© 2008 Tim Riewe
1. Nackt
Der Wind wirbelte
die Blätter durch die Luft und ich spürte die warme Brise, die mich nun umgab. Ich
lag einfach dort auf einer Wiese und fühlte mich, also ob ich alle Probleme dieser
Welt los war.
Sonne wo bist du ?
Die Sonne war kurzzeitig hinter einer Wolke verschwunden, aber trotzdem war es
immer noch mollig warm. Ich sah mich um und sah wie 2 Kinder mit einem Ball spielten,
der aber so leicht durch die Luft schleuderte, wie es eigentlich nicht sein konnte
oder etwa doch. Mein eigener Spieltrieb überkam mich und so stellte ich mich
zusammen mit den Kinder in einen Kreis und wir spielten mit dem Ball, der durch die
Luft wirbelte und dabei wie ein Prismaglas in allen Farben des Regenbogens
leuchtete.
Dann aber passierte
etwas unerwartetes denn, nun hielten die beiden Kinder inne und sahen mich ganz
entsetzt an, schleuderten den Ball von sich und riefen laut: Mama, Mama, der Mann ist
ja ganz nackt.....Mama, Mama, ein Kinderschänder, ein Kinderschänder.....
Nun überkam mich ganz plötzlich ein eiskalter Schauer, der mir kalt
über den Rücken lief. Was war passiert, was meinten die Kinder nur
mit nackt ? Mir war doch warm zu Mute. Ich sah dann auf meine Arme und meinen
Körper und tatsächlich ich hatte gar nichts an, rein gar nichts. Nun
lief mir nicht nur ein Schauer über den Rücken, sondern mich überkam
ein großer Schmerz, der meinen ganzen Körper erfasste, ein Schmerz,
wie ich ihn nicht kannte..... woher kam er bloß, wieso kam er. Es fing
an zu stürmen und nun sah ich wie rings um mich herum die Blätter
von den Bäumen vielen....es musste wohl Herbst sein, den ein paar Blätter
hatten sich schon verfärbt.... manche in schillernde Farben...doch je mehr
mich der Schmerz im Griff hatte, desto farbloser und brauner erschienen die
Blätter für mich.
Was war bloß los, was war los ? Ich legte mich ins Gras und schrie, schrie
mir förmlich den Schmerz aus der Kehle, aber niemand schien mich zu hören
die Kinder waren längst davon gelaufen....doch dann kam plötzlich
sie !
Sie wirkte fast wie eine Lichtgestalt und schien aus dem Nichts aufzutauchen
der Schmerz verschwand schnell. Es war eine junge Frau mit langen schwarzen
Haaren, sie hatte ein festliches Kleid an, welches auch in schwarz ihr den Hauch
von Eleganz gab. Ihre Haut wirkte blass und doch voller Leben und um sie herum
bemerkte ich ein Leuchten, ja ihr Körper leuchtete auf eine komische Art
und Weise, wie halt bei einer Lichtgestalt. Ihr Gesicht war markant und von
idealer Schönheit mit einer fein geschwungenen Nase.
Das war ein
komisches Erlebnis und ich kannte sie irgendwoher, konnte aber keine Verbindung
herstellen, wo ich sie schon mal gesehen hatte, aber sie schien mir schon mal in der
Vergangenheit sehr nahe gewesen zu sein.
Sie sah mich an und
küsste mich sanft auf den Mund, einfach so ohne irgendwelche Aufforderung.
Wenn uns nun jemand sehen würde, ich würde vor Scham in den Boden
versinken, denn ich war schließlich nackt, ja nackt war ich und sie war
in einem eleganten und angekleideten Zustand. Vor lauter Schüchternheit
konnte ich kaum die Worte rausbekommen und fing vor Aufregung an zu stottern:
Ich, ich, ich bbbbbin nagggt !
Dann sah sie mich
an, als wäre es das Normalste von der Welt und erwiderte: Das sehe ich und
deswegen bin ich ja auch hier, um dir ein paar Kleider zu bringen....
Ich wollte sie eigentlich
noch fragen, wo ich jetzt überhaupt bin, aber ich hielt es für besser erst einmal
den Mund zu halten. Sie forderte mich
auf und rief mir zu: Kommst du mit zu meinem Auto ? Dort habe ich ein paar
Kleider, die ich dir geben kann. Sie gehörten einem früheren Bekannten, der sie jetzt
allerdings nicht mehr braucht.
Ich folgte ihr ganz unbemerkt und wir mussten nicht weit gehen, da stand dann
auch schon ihr Auto. Der Wagen schien nicht der neueste zu sein und hatte einige
Lackschäden. Ich weiß nicht einmal was für ein Fabrikat es war,
aber es war halt ein Wagen, der vor kurzer Zeit wohl noch einen Unfall gebaut
hatte....die Frontseite schien von einer Werkstatt notdürftig ausgebeult
worden zu sein.
Hier, rief sie mir
zu... Fang !
Nun bekam ich also
ein Hemd, eine Hose, ein paar Socken, sogar eine Unterhose, die noch sauber schien
und ein paar Schuhe. Und das Komische an der Sache war, das sie mir wie angegossen
zu passen schienen. Es war so, als hätte ich sie schon immer getragen.
Ich stieg bei ihr in
den Wagen ein und irgendwie überkam mich ein mulmiges Gefühl, denn mir kam diese
ganze Situation so bekannt vor, aber ich konnte nach den Gedanken nicht
greifen, aus der diese Situation hervorgegangen war.
2. Bekannte Strassen
Wir fuhren wie durch die Straßen einer großen Stadt, die
mir bekannt vor kam, aber ich konnte diese Stadt mit keinem Namen assoziieren,
es war als fehlten mir viele Namen, als würde mein Gehirn die Informationen
nicht alle richtig verarbeiten.
Wir fuhren über einen großen Fluss, fuhren an einer Uferpromenade
vorbei, an Regierungsgebäuden und Bürotürmen, vorbei an 4 oder
5stöckigen Gebäuden um immer weiter, immer weiter....dann fuhren wir
in eine kleine Gasse und mir war als würde die Zeit rückwärts
laufen, es war als würden die Jahre rückwärts laufen, denn erst
standen hier und dort Autos und es schien unmöglich für uns einen
Parkplatz bekommen dann sah ich aber nur noch sehr wenige Autos bis letztendlich
keine Autos mehr da waren. Wir stellten unser Auto an einen Strassenrand und
mir war nun als hätte ich gar nicht mehr im gleichen Auto gesessen, sondern
es war ein ganz anderes Auto, ein viel älteres Auto, ein Auto, was aber
doch so neu war.
Ich schaute nun die
Frau an, die mich hierher gefahren hatte....sie wirkte nun viel jünger, sehr sehr
viel jünger und ihr Gesicht hatte kindliche Züge angenommen.
Ich und ich, ja ich
hatte plötzlich ganz andere Kleidung an. Da kamen plötzlich Kinder auf mich
zu....nun erkannte ich sie wieder. Es waren doch die Kinder, mit denen ich noch
vorhin gespielt hatte, als ich ganz nackt war, ganz nackt. Jetzt aber hatte ich etwas
an....ja ich hatte einen komischen Pullover an, der der ziemlich kratzte um ehrlich zu sein.
Es war immer noch Herbst und die Blätter wurden von den Bäumen in alle
Himmelsrichtungen getragen.
Wir jagden mit einem
Ball durch die Strassen, diesmal allerdings erschien es nicht, als ob es dieser
durchsichtige Ball zu sein schien, der wie ein Prismenglas in allen Regenbogenfarben
leuchtete.
Wir hatten Spaß und diese ganze Situation kam mir wie ein Dejavu Erlebnis
vor, was ich erlebte aber dessen Ausgang ich nicht kannte, auch kannte ich keine
Namen, es war als liefe ich automatisch wie ein Uhrwerk ohne etwas dazu zutun.
Wir spielten und spielten bis einer von uns in eine Reihe von Autos schoss,
die am Strassenrand parkten. Es war eine Nebenstraße, eine Spielstraße
wo es fast keine Autos gab, die am Rand parkten, aber in jener Reihe parkten
gleich ein ganzes dutzend PKW´s hintereinander.
Da machte es einmal
klirr und ein Junge aus unserer Gruppe schoss den Ball in die Frontscheibe eines
Autos und das mit voller Wucht, so das das Glas diesen Angriff nicht stand hielt
und in tausend Stücke zerbarstete.
