© Frank Berg 2003
Vor einem vierstöckigen roten Backsteinwohnhaus mit Flachdach blieb er schließlich stehen.
Hier war es also geschehen.
Hier ermordete Jonathan Caldroon seine Frau Nancy, damals an einem kalten Dezemberabend vor vier Jahren.
Caldroon war ein Mann Mitte vierzig und einem Job als Außenhandelskaufmann in einer Möbelfabrik gewesen. Seine Tat kam völlig überraschend und niemand wollte es zuerst glauben.
An diesem Abend erschlug er seine Frau hinterrücks mit einem Hammer und benutzte einen Heckentrimmer um die Leiche zu zerstückeln. Anschließend steckte er die Leichenteile in 15 Kartons, wickelte sie in Geschenkpapier ein und verschickte sie an seine Verwandten als Weihnachtspräsente.
Caldroon lebte dann die eine Woche bis Heilig Abend ganz normal weiter, den Nachbarn erzählte er, dass Nancy im Urlaub sei.
Als dann am ersten Weihnachtstag einige Polizisten mit Caldroon sprechen wollten, verschaffte er sich gewaltsamen Zutritt in die Wohnung seines Nachbarn und erschlug diesen mit einem Baseballschläger.
Den Dackel des Mannes schlug er den Schädel ein.
Die Polizisten sagten später aus, er habe dabei gekichert wie ein irrsinniger und er beachtete die Polizisten nicht. Sie forderten ihn wiederholt auf den Schläger fallen zu lassen, doch Caldroon schlug immer weiter auf den toten Hund ein. Schließlich schossen ihn ein Polizist in den Oberschenkel und ein weiterer trat den Schläger in die Ecke des Raumes.
Caldroon weinte wie ein Kleinkind als sie ihn abführten.
Sein Anwalt plädierte auf Geisteskrank, doch Caldroon legte ein umfassendes Geständnis ab. Aufgrund dieses Geständnisses wurde er zu lebenslänglich verurteilt.
Caldroon beschrieb in diesem Geständnis, dass er seine Frau erschlug weil sie sich von ihm trennen wollte. Er war betrunken und ihm war nicht klar, was er mit der Leiche gemacht hatte.
Als dann die Polizei auftauchte geriet er in Panik und stürmte die Wohnung neben ihn. Es passte alles zusammen.
Es war ein absurder Fall, wie man ihn sonst nur in billigen Thrillern findet, doch es reichte aus für eine Verurteilung.
Niemand wusste von dem ersten Geständnis das Caldroon abgelegt hatte.
Dieses Geständnis zeichneten die beiden Polizisten Marc Hitchfield und Ben Goodman auf.
Goodman begann drei Tage nach der Verurteilung Caldroons Selbstmord.
Detective Marc Hitchfield stand vor dem Gebäude in dem das Blutbad stattgefunden hatte.
Er hatte immer noch Alpträume. Er träumte immer und immer wieder von diesem Gespräch in dem kleinen dunkeln Zimmer, in dem er mit seinem Partner dem kleinen rauchenden Mann mit der Halbglatze lauschten und in einen Abgrund starrten, der sich in den Erzählungen auftat.
Hitchfield schloss die Augen und rief sich diesen Abend wieder in Erinnerung.
Es war drei Tage vor Sylvester gewesen.
Caldroon war endlich bereit mit jemanden zu reden und sofort wurden er und sein Partner Goodman gerufen.
Die beiden saßen schon im Verhörzimmer und gingen den Fall noch einmal durch, als Caldroon gebracht wurde.
Er hatte eine Zigarette im Mund und blickte gehetzt um sich. Hitchfield konnte sich nicht vorstellen, dass dieser kleine Mann seine Frau auf so brutale Art ermordet haben soll, doch er hatte in seiner langen Laufbahn gelernt, dass der erste Eindruck täuschen kann.
"Setzten sie sich dahin." schnauzte Goodman und Caldroon gehorchte. Die Tür wurde geschlossen und die drei Männer waren nun alleine in dem kleinen Raum.
Goodman lehnte sich gegen die Wand und steckte sich eine Zigarette an, während Hitchfield in der Akte vor ihm rumblätterte.
Caldroon sah gehetzt zwischen den beiden Polizisten her, sagte aber nichts. Er saß nur da und rauchte, während seine Augen rollten.
