemlich lange, um den Busch wiederzufinden, da sie ja dank der Verfolgungsjagd vom Weg abgekommen waren. Sie hatten damit aber großes Glück gehabt, denn die anderen Hexen, die sich im Wald verstreut hatten, suchten die Wege ab, da sie felsenfest davon überzeugt waren, Julia und Jan würden dort entlang laufen. Und das wären die Beiden ja auch, hätten sie nicht den Zwischenfall mit der Hexe gehabt. Nun suchten sie also abseits des Weges nach dem einen Busch, hinter dem sich Sven versteckte und hoffentlich schon oder noch auf sie wartete. Sven war schon längst da, schon vor einer Stunde war er aufgetaucht und hatte seinen Notizblock mitgenommen und kritzelte heftig darin herum, denn auf der Spitze des Berges war mittlerweile schon reges Treiben. In dieser Nacht hatte er sich vorgenommen, ausschließlich Notizen zu machen, um sein Projekt so gut wie möglich zu gestalten. Er hatte sich aber geschworen, falls Julia oder Jan in Gefahr gerieten, würde er ihnen umgehend helfen. Er hoffte, dass auch die Beiden ihm helfen würden, falls er in Gefahr geriete, denn er hatte große Angst. Er wusste, wenn sie ihn sähen, dass er des Todes wäre. Auch er hatte in dieser Nacht schon Bekanntschaft mit den Hexen gemacht. Ungefähr zu der Zeit, als die Hexe in Julias Hotel eindrang, stahl sich eine andere in das von Sven und versuchte abermals, die ohnehin schon verwundete Sandra zu töten. So musste er sich mehr oder weniger gewaltsam der Hexe entledigen. Er rammte ihr ein Messer aus der kleinen Küche durchs Herz, eine andere Möglichkeit sah er nicht. Und er wusste auch, durch seine zahlreichen Nachforschungen, dass andere Hexen dies spürten. Wenn eine Hexe in nahem Umkreis verletzt oder getötet wird, spüren das die anderen Hexen. Sollten sie ihren Mörder entdecken, also Sven, würden sie auch sofort wissen, wer diesen Mord begangen hatte und würden auf Rache bis zum Tod schwören. Folglich sah es für Sven auch sehr schlecht aus. Er erzählte aber nichts von dem Julia, die er nicht noch mehr beunruhigen wollte. Er verheimlichte ihr alles, was er über den Tod von Hexen wusste. Er meinte es gut, würde Julia damit aber noch möglicherweise in Schwierigkeiten bringen. Sven sagte ihr lediglich, dass sie vermeiden solle, die Hexen zu töten. Sie solle einfach nur den Plan der Hexen vereiteln, um sie somit vorläufig aufzuhalten. "Julia, ich sitze hier schon seit einer Stunde und es sieht wirklich nicht gut aus da oben. Ihr beiden werdet in Lebensgefahr sein. Hoffe, das ist euch klar?", meinte Sven. "Wir werden schon auf uns aufpassen.", sagte Jan. In Julia stieß ein immer größer werdendes Misstrauen auf gegenüber Jan. Sie wusste, dass sie ihm nicht mehr trauen konnte. Julia hatte im Gefühl, dass er sich ihr in den Weg stellen würde. Er nervte sie einfach nur noch. Sie vertraute ihm aber dennoch und fragte, bloß um sich abzusichern: "Jan, du wirst mir helfen, wenn ich in Gefahr bin, oder? Und du wirst mir bei meiner Aufgabe helfen und dich mir nicht in den Weg stellen?" "Natürlich nicht! Wie kommst du denn darauf? Ich werde dich beschützen und dir, so gut ich es kann, helfen." Das Gefühl in Julia wurde immer stärker. Sie wusste, dass er sie anlog. "Jan hat recht, Julia. Er wird dir helfen, aber es bleibt deine Aufgabe und nur du kannst sie aufhalten.", bestätigte Sven. Im Moment war Julia alles Gelaber egal und sie ging drauflos, schnurgerade in Richtung Bergkuppe. "Julia! Julia!", rief Jan ihr hinterher. Sie hörte nicht zu. Sie hatte nur noch ein Ziel: Auf diesen Berg zu gehen. Zwar fürchtete sich Julia davor, sie ging aber trotzdem und konnte sich nicht stoppen. Jan kam ihr so schnell wie möglich hinterher und ergriff ihren Arm. "Julia! Warte! Was ist mit dir los? Wir sind noch nicht bereit zu gehen." Julia riss sich mit einem Ruck los und ging doppelt so schnell weiter. Dennoch drehte sie sich um und blickte ihm traurig ins Gesicht: "Jan, bitte hilf mir." Sofort danach veränderte sich allerdings ihre Stimmlage und sie sagte finster: "Wenn du mir in die Quere kommst, bringe ich dich um!" Jan blieb geschockt stehen und jetzt wurde ihm alles klar. Die Hexen und Vampire riefen ihre Völker zusammen und die Untertanen gehorchten. Julia war in ihrer Entwicklung seit dem Vampirbiss so weit, dass sie ihnen gehorchen musste. Sie befolgte ihre Befehle. Jan wusste, was jetzt auf ihn zukommen würde. Er müsste nun den Weg für Julia räumen, so dass sie nur noch das Ritual zu stoppen bräuchte und er müsste dafür sorgen, dass sie das auch wirklich wollte. Eine sehr schwierige Aufgabe für einen einzelnen Menschen. Er auf jeden Fall blieb stehen, weil er wusste, dass sie Julia nichts antun würden. Jan brauchte jetzt Ruhe und musste sich einen guten Plan ausdenken, aber ihm fiel einfach keiner ein. Er musste aber jetzt handeln. Noch mehr Zeit konnten sie nicht verlieren, wenn Julia zum Vampir würde, wäre alles zu spät. Jan rannte so schnell er konnte Julia hinterher, stoppte aber umgehend, als er Stimmen wahrnahm, die nicht sehr freundlich klangen. Die Hexen hatten Julia gesichtet. Es war ja auch kein Wunder, denn sie war ihnen geradewegs in die Arme gelaufen. Allerdings nahm Jan keine fremde Stimme wahr. Ihm war so, als hörte er einen guten Kollegen, aber er wusste nicht wen. Und tatsächlich war es so. Julia war geradewegs Carolin in die Arme gelaufen. Sie war aber nicht allein. Bei ihr war ihr Vater, ein Vampir des mittleren Ranges (mittlere Ränge haben unter Vampiren die "normalen" Vampire zu befehligen). Als Zeichen seines Ranges hatte er eine Narbe, die ein D für Dracula aufwies. Außerdem war sie in Begleitung einer Hexe, die auf ihrem Rundgang sich den beiden angeschlossen hatte. So blieben Caro also nicht viele Möglichkeiten und somit tat sie ihre Pflicht und bat Julia, mit ihnen zu gehen. Diese war derweil aber wieder zu Verstand gekommen und weigerte sich. Daraufhin ergriff die Hexe Julia fest am Arm und zerrte sie mit. Julia strampelte und versuchte sich loszureißen, aber sie schaffte es nicht. In der Aufregung bekamen sowohl Caros Vater, als auch Julia und die Hexe, nicht mit, dass sich Caro immer mehr entfernte. Nachdem sie einen gewissen Sicherheitsabstand zu der Gruppe hatte, drehte sie sich um und blickte aufgeregt durch den Wald. Sie ging den Weg