Die Frau bzw. das
Mädchen, welches mich gefahren hatte, das nahm meine Hand und rief mir zu: Lauf,
lauf, renn um dein Leben. Dabei war doch ich gar nicht der Übeltäter gewesen,
aber sie schien schon zu wissen, wovon sie sprach. Da kam ein
Mann mit einer Schürze aus einem nahestehenden Metzgerladen und hielt ein
Messer in der Hand.... Ich kriege Euch, ihr Schweine...Das war das letzte Mal,
das ihr mir eine Scheibe kaputt geschossen habt. Letzte Woche das Schaufenster,
jetzt mein Wagen. Ich lief und lief, konnte fast kaum mit den Schritten des
Mädchens an meiner Seite Schritt halten. Ein Junge rief dem Metzger zu....
Letzte Woche, das waren wir nicht, das waren die Kinder der Enid Blyton Schule,
die machen sowas extra. Wir nicht, wir haben das nicht gewollt.
Dann liefen wir um eine Ecke und es schien, als würden wir uns plötzlich
in einer ganz anderen Umgebung befinden. Das Mädchen hielt immer noch meine
Hand, aber sie schien älter geworden zu sein. Ich sah, wie wir an einem
Fluss lang stritten und es war als ob wir diesen großen Fluss im Nu überquert
hatten. Wir liefen fast wie mit sieben Meilen Stiefeln über den Fluss auf
die andere Seite des Flusses, ließen die Fußgänger, die auch
die Brücke mit uns überquerten zurück. Auf der anderen Uferseite
gingen wir auf ein großes Gebäude zu, welches neben anderen Häuser
in einer Allee am Fluss stand, d.h. die Uferpromenade befand sich auf der gegenüberliegenden
Seite der Allee.
Wir gingen in eines dieser Häuser und plötzlich ließ mich das
Mädchen alleine in einer großen Wohnung zurück. Da hörte
ich, wie sich 2 mir bekannte Stimmen heftig miteinander stritten und es schepperte
Porzellan. Ich verkroch mich in ein Zimmer, wo ich eine Stereoanlage stehen
sah, welche auf einem Schreibtisch aufgebaut war.
Dann war dort noch
ein Bett, ein Schrank und 2 Fenster gewährten Sicht auf den Fluss, die
allerdings ein wenig unterbrochen wurde von 2 Kastanienbäumen, die vor dem Fenster standen
und sich im Wind wogen.
Aus irgend einem Grund warf ich mich nun aufs Bett und begann zu heulen. Dann
kam ein Mann ins Zimmer gestürzt und packte mich am Haar....Er schrie:
Raus, Du auch..... Deine Mutter diese Schlampe hat uns verlassen, soll sie dich
doch mitnehmen.....Ich halte das nicht mehr aus..... Nun verließ der Mann
den Raum und ich hörte ihn schluchzen.....
Da lag ich also auf
dem Bett und ehe ich mich versah, war ich plötzlich wieder ganz woanders.
Da war sie wieder:
meine geheimnisvolle Begleiterin, welche sich zum schmucken Teenager gemausert
hatte...so wirkte nun schon fast erwachsen und ich hätte sie auf 16 getippt. Sie
stand da so vor mir, war ein wenig picklig, aber sehr attraktiv und ich hörte plötzlich mein
Herz wummern, ja ich hörte mein Herz wummern, wie noch nie sonst in dieser
seltsamen Welt.....
Da lag sie auf einem großen Bett, welches mit einer roten Decke überzogen
war und ich lag neben ihr. Dann zog sie vorsichtig an meiner Hose um umfaßte
ein pulsierendes Glied. Plötzlich aber schien wieder etwas nicht zu stimmen,
denn einen kurzen Augenblick währte ich mich doch ein anderes Gesicht zu
sehen und nicht das Ihrige.
Ich sah in ein Gesicht, das mir bekannt vorkam, aber mit dem ich nichts verbinden
konnte es war nur für einen kurzen Augenblick dort, ehe ich wieder in ihr
Gesicht sah und leider leider waren die erotischen Übungen nun auch schon
passe. Dabei hätte ich mir so sehr richtig guten Sex gewünscht. Ich
weis's gar nicht wie lange es schon her ist, das ich richtig guten Sex hatte
? Hatte ich überhaupt dieses Gefühl jemals zuvor verspürt. Ich,
der ich war, war jemand ohne Identität ?!
Diese Gedanken
schossen schnell durch meinen Kopf und trotzdem ging das Leben in dieser Welt weiter,
eine Welt die sich wie ein Lebensfilm aneinander reite ohne jeglichen
Zusammenhang. Was aber ich mir sicher sein konnte, war sie. Sie war es, die mich durch
dieses heillose Labyrinth führt, wie ein Fremdenführer und doch schien sie mir nicht
erklären zu können, wo ich war und wer ich bin und wieso ich dieses alles erlebe.
Nun waren wir
plötzlich wieder auf einer Art Hochzeit, ja wir waren auf einer Hochzeit und viele
Leute waren um uns herum, viele Leute und dieses alles geschah in einer schmucken
Kirche, deren Fenster mit ihrem wunderbar bunten und nicht kitschigen Glas die
Sonne in all ihren Farben durchscheinen ließen.
Es kam mir vor wie
ein Prisma oder mehr wie ein Regenbogen, dessen Farben nun durch die Sonne zum
Vorschein kamen.
Dann aber fing mein Herz an wild zu pochen und es wurde mir schwer, ja es wurde
mir so schwer, dann da sie ich sie, meine geheimnisvolle Begleiterin, welche
mich doch nicht los ließ und Teil dieser Welt war. Sie stand in der Kirche
vor einem Altar, diesmal war sie ganz in Weiß gekleidet. Ja sie sah aus
wie eine Braut, die vor hatte eine Ehe einzugehen. Und dann war da aber noch
jemand neben ihr, dessen Gesicht konnte ich nicht genau erkennen, aber es war
nicht das Meinige. Langsam aber wurden die Konturen dieses Gesichtes deutlicher
und deutlicher, ja sie wurden so deutlich und scharf, das sie wesentlich schärfer
erschienen als die Dinge um sie herum.
Ich fühlte nun einen großen Schmerz in meiner Brust und ein Gefühl
des Einsamseins, denn meine geheimnisvolle Begleiterin war nun vor dem Traualtar
gelandet und ich war stiller Beobachter des ganzen Spektakels, wollte innerlich
zusammen schrumpfen, am liebsten im Boden versinken, so klein fühlte ich
mich nun. Ich taumelte nur noch und ehe ich mich versah, da stand ich ganz woanders,
nämlich vor einem Autogeschäft und da standen einige Gebrauchtwagen
und einer davon war doch tatsächlich der Wagen, in dem mich meine geheimnisvolle
Begleiterin gefahren hatte. Diesmal allerdings schien er unversehrt gewesen
zu sein, ohne Lackschäden und auch jünger, als wie ich ihn zuvor gesehen
hatte. Was war passiert ? Das alles verwirrte mich so sehr, das ich nicht wusste,
was weiter mit mir geschah.
3. Judith
Judith war eine eher
zurückhaltende Frau Ende 20, die auf den ersten Blick fast schüchtern wirkte,
aber das war nur der erste Eindruck, denn hinter der Fassade, kam eine sehr
facettenreiche Persönlichkeit zu Vorschein mit der jeder Mann gern Freund wär. Sie war
prinzipientreu, hatte ein treues Wesen, war ein offener aber nicht verletzender Mensch,
der austeilen aber auch einstecken konnte. Aber sie war auch etwas naiv, denn sie
glaubte immer an das Gute im Menschen und ihr wurde bei früheren Beziehungen
leider diese Gutgläubigkeit zum Verhängnis.
So lernte sie vor
ein paar Jahren Jonny kennen, der smarte Playboy, der ein Casanova sondergleichen war.
Aber Jonny tat so als könnte Judith sein Herz erobern. Judith war noch in der
Ausbildung als sie Jonny kennenlernte. Sie hatte einen Beruf ergriffen, wie viele Mädchen
ihres Alters ihn in ihrer Generation ergriffen....sie wurde zur Arzthelferin bei
einem Kardiologen ausgebildet.
Jonny dagegen lernte
im elterlichen Betrieb Industriekaufmann, war aber eigentlich von Beruf her Sohn,
denn sein Vater peitschte ihn durch die Prüfung, die er erst im zweiten Anlauf im
Viererrythmus bestand. Ja Jonny war faul wie die Sünde, denn er hatte zwar gelernt
Geld auszugeben, aber nicht Geld zu verdienen, jedenfalls nicht auf die mühselige Art,
denn das Arbeiten im elterlichen Betrieb bestand mehr aus Herumkommandieren,
ab und zu mal die Akten zu wälzen und sich dann lange herum zu lamentieren und
alles besser zu wissen.