Aus den Augenwinkeln beobachtete ihn Hitchfield genau und er fragte sich, ob der Kerl wirklich komplett Irre war. Schließlich schloss er die Akte und legte sie auf den Tisch.
Dann sagte er ruhig: "Guten Abend, Mr. Caldroon. Ich denke sie wollen uns etwas erzählen, oder nicht."
Caldroon wusste, dass das keine Frage war. Er kniff kurz die Augen zu und stieß hustend blauen Qualm aus. Den Zigarettenstummel drückte er auf der Tischplatte aus und holte eine verknitterte Schachtel Zigaretten hervor. In aller Seelenruhe zündete er sich eine neue Zigarette an und blies erleichtert den Rauch in die Luft, als habe er schon ewig keine mehr geraucht.
Hitchfield gefiel das nicht. Der Mann war komplett ruhig, nur seine Augen zuckten nervös hin und her. Er fixierte keinen Punkt im Raum, sah nie einen der Polizisten länger als einen Augenblick direkt ins Gesicht.
"Ich bin unschuldig." sagte Caldroon plötzlich und es klang ehrlich.
Goodman lachte kurz und fragte: "Wer hat den ihrer Meinung ihre Frau erschlagen, zerstückelt und als Geschenke verschickt? Vielleicht ihr Nachbar den sie dann aus Rache ermordeten?"
Caldroon schluckte und sagte dann leise: "Nancy wollte ich nicht umbringen, doch ich konnte es nicht verhindern. Ich... Bob, mein Nachbar wollte mich nicht reinlassen und da...", er schluchzte kurz und fuhr dann fort, "Hören sie, ich bin unschuldig. Ich habe nichts gemacht."
"Außer zwei Menschen ermordet. Das ist ja wohl absurd. Ich denke, sie sollten ein komplettes Geständnis ablegen." sagte Hitchfield und beobachtete genau Caldroons Reaktion.
Dieser begann zu kichern und zu wimmern. Die Zigarette fiel auf den Boden. Caldroon kniff die Augen zu und schluckte schwer.
Die Stille war bedrückend.
Caldroon holte erneut die Zigarettenschachtel heraus und zündete sich eine an. Die auf dem Boden liegenden brannte weiter.
Hitchfield dachte sich, dass Caldroon jeden Moment unter dem Druck zusammen brechen würde und ein umfassendes Geständnis ablegen würde.
"Ich möchte ihnen eine Geschichte erzählen." sagte Caldroon leise und zum ersten mal sah er Hitchfield direkt in die Augen.
Hitchfield blickte in dieses leere Paar Augen die ihn trübe durchbohrten und er wünschte sich plötzlich Caldroon währe tot. Er schluckte kurz und bemühe sich möglichst normal zu klingen: "Okay, dann legen sie mal los, Mr. Caldroon."
Caldroon nickte matt und zog an seiner Zigarette. Dann sah er sich wieder gehetzt um, wie vorher schon, machte aber keine Anstalten zu reden. Hitchfield wusste, dass Goodman langsam ungeduldig wurde.
Schließlich begann Caldroon zu reden: "Es begann im November. Ich kam mit den Einkäufen die Treppe hoch, als mich eine Stimme auslachte. Ich konnte aber niemanden auf den Gang sehen, doch trotzdem sagte jemand laut und deutlich: ‚Na du Versager, wie geht’s, wie steht’s?’
‚Wer ist da?’ sagte ich laut, doch niemand antwortete. Ich ging also zu meiner Tür und schloss sie auf, als ich wieder diese Stimme hörte. Die sagte zu mir, ich solle was aus meinem Leben machen. Ich drehte mich um, doch im Gang stand niemand, also ging ich schnell rein und schloss die Tür."
Caldroon zog ausgiebig an seiner Kippe. Hitchfield nutzte die Pause und schrieb auf einen Zettel "Frau betrog ihn?" Goodman las es und nickte.
War ein Seitensprung von der Frau Auslöser der Bluttat?
Leise sprach Caldroon weiter: "Als ich dann am Wochenende die Straße fegte, hörte ich die Stimme erneut. Sie sagte: ‚Ich kann dir helfen deinem kümmerlichen kleinen Leben einen Sinn zu geben.’ Erschrocken wirbelte ich herum, doch da stand niemand.