entlang, den Julia gekommen war und blickte hastig hinter jeden Baum und Busch. Jan vertraute ihr nicht mehr und versteckte sich noch tiefer im Gestrüpp. Sein Versteck erreichte zumindest seine Wirkung, denn Caro lief an ihm vorbei. Jetzt begann sie sogar zu rufen: "Jan, komm raus. Ich muss mit dir reden!" Jan antwortete nicht. Irgendwann gab Caro niedergeschlagen die Suche auf, denn ihr Vater begann sie zornig zu suchen. "Du sollst nicht weglaufen! Wie oft haben wir dir das beigebracht?", schrie er sie an und gab ihr eine Ohrfeige. "Was wird deine Mutter sagen? Du kannst dich auf was freuen, wenn sie das hört. Du sollst von ihr lernen und dich nicht verstecken! Nun komm mit, sonst gibt’s richtig Ärger!" Erst jetzt kam Jan langsam aus seinem Versteck hervor und dachte nach. Was wäre, wenn Caro wirklich hätte helfen wollen? Niemand riskiert einfach soviel Ärger. Er hatte das Gefühl, Julia im Stich gelassen zu haben. Jan musste jetzt handeln, das war er ihr schuldig. Also ging er los, den langen steilen Pfad hinauf, den Julia eben gegangen war. Er schaute immer wieder zu seiner Rechten und Linken in den Wald hinein und war sehr aufmerksam. Würde er einer Hexe begegnen, wäre alles aus und er könnte sich wahrscheinlich gleich lebendig begraben lassen. Jan sah jetzt deutlich die Bergkuppe vor sich, auf der eine Menge Hexen und Vampire standen und sich miteinander unterhielten, allerdings in getrennten Gruppen: Vampire unter Vampire und Hexen auch nur unter ihresgleichen. Nur noch ein paar Bäume trennten Jan vom Wald und der Hölle. Er schlich sich jetzt langsam um die Kuppe herum, um von jeder Seite nach Julia Ausschau zu halten, denn manchmal standen ihm Personen im Blickfeld und so musste er sich ständig fortbewegen. Dann plötzlich trat eine Gruppe von Vampiren beiseite und ein kleinerer Käfig, wie der aus einem Zoo, möglicherweise geeignet für Eichhörnchen, kam zum Vorschein. Darin stand Julia und hatte sich angelehnt an die Rückseite des Käfigs, die aus Holz bestand. Das Ziel des Ganzen war es, Julia während des Rituals zu töten, das bald anfing. So demonstrierten die Oberhexen ihre Kraft und machten damit klar, wer hier das Sagen hatte. Zudem galt es auch die Vampire einzuschüchtern, denn diese mussten immer dumm gehalten werden, damit sie auch noch viele Jahre die Sklaven der Hexen blieben. Jan war nur noch fixiert auf den Käfig und wie Julia ängstlich darin stand, denn es war ein großer Schock für sie. Als sie wieder voll zu Verstand kam und wieder einfach nur Julia war, fand sie sich in diesem Käfig inmitten ihrer grausamen Feinde. Den Rest, wie sie dorthin gekommen war, hatte sie vergessen in der Aufregung. Jan bemerkte also nicht, wie drei Hexen hinter ihn traten und die eine ihn schnell und fest ergriff. Sie drehte ihn um, während er sich noch den Schreck anmerken ließ. Er blickte in diese grausamen, tiefen und ernsten Augen die Jan eindringlich anstarrten. Er blickte Frau Müller an und diese begann jetzt mit Jan zu reden, während sie ihn an ihre zwei Begleiter übergab, die ihn ebenfalls zum Käfig führten. "Hallo, Jan! Ich wusste schon, dass ihr Beide sehr stark seit und ich gebe zu: Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ihr euch hierher wagt. Noch nie hat es jemand durch unsere Wachen geschafft und erst wenige Jäger haben es versucht. Ihr seid die ersten Jäger, die hier oben angekommen sind. Aber das wird euch schon noch leid tun. Nie habe ich gedacht, dass jemand so blöd sein kann und sich unter tausend Hexen wagt und noch mal so viele Vampire. Nun seht ihr ja, zu welchem Ende das geführt hat. Wärt ihr mir doch bloß nicht in die Quere gekommen, dann hätte alles so gut werden können. Ich wäre nach diesem Wochenende zurück in die Schule gekommen und hätte euch weiterhin unterrichtet als Frau Müller. Julia wäre weiterhin von mir bevorzugt worden, weil ich ja ihre Lieblingslehrerin bin und die Welt wäre in Ordnung gewesen. So leid es mir tut, kann ich euch nicht wieder laufen lassen, denn dafür wisst ihr einfach schon zu viel. Und ich habe etwas beschlossen. Auch ich bin nicht perfekt, denn ich gebe zu, dass ich bis eben noch vorhatte euch zu töten, um einen größeren Einfluss auf meine Untertanen zu bekommen. Aber ich habe mich umentschieden, denn ihr seit sehr stark, wenn ihr zusammen seid. Ihr seid wagemutige Kämpfer und ihr könntet mir wirklich noch von Nutzen sein. Und so habe ich beschlossen, euch zu Hexen zu machen. Das geht schnell und schmerzlos vor sich. Julias Mutation zu einem Vampir kann ich stoppen. Sie ist mir von größerem Nutzen, wenn sie eine Hexe ist und du natürlich auch, damit ihr zusammen bleiben könnt, denn das macht eure Stärke aus. Diese Verwandlung, die ich mit euch vorhabe, läuft innerhalb von sieben Tagen ab. Ich werde mit euch aber eine große Beschleunigung vollziehen, denn nach Möglichkeit brauche ich euch schon heute Nacht bei unserem Ritual. Deswegen werde ich euch gleich unsere Geschichte erzählen, denn wenn man sich mit dem Hintergrundwissen verwandelt, fällt die eben sieben Tage andauernde Lektion weg, in der man Erfahrungen sammeln muss, auf eigene Faust. Dort würdet ihr dann unsere Geschichte lernen und ihr würdet die verschiedenen Fähigkeiten lernen, die ihr als Hexen danach habt. Ich werde euch freundlicherweise die Fähigkeiten übertragen, so dass ihr sie gleich benutzen könnt. Welch ein Glück, dass ihr an mich geraten seid, denn nur ich bin unter den Hexen dazu befähigt, dies zu tun. Geh nun zu deiner Freundin und erzähle ihr, was ich mit euch machen werde. Ich bin gleich wieder da. Die beiden anderen Hexen öffneten die Tür und sperrten Jan in den Käfig zu Julia. Die beiden umarmten sich und waren froh, wieder zusammen zu sein. Wenigsten jetzt fühlten sie sich relativ sicher. Jan tat es leid, die Sicherheit zu zerstören, indem er ihr von Frau Müllers Plänen erzählte. Die ging auch bereits schon auf den Käfig zu und befehligte ihre Gehilfen, den Käfig zu öffnen, indem sie ihnen ein Handzeichen gab. Als sich die Tür öffnete streckte sie Julia die Hand entgegen und forderte sie damit auf, ihre Hand zu nehmen. Julia wiederstrebte dieser Gedanke zwar, sie nahm sie aber trotzdem ohne ein Zögern. Auch Jan wollte nicht hinter den Beiden hergehen, er tat es aber trotzdem. Auf