Jonnys Vater sorgte zwar dafür, das sein Sohn eine solide Ausbildung bekam,
aber auf der anderen Seite verwöhnte er ihn auch über alle Masse als
Einzelsohn. Aber Jonny hatte Charme und er wusste ganz genau wo und wann er
seine Charmeoffensive einzusetzen hatte, so das die Mädchenherzen dahin
schmolzen. Auch Judiths Herz schmolz dahin. Dabei hatte Jonny Schwierigkeiten
seine Dates richtig zu koordinieren und sich nicht zu verplappern, auch durften
die Freundinnen, die er hatte nicht miteinander befreundet sein. So fuhr er
dann und wann nach Köln, wo er Freunde hatte bzw. 1 oder 2 Freundinnen,
dann natürlich in seiner Heimatstadt Düsseldorf, darüber hinaus
hatte er auch 2 Freundinnen in den Niederlanden, wovon die Eine in Enschede
an der Grenze wohnte und die andere in Amsterdam. Auch hatte er noch eine Freundin
im Ruhrpott und in Münster.
Alle Freundinnen waren regional also so weit voneinander entfernt, dass sie
nichts voneinander wußten. Die Freundin, die er also u.a. in Düsseldorf
hatte war Judith. Judith war eigentlich gar nicht an ihm interessiert, da seine
Art mit Geld umzugehen, sie im Grunde genommen verachtete nicht das sie Reichtum
abgeneigt war, aber Judith suchte den gesunden Mittelweg, während Jonny
mit seinem Geld angab.
Als er merkte, das
er nicht bei ihr landen konnte, wenn er mit seinem getunten Wagen in ihrer
Strassenmeile die Strasse hoch und runter fuhr, setzte er sich doch tatsächlich auf ein Fahrrad,
welches er seit seinem 12. Geburtstag nicht mehr gefahren hatte, denn er wurde ja
gefahren bzw. später fuhr er selber.
Ja, Jonny kam auf einem Mountainbike die Strasse herunter gerollt mit einem
Strauß Blumen in der Hand. Dann hielt er vor Judiths Haus an und schritt
frohen Mutes und ohne mit der Wimper zu zucken an deren Türschwelle, wo
er sogleich die Klingel betätigte, was allerdings die Klingel der elterlichen
Wohnung war, denn Judith wohnte zu dieser Zeit noch mit in der Wohnung ihrer
Eltern, da das Haus, ein Bungalow zu eng war, als das Judith mehr als ein Zimmer
besaß.
Da öffnete Herr Brand, Judiths Vater und war sehr überrascht den jungen
Jonny vor seiner Tür mit einem Strauß Blumen in der Hand zu sehen.
Vater Brand war um einen flotten Spruch, wie Jonny es ihm gleich tat, nie verlegen,
denn er hatte Jonny bereits mehrfach in seinem Mercedes die Strasse rauf und
runter fahren sehen, was in des öfteren schon geärgert hatte. So meinte
er flapsig:
Guten Tag junger
Mann, wie ich sehe haben Sie ein paar Blümchen dabei und klingeln an meiner
Tür. Ich nehme an, das die Blumen nicht unbedingt für mich sind, für meine Frau etwa
?
Jonny war in diesem
Moment ganz baff und sprachlos: Also, also, Ihre Frau kenne ich doch gar nicht.
Dann meinen Sie
vielleicht meine Tochter Judith, wenn ich recht in der Annahme gehe..., mutmaßte
nun Judiths Papa.
Also die Annahme
liegt nicht ganz falsch, aber es kann ja auch sein, das ich mich in der Tür vertan habe,
druckste Jonny vor sich rum, denn jetzt war er doch gar nicht mehr der coole
Jonny. Judith, die das Ganze durch einen Türspalt beobachtete, konnte sich vor Lachen fast
nicht einkriegen, aber wohlgemerkt von diesem Moment an war sie von Jonny
fasziniert, denn plötzlich war es nicht mehr der coole junge Bengel, welcher in seinem
Mercedes Cabrio die Strasse rauf und runter fährt und ein Hupkonzert vor den
Fenstern von Judiths Zimmer veranstaltete.
Es sei noch zu erwähnen, das sich Judith und Jonny schon vorher flüchtig
kannten, denn ein paar Worte hatten sie schon miteinander ausgetauscht, aber
wie schon bemerkt war Judith am Anfang nicht gerade von dem Aufschneider Jonny
begeistert, nun aber wo er auch Schwäche und Sentimentalität bewies,
fing ihr Herz Flammen.
Judith, die
eigentlich ja eher ein zurückhaltendes Mädchen war, öffnete nun die Tür und kam auf Jonny
zu, nahm ihn bei der Hand und schleifte ihn auf ihr Zimmer.
Jonny war so baff, das er fast reintaumelte, als sie an seiner Hand zog.
Wie dem auch sei, so
wurden Jonny und Judith ein Paar und wie es doch so kommt, schien es also würde
Jonny einen Teil seiner Playboy Allüren in den kommenden Monaten los werden.
Jonny wurde auch
etwas bescheidener, jedenfalls glaubte das die etwas naive Judith, denn er hatte zwar
immer noch den dicksten Cabrio, aber konnte durchaus auch einen Drahtesel steigen.
Hinzu kam allerdings, das plötzlich und unerwartet sein Vater starb und von nun an hatte
Jonny eine gewisse Verantwortung in den geschäftlichen Dingen zu übernehmen. Ja,
das erste Mal in seinem Leben schien es, als müsste er wie ein Erwachsener agieren
und da waren nicht viele Leute, die ihn wirklich stützten, aber Judith war es schon,
denn sie war nunmal sehr treuherzig und loyal.
So ging es
tatsächlich ein oder zwei Jahre gut und das erste Mal in seinem Leben hatte Jonny so etwas
wie eine ernsthafte Beziehung, den seine anderen Freundinnen sah er immer
seltener, wobei er schon noch mal nicht immer Lust hatte Pommes zu essen , aber in
dieser Zeit ging er höchstens 2 oder 3 mal fremd, was für Jonny eine beachtliche Leistung
darstellte. Dieses war wohl gemerkt in dem Zeitraum von 2 Jahren.
Judith und Jonny zogen schließlich zusammen in die Villa seines Vaters,
wo sie eine eigene große Wohnung bezogen, denn die verwitwete Mutter lebte
im Erdgeschoss.
Dann nach 2 Jahren
wurde Judith schwanger und so begannen die Schwierigkeiten. Jonny, der die
ersten beiden Jahre nach dem Tod seines Vaters deren Geschäfte noch zur Zufriedenheit
der Mitarbeiter leitete, was auch noch mit dem Lorbeervorschuss seines Vaters bei Kunden
zu tun hatte, kam mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die Deutschland nun
erfassten, ins Trudeln.
Das Judith nun
schwanger war, war so auch nicht geplant und so begann das Theater, das Jonny wieder oft
nächtelang ausging und Judith nicht wusste, wo er steckte. Dann ging es auch
immer weiter mit den Geschäften bergab und innerhalb eines halben Jahres
rutschte der Geschäftsbetrieb in die tiefroten Zahlen. So musste Jonny erst einmal von den
knapp 50 Leuten des kleinen Industriebetriebes 20 entlassen. Ein halbes Jahr später
dann, war es schließlich unumgänglich, das der Betrieb Insolvenz anmeldete.
Judith dachte in dieser Zeit, das Jasmin, die sie nun zur Welt brachte etwas
an der Lage ändern würde, denn Jasmin war wirklich ein wahrer Wonneproppen,
die eigentlich jeden Vater das Herz erweichen konnte, nur Jonny war zu dieser
Zeit immer mehr abwesend und die Beziehung mit Jasmin bestand so irgendwie nicht
mehr. Die beiden waren nicht verheiratet und man schon Judith mit ihrem kleinen
Wonneproppen nur noch im Haus von Jonny und seiner Mutter für eine Zeit
zu dulden bis die Kleine etwas größer war. Jonny schlief nun auch
nicht mehr im Zimmer seiner Freundin und das schlimmste war, das er schließlich
auch noch andere Frauen nach Hause brachte, denn schließlich war ja die
Beziehung zu Judith irgendwie beendet.
Damit endete für Judith das Kapitel mit Jonny endgültig und zu dieser
Zeit zog sie wieder in das Haus ihrer Eltern mit denen sie sich allerdings 2
Jahre vorher verkracht hatte, da sie ihr es anfangs nicht verzeihen konnte,
das sie nicht auf sie gehört hatte und sich mit Jonny, diesem Hochstapler
einließ.