Ich ging vorsichtig zur Seitengasse die von der Lincoln zur Roosevelt führt, doch da war auch niemand. Ich dachte ein paar Teenager würden sich einen Spaß erlauben und fegte weiter.
Doch dann sprach die Stimmer erneut. Sie sagte: ‚Wenn du genau das tust, was ich dir sage, wirst du ganz groß rauskommen, Johnny.’ Wieder drehte ich mich um, doch die Straße war menschenleer. Bis auf Barney."
"Barney? Wer ist dieser Barney, ein Nachbar?" fragte Hitchfield. Die Sache mit dem Ehebruch wurde unwahrscheinlich. Doch was konnte es sonst sein? War Caldroon vielleicht wirklich wahnsinnig?
Caldroon sah auf und sagte: "Ja, ein Nachbar. So in der Art auf jeden Fall. Barney ist der Dackel meines Nachbarn Bob. Sie wissen schon, den ich... irgendwie..."
Hustend zog er an der Zigarette und schluchzte kurz.
Verwirrt sah Hitchfield zu Goodman rüber und dieser fragte: "Was hat der verdammte Dackel damit zu tun, dass sie ihre Frau zerstückelt haben?"
Caldroon sah auf und sagte: "Das erzähle ich doch gerade. Also kann ich weiter erzählen?" Hitchfield nickte und Caldroon fuhr fort: "Barney saß da auf der Straße und sah mich an. Zuerst war ich etwas verwirrt, doch dann ging ich zu ihm, um ihn zu streicheln, als die Stimme donnerte: ‚Einen Gott berührt man nicht!’
Ich war so überrascht, dass ich nach hinten wegtaumelte und hinfiel. Es war Barney, der mit mir redete. Ich meine, der Hund war diese Stimme."
Hitchfield und Goodman wechselten nervöse Blicke. Also war er doch ein Wahnsinniger. Hitchfield rieb sich die Augen und Goodman sagte ruhig: "Sie wollen und hier also weis machen, dass der verdammte Dackel sprechen konnte?"
Caldroon nickte und steckte sich eine neue Zigarette an.
"Warum gestehen sie nicht einfach, dass sie ihre Frau ermordet haben, dass spart dem Gericht eine Menge Arbeit, denn verurteilt werden sie so oder so. Also warum ziehen sie hier die Psychonummer ab?"
"Es ist wahr. Barney hat zu mir gesprochen, dass schwöre ich beim Grab meiner Mutter." stammelte Caldroon.
Goodman brüllte: "Von mir aus können sie beim Grab ihrer Frau schwören, aber sie wollen uns doch nicht weismachen, der Scheißdackel habe ihnen erzählt, er sei Gott!"
Caldroon sah ihn verständnislos an und meinte: "Ein Gott, nicht der Gott, er sagte mir er sei ein Gott."
"Marc, müssen wir uns diese Scheiße weiter anhören." meinte Goodman gereizt und zündete sich ebenfalls eine Zigarette an. Hitchfield runzelte die Stirn und sagte: "Mr. Caldroon, sind sie sicher, dass sie uns die Wahrheit erzählen?"
Caldroon nickte matt und sagte: "Ich will doch nur, dass sie mich verstehen."
Hitchfield sah Goodman an und sagte schließlich mit einem seufzen: "Okay, ich habe hier einen Vorschlag. Sie werden sicher nicht für Geisteskrank erklärt, dass bedeutet ihre Geschichte würde als plumper Versuch dem Gefängnis zu entgehen erscheinen. Wenn sie ein Geständnis ablegen, dass sie ihre Frau Nancy im Streit erschlugen und betrunken waren, und ihren Nachbar in Panik vor der Polizei erschlugen, kommen sie vielleicht als Rentner aus dem Knast wieder raus.
Wir hören uns ihre Geschichte zu ende an und sie unterschreiben ein Geständnis ohne sprechende Hunde und geheimnisvolle Stimmen, einverstanden?"
Caldroon sah ihn nachdenklich an und sagte dann: "Okay, ich akzeptiere den Vorschlag. Am Ende unseres Gesprächs werde ich ihre Version der Geschehnisse bestätigen."
Hitchfield nickte und sagte: "Fahren sie fort, bitte."
Goodman lehnte missmutig an der Wand und starrte in den Raum.