der Bergkuppe war eine mittelgroße Holzhütte für Wanderer (an normalen Tagen) errichtet worden. Die verriegelte Tür ging plötzlich, wie von Geisterhand, auf und die Drei traten herein. Hinter ihnen schloss sich die Tür sofort wieder und der Riegel schob sich wieder zu. "Setzt euch doch bitte!", sagte Frau Müller. Julia und Jan setzten sich nebeneinander auf die Bank. Frau Müller setzte sich auf die andere Seite des Tisches, damit sie Augenkontakt hatten. Dann begann Frau Müller ihre Geschichte zu erzählen und auch die, aller Hexen und Vampire. "Ich werde mich kurz fassen. Denn wir haben schließlich nicht den ganzen Abend lang Zeit! Also, hört gut hin, denn ich werde es nur einmal erzählen. Die ganze Geschichte begann im Mittelalter. Hexen gibt es schon eine Ewigkeit. Mit der Entwicklung der heutigen Menschen traten auch die Hexen auf den Plan. Damals, als man noch das Feuermachen lernte, konnten die Hexen es bereits schon anzaubern. Die Hexen lernten immer mehr Tricks dazu und wurden immer stärker. Wieso wir auf die Erde gekommen sind als Hexen, wissen wir nicht, denn eigentlich sind wir auch nur Menschen, nur eben mit einigen besonderen Fähigkeiten. Wir wissen nur, dass etwas, was mächtiger ist als wir, uns eine Anführerin gegeben hat, als es zu viele Hexen auf der Welt gab. Diese Anführerin hieß und heißt Walpurga, die Oberhexe. Walpurga kam bis heute in 10 Menschengenerationen zum Vorschein. Als der Mensch starb, der Walpurgas Geist als letztes beherbergte, ging sie auf mich über und so lebt sie nun in mir. Ich bin die offiziell anerkannte Oberhexe. Niemand wird sich mir je wiedersetzten, denn sie fürchten sich vor der großen Walpurga. Walpurga ging zu der Zeit in mich über, als die Menschen Burgen bauten und Könige sie beherrschten, also im Mittelalter. Seit dem lebe ich schon. Du siehst also, Walpurga verleiht einem ein unnatürlich langes Leben. Den Tod des Menschen, in dem sie haust, bestimmt nur sie. Sie herrscht über viele der Naturgesetze, auch über den Tod. Ein Problem gab es aber, als die große Walpurga geboren wurde. Auch ein Jäger wurde geboren, mit der Aufgabe, Walpurga zu vernichten. Nur der Jäger kann Walpurga töten. Der Jäger wechselt ähnlich wie Walpurga die Menschen, in denen er haust. Nur bleiben die Leben der Menschen unverändert. Du wirst es kaum glauben, aber vor dir war der Jäger in deiner Mutter. Doch nachdem deine Mutter mit dir Schwanger war, wurde sie schwach. Der Jäger erkannte schnell, dass er so gegen mich keine Chance haben würde und so wechselte er direkt nach deiner Geburt in dich. Allerdings brauchtest du nicht, wie deine Mutter es tat, mich persönlich antreffen, was dir als Baby auch ziemlich schwer gefallen wäre. Sondern es reichte, wenn du einfache Aufgaben erfülltest, die mich aufhielten. Du hast zum Beispiel mich auf ein Blatt Papier gezeichnet und danach den Namen "Hexenkind" in unserer Sprache darunter geschrieben. Ich muss sagen, dass mich das sehr schwer getroffen hat! Nun bist du allerdings schon älter und reifer und mutiger geworden. Der Jäger hat jetzt nicht mehr die Möglichkeit, mich durch so simple Maßnahmen zu stoppen. Nun musst du mich schon im Nahkampf besiegen. Das wird dir aber nicht mehr gelingen, denn nun sitzt du fest. Aber zurück zum Mittelalter..." "Halt. Meine Mutter. Weiß sie noch davon?" "Nein! Der Jäger sorgt dafür, dass man sein früheres Leben vergisst. Er erstellt eine unwirkliche Erinnerung, so, wie das Leben gewesen wäre, hätte sich der Jäger nicht in ihr eingenistet. Der Jäger ist verweichlicht, denn er will ein guter Parasit sein. Nun möchtest du bestimmt wissen, wieso wir uns jedes Jahr einmal versammeln. Nur die Anführer der Familien kommen hierher und natürlich die Oberhäupter." "Was sind die Familien?" "Vampire und Hexen finden sich zu Familien von 100-300 Personen zusammen. Ein Anführer leitet diese Familie und kommt hierher als Abgesandter. Nun lass mich aber meine Geschichte erzählen. Die Zeit drängt! Damals im Mittelalter haben nur wenige von uns überlebt. Die Hexen konnten sich glücklich schätzen, wenn sie ein gutes Versteck fanden. Ich selbst versteckte mich 6 lange Jahre und kam davon nur an drei Tagen heraus. Andere Hexen hatten nicht soviel Glück. Viele von uns verloren ihr Leben, wurden erhängt und wurden verbrannt. Viele Menschen waren auch dabei, da man sie für Hexen hielt, aber dennoch hatte es uns schwer getroffen. Ich ahnte damals noch nicht, dass es andere, mit ähnlichen Problemen gab. Eines Tages suchte mich Dracula, der Anführer der Vampire, in meinem Versteck auf. Er erzählte mir eine ebenso grausige Geschichte, wie meine es war. In seiner Heimat, in Rumänien, fielen die Vampire dem Hungertod zum Opfer. Es gab zu viele Vampire, aber zu wenige Menschen, von denen sich die meisten zur Wehr setzten. Die Menschen taten sich zu Gruppen zusammen und verfolgten die Vampire und durchstachen ihnen ihr Herz. Andere trafen sich an Draculas Schloss und warfen Knoblauch über die Schlossmauern. So vergingen die Jahre und die Zahl der Vampire wurde rasch weniger. Ebenso war es hier bei den Hexen. Dracula kam also zu mir und bat mich, mir zu helfen. Da ich aber selbst in einer misslichen Lage war und mich nicht auf die Straße trauen durfte, lehnte ich ab. Er bot mir seine Hilfe und die Hilfe seines Volkes an und ich fing an, darüber nachzudenken. Ich machte ihm einen Vorschlag, von dem ich schon zuvor wusste, dass er ihn annehmen würde. "Ich werde dir helfen und auch mein Volk, sofern es noch lebt. Als Gegenleistung erwarte ich aber nicht wenig! Ich möchte dafür, dass du und dein Volk auch uns helfen, wie du uns schon anbotst. Für immer! Bis das Geschlecht der Vampire für immer von der Welt verschwunden ist. Dafür, dass ihr die Rolle unserer Diener spielt und unser Leben beschützt, werden wir eures sichern. Jedes Jahr, zur Walpurgisnacht, wollen wir uns an einem Ort treffen, an dem wir, die Anführer der Familien, zusammenkommen. Ich werde ein Ritual vollziehen, dass euch alle ein Jahr lang das Leben ermöglicht, ohne je etwas zu essen oder zu trinken! Ihr dürft einfach leben! Diese Möglichkeit biete ich euch und ihr werdet sie nur von mir erwarten können. Lehnt ihr ab, seid ihr wieder auf die Jagd angewiesen, bei deren Scheitern noch