Die Zeiten schienen für die alleinerziehende Mama Judith nicht einfach,
denn sie war total von der Hilfe anderer abhängig, in diesem Fall von ihren
Eltern, denn Jonny zahlte ab und zu und das auch nur sehr unregelmäßig
für die Belange seiner kleinen Tochter. Judiths Eltern waren auch nicht
gerade vermögend, denn sie konnten mit Mühe und Not ihr Haus, das
sie nun ihr Eigentum nennen konnten, behalten, denn zu dieser Zeit wurde auch
Judiths Papa arbeitslos und das, wo dieser schon in den Fünfzigern war
und keine Chance hatte neu in einen anderen Job hineinzukommen.
Und Düsseldorf, wo
die Familie Brandt wohnte, ist wahrhaftig kein billiges Pflaster und die Lebenskosten
sind durchaus vergleichbar mit Städten wie München.
Judiths Leben stand zu dieser Zeit wahrhaftig nicht unter einem guten Stern,
aber nach der Versöhnung mit ihren Eltern wußten die Drei das Beste
aus dieser Situation zu machen....sie waren eine glückliche Schicksalsgemeinschaft,
die trotz des immensen Drucks, der ihr die Welt da draußen aufbürdete,
zusammenhielt.
Aber auch Judiths
Liebesleben sollte sich zum Positiven hinwenden, denn sie lernte einen jungen Mann
kennen, der nicht nur ihrem Leben einen positiven Aufschub gab, sondern auch Judith
würde sehr entscheidend auf die Geschicke im Leben dieses Mannes einwirken.
4. Amors Liebespfeil
Düsseldorf hat
bekanntlich die längste Theke der Welt und Jonny fühlte sich in den vielen Discos der
Altstadt sehr heimisch, denn im Glitzerlicht der Nacht konnten die Menschen ihr wahres
Gesicht verbergen, welche abgrundtief häßliche Fratze sich hinter der Maske
verbarg. Das Partyleben war ja so oberflächlich und der Rhythmus der Musik nahm die
Menschen mit auf eine Reise in die Welt der Glücksgefühle, dieses Gefühl zu
haben einfach happy zu sein und die innere Leere zu füllen. In dieser
oberflächlichen Welt der gestylten Lackaffen, was aber nicht unbedingt verallgemeinert
werden sollte (aber in diesem Fall traf es wohl zu !!), war es nun kein Problem für Jonny
sein Gesicht und seine Absicht zu retuschieren, hier holte er sich mal dieses und mal
jenes Mädel heran, die seine fleischlichen Gelüste befriedigten. Man sollte aber
nicht unfair sein, wenn man Jonny beurteilen wollte, denn er hatte sicherlich seine
guten Seiten, wo er Judith immerhin eine Zeit lang tatsächlich sexuell gesehen treu war,
aber er war leider wenig lernfähig und fiel wieder in sein altes Ego zurück. Richtig
glücklich allerdings wurde er mit diesem Verhalten wohl nie, denn genauer betrachtet
hatte er nur oberflächlich Freunde und es gab im Grunde genommen nur Judith,
die ihn wirklich ganz innig liebte und er sie, zumindest für eine Zeit wie kein
Mädchen zuvor.
Aber das war nun
Vergangenheit und Judith wohnte inzwischen wieder bei ihren Eltern. Sie passten
an diesem Abend auf den kleinen Wonneproppen auf und da zog es auch Judith ins
Düsseldorfer Nachtleben. Zwar ist die Düsseldorfer Innenstadt recht groß, aber man
zieht normalerweise von einer Kneipe oder Disco zur Nächsten, so das sich an
diesem Abend auch Judith und Jonny zwangsläufig begegneten und das in einer Situation
?! Aber dazu später.
Erst einmal zog es
Judith in eine Diskothek, so wie man sie von Arenal auf Mallorca her zu Genüge kennt.
Nein, Judith mochte diese Atmosphäre insgesamt nicht, aber es liefen auch in
solchen Läden nicht nur Idioten herum mit dem Intellekt eines Dieter Bohlen, aber die
meisten Menschen konnte man nicht mehr nüchtern antreffen.
Es war kurz vor
Karneval und so liefen an diesem Abend natürlich viel leichtbekleidet oder mit
lächerlichen Hüten herum, wie man sie sonst nur in seichten Talkshows oder Comedyshows antraf.
Da war z.B. eine Gruppe Engländer, die liefen mit Lederhosen herum, wo man aber
auf ihr blankes Hinterteil sehen konnte. Aber auch einheimische Jecken machten sich
mit grossen Zauberhüten wie Harry Potter sie trägt, lächerlich.
Judith war dagegen
überhaupt nicht verkleidet, sondern nur dezent geschminkt und relativ normal
gekleidet. Sie war an diesem
Abend alleine, hatte sich zwar mit einer Freundin verabredet, aber diese kam und kam
nicht. Schließlich als sie immer noch keine SMS von ihrer Freundin erhalten
hatte und diese nach über einer halben Stunde noch nicht da war, rief sie sie an.
Ihre Freundin Camilla meldete sich auch, aber hatte irgendwie verschlafen, denn
sie hatte einen anstrengenden Tag gehabt und war nun noch ein paar Stunden am
schlafen, um sich von dem anstrengenden Arbeitsalltag zu erholen.
Camilla und Judith
waren früher Arbeitskolleginnen gewesen, bevor Judiths kleiner Wonneproppen geboren
wurde.
Nach einer halben
Stunde kam Camilla doch noch in die Disco und fand Judith gleich vor dem ersten
Tresen, wenn man hinein kam. Und da traute sie doch ihren Augen nicht.....mitten im
karnevalistischen Treiben sah sie Judith, durchaus leger und sexy bekleidet, aber
nicht so das es auffiel und ein junger Mann, der genauso wie Judith leger aber doch eher
konservativ bekleidet war und gar nicht so nach Karneval aussah.
Camilla aber war da anderer Meinung, denn sie hatte sich trotz ihrer kurzen
Nachtruhe noch ein paar Minuten zurecht gerückt um die betrunkene Männerwelt
zu entzücken....ja sie war sehr leicht bekleidet und eigentlich hätte
sie das doch gar nicht tun brauchen, den einen oder anderen Kerl hätte
sie auch so abschleppen können. Um eines klar zu stellen, Camilla war nicht
das weibliche Duplikat von Jonny, nein sie wusste sich zu benehmen, aber ab
und an, wenn sie ausgingen, war sie recht leicht bekleidet, was aber nicht unbedingt
auf die Anzahl ihrer Liebhaber schließen ließ.
Camilla war eine
Polin, d.h. eine deutschstämmige Polin, die noch während ihrer Jugendzeit mit ihren
Eltern nach Deutschland kam und sie war katholisch.
Ja, sie war so katholisch, wie man katholischer hätte nicht sein können,
sie war nicht so leicht herumzukriegen, aber flirtete leidenschaftlich sie war
lebenslustig, trotz ihren Glaubens. Katholisch sei hier auch eher definiert
in religiöser Form, so ging Camilla jeden Sonntag Morgen zur heiligen Messe
um der Eucharestiefeier beizuwohnen, moralisch gesehen war sie allerdings nicht
allzu katholisch , sondern halt normaler Durchschnitt. Der junge Mann, mit dem
Judith sich unterhielt, war nun nicht wirklich Camillas Geschmack, denn er wirkte
auf sie langweilig....wie konnte er hierher kommen mit einem stinknormalen Sweatshirt,
so als er ein definitiver Karnevalsmuffel, der selbst zu seiner eigenen Hochzeit
im Trainingsanzug kommen würde. Er war nicht schlampig angezogen oder altmodisch,
aber halt nicht der 5 Jahreszeit entsprechend.
Camilla flüsterte
kurz der Judith was ins Ohr und ging dann singend auf die betrunkenen
Engländer zu, die ihren blanken behaarten Hinter aus einer Lederhose blitzen ließen, wie
schon erwähnt so wie man es sonst in der Homosexuellenszene beobachten kann.
Dann klatschte sie einem Engländer auf sein Hinterteil, der sich verwundert um dreht,
dann nahm sie ein Bier, was auf dem Tresen neben der Gruppe stand und prostete
an: Cheers .
Judith unterhielt
sich und unterhielt sich die Beiden schienen total auf der gleichen Welle zu schwimmen
und Camilla konnte sich nicht erklären, wieso es so funkte zwischen den Beiden.