"Barney erzählte mir er könne mein Leben verbessern und mir zu Ruhm verhelfen. Als ich ihn fragte, warum er sprechen könne, sagte er in ihn sei der Geist eines Gottes namens Linky-Boy gefahren."
"So ein Schwachsinn! Was für ein Gott soll das den sein, der Dackelgott, oder was!" knurrte Goodman missmutig und Hitchfield gab ihn zu verstehen ruhig zu sein.
Caldroon zog an seiner Zigarette und sprach weiter: "Jedenfalls hörte sich die Sache ganz verlockend an. Ich meine, wer träumt nicht vom Ruhm?
Als ich mit Barney redete, kam die alte Mrs. Gornickle aus der Arthur Road vorbei. Sie wunderte sich über mich und ich erkannte, dass nur ich Barney hören konnte.
Sie machte eine abfällige Bemerkung über mich, von wegen typisch asozialen Pack. Mir war das ganze ziemlich peinlich, doch Barney forderte mich auf Mrs. Gornickle zu töten. Ich war entsetzt und in dem Moment kam Bob aus dem Haus und wir redeten kurz miteinander. Jedenfalls ging er dann mit Barney weg. Ich war dabei ziemlich erleichtert, wissen sie."
Caldroon hustete kurz und musste sich räuspern.
"Jedenfalls hörte ich ihn das nächste mal in der Nacht. Er forderte immer noch den Tod der alten Frau. Er bezeichnete es als Opfer.
So lief es, ich opfere ihm die alte Mrs. Gornickle und er schenkt mir Ruhm. Der Drang wurde unwiderstehlich und ich versuchte dem verdammten Hund aus den Weg zu gehen, doch dann gab ich nach.
Als meine Frau und ich bei Mrs. Gornickles Nachbarn, den McKenzies, zu Besuch waren, schlich ich mich in ihre Wohnung. Sie war im Keller und die Tür stand offen.
Als ich im Badezimmer ihre Pillendose fand, tauschte ich die Tabletten in dem Fach für Montag aus. Ich warf die Tabletten in den Waschbeckenabfluss und steckte ein paar harmlose Tabletten in die Pillendose.
Aspirin, Tabletten gegen Sodbrennen und so was. Ich empfand dabei eine ziemliche Wut, wegen der Bemerkung die sie in der Woche davor gemacht hatte, auf dem Bürgersteig als ich mit Barney redete.
Dann schlich aus der Wohnung heraus und trank mit Nancy und den McKenzies in aller Ruhe Kaffee.
Mrs. Gornickle starb in der Nacht auf Dienstag an Herversagen. Ich hatte sie tatsächlich umgebracht. Zu meinem Glück gab es nie einen Zweifel an dem Alterstod, doch trotzdem fühlte ich mich beobachtet.
Ich wurde immer nervöser und aggressiver. Der verdammte Dackel drang in meine Träume ein und sprach Tag und Nacht zu mir."
"Und was erzählte er so." fragte Goodman ohne großes Interesse. Hitchfield sah ihn kurz über die Schulter an und widmete sich dann wieder Caldroon. Kam es ihn nur so vor, oder war es in dem Raum merklich heißer geworden?
Er wischte sich über die Stirn. Das Gespräch war ihm gar nicht geheuer.
Caldroon sprach inzwischen mit tonloser Stimme weiter: "Ich... Er sagte ich hätte ihm das Opfer nicht richtig dargebracht. Es müsse in Blutopfer sein, ich hätte schlechte Arbeit geleistet und er bestehe auf sein Opfer.
Ich konnte kaum noch schlafen, ich schrie Nancy immer öfters an und wurde von meinem Chef wegen meines aggressiven Verhaltens in drei Wochen Zwangsurlaub geschickt.
Dann traf ich kurz vor Weihnachten Barney im Treppenhaus. Er erzählte mir, dass Nancy bescheid wüsste. Sie wüsste was ich mit der alten Mrs. Gornickle gemacht hatte. Ich geriet in Panik und Barney meinte, ich könne nun endlich mein Blutopfer darbringen.
Mir wurde schlecht. Doch tatsächlich benahm sich Nancy anders als sonst. Sie telefonierte mit fremden Leuten und wenn ich ins Zimmer kam sagte sie nur: ‚Er ist hier, ich kann jetzt nicht reden.’