viele sterben werden. Anders geht es auch nicht den Hexen. Bekommen wir keine Hilfe, müssen auch noch viele von uns sterben." Schlau war Dracula ja und er stellte eine Frage: "Was müssen wir tun, wenn wir eure Diener würden?" "Ihr habt Besorgungen zu machen, die für uns zu gefährlich sind. Werden Hexen auf der Welt gesichtet, Menschen mit Magie, dann ist das viel schlimmer als ein einzelner Vampir. Ihr habt unser Leben zu beschützen, wenn wir in Gefahr sind und ihr müsst Aufträge erledigen, wenn wir andere zu erledigen haben. Trotzdem will ich euch viel Freizeit versprechen, wenn ihr kommt, wenn man nach euch verlangt!" "Wir werden euren Befehlen Folge leisten." "Dann steht unser Abkommen also fest?" "Wir wollen leben!" "Gut! Sehr gut! Dann, Dracula, holt Zutaten für mich. Ich werde einen Zaubertrank brauen, der unser Abkommen besiegelt. Euch muss ich aber noch etwas sagen. Davor habt ihr nichts zu befürchten, solange ihr mir treu bleibt. Nachdem ihr diesen Trank zu euch genommen habt, fallt ihr in eine Abhängigkeit zu mir, denn ab dem Zeitpunkt wäret ihr sterblich. Rammte man euch eine Pflock durch Herz, nachdem ihr einmal nicht am Ritual teilgenommen habt, wäret ihr des Todes." "Ich muss das Risiko auf mich nehmen!" Wir sprachen noch über viele Dinge, die wichtig waren und dann zog Dracula durch die Straßen, um die Zutaten für mich zu besorgen. Es war so, wie ich erwartet hatte. Einen Vampir erkennt man nicht, wenn er in Läden geht und sonderbare Zutaten einkauft. Vampire haben etwas an sich, dass die Menschen gleichgültig macht, es berauscht sie. So kam er heil uns sicher zurück und ich war zufrieden, denn ich hatte den Beweis, dass unser Abkommen glorreich sein würde, für mich, für die Hexen und für die Vampire! Ich braute den Trank und er trank davon. Sobald er den ersten Schluck runtergewürgt hatte, zog ein Wind durch den Raum. Das Zimmer verdunkelte sich und nahm Draculas Unsterblichkeit mit sich. Bis heute hält der Schatten, so nennen wir ihn, den Herrscher über die Toten und Mächtigen, seine Unsterblichkeit fest und wird sie nie wieder hergeben. Doch ich besitze die Kraft, die Lebensgeister zu wecken und neues Leben zu schenken. Damit werde ich dich auch ins Leben zurückholen, Julia, denn schon fast bist du untot, du lebst nicht und bist auch nicht tot. Ich werde dir aber das Leben geben, ein mächtiges, als Hexe. Nun ist der Moment gekommen, da das Ritual anfangen muss. Ihr werdet mich begleiten, zur Spitze des Berges. Von dort aus werde ich euch verwandeln und unser alljährliches Ritual vollziehen. Wenn ihr euch gewandelt habt, werdet ihr mit Macht ausgestattet sein, von der andere nur träumen können, zumindest am Anfang. Kommt mit mir." Plötzlich fiel Walpurga vom Stuhl und blieb auf dem Boden liegen. Sie röchelte und versuchte nach Luft zu schnappen, doch sie bekam nur wenig zu schnappen. Das Atmen fiel ihr schwer. Die Tür wurde von außen aufgerissen und eine Hexendame stürmte herein. "Herrin! Herrin! Kommt schnell! Sie haben Euch hintergangen. Eine Gruppe von verräterischen Hexen hat sich zusammengetan, um Eure Macht zu erlangen!" Die Hexe half Walpurga schnell auf die Beine. "Ich fühle mich so schwach. Diese Verräter! Sperrt die beiden hier ein, ich werde wiederkommen und bringt mich schnell zu auf die Spitze des Berges.", röchelte Frau Müller. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss und wurde sorgfältig verriegelt. Julia und Jan saßen in der Falle, bewacht von außen von zwei Türstehern. Walpurga wurde, gestützt von zwei weiteren Hexen, die ihr nahe standen, zum Berg geführt, auf dem sich eine Gruppe von Hexen versammelt hatte und ein Ritual vollzog, um Walpurgas Macht zu entziehen. Sie würde aus Frau Müllers Körper entschwinden und sich in denjenigen einpflanzen, der das Ritual vollzieht. "Haltet ein! Rief Frau Müller! Ihr Idioten! Verräter! Ihr habt keine Ahnung, was ihr da tut! Ihr könnt Walpurga nicht zwingen, einen Körper zu wechseln. Nur sie allein bestimmt, in welchem Körper sie sein möchte. Solltet ihr sie rüber holen zu euch, so wird sie euch umbringen!" "Macht weiter! Das ist ein Trick!", rief eine Hexe den anderen zu. Ein mächtiger Hexenmann wandte sich zum Himmel, um ihn herum standen 15 Hexen im Kreis, die hofften, nachher, sozusagen als Mithelfer, von der Macht beteiligt zu werden." Frau Müller wandte sich an diese Gruppe. "Und ihr? Was erwartet ihr? Denkt ihr wirklich, wenn er diese Macht hat, er würde sie mit euch teilen? Dummköpfe seid ihr!" Nun sprach der Hexenmann dunkle Worte, in der alten Sprache der Hexen, mitten in den Himmel: "Katar, wanur a réni! Walpurga, lakta réni! Wanur i tor holwa en woir u ni! Na las a ni en patra to farnuis to garroth!" Frau Müller sank schon wieder zu Boden und sie rollte sich hin und her. Starke Schmerzen musste sie ertragen. Ein mächtiger Blitz brach aus den Wolken hervor und traf Frau Müller in den Kopf. Danach wurde die Welt undeutlich. Alles schien verschmiert und trüb. So sahen es die Hexen. "Wanur! Wanur!", rief der Hexenmann mit ohrenbetäubendem Geschrei. Die Welt wurde wieder klar. Die Trübe drehte sich um den Hexenmann, umhüllte ihn, bis sie vollständig in ihm verschwand. "Ich bin mächtig! Ich habe es geschafft! Ich habe Walpurga und somit ihre Macht in mir! Ich muss sie testen! Ich will sie testen!" "Was ist mit uns? Gib uns auch etwas von ihrer Macht ab, die du nun besitzt. Lange Jahre haben viele von uns für dich gearbeitet. Wir wollen unseren Anteil, unseren Lohn." "Wart ihr wirklich so blöd, zu glauben, ich würde die Macht mit euch teilen? Ich habe meinen Test ausgewählt. Die Macht muss an Hexen getestet werden. Wenn ich über sie mächtig bin, bin ich es auch über alles. Frau Müller lag reglos am Boden geschlossen, wie als wenn sie tot sei. "Der Test geht schnell und schmerzlos." Er drehte sich zur Gruppe, die immer noch um ihn herum standen. Er streckte seine Arme aus, so breit er konnte. Und ließ sie dann schnell nach vorne zeigen. Daraufhin flog der ganze Hexenkreis über die Köpfe der anderen, die am Boden standen und fürchteten, sie würden genauso enden, hinweg. Allesamt landeten sie, nachdem sie eine tiefe Klippe heruntergefallen waren, auf dem Boden. Da Hexen auch nur Menschen sind, waren sie sofort tot, schon in