Wer war dieser junge Mann, der zwar nicht häßlich war, aber so durchschnittlich
war und keine markanten Eigenschaften zu haben schien, zumindest nicht für
Camilla auf den ersten Blick sichtbar, aber Judith war im Grunde doch auch so oder
etwa nicht ?
Dann passierte
plötzlich etwas seltsames und höchst unerfreuliches, denn Jonny kam plötzlich mit ein
paar Männern und Mädels in die Disco....er war nicht mehr ganz bei Sinnen, denn er
torkelte schon leicht, aber er schon noch nicht so betrunken, das er Judith nicht
erkannte, die sich immer noch sehr angeregt mit dem jungen Mann unterhielt. Da
ergriff er ohne jeden Grund Judith: Raus hier, raus hier.....Du Schlampe hast mich
verlassen..... Dann schrie er den jungen Mann an: Soll sie dich doch
mitnehmen.....ich halte das nicht mehr aus....., und wie von Sinnen schien er plötzlich nüchtern
zu sein, denn Camilla, die das Ganze beobachtet hatte, nahm das Glas Bier, mit
welchem sie bei den Engländern angestossen hatte und goss es Jonny ins Gesicht.
Nun war er wach.
Bevor das Ganze peinlich wurde und es noch zu einer Schlägerei kommen konnte, nahm
Jonny mit seinen Freunden reiß aus er lief seinen Problemen davon, so wie er es
sonst es auch zu pflegen tat Jonny, der jämmerliche Feigling.
5. In einem anderen Land
Es war sehr seltsam, was ich alles in diesen Stunden erlebte. Nach wie
vor konnte ich mir aus den Dingen, die ich erlebte keinen Reim
machen, alles fand für mich völlig Zusammenhanglos statt.
Niemand konnte mir die Frage beantworten wer ich bin und wo ich
bin, was ich bin. Ich musste mich auf den Weg machen zu dieser geheimnisvollen
Frau, die mich in den letzten Stunden durch dieses undurchsichtige Gewirr
von Ereignissen geführt hatte. Es kam aber nun auch wieder die Bitternis
hoch, denn sie war verheiratet. Das konnte ich soweit es ging analysieren.
Wieso heiratete sie mich denn nicht ? Sie war doch so wunderschön.
Ich musste sie wieder sehen, nur sie konnte mir erklären was
das alles sollte.
Ich hielt einen Augenblick inne und plötzlich verspürte ich
eine grosse und liebende Wärme, so wie bei dem Ballspiel mit
den Kindern und ich sah in ein gleissendes Licht, das heller war
als tausend Sonnen und doch nicht die Augen erblinden ließ. Ich
ging in dieses Licht ein und nun sah ich Konturen, Konturen einer Landschaft
von Hügel und Bergen.
Das Licht ließ nach und ich konnte nun die Landschaft, in der ich
mich befand besser erkennen. Welch schönes Land war das bloß
?
Ich hörte Bäche rauschen und Kinder spielten an diesem Bach,
der sich durch eine Wiese zog. Seine Spritzer erzeugten wunderbare
Regenbogenfarben, die in allen Farben dieser Welt leuchteten. Alles
war so unglaublich hell und so klar zu erkennen, wie man es nicht
beschreiben konnte. Meine Augen sahen plötzlich Dinge, die
mir vorher verborgen blieben. Auf der Wiese hinter dem Bach stand
ein Haus, ein Haus aus Stein, robust gebaut und doch wirkte es
einladend. Es kam aus diesem Haus nun ein Mann herbei geeilt, der mit
einer unglaublichen Leichtigkeit zu gehen ging, als dachte man, er würde
schweben und doch ging er gemächlichen Schrittes. Dieses Gesicht,
dieses Gesicht...
Ich kannte es es war als hätte sich dieses Gesicht in meine Erinnerung
eingebrannt, aber mein Unterbewußtes sagte mir, das ich dieses
Gesicht schon Jahre lang hätte nicht mehr gesehen, aber ich
empfand es mit großer Güte gekoppelt:
Es war ein schon recht altes Gesicht und dieser Mann, dem dieses Gesicht
gehörte mochte wohl schon um die 80 sein, aber sein physisches
Aussehen verrät nichts über seine jugendhaften Bewegungen
und seinem fast schlachsigem Gang. Er trug einen art und seine
Augen strahlten leuchtend Blau, ja fast unnatürlich Blau. Er
hatte eine leicht geschwungene Nase, die gut zu seinem runden Bauerngesicht
passte. Er trug eine Lederweste und trug ein kariertes Baumfällerhemd
da drunter. Mit einer sanften und klaren Stimme sprach er mich
an: Es ist schön dich hier zu sehen nach all den langen Jahren,
aber du bist doch viel zu früh hier. Ich hatte dich doch erst
heute Abend erwartet.
Erstaunt fragte ich an: Wo bin ich hier und wieso hattest du mich erst
heute Abend erwartet ?
Dann zuckte er mit den Achseln: Das kann ich dir nicht sagen, aber du
bist garantiert zu früh hier und es wird noch eine lange,
lange Zeit dauern bis es hier Abend wird. Aber mein lieber Freund,
eines muss ich dir sagen, du siehst nicht gut aus, ganz und gar
nicht siehst du gut aus, denn dein Gesicht ist voller Blut getränkt.
Erschrocken tupfte ich mit dem Finger mir vorsichtig ins Gesicht, aber
als ich meinen Finger dann betrachtete sah ich kein Blut an meinen
Händen.
Alter Mann, du musst dich täuschen, ich sehe kein Blut....
Stirnrunzelnd und nachdenklich schaute der alte Mann mich an: Ich kann
dir leider nicht helfen, denn du stehst auf der anderen Seite des
Baches. Es ist traurig, aber du siehst schlimm aus und noch schlimmer
ist, das du es nicht merkst. Bitte, bitte, gehe dort zurück,
wo du hergekommen bist...du wirst Antwort finden. Du musst daran glauben,
dann wirst du auch zu bluten aufhören. Und denke ich daran die Zeit heilt
auch die Wunden.
Nun kam mir der Mann ein wenig verwirrt vor: Was sagte er da, was hatte
er mir da bloß gesagt und erzählt. Nun wandte er sich
von mir ab und bewegte sich gemächlich der Hütte entgegen.
Ich wollte die Kinder am Bach ansprechen, nun aber waren sie verschwunden,
als ob sie niemals existierten.
Dann plötzlich spürte ich einen kalten Windzug und ich sah,
wie sich mir eine junge Frau näherte, sie war schwarz gekleidet
und ehe ich mich versah, wechselte die Kleider ihre Farbe, denn
plötzlich schienen sie in allen purpurnen Farben zu scheinen.
Ich kannte sie, ich kannte sie ! Es war meine geheimnisvolle Begleiterin,
aber wie in Trance schien sie an mir vorüber zu schreiten
und sprang mit einem gewaltigen Satz über den Bach. Nun allerdings
sah sie zu mir rüber und schaute mich an, dann aber hatte
ich das Gefühl, als würde sie durch mich hindurch schauen.
Ihre Augen versuchten mich zu fixieren und konnten mich doch nicht erreichen.
Irgendetwas zog mich weg, wie ein Sog, ein Sog. Es schwindete plötzlich
auch das Gefühl mich so leicht zu fühlen und es trat
an seine Stelle ein fast unbarmherziger Schmerz und das was ich
sah, war plötzlich eine Dunkelheit die mich umgab. Es war als
würde ich mich durch einen dunklen Raum tasten müssen....schmerzvoll
und ohne einen Ausgang zu finden.
Aber diese Dunkelheit und dieser Schmerz sollten nicht lange sein und
ich spürte das dieser gütige alte Mann in Gedanken bei
mir war und so etwas wärmte mich und mein Herz, auch wenn
der Schmerz doch so groß war.
6. Von Dunkelheit umgeben
Es war ein sehr komisches Gefühl und ein sehr merkwürdiger
Zustand, in dem ich mich nun befand. Auf der einen Seite spürte
ich einen pochenden Schmerz und war von Dunkelheit umgeben. Ich
wollte mich vorwärts bewegen, aber irgendwie fühlte ich
mich wie gelähmt. Eigentlich besaß ich überhaupt kein Gefühl.
Ich sehnte mich so sehr zurück zu dem alten Mann und der geheimnisvollen
Dame, die irgendwo in einer anderen Welt wohnten, aus der ich geradezu
in dieses finstere Loch geschickt wurde. Ich versuchte Kontrolle
über meine Beine zu bekommen, aber da war nicht viel....es
war als sei ich in diesem dunklen Raum gefesselt.