Anderthalb Wochen vor Weihnachten wollte ich mich dann endlich mit ihr aussprechen, die Verdachte aus der Welt schaffen."
Caldroon machte eine kurze Pause um sich eine neue Zigarette anzustecken. Goodman sah immer noch gelangweilt in den Raum, doch irgendetwas war anders. Hitchfield spürte ein Pochen in den Schläfen und sein Hemd klebte geradezu an seinem Rücken. Er wünschte sich, Caldroon hätte nie angefangen seine Geschichte zu erzählen. Doch nun war es zu spät.
"Ich ging zu ihr hin und sagte: ‚Nancy, wir müssen reden.’ Sie starrte mich an und sagte leise: ‚Ja, das müssen wir in der Tat, John.’
Ich setzte mich auf den Küchentisch und fragte: ‚Mit wem telefonierst du immer wieder?’
Sie sah mich traurig an und sagte nur: ‚Ich glaube du solltest dich bei Dr. Harper in Therapie begeben, er ist ein hervorragender Psychiater.’
Ich sollte zu einem Psychodoktor? Ich rastete aus und schrie sie an: ‚Du glaubst also ich sei bescheuert, was? Du willst mich doch nur in die Anstalt einweisen lassen, damit dein Geliebter hier einziehen kann! Wer ist es? Ist es dieser Freddie, vom Buchklub? Na los, sag schon! Mit wem steigst du hinter meinem Rücken ins Bett?’
Ich packte sie und stieß sie zur Küchentür ins Wohnzimmer hinein. Sie weinte und schrie immer wieder, dass sie keinen Geliebten habe, doch ich glaubte ihr nicht.
Dann begann die Stimme wieder zu sprechen. Sie forderte mich auf Nancy zu töten. Das war zu viel für mich. Ich nahm meine Jacke und rannte aus der Wohnung heraus.
Wie kam ich auf den idiotischen Gedanken das Nancy mich betrügen würde?
Ich wusste es nicht. Ich lief die ganze Nacht in der Gegend herum, ohne Ziel. Die Stimme dieses Dämons, dieses Linky-Boys hallte in meinem Kopf immer und immer wider.
Diese Nacht schlief ich auf der Couch."
Die Pause gefiel Hitchfield nicht. Ihm gefiel die Stille nicht, doch er wollte auch nicht, dass Caldroon wieder zu sprechen anfängt. Doch Caldroon fuhr unbeirrt mit seiner Geschichte fort.
"Am nächsten Tag traf ich Barney wieder im Treppenhaus. Er wartete dort auf Bob. Ich sah ihn in die Augen und sah eine abgrundtiefe Schwärze.
Schließlich sagte mir der Dackel, ich müsse Nancy nur ermorden und zerstückeln und das Opfer währe dargebracht. Außerdem müsse ich sie töten, weil sie sonst mich in die Irrenanstalt stecken würde oder ihr heimlicher Geleibter (welcher Geliebte, sie kann keinen Geliebten haben) würde mir die Kehle durchschneiden.
Ich nickte und ging zurück in die Wohnung. Nancy stand in der Küche und kochte gerade eine Gemüsesuppe. Ich sah ihr Gesicht im Spiegel. Sie sah so unendlich traurig aus.
Leise nahm ich den großen Hammer aus meinen Werkzeugkasten und ging vorsichtig in die Küche."
Hitchfield wollte das nicht hören. Er hatte Angst davor es zu hören.
"Sie bemerkte mich nicht und ich zögerte kurz. Ich wollte sie nicht töten, schließlich liebte ich sie so sehr.
Doch dann schlug ich zu. Einmal mit voller Kraft auf den Hinterkopf.
Es gab ein krachendes Geräusch und sie fiel vornüber, immer noch den Kochlöffel in der rechten Hand umklammert. Ich stand mitten in der Küche, immer noch den Hammer in der Hand. Sie röchelte noch kurz, aber das nahm ich nicht mehr wahr. Ich roch auch nicht wie die Suppe anbrannte, ich stand einfach nur da für Minuten und nahm nichts wahr.
Nur das Blut was aus ihrem Hinterkopf lief und eine Pfütze auf den weißen Fliesen bildete.
Alles was dann geschah war wie in einem Traum verschwommen und Bruchstückhaft. Ich holte den elektrischen Heckentrimmer und ging damit in die Küche, dann war da überall Blut.