der Luft, da der Stoß, der sie so weit schleuderte, schon zu stark war. "Ich habe es geschafft!" Er lachte finster, doch plötzlich fing er am ganzen Körper an zu strahlen und zu glitzern. Er glühte von innen heraus mit strahlenden, hellen, weißen Flammen. "Was ist mit mir los?", rief er. "Was tust du mit mir?" Dann platzten grelle Lichtstrahlen aus ihm heraus. Und beleuchteten hell die Umgebung, so grell waren sie. Immer mehr Strahlen platzen heraus, bis er nur noch ein einziger Lichtball war, der so hell erschien, dass die anderen wegschauen mussten. Dann plötzlich wurde es wieder dunkel und die Schmerzensschreie, die von ihm ausgingen, verstummten von einer Sekunde auf die andere. Es dauerte einen Moment, bis die Hexen wieder sehen konnten in der Dunkelheit und erst dann realisierten sie die neue Situation. "Er ist weg! Er ist verschwunden! Sie hat ihn umgebracht!" In dem Augenblick schallte eine Stimme über den Berg, die von allen Seiten kam und nirgendwo ihren Ursprung hatte. "Lasst es euch eine Lehre sein und fordert mich nicht noch einmal heraus!" Dann trat Stille ein und Frau Müller erwachte wieder aus ihrem Tiefschlaf und tat die Augen auf, stand auf, als wenn nichts gewesen wäre. "Habt ihr das gehört? Sie hat zu euch gesprochen. Persönlich! Das ist seit 150 Jahren nicht mehr geschehen!" Den anderen fuhr immer noch der Schrecken über den Rücken. "Wir folgen nur Euch, große Walpurga!" Diesem Rufen schlossen sich immer mehr an, bis es ein ganzer Chor rief. "Nun muss ich mich wichtigen Dingen zuwenden! Wartet hier! Das Ritual soll gleich beginnen!" Frau Müller ging jetzt raschen Schrittes zur Hütte, in der Julia und Jan eingesperrt waren. Vor der Tür fand sie die Türvorsteher, die bewusstlos dalagen. "Was zum Henker?" Die Tür war offen. Sie warf einen raschen Blick durch den Raum. Julia und Jan waren verschwunden. Sie wurde zornig und rief laut. "Nein! Nein! Nicht jetzt! Ihr sollt mir nicht entwischen, da ich schon soweit bin!" Sie rannte heraus, stocksauer und wütend und traf dort auf einen alten Bekannten. "Die Zeit drängt. Das Ritual muss beginnen! Du holst sie zurück! Schnell! Und wehe dir, wenn sie dir entwischen!" "Wie ihr befehlt, Meißterin.", zischte der Schlangenmann. "Beeile dich!" Der Mann begab sich sofort auf die Suche nach den Flüchtlingen und Walpurga machte sich auf den Weg zurück zur Spitze des Berges, auf der sie nun ihr Ritual zu vollziehen hatte. Doch was war eigentlich geschehen? Warum konnten Julia und Jan fliehen, denn die Tür war doch von außen versperrt gewesen. Was war geschehen? Gehen wir zurück zu dem Moment, als Frau Müller den Raum verließ.

"Was machen wir jetzt, Jan?", fragte Julia ratlos. "Ich befürchte, wir können gar nichts machen.", tröstete er sie und nahm sie in den Arm. Draußen hörten sie etwas schlagen (tatsächlich war es ein Stock, der auf die Hexen einpreschte) und die Hexendamen stöhnten und man hörte sie zu Boden fallen. Der Schlüssel rasselte, das Schloss wurde geöffnet und die Tür ging langsam auf. "Sven!", riefen Julia und Jan überglücklich. "Ja. Ich habe mir geschworen, euch zu beschützen und ich habe mitbekommen, wie man euch hierher gebracht hat." "Ich danke dir, Sven.", sagte Julia erleichtert. "Ihr dürft keine Zeit verlieren. Ihr müsst Walpurga schnell aufhalten und noch schneller müssen wir fliehen, bevor sie zurückkommt. Denn ich befürchte, dass die anderen schauen werden. Hexen merken, wenn anderen Schaden zugefügt wird." Doch diesmal hatten sie Glück. Denn in diesem Moment begann das Ritual, um Frau Müller Walpurga zu entlocken und alle waren viel zu sehr abgelenkt, um zu merken, dass andere verletzt waren. Als sie aus der Tür schnellten, stoppten sie abrupt, denn sie hörten eine mächtige Stimme, die sie erschauern ließ. Dies war die Stimme, in der die Zauberworte in der alten Sprache gesprochen wurden. Sven, der die Hexenzeit studiert hatte, konnte auch die Sprache relativ gut verstehen. Durch Zufall war er damals darauf gekommen. Denn die Sprachübersetzung ist nur selten überliefert. Es ist eine Geheimsprache. Doch durch Verräter und Aussteiger (die es auch bei Hexen gab) wurde die Sprache übersetzt. Die mächtige Stimme rief und Sven übersetzte sie den anderen. "Katar, wanur a réni!" "Macht, komm zu uns!" Jetzt lauschte er wieder bis zum nächsten Satz, den er wieder laut aussprach: "Walpurga, höre uns! ... Komme aus deinem Körper und lebe in mir!" Er wandte sich zu den anderen: "Er versucht, Walpurga Befehle zu erteilen. Das wird er nicht schaffen." Dann hörte er wieder hin: "Nun wandere zu mir und besiege den Herrscher der Finsternis!" "Was bedeutet das?", fragte Julia. "Nur der Herrscher der Finsternis ist stärker als Walpurga. Er bestimmt, wann sie gehen soll. Er kann sie auch ganz auslöschen, wenn er will. Er allein bestimmt ihren Willen, doch viele haben ihn vergessen und wissen nicht, dass es eine noch höhere Macht als Walpurga selbst gibt. Er wacht über sie." "Jetzt wissen sie es ja." " Ja. Und sie haben Angst vor ihm, jetzt, da es um ihn geht. Wenn er will, kann er alle mit einem Schlag töten. Schau sie dir an, sie zittern und fürchten sich." Mittlerweile waren die drei um die Hexenversammlung herum gerannt. An einem Geländer, das eine Klippe abgrenzte, blieben sie stehen und beobachteten den Hexenmann auf der Spitze, der seine Arme in ihre Richtung zeigen ließ. "Vorsicht!", rief Sven. Alle duckten sich, gerade rechtzeitig, als eine ganze Gruppe von Hexen dicht über ihre Köpfe ins Tal schleuderte. "Das ist Walpurgas Macht.", sagte Sven. Julia wurde ganz anders, als sie darüber nachdachte, dass sie gegen ein so mächtiges Wesen kämpfen sollte. "Schaut, er glitzert und strahlt, so hell wie der Tag.", sagte Sven. Auch die Drei schauten weg, als plötzlich Lichtstrahlen aus ihm herausplatzten und er zu einer Lichtkugel wurde. Sie waren genauso verwundert, wie die Hexen es waren, als der Hexenmann spurlos verschwunden war. "Wo ist er hin?", wunderte sich Jan. Sven wollte ihm gerade antworten, als eine mächtige andere Stimme ihm das Reden unmöglich machte. Sie hockten sich auf den Boden, als die Stimme von überall auf sie eindrang. "Lasst es euch eine Lehre sein und fordert mich nicht noch einmal heraus!" Danach hörten sie wieder Walpurgas Stimme, die