Oh alter Mann, steh mir bitte bei !
Dann allerdings passierte etwas seltsames....es war als würde mich
etwas berühren, etwas das ganz warm war, ja als ob es eine
Hand wäre. Eine Hand kam mitten aus der Dunkelheit auf mich
zu und berührte mich. Ich versuchte nach dieser Hand zu greifen,
aber es ging nicht.
War es die gütige Mann des alten Mannes ? Wo war ich bloß und
was war bloß mit mir los ? Wieso konnte ich nicht wieder
nach draußen zu den Wiesen und Weiden, dem Land, in dem Milch und
Honig flossen ?
Aber ich wartete und wartete und ich würde nicht aufgeben zu warten,
denn ich könnte doch nicht ewig in diesem dunklen Raum verbringen.
Was dann geschah, empfand ich als sehr merkwürdig: Mir war als ob
man nach meinen Beinen griff. Dieses Gefühl war aber nur sehr
schwach ausgeprägt. Aber da war irgendwas. Mir war ein wenig,
als wenn ich in Bewegung wäre, als würde ich getragen
werden durch diese permanente Dunkelheit und doch war es so, als wenn ich
dort da lag. Es war halt nur ein schwaches Gefühl, kein sonderlich
starkes, aber ein schwaches Gefühl, welches von meinen Beinen
ausgesendet wurde.
Mir schossen viele Gedanken durch den Kopf, aber es tat weh, die ganzen
Gedanken gänge taten unendlich weh. Dann allerdings hörte
der Schmerz plötzlich auf.
Ich weiß nicht, was weiter geschah....mal war mir als würde
ich das Bewußtsein verlieren und dann aber auch wieder nicht....es
war als ob ich durch einen Tunnel gleitete und irgendwie doch nicht.
Dann passierte lange Zeit nichts. Gar nichts. Bis, ja bis ich plötzlich
ganz leise einen Tropfen verspürte, ein Tropfen der auf meiner
Haut herunter zu perlen schien, es schien so, aber es war so ganz
eben. Mir war als ob mich irgendetwas jetzt in der Dunkelheit ergreifen
wollte, etwas griff nach mir und machte mir keine Angst und ich,
ja ich konnte nicht zugreifen. Der Gefühl meines Körpers schien im
großen Ganzen auf meinen Kopf beschränkt.
Was weiter geschah, das weiß ich nicht mehr....nur das ich plötzlich
wieder woanders aufwachte in einer bunten Welt der Farben und der
Sinne....war ich nun der Düsternis entkommen?
7. Der Wanderer
Der Schmerz schien vergessen und ich schien wieder zum Leben zurück
gefunden zu haben. Ich weiß gar nicht, wie mir geschah, aber
ich war plötzlich ein Wanderer, der einen Stock in der Hand
hielt und nun die Landschaft drumherum erkundete. Es war keineswegs
mehr die Welt, die ich vorher erlebt hatte, wo mir der gütige alte Mann
begegnet war, nein es war eine Welt, wie ich sie vorher erlebte eine Welt,
die nicht so hell schien und auch nicht so klar. Aber es war eine
Welt, wo es sich leben ließ.
Ich wanderte und wanderte und vor mir stand ein grosser Berg, den es zu
erklimmen galt: Er schien wie in Nebel gehüllt und ich sah
erst seine Spitze nicht, doch dann drang die Sonne durch den Nebel
hindurch und mir schien der ganze Berg bewaldet zu sein, zumindest
der obere Teil.
Wo ich allerdings den Anstieg wagte, kam ich durch dichte Nebelfelder
und auch alte knorrige Bäume stellten sich mir in den Weg.
Es schien fast als wollten mich die altenBäume nicht durchlassen,
denn ihre dürren Äste schienen sich nicht nur durch den Wind
zu bewegen, sondern sie verselbstständigten sich. In diesem Augenblick
bekam ich grosse Angst. Ich wünschte dem alten Mann wieder zu begegnen
oder auch der geheimnisvollen Frau, die mich die letzten Tage durch
mein Leben begleitet hatte, aber ich war alleine.
Der Nebel wurde dichter und dichter, aber irgendetwas trieb mich hinauf
auf den Gipfel, was aber nun zu einen schier unlösbaren Hindernis
zu machen schien: Nun kam noch hinzu das ich mich auf der gleichen
Stelle zu bewegen schien. Ich kam einfach nicht vom Fleck, obwohl
meine Füsse mir den Dienst nicht verweigerten. Ja es schien
gar als hätte ich den Rückwärtsgang eingeschaltet, aber dem war
nicht so, nein es war als würde ich eine Rolltreppe hochlaufen,
die aber nach unten fuhr. Nun dachte ich aber an den alten Mann
und ihm selben Augenblick war es, als würde ich nun doppelt
so schnell voran kommen, wie ich eigentlich naturgemäß hätte
voran kommen sollen. Meine Füsse schritten eiligen Schrittes
den Berg hoch und trotzdem fühlte ich mich, als ob ich Siebenmeilenstiefel
an hätte. Nun stach ich bald durch den Nebel, der nach oben
zur Bergspitze hin, sich lichtete. Und tatsächlich ich erreichte
den Gipfel und war so überwältigt von der Landschaft, das ich
es mir nicht erklären konnte. Der Nebel bildete im Tanz der
Sonne sonderbare Gestalten und dann lag dort im Nebel ein fast
verwunschenes Dorf, so alles sah wie frisch geputzt aus und man so überhaupt
keine Leute auf der Strasse.
Dann allerdings sah ich auf die andere Seite des Berges und dort schien
sich der dicke Nebel zu halten. Nun eines war sehr sonderbar....es
kam mir vor, als würde ich dort jemand winken sehen....ja
es winkten mir diese Hände zu....der Rest der Gestalt konnte
ich nicht erkennen, aber diese Hände ragten aus dem Nebel hervor und
winkten mir zu. Aber sie waren unnatürlich groß, denn der Nebel
befand sich unten im Tal und das lag hunderte von Metern zu meinem
Füßen, aber die Hände konnte ich deutlich erkennen.
Dann aber verschwanden die Hände, sie verschwanden als ob sie nun
im Nebel ertrinken würden....ja als ob sie im Nebel ertränken würden,
wirbelten sie noch einmal auf und waren dann den dicken Nebelschwaden
verschwunden.
Dann plötzlich kam ein unbekannter Mann zu mir. Er stand einfach
vor mir....streng und fast zornig kam er auf mich zu, aber trotz
alledem jagte er mir keine Angst ein, sondern er schien mir zu
begegnen, um etwas wichtiges mitzuteilen, das jedenfalls hatte
ich instinktiv im Gefühl. Er erinnert mich irgendwie an einen Zauberer
mit einem weißen zerzausten Bart, denn den hatte er auch.
Allerdings trug er keinen spitzen Hut, wie manche Zauberer es zu
pflegen tun, sondern einen Wanderhut und einen langen Stock.
Was wagst du es hier auf den Berg der Erkenntnis zu steigen ? giftete
er mich zornig an. Normalerweise hat man von hier oben ein fabelhaftes
Ambiente, aber heute, heute liegt doch vieles im Nebel. Ich möchte
bloß den Grund wissen warum ?
Und ich vermute du bist der Verursacher des Ganzen....
Kleinmütig gab ich bei: Ich, aber ich bin doch nicht mit Absicht
hier hoch gekommen, sondern es hat mich hier einfach hoch getrieben.
Leider weiß ich auch nicht den Grund weswegen ich hier hochkam.
Dann sah er mich erst zornig an und dann doch mit einer gewissen Milde:
Ich weiß den Grund weswegen du hier oben bist....du willst
die Erkenntnis gewinnen. Die Erkenntnis der Wahrheit, aber die
Wahrheit willst du noch nicht sehen. Siehe nach unten dort wo das
Tal der Tränen liegt.....dort herrscht heute viel Nebel, aber auf der
anderen Seite des Berges ist das Tal der Sorglosen....dort ist auch für
dich eitel Sonnenschein.
Ich begriff nicht ganz, was wollte mir der Alte damit sagen. Plötzlich
war er wieder verschwunden und ich, ja ich ging dem Tal der Sorglosen
entgegen, denn was sollte ich im Tal der Tränen, wo der Nebel
zäher ist als der Schlamm im Meer.
So ging ich dem Tal der Sorglosen entgegen. Es war kein steiniger
Weg und der Weg nach unten war gut, der er war eben, aber ein Auto
hätte hier wohl nicht fahren können.