Als ich mit wieder zu mir kam lag ich im Wohnzimmer. Neben mir standen lauter Päckchen, teilweise noch offen, manche mit Geschenkpapier umhüllt.
Ich verpackte sie alle in Geschenkpapier und schickte sie mit der Post weg, ich weis selber nicht warum ich das tat. Vielleicht weil ich von der Polizei geschnappt werden wollte."
Wieder griff Caldroon zu der Zigarettenschachtel. Sie war nun fast leer. Goodman starrte seelenlos vor sich hin, als würde er träumen. Hitchfield hingegen war schlecht. Er dachte, dass er sich gleich hier in dem kleinen Vernehmungszimmer erbrechen würde. Sein Kopf schien zu vibrieren und nichts schien mehr von Bedeutung.
Caldroon schüttelte kurz den Kopf, als könne er nicht fassen was er getan hatte und fragte dann: "Welchen Teil von Nancy hat ihre Mutter erhalten?" Ohne nachzudenken sagte Hitchfield leise: "Den Kopf. Sie hatte den Kopf in ihrem Päckchen."
Caldroon nickte matt und erzählte weiter.
Seine Stimme schien aus einer anderen Welt zu kommen.
"Ich tat die Woche bis Weihnachten so, als sei nichts gewesen. Ich sagte allen Nancy habe mich verlassen. Ich wusste selber nicht einmal mehr was mit ihr geschehen war.
Nachts lauschte ich der Stimme des Dackels.
Er verriet mir, dass ich am ersten Weihnachtstag berühmt werden würde. Ich werde Landesweit berühmt. Es war so wunderbar."
Caldroon lächelte selig und verfiel dann sofort wieder in seine Teilnahmslosigkeit und seine Augen blickten wieder nervös umher.
Er stieß keuchend den Qualm seiner Zigarette aus und fuhr fort: "Am ersten Weihnachtstag rief mich dann meine Tante May an und sagte mit tränenerstickter Stimme: ‚John, was hast du getan, Johnny, was hast du getan?’
Da wurde mir alles klar. Ich ließ den Hörer fallen. Ich hatte Nancy ermordet. Sie hatte mich nicht verlassen, ich hatte sie wie ein Stück Fleisch zerlegt.
Der verfluchte Dackel hatte doch gesagt ich werde berühmt, was war damit?
Als ich dann die Polizeisirenen hörte geriet ich in Panik. Ich rannte ins Schlafzimmer und suchte den alten Baseballschläger. Als ich endlich hatte, wusste ich was zu tun sei.
Ich verließ die Wohnung und trat ins Treppenhaus. Bob stand ebenfalls dort, um zu sehen was das für ein Aufstand sei. Er hatte keine Chance. Mit einem gezielten Schlag in den Rücken warf ich ihn zu Boden und ging in seine Wohnung. Die Tür warf ich zu, aber das Schloss schnappte nicht ein.
‚Wo bist du, du verdammter Teufel?’ schrie ich. Ich wollte dem Scheißdackel diesen Linky-Boy rausprügeln, doch dann kam Bob in die Wohnung und sagte: ‚Was auch immer dein Problem ist, ich werde die Bullen da draußen bitten dich gleich mitzunehmen, wenn sie nicht schon wegen dir da sind, du verdammter Mistkerl!’
Da verlor ich die Kontrolle. Ich ging auf ihn los und schlug auf ihn ein. Der erste Schlag traf die Schulter.
Bob ging unter Schmerzen zu Boden und riss verzweifelt die Arme hoch, doch es nutzte nichts. Ich schlug etwa ein halbes Dutzend mal zu. Sein Blut spritzte mir ins Gesicht und er brach tot zusammen.
Als ich mich umdrehte stand da der Dackel. Ich schrie ihn an: ‚Na, wie gefällt dir dieses Blutopfer, du Scheißvieh! Opfer genug, oder willst du mehr?’"
Caldroon, dessen Stimme fast zu einem Schreien angeschwollen war, kicherte nervös und sah zu Boden. Die Zigarette am Boden war verglimmt.
Hitchfield fühlte sich gar nicht gut. Er hofft das war es endlich, doch dann sprach Caldroon leise weiter: "Ich hob den Baseballschläger und schlug auf den Dackel ein. Ich sah wie Barneys Schädel zersplitterte und das Gehirn bis an die Decke spritzte.