sie wieder flüchten ließ: "Habt ihr das gehört? Sie hat zu euch gesprochen. Persönlich! Das ist seit 150 Jahren nicht mehr geschehen." "Das war nicht Walpurga. Das war der Herrscher der Finsternis persönlich. Walpurga hat es nicht geschafft, seine Macht zu übertreffen. Der dunkle Herrscher hatte immer noch die Oberhand. Er rief den Tod des Hexenmanns hervor.", erklärte Sven. "Woher weißt du soviel?", fragte Julia erstaunt. "Das kann ich euch jetzt nicht erzählen. Es wäre jetzt zu gefährlich. Nachdem alles vorbei ist! Jetzt müssen wir weiter! Sie dürfen euch nicht erwischen!" Über die erschallenden Chöre, die Walpurga anpriesen, erschallte ihre Stimme selbst, wie sie entdeckt hatte, dass ihre Gefangenen geflohen waren. "Sie wird uns jagen!", rief Jan. "Nicht sie selbst, ihr Ritual muss jetzt schleunigst beginnen." Schon wieder wunderten sie sich, woher Sven das wusste, denn soviel steht definitiv nicht in Büchern. "Sie wird, wenn wir Glück haben, einen Unfähigen auf uns hetzen, da sie keine Zeit hat, eine Entscheidung zu treffen." Als sie ein Stück gerannt waren, noch weiter um den Hexenkreis herum, durch die dichten Wälder, sagte Julia schließlich: "Wir können nicht ewig so weiter machen! Irgendwann muss ich daraus und Walpurga aufhalten! Mir bleibt keine andere Möglichkeit. Dieses ewige Wegrennen bringt doch nichts." "Sie hat recht. Wir müssen etwas tun!", stimmte Jan ihr bei. "Nein! Wartet noch. Wenn das Ritual weiter fortgeschritten ist, fallen sie in Trance. Sie verlieren dann einige ihrer Sinne. So kommst du vielleicht unbemerkt zur Spitze." "Jetzt ist’s genug. Woher weißt du das alles? Es ist wichtig, dass ich es weiß, denn du wirst mir unheimlich. Ich will schon sagen, dass ich Angst vor dir habe. Bitte sprich dagegen.", flehte Julia. "Schon gut. Ich erzähle es euch. Ich habe euch im Hotel doch erzählt, woher mein Interesse an Hexen stammt. Das ist nur teilweise richtig. Größtenteils habe ich ein großes Interesse daran, um meinen Vater besser verstehen zu können. Kurz vor seinem Tod kam er weinend in mein Zimmer, fertig mit den Nerven. Er flehte mich an, einen Auftrag zu erfüllen, wenn er sterben würde. Mein Vater bat mich, die Informationen, die er mir gab, an den Jäger der Hexen weiterzuvermitteln und ihm beizustehen, sofern ich mich traue. Er erzählte mir viel, was nur Hexen wissen können. Lange Zeit wollte ich es nicht wahrhaben und fragte ihn, wie ihr mich jetzt fragt, woher er das wusste. Mein Vater war ein Hexenmann, doch er war einer der wenigen, die die Kraft hatten, auszusteigen. Es versteht sich von selbst, dass diese Aussteiger gejagt wurden, ununterbrochen, bis zu ihrem Tod. Eben diesen fürchtete mein Vater. Es tat ihm leid, was er zehn Jahre lang getan hatte, denn er war einer der Fähigsten und stand Walpurga sehr nahe. Sie setzte ihn darauf an, den Jäger zu töten. Jahrelang tötete er sie, obwohl er noch ein Kind war von gerade mal 11 Jahren. Mit 21 dann wurden ihm klar, was er getan hatte und verließ die Hexen. Bis er meine Mutter kennen lernte, zog er ständig um, sooft, bis man seine Spur nicht mehr verfolgen konnte. Ständig bewachte er danach mich und meine Mutter, denn die Hexen könnten aus Rache auch uns töten wollen. Endlich, als ich alt genug war, weihte er mich ein. Ich war Ende fünf, kurz vor unserem Irlandurlaub. Mein Vater schien gedrängt zu sein von etwas und besorgt war er. Nach seinem Tod dann, während des Urlaubs, tat ich das, worum er mich gebeten hatte. Ich glaubte ihm und glaubte auch, dass es ihm leid tat. Deswegen versuchte ich, seine Taten zu begleichen. Ich informierte mich in Büchern über weitere Geheimnisse dieser Wesen, doch das Wichtigste hatte mir mein Vater schon anvertraut. Jetzt wisst ihr, wieso ich soviel weiß und warum ich euch helfe. Denn nicht durch Zufall haben wir uns getroffen, sondern ich wollte, dass wir uns trafen. Auch nächstes Jahr werden wir uns sehr wahrscheinlich wiedersehen und ich werde dir wieder einmal zur Seite stehen, wenn du immer noch der Jäger bist und das nicht nur, weil mein Vater es wünschte!" "Danke, das ist sehr nett! Was ist mit deiner Freundin? Kennt sie die Geschichte?" "Ja. Ich habe ihr die volle Geschichte erzählt und sie glaubte mir, wie ich schon sagte." "Wieso hast du sie uns nicht erzählt?" "Ihr wart so in Sorgen, da habe ich es für den falschen Moment gehalten, euch mit Informationen zu überhäufen. Vielleicht war das auch gar nicht so schlecht, denn sonst hättet ihr vielleicht gefahrvoller gehandelt, hättet ihr auf mehr achten müssen. Denn eigentlich wisst ihr immer noch nicht, wie stark Hexen wirklich sind." "Möglicherweise hast du Recht." Plötzlich wurde Julia angesprungen vom Schlangenmann, der sich herangeschlichen hatte. Sie entwischte noch rechtzeitig und rannte tiefer in den Wald. Jan und Sven prügelten auf ihn ein, doch er war stärker, schlug sie zu Boden und verfolgte Julia. In diesem Moment begann das Ritual. Frau Müller war nun auf die Spitze des Berges gestiegen und fing an, Sätze in der alten Sprache zu sprechen. Immer wieder schallten ihre lauten und eindringenden Worte durch den Wald. Die ersten Worte waren nicht fester Bestandteil der Rede, sondern sie richteten sich an Julia. "Wanur, Julia! Wanur! Wanur a ni! La retra tas!" Die Worte ließen Julia abbremsen und sie blieb stehen. "Nein, ich will nicht. Ich kann nicht.", begann Julia zu winseln. "Ga to, to tas gan!" "Nein! Ich will nicht wieder ein Vampir werden. Ich bin Julia. Ich bin Julia, Ich bin Julia.", redete sie sich immer wieder ein. "Ich bin ich. Ein Vampir!" "Wanur! Wanur!" "Ja, Herrin." Erst jetzt begann Walpurga ihr Ritual, wie es normalerweise ablief. Julia begann, sich wieder Richtung Berg aufzumachen. Doch sie schwankte immer noch, wer sie war. Sie wollte nicht, dass sie ihrer Herrin gehorchte, doch sie konnte sich auch nicht weigern. Walpurga war nun aber so beschäftigt mit ihrem Ritual, dass ihre Konzentration völlig von Julia abfiel. So kam Julia langsam wieder zu sich und wurde wieder sie. Sie fürchtete sich nun auch wieder vor ihrem Verfolger. Immer noch schallten die mächtigen Wörter, die Walpurga aussprach, durch den Wald. Hinterrücks wurde Julia nochmals angesprungen von dem Schlangenmann. Er nahm seine Hände und würgte sie, als sie