Ich kam an einem Birkenhain vorbei und sah wie die Birken mich mit ihrem
frischen Grün ansteckten....ich war voller Freude und vergaß
alle Sorgen, die hinter mir lagen.
Ja, selbst die Worte des Alten waren mir fast schon aus dem Kopf gegangen.
Ich dachte so bei mir, das es doch ähnlich schön in diesem Tal
wäre wie auf den Wiesen und Weiden des Landes, wo ein freundlicher
alter Mann mir gut zu sprach. Aber diese Welt war anders, sie strahlte
nicht so viel Freude und Glück aus wie die Welt des alten
Mannes. Ja, ich war voller Freude in diesem Moment, aber nicht bald darauf
würde ich auch ein Stück innerer Leere fühlen, denn ich war ein
Wanderer und irrte durch die Welt und wusste nicht wo ich zu Hause
war und woher ich kam. Ich beschloss also in dieses Dorf zu gehen,
welchen nun zu meinen Füßen lag. Nachdem ich nun den
Birkenhain durchquert hatte, kam ich an Feldern vorbei wo es nach
frisch gemähtem Heu roch und so gleich musste ich an gutes frisch gebackenes
Vollkornbrot denken, welches nun irgendwo frisch im Regal einer Bäckerei
liegen würde.
Das Heu war nun zwar gemäht, aber die Pferde, die nun aber dem Acker
standen schienen herrenlos zu sein, denn weit und breit war kein
Mensch zu finden. Es waren schöne Pferde, wobei ich gestehen
muss, das ich nun wahrlich kein grosser Pferdekenner bin, aber
ich glaube diese Sorte Pferde nannten sich Andalusier. Das kam
mir zumindest so in den Sinn, weil sie so gross und stattlich waren.
Jetzt wo ich nun ganz nah am Dorf war, sah ich wie schnuckelig doch alles
aussah. Ein Dorf umsäumt von grossen Hecken, die als Grenze
zu den Feldern dienten und alles war frisch heraus geputzt.
Es war kein grosses Dorf, welches ungefähr aus 20 Häusern und
Gehöften bestanden, die sich um eine Kirche drängten.
Alles war in schwarzweissem Fachwerk gehalten und die Eingangstore
waren kunstvoll verziert. Nun vernahm ich, das irgendwo in der Nähe
jemand auf einer Fidel spielte und dann hörte ich wie viele Leute nach
der Musik der Fidel einen Art Volkstanz tanzten. Die Musik kam
aus einem großen Gebäude, welches sich jenseits der
Kirche befand. Also ging ich auf dieses Gebäude zu, welches
sich als eine Scheune entpuppte, die mit ihrem Rücken
zur Kirche stand. Ich musste über einen Hof schreiten um zu diesem
fensterlosen Gebäude zu gelangen. Da das Gebäude keine Fenster
besaß, dafür aber ein riesiges Tor, welches weit geöffnet
war, dran genug Licht in das Gebäude und etwa 2 Dutzend Leute
tanzten dort um einen Mann mit einer Fidel. Sie alle hatte bunt bestickte
Trachtenkleidung an: Die Männer trugen so Art Lederhosen mit Hosenträgern
und bunt bestickte Hemden, während die Frauen farbenfreudige Dirndl
und Blusen trugen, wo ihre Oberweite insbesondere zur Geltung kam.
Dann bemerkten sie mich und kamen freudestrahlend auf mich zu besser gesagt
es kam ein Mädchen auf mich zu, das ich kannte....ich erkannte
sie erst auf den zweiten Blick, denn zuvor schien ich ihr Gesicht
nur recht schemenhaft wahrnehmen zu können: Sie war es, die
einfach entflohen war und mich alleine in dieser unbekannten Welt
zurück ließ. Nun aber war sie wieder da und stand vor mir. Dann
hielt ich ihre Hand fest und fragte sie: Wo bist du bloss gewesen ? Vorwurfsvoll
sah ich sie an. Sie aber meinte nur sehr oberflächlich: Jetzt
bist du hier und ich bin hier und das ist doch die Hauptsache.
Alles andere ist egal. Ich war ein wenig nervös, denn nun
reihte sich die ganze Gesellschaft um mich. Nun bedroht fühlte
ich mich nicht, ganz im Gegenteil, aber Fragen über Fragen überkamen
mich, die nach einer Antwort schrien. Da war noch ein Mädchen, was
nun auf mich zu trat und legte mir eine Kette aus Margeritenblümchen
um den Hals....sie mochte etwa 15 oder 16 sein. Meine geheimnisvolle
schwarzhaarige Begleiterin schaute sie ein wenig verächtlich
an und dann erwiderte sie etwas, was mir durch Mark und Bein ging:
Ach du bist doch noch ein dummes Ding. Werde erst einmal erwachsen und
gehe doch zu Jonny, der wird dich schon verstehen.
Dann ergriff sie meine Hand und wir liessen die bunte Gesellschaft hinter
uns. Aber, aber schöne Maid, so rief ein Mann mittleren Alters
in einer Bauernkluft ihr nach. Lass uns doch teilhaben an jenem
Wandersmann. Wann kommt denn schon mal ein Neuankömmling in
unser Dorf....
Sie aber wandte sich nicht um und rief: Es ist mein Gast und nicht Euer
Gast, mein Freund und mein neuer Gefährte und jeder im Dorf
wird dieses akzeptieren müssen. So schlichen wir uns an der
Kirche vorbei und liessen die anderen Leute hinter uns, die uns
nicht weiter gefolgt waren. Am anderen Ende des Dorfes lag eine
alte Hütte, wo die Schwarzhaarige nun zu wohnen schien.
Sie nahm mich bei der Hand und wir machten vor dieser Hütte halt.
Es war ein alter Kotten, der schon recht verfallen aussah, denn
das Dach des Hauses, welches mit Recht gedeckt war, sah wie vom
Sturm zerzaust aus und ich wollte annehmen, das es dem nächsten
grösseren Sturm nicht mehr stand halten würde.
Dann kamen wir in das Innere der Hütte und es sah doch recht gemütlich
aus...zwar klein und sehr provisorisch aber gemütlich.
Da war schon der Tee aufgesetzt und der Kessel pfiff, als ob er nun sagen
wollte, das er jetzt gehörig Dampf ablassen müsse, da
ja das Wasser sonst überkochen würde. Die Küche
sah aus wie eine Bauernküche und befand sich auch gleich im ersten
Raum, den wir betraten: Sie bestand aus einigen Schränken, die erst
noch in die richtige Position gerückt werden mussten und ein
gußeiserner Herd von dem ein Rohr hinauf durch die Decke glitt,
war das Kernstück der Küche und wie schon erwähnt pfiff
auf diesem jenigen Herd ein Kessel mit heissem Wasser vor sich hin.
Die schwarzhaarige Schönheit sah mir nun in die Augen: Entschuldige
bitte diese Unordnung, aber ich wohne noch nicht lange hier. Wenn
du mir hilfst die Hütte auf Vordermann zu bringen, haben wir
bald eine sehr hübsche Behausung, wo wir beide leben ganz
eigenständig von dem Rest des Dorfes. Hier hat nämlich der Jonny nichts
zu sagen !
8. Erstes Kennenlernen
Judith traf sich mit ihm am folgenden Tag an der Uferpromenade des Rheines,
wo viele Stände das Ufer säumten, man hatte sich zu einer
Bootsfahrt getroffen, angesichts des winterlichen Ambientes, in
welchem sich der heutige Tag presentierte, geradezu grotesk jetzt
im Schneewirbel hinaus auf den grossen Fluss zu fahren. Aber der
Karnevalstrubel war schon ein wenig abgeebt, da der morgige Tag auf einen
Aschermittwoch fiel.
Judith blickte im ins Gesicht, als sie beide das Boot betraten und hielt
ihn schon beim Hinübergehen aufs Deck bei der Hand. Ihre Eltern
passten an diesem Tag auf Wonneproppen auf und nichts könnte
ihr nun ihren Flirt abspenstig machen. Am Bord gab es viele Leckereien
und man mußte nicht unbedingt auf dem Deck bleiben, sondern
konnte die Treppe runter in das Bootsrestaurant gehen. Das taten die Beiden
nun auch. Sie setzten sich gemütlich an ein Panoramafenster, von
wo aus man das Geschehen auf dem Fluss beobachten konnte.
Dann fing er an den gestrigen Abend Revue passieren zu lassen: Nun der
gestrige Tag war doch sehr aufregend und ich hoffe, das sich die
Situation für dich nicht irgendwie negativ ausgewirkt hat.
Der Auftritt deines Exfreundes war in der Tat höchst unerfreulich.