Immer und immer wieder schlug ich zu, ich schrie dabei um die Sterbelaute des Dackels nicht hören zu müssen.
Es war das erste mal seit einem Monat, dass der Hund für mich wie ein Hund klang und nicht in dieser kalten dämonischen Stimme zu mir sprach.
Dann, als der Hund sich nicht mehr rührte, begann ich zu kichern wie ein kleines Kind und schlug weiter auf die Leiche ein.
Ich hoffte etwas zu finden, ein Zeichen dafür, dass der Dackel nicht wirklich ein Dackel war, doch dann spürte ich einen Schlag in meinem Bein und brach zusammen."
Mit gesenktem Kopf tastete Caldroon nach seiner Zigarettenschachtel. Hitchfield hatte inzwischen dröhnende Kopfschmerzen und stand langsam auf. Wie in einem Traum sagte er leise: "Vergessen sie unsere kleine Abmachung nicht, Caldroon."
Dieser sah kurz auf und zog an seiner Zigarette.
Langsam ging Hitchfield auf die Tür zu. Goodman starrte mit leerem Blick auf den Tisch und sagte schließlich: "Ich werde ihn ein Geständnis wie abgemacht unterschreiben lassen. Geh ruhig nach Hause, Marc."
Hitchfield nickte kurz und verließ den Raum.
Dem Geständnis nach war der Fall ein kleines tragisches Eifersuchtsdrama, wie es immer in irgendwelchen billigen Filmen vorkam.
John Caldroon bekam lebenslänglich. Er weinte bei der Urteilsverkündung. Niemanden verriet er, dass er eine Stimme in seinem Kopf hörte.
Eine Stimme, die er nur zu gut kannte.
Ben Goodman stieg in seinen Ford und fuhr los. Drei Tage ist die Verurteilung dieses Verrückten nun schon her und er hatte immer noch Alpträume.
Den Blick starr auf die Straße gerichtet fuhr er zu dem Haus, in dem sich alles abgespielt hatte.
Er parkte vor diesem Haus und zündete sich eine Zigarette an. Er blickte kurz auf die Uhr und starrte in die dunkle Nacht hinaus.
Er musste immer wieder an diese ausdruckslosen Augen denken, die wild hin und her zuckten. Die Geschichte die ihnen Caldroon aufgetischt hatte war die eines Irren, doch die Nummer von wegen Geisteskrank, die sein Anwalt abgezogen hatte, hatte nicht funktioniert.
Goodman war froh darüber.
Seine Zigarette war halb aufgeraucht als er den Brief an seine Frau und seine beiden Kinder auf den Beifahrersitz legte und seine Dienstwaffe entsicherte.
Er dachte darüber nach, ob Caldroons Wahnsinn vielleicht ansteckend war. Ginge das? Konnte Geisteskrankheit wie eine Grippe auf andere Übertragen werden?
Goodman war es egal. Ihm war alles egal.
Er wollte nur die Alpträume los werden.
Lächelnd hielt er sich die Waffe unters Kinn und drückte ab.
Hitchfield stand immer noch vor dem Gebäude und starrte auf den Parkplatz wo sich sein Partner damals selbst erschossen hatte.
Dieser Selbstmord war ebenso unbegreiflich wie der Mord den Caldroon begangen hatte. Hitchfield sah darin keinen Sinn.
Er hatte am Morgen erfahren, dass sich Caldroon in seiner Zelle selbst erhängt hatte.
Nur noch er wusste von diesem Gespräch (Monolog, es war mehr ein Monolog) damals vor vier Jahren. Noch heute träumte er öfters von diesem Abend und wacht dann immer wieder schweißgebadet auf.
Doch die Träume störten ihn nicht.
Es waren doch nur Träume und nicht mehr.
Hitchfield blickte hoch zu dem Stockwerk wo das Verbrechen standgefunden hatte. Das Gebäude zeichnete sich unheimlich vor dem grauen Wolkenhimmel ab.
Das was ihm Angst machte war etwas anderes, etwas, was er nicht erklären sich konnte.
Lächelnd schlenderte er weiter die Straße entlang und umklammerte dabei die .45 Colt in seiner Manteltasche.
Was ihn wirklich beunruhigte war, dass der Labrador seiner Schwester angefangen hat zu ihm zu sprechen.
ENDE