hilflos am Waldboden lag und er auf ihr drauf saß. Julia brachte genug Kraft auf, ihn von sich zu stoßen und da das Gelände steil abfiel rollten die Beiden den Abhang hinunter und konnten sich nicht mehr bremsen. Erst als die Baumstämme wieder dichter beieinander standen, hielten sie sich daran fest und richteten sich auf. "Waß fürchteßt du, Julia. Du könnteßt freiwillig mit mir kommen, dann bräuchten wir keine Gewalt. Komm doch mit mir!" "Vergiss es!" Er fiel sie wieder an, diesmal aber härter, als beim Mal zuvor. Er würgte sie dieses Mal fest und begann sich zu verwandeln. Er wurde zu einer Schlange, riesengroß, die sich nun um Julias Hals schnürte und ihr das Atmen verbot. "Keine ßorge. Ich laßß dich am Leben. Doch bewußßtloß ßollßt du ßein." "Lass sie in Ruhe!", schrie ihn eine andere Person an. Es war Caro, die das Herunterrollen am Hang gehört hatte. Sie schien mächtig zu sein. Mit einer Leichtigkeit wickelte sie die stramm verschnürte Schlange von Julias Hals. Diese verwandelte sich aber inzwischen zurück zum Menschen. "Du wirst mich nicht aufhalten!" "Das werden wir sehen!" Das Gelände fiel noch steiler ab, hinter der Stelle, wo Julia und die Schlange sich aufgefangen hatten. Caro holte aus und stieß den Schlangenmann den Abhang hinab. "Aber ich bin dein Bruder!", rief er ihr im Fallen zu. Mit einem Rums kam er unten auf und war tot. Caro stand geschockt am Abhang und sagte nichts mehr. Julia hatte sich wieder erholt und machte sich auf den Weg nach oben. Lange konnte das Ritual nicht mehr dauern. Sie fand es jetzt besser, nichts zu Caro zu sagen. Voller Trauer kletterte sie hinab, um zu sehen, ob ihr Bruder noch lebte. Julia rannte jetzt schnell zu der Stelle, an der sie die anderen verlassen hatte. Diese waren langsam wieder auf die Beine gekommen und Julia rief ihnen zu: "Jemand muss nach Caro sehen. Sie hat mich gerettet, dabei aber ihren Bruder verloren. Helft ihr bitte!" "Ich mache das. Ich kann nun eh nichts mehr machen. Walpurga kann nur durch Julia aufgehalten werden.", sagte Sven. "Ich gehe mit Julia.", sagte Jan. "Halte dich aber zurück. Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert. Du bleibst außerhalb der Versammlung. Stell dich an das Geländer vor der Klippe. Dort konnte man gut sehen. "Julia.", sagte Jan, "viel Glück. Und pass auf dich auf!" "Mach ich." Julia machte sich sofort auf den weiteren Weg. Nun war wirklich schon das Ritual soweit fortgeschritten, dass, wie Sven sagte, die Hexen in Trance gefallen waren. Viele standen einfach nur still da und lauschten den Worten mit starren Blicken. Manche erblickten Julia, aber es war ihnen gleichgültig. In dieser Phase waren die Hexen am meisten gefährdet und das wusste Walpurga. An dieser Stelle also musste das Ritual schnell gehen. Julia kam unbemerkt durch die Reihen. Und auch Walpurga, voll auf die Worte konzentriert, mit aller Macht und Kraft dabei, merkte nicht, wie Julia ihr immer näher kam. Julias Verstand schaltete jetzt voll ab und der Jäger ergriff die Chance zu tun, was seine Aufgabe war. Julia brabbelte nun ebenfalls Worte in der alten Sprache. Dies störte die Oberhexe so sehr, dass sie mitbekam, wie Julia dabei war, ihr Ritual zu vollziehen. Alle Konzentration zog sich nun wieder auf sie. "Halte ein, Julia!" Julia stoppte. "Ich stehe vor dir. Die mächtige Walpurga! Du hast keine Chance gegen mich. Du kommst genau richtig, denn nun seid ihr dran, euch zu verwandeln! Wo ist denn dein Freund?" Julia wies mit der Hand auf ihn. "Gut. Holst du ihn bitte." Julia nickte und ging los. Als sie vor ihm stand, befahl er ihr: "Julia, komm wieder zu dir! Weißt du nicht mehr, wer du bist?" "Ich gehöre hierher und du musst mit mir kommen." "Nein! Ich werde nicht mitgehen! Und dich werde ich auch nicht mehr weglassen!" "Denkst du!" "Ich werde dich nicht im Stich lassen!" "Das hast du schon längst, also gib’s auf." Jan stand verblüfft da. "Nun komm mit. Es ist wenig Zeit. Sie wartet nur noch auf uns." "Nein!", sagte Jan hart. "Komm mit!" Stille. "Komm mit!", schrie sie ihn an. "Dann eben ohne dich." "Komm nicht ohne ihn! Bring ihn mit! Benutze deine Kraft!", fuhr Walpurga sie an. "Du hast gehört. Wenn du nicht mitgehst, wirst du mich erst richtig kennen lernen." "Ich kenne dich und das bist du nicht!" Sie ergriff ihn fest am Arm und zog ihn hinterher. Er bremste abrupt und zog sie kräftig zurück, sodass sie auf dem Boden landete. "Na schön!", meinte Julia. Du denkst, du kannst es mit einem ganzen Haufen von Hexen und Vampiren aufnehmen?" Nun wurde sie gewalttätig und es endete in einer Keilerei zwischen den Beiden. Walpurga vollzog dann etwas, was sie so nicht geplant hatte, es aber jetzt für angebracht hielt. Noch tief in die Wälder schallten diese Worte. "Harsk to katar u Julia en harsk za a réni!" Sven war schon vor einiger Zeit bei Caro angekommen und das war auch gut so. Denn der Schlangenmann war noch nicht tot. Als Sven sie entdeckte, hatte sich die Schlange bereits um ihren Hals gewickelt. "ßo, wollteßt mich alßo töten? Nicht gelungen!", zischte sie. Sven schlug solange darauf ein, bis sie locker ließ und schnell davon schlängelte. "Ich danke Ihnen. Wer sind sie überhaupt?", sagte Caro. Sven erklärte ihr alles. "Ich bin froh, dass mein Bruder noch lebt. Ich hätte es nicht ausgehalten, eine Mörderin zu sein.", sagte Caro erleichtert. Einen Augenblick später drangen die Worte durch den Wald. Sowohl Sven, als auch Caro hatten es verstanden. Sven übersetzte es noch einmal laut, um sich die Worte noch einmal anzuhören. "Gib die Macht an Julia und bring sie zu uns! Nein! Sie haben sie zur Hexe gemacht!" "Kommen Sie schnell! Wir müssen sie retten!", rief Caro. Durch Julia ging ein prachtvolles Schimmern und sie fühlte sich frisch und kräftig. "Nun bist du dran!", sprach sie zu Jan. Sie stand zuerst auf vom Boden. Jan wollte sie aufhalten, doch er war gehindert. Sie richtete ihn auf, mit einer simplen Handbewegung. "Julia, du kannst dich noch wehren! Es gab Aussteiger, die die Kraft dazu hatten. Du musst es nur wollen!" "Wer will das schon?", antwortete sie und machte eine schwungvolle Handbewegung nach vorne. Jan wurde zurückgestoßen. Er prallte vor das Geländer. Durch den Schwung aber purzelte er darüber hinweg und stürzte die Klippe hinab. Unten hörte man einen Aufprall. Walpurga stand auf dem Hügel und fing an zu lachen. Die anderen Hexen und Vampire drehten sich um zu Julia und applaudierten ihr. Währenddessen kamen Sven und Caro auch auf dem Berg an. Julia kam erst jetzt zu sich. Der Schmerz, dass sie ihren Freund umgebracht hatte, war zu groß! "Jan! Jan? Jan, wo bist du?", fragte sie schwach. Walpurga lachte noch grausamer als sie das hörte. Und in diesem Moment ergriff der Jäger seine zweite Chance. Jetzt, solange Julia noch trauerte, hatte er volle Oberhand über sie. Julia richtete ihre Arme zum Himmel und die dunklen Wolken, die heraufgezogen waren, zogen vorbei, blauer Himmel erstrahlte. Gleich würde die Sonne aufgehen. Wenn Walpurga bis dahin nicht fertig würde, wäre das Ritual gescheitert. Sie warf einen Blick auf Sven und Caro, die dabei waren, auf Vampire und Hexen einzuschlagen. "Hört auf damit!", schimpfte sie. "Du bist Sven, nicht wahr? Ich suche dich schon so lange, denn Rache nehmen will ich an dir, denn dein Vater hat uns verraten. So stark verraten hat er uns, dass sein Tod nicht ausreicht, seine Familie wollen wir auch noch und da steht sein Sohn vor mir und winkt mit dem Zaunpfahl! Weißt du, wer deinen Vater umgebracht hat? Nicht dieser lächerliche, gefühlsduselige Geist! Ich war es und er hat es verdient! Wegen mir hat er sich so erschreckt! Aber das bringt dir auch nichts mehr!" Walpurga erweckte nun einige Vampire aus dem Tiefschlaf, die vereint gegen Caro und Sven kämpften. "Viel Spaß noch!" Julia bahnte sich jetzt einen Weg durch die Massen, zurück zur Spitze. Sie schwenkte ihre Arme nach oben und eine ganze Gruppe von Vampiren und Hexen flog über ihren Kopf hinweg, die Klippe hinunter. Endlich stand sie vor Frau Müller. Der Himmel hatte sich aufgeklärt. Sie zeigte nun auf Walpurga und diese war einfach unfähig, die letzten Worte zu sagen, die das Hexenritual beenden würden. "Julia, lass mich ausreden.", winselte sie. "Ich bin nicht Julia.", antwortete der Jäger. Dracula hatte sich von hinten an den Jäger herangeschlichen, denn es war vor allem in seinem Interesse, dass das Ritual beendet würde. Julia drehte sich um zu ihm und schleuderte ihn ein paar Meter von sich weg. Nun war sie abgelenkt und Frau Müller sprach die letzten Worte. Es passierte nichts. "Es ist zu spät! Es ist schon zu spät!", schrie Dracula. Frau Müller ergriff die Flucht. Dracula flüchtete ebenfalls. Nur die Hexen, die immer noch in Trance waren standen noch herum. Julia hob ihre Arme zum Himmel und eine Windsäule, wie ein Tornado, nur prachtvoll in allen Farben schimmernd, sog die toten und die lebenden Hexen und Vampire auf. Wohin sie dann kamen, ist egal. Nur das Ritual war gescheitert. Wie viele von ihnen nächstes Jahr wiederkehren würden, war unklar. Denn jetzt mussten sich die Hexen wieder vorsichtig auf die Straße wagen und die Vampire mussten wieder um ihr Trinken kämpfen. Der Jäger hatte gesiegt. Natürlich erinnerte sich Julia noch an alles, vergessen würde sie nur die Taten, die sie als Jäger verbracht hatte, wenn er sie verließe. Dass sie Jan getötet hatte, würde ihr immer im Gedächtnis bleiben. Und das erste was sie tat, war auch gucken, ob Jan noch lebte und wie tief er gestürzt war. Sie beugte sich über das Geländer, aber konnte nichts erkennen. Der Morgen hüllte die tiefen Schluchten noch in Dunkelheit. Nun bemerkte Julia auch Sven und Caro, aber sie war zu geschafft, um irgendetwas zu sagen. Sie lehnte sich gegen das Geländer und weinte um Jan. Langsam kam die Sonne und beschien endlich den Grund. Julia hatte den Moment solange abgewartet. Sie schaute hinunter in die Schlucht. Niemand lag dort unten. Es sah alles wie immer aus. Das Gras war grün und die ersten Touristen kamen und Jan war verschwunden. Er war doch noch ein Mensch! Also konnte seien Leiche nicht verschwunden sein. Aber vielleicht hatte er überlebt und machte sich jetzt schwer verletzt auf den Heimweg? Die Chance bestünde doch. Aber vielleicht würde er sie nie mehr wiedersehen wollen, wenn es so wäre. All diese Fragen blieben ungeklärt, denn Jan tauchte nicht auf und auch seine Leiche wurde von der Polizei niemals gefunden. Noch lange trauerte Julia um Jan, denn sie hatte ihn ja umgebracht, obwohl sie ihn beschützen wollte.

Sven auf jeden Fall lieferte auf der Uni einen hervorragenden Bericht über Hexen und Vampire ab. Er heiratete seien Freundin Sandra und er blieb mit Julia in ständigem Telefonkontakt. Der Schlangenmann verwandelte sich einige Meter später zurück in einen Mann, fuhr nach Herford und ging zum Berater. Dort bat er die Assistentin, die Zimmerpflanze mitnehmen zu dürfen. Diese willigte ein, da sie nicht weiter von diesem Verrückten belästigt werden wollte. Jeden Abend also bezüngelte der Schlangenmann seine Lieblingspflanze und mietete sich eine Wohnung. Nahrung fand er im Keller, die hauptsächlich aus Ratten und Mäusen bestand und somit starb die Hauskatze schließlich am Hungertod. Julias beste Freundin war Caro. Caro war noch immer eine Hexe, aber sie war eine, der wenigen, die die Kraft besaß, gegen die Macht und erst recht gegen ihre Mutter, anzukommen. Unterkunft fand sie bei ihrem Onkel und ihrer Tante, die sie gegen ihre Mutter beschützten. Doch bald war sie so stark geworden, dass sie sich selbst zu verteidigen wusste. Viele Lehrer verschwanden spurlos und so bekam Julia viele neue. Julia lebte ständig in Angst und Furcht, aber bald vergaß sie das. Es wäre auch zu gefährlich für die Hexen gewesen, einen Angriff zu starten, denn nur in der Walpurgisnacht sind die Hexen geschützt und auch nur dann würden sie versuchen, Julia erneut umzubringen. Walpurga hatte dazu gelernt, denn sie würde nicht mehr versuchen, Julia zu einer Hexe zu machen. Julias Wille wäre einfach zu stark. So blieb alles beim alten. Jahr für Jahr ging Julia zum Berg und stoppte Frau Müller und Co, aber immer weniger Hexen und Vampire erschienen. In der Zwischenzeit lebte sie ihr Leben, zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Vater, denen sie von ihren Abenteuern berichtete und sie glaubten ihr sogar. Noch viele Male stolperte Julia über den vergessenen Staubsauger. Doch das alles geschah ohne ihren Jan...

 

 

 
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