Aber weißt du, wenn ich so darüber nachdenke, gab es doch
auch für mich in den letzten Woche höchst unerfreuliche Nachrichten,
denn eine langjährige Freundin, die früher so etwas wie
eine Seelenverwandte, eine Kinderfreundin war und später dann
zu meiner festen Freundin wurde ja sie hat geheiratet. Die letzten
Jahre waren wir zwar immer noch ein Paar, aber es lief langsam
auseinander, weil sie studierte und dann immer mehr aus meinem Dunstkreis
wich. Jetzt hatte sie jemand anderes geheiratet und schien mich ganz vergessen
zu haben. Aber jetzt bin ich bereit für einen Neuanfang. Ehrlich
gesagt, ich hatte von ihr immer eine hohe Meinung, weil sie für
mich so etwas war zu der ich hinauf blickte, denn sie hatte keine
Angst und war als Kind früher sehr furchtlos, vielleicht ein bisschen
wie Pipi Langstrumpf.
Aber sie war auch verschlagen, denn man wußte nicht immer woran
man bei ihr war sie konnte sich schon ihre Vorteile erkämpfen,
was sie aber mich weitgehend nicht unbedingt merken ließ. Manchmal
war sie sehr egozentrisch, aber da ich sie verehrte und hochhielt,
war ich für sie auch der Nächste, den sie sehr mochte und später
lieben lernte.
Später dann schlug sie einen nicht so guten Weg ein, so wie ich hörte,
da sich ja wie schon erwähnt, unsere Wege immer mehr trennten.
Ja und nun das mit der Hochzeit, aber ich denke für sie war
es ein notwendiger Schritt in dem Hafen der Ehe zu landen, eine
Handlung, die sie wieder auf den rechten Weg bringen wird. Ich
hoffe, es stört dich nicht, wenn ich über meine Exfreundin erzähle
? fragte er obligatorisch.
Etwas eifersüchtig, aber so als ob nichts gewesen wäre, entgegnete
Judith ihm: Nein, nein, schon in Ordnung, denn meine Exfreund hast
du ja auch schon gestern kennen gelernt. Bei der Gelegenheit, in
wie weit kam den deine Exfreundin auf die schiefe Bahn oder habe
ich da etwas missverstanden ?
Nein, nicht wirklich, fuhr er fort. Sie nahm eine Zeit lang Drogen und
brach ihr Studium ab. Ja, sie war nicht nur am kiffen, sondern
kokste auch und schluckte des öfteren Exstacy. Eine Zeit lang
war nun der Umgang mit ihr ein wenig schwierig, das änderte
sich als sie dann Jan kennen lernte, denn dann kam sie mit anderen Leuten
zusammen und fing sich wieder.
Nun ist sie also mit diesem Jan verheiratet? mutmaßte Judith weiter.
Ja genau, aber ich habe sie seit langem nicht mehr gesehen, um nicht zu
sagen schon seit Monaten. Das letzte Mal habe ich sie mit Jan zusammen
im Oberbayern gesehen und da sah sie wieder sehr glücklich
und gesund aus. Sie lächelte mir zu, aber ich habe nichts
mehr davon.
Judith senkte den Blick und dachte nach. Diese Frau schien also nun keine
ernsthafte Konkurrenz für sie zu sein, aber er nannte sie
aus irgendeinem Grund Seelenverwandte ?! Sie hatte also eine sehr
gewichtige Rolle in seinem bisherigen Leben gespielt und war nun
aber unter der Haube.
Wie sie sich nun so unterhielten, merkten sie gar nicht, das die lange
Bootsfahrt bereits um war...hatten sie doch den Schneegriesel,
der den großen Fluß mit weißer Pracht von oben
versorgte, gar nicht weiter beachtet.
Man kann wohl behaupten, das von diesem Tag an, das Leben der Beiden als
gemeinsames Paar weiter lief.
9. Geheimnisvolle Botschaften
Judith führte schon bald eine feste Beziehung mit ihm und inzwischen
war es Sommer geworden, da zog er sogar schon mit Judith und Wonneproppen
in ihre Wohnung, welche sich ja nun in dem Haus ihrer Eltern befand.
Herr Brandt und auch seine Frau waren nun ganz entzückt von ihrem
neuen potentiel len Schwiegersohn, der ganz anders als schon war,
ein ruhiger und bescheidener Zeitgenosse, der seinem Beruf nachging,
sich aber wie schon erwähnt durch keine besonderen Eigenschaften
auszeichnete, ausser das er ein sehr solider Mensch ist. Was die
Brandts aber nicht wussten und was auch Judith nicht wusste, war das er Zeit
seines bisherigen Lebens gerne ausbrechen wollte....ausbrechen wollte
aus jener Artigkeit seines bisherigen Seins. Vielleicht würde
es ihm eines Tages so ergehen, das Judith, das nette Mädchen
aus der Nachbarschaft ihm zu normal und langweilig würde,
wenn er vielleicht bürgerliche Werte nicht mehr so achten würde.
Das aber war nun noch nicht der Fall. Aber dazu werden
wir noch später kommen. Nun war also inzwischen Sommer geworden
und Judith und ihr neuer Freund zogen zusammen: Viel Platz blieb ihnen
beiden nicht zusammen mit Wonneproppen, d.h. es fehlte nicht an Zimmern,
mehr war es die Grösse:
Ein Schlafzimmer, wo sich gerade eine Schrank und das Doppelbett der Beiden
hinein zwenkte, dann war da die Wohnküche, die allerdings etwas grösser
und geräumiger ausfiel (hier handelte es sich eher um einen
Durchgang, an dessen Ende sich eine Sitzecke befand, wo auch gleichzeitig
gegessen wurde. Neben der Sitzecke befand sich eine Nische, wo
sehr geräumig wichtige Küchengeräte wie ein Herd und eine
Spülmaschine samt Spüle untergebracht waren. Dann gab
es natürlich noch ein Badezimmer, Wonneproppens kleines Kinderzimmer
und ein kleines Büro, wo Judiths Freund Platz hatte. Dort stand auch
sein PC mit Drucker und Modem, samt Playstation. Judith
verstand von all diesen Dingen nicht wirklich etwas und es weckte auch gar
nicht so ihr Interesse, was nicht hieß das Judith und er nicht gemeinsame
Interessen hätten, nein das war überhaupt nicht so, aber
er brauchte sein Arbeitszimmer für ein paar Stunden in der
Woche, um von Judith, ihrer Familie und Wonneproppen abschalten
zu können.
Seine sonstige Freizeit verbrachte er mit den Beiden: Oft gingen sie auf
Spielplätze, fuhren nach Köln, wie auch ins Centro nach
Oberhausen und in den Urlaub an die Nordsee, wo sie Sandburgen
bauten.
Nun wohnte er bereits seit einigen Monaten in Judiths Wohnung, da bekam
er eines Tages eine geheimnisvolle Nachricht, aber nicht auf dem
Wege des alten Postweges, sondern auf dem virtuellen Weg durchs
Internet. Nun mag man ja im Zeitalter der Email so etwas für
nicht ungewöhnlich halten, aber es sollte etwas sein, was so nicht
vorauszusehen war. Erst schien es eine ganz normale Spammail zu sein,
so wie man sie oft bekommt....Werbeemails, wo mit Penisverlängerung
und Viagra geworben wird, Emails, die aus Nigeria stammten und
auf ein großes Vermögen hoffen ließen diese aber
viel weder unter die eine Kategorie, noch unter die Andere.
Es war einer jener Tage vor Weihnachten, wo ihn diese Email erreichte:
Hallo Unbekannter,
Ich schreibe dir auf diesem Wege, da ich denke, das ich dir viel
zu sagen habe.
Jetzt, wo ich dir das erste Mail schreibe, möchte ich unerkannt
bleiben, aber der Tag, an dem du meine Identität
kennen lernst wird kommen. Jetzt sind wir uns so unendlich
fremd, doch gleichzeitig sind wir Freunde im Geiste uns so unendlich nah.
Du lebst heute in einer Welt, in der sich dein Herz nicht für
die Freiheit entschieden hat. Du lebst heute in einer
Welt, in der du nie stecken wolltest und doch schienst du wie
geschaffen für diese Welt. Du wolltest nicht in dieser Welt leben, aber
hattest doch dem äusseren Schein nach immer in diese
Welt gestrebt, weil dein äusserer Teil vom Klischee
her dieser Welt entsprach, in der du nun eingeschlossen bist.
Ich aber suchte die Freiheit, die dir soviel bedeutete, der du in
deinem Inneren nach strebