L.T.s Theorie der Kuscheltiere
Hörbuchrezension
mit freundlicher Genehmigung
von Michael Matzer
für www.buchwurm.info
Auflage: Februar 2002
Erscheinungsjahr: 2002
ISBN: 3-550-09052-8
Verlag: Ullstein
Genre: Hörbuch/Hörspiel
1 Review
Diese wunderschöne Geschichte gibt es auch
als Story in dem Erzählband "Das Kabinett des Todes".
Der Autor
Stephen King - was kann man noch sagen, was nicht schon allgemein
bekannt ist? Er ist einer der erfolgreichsten Autoren aller Zeiten.
Und nicht ohne Grund. Das sollte eigentlich genügen.
Der Sprecher
Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung
an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner
Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch
mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher
vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung
zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten,
ohne jedoch übertrieben zu wirken.
Die Handlung
Seit fast einem Jahr erzählt L.T. deWitt seine Leidensgeschichte,
wenn er in der Kantine der Fleischkonservenfabrik, in der er arbeitet,
einen hebt. Er ist ein schlichtes Gemüt, leidet aber dennoch
an der Tatsache, dass ihn seine anfangs so innig geliebte Frau
Lulubelle Simms vor fast einem Jahr verlassen hat. Und schuld
daran war offenbar ihre Unverträglichkeit mit einem Kuscheltierchen,
das L.T. ihr geschenkt hatte: Sie nannte das Kätzchen schon
bald nur noch "Ballaballa-Lucy", weil Lulu es offenbar nicht ausstehen
konnte und sich ihr gegenüber "verrückt" benahm.
Doch L.T. hatte ein Jahr zuvor von Lulu ebenfalls ein Haustier
geschenkt bekommen: einen Jack-Russell-Terrier namens Frank (nicht
wie der in MIB2), der leider in L.T.s Schuhe kotzte und pisste,
was diesen natürlich auf die Palme brachte. L.T.s Theorie
über die Kuscheltiere geht also dahin, dass sie die betroffenen
Ehepartner unweigerlich auseinander bringen. Insbesondere dann,
wenn es sich dabei um Katzen- und Hundefreunde handelt.
Was aber L.T. in seinem Kummer nicht ahnt, ist, dass es wahrscheinlich
der von der Polizei gesuchte "Axtmann" war, dem die ausgezogene
Lulu zum Opfer gefallen ist. Das vermutet jedenfalls L.T.s Freund,
der Erzähler, der auch einiges über seine eigene Ehe
berichtet.
Mein Eindruck
Die ganze Story ist sprachlich so realistisch wie möglich
und zugleich so wunderbar schräg erzählt, dass man sich
in manche Szenen direkt hineinversetzt fühlt. Wie King in
seiner Anmerkung in "Das Kabinett des Todes" berichtet, hatte
er selbst zwei Haustierchen bekommen: einen Corgi-Hund namens
Marlowe und eine "durchgeknallte" Siamkatze namens Pearl. Sie
kamen ebenso gut miteinander aus wie Frank, der Terrier, und Lucy,
die Katze, in der Geschichte.
Dass das geschenkte Tier in der Story seinen neuen Besitzer nicht
ausstehen kann, wohl aber dessen Partner, ist ein weiterer amüsanter
Kunstgriff des Autors. Die Tiere sind der stellvertretende Kriegsschauplatz
für die Auseinandersetzungen zwischen ihren Besitzern: Sie
müssen es ausbaden. Doch am Schluss erwischt King den Leser
dann eiskalt, wenn er den Axtmann erwähnt und verrät,
wie es L.T. in Wirklichkeit geht.
Der Sprecher
Ulrich Pleitgen spricht, nein: deklamiert die verschiedenen Sprechrollen,
die dieses erzählerische Kabinettstückchen bietet, mit
Verve und hörbarem Gusto. Er legt sich so richtig ins Zeug,
wenn er das Leiden unter Franks Untaten schildert oder über
Lulubelles Fortgang lamentieren darf.
Das bedeutet aber auch, dass Pleitgen ziemlich schnell vorliest.
Und so muss der Zuhörer entweder eine Pause machen (es gibt
zwei oder mehr "Akte") oder fortwährend die Ohren spitzen,
um alles mitzubekommen. Am besten hört man sich die kurze
Novelle, die nur knapp eine Stunde lang ist, mehrmals an.
Unterm Strich
Zunächst klingt die Story wie eine ganz gewöhnliche
Ehekrach-und Trennung-Geschichte. Doch schon der erste Satz über
den "Axtmann" eröffnet einen Spannungsbogen, der im letzten
Drittel wieder aufgenommen und stark ausgebaut wird. Nur dadurch
qualifiziert sich die Geschichte als Thriller King'scher Prägung.
Das mag für manchen Zuhörer zu wenig sein, und Äkschn
gibt es sowieso nicht. Aber wie in so vielen Storys des späten
King spielt sich der Horror eher im Kopf ab, und das ist auch
hier der Fall. Es geht um Gewalt und Groteske. Und wenn der Axtmann
Lulu nicht geholt hätte, wer weiß? Vielleicht hätte
eines Tages L.T. selbst nicht mehr an sich halten können...
Dieses Hörbuch ist eindeutig eine der besten Lesungen, die
ich von Ulrich Pleitgen kenne - und das sind schon ein paar. Ich
vergebe daher gerne die volle Wertung.
Spieldauer von 55 Minuten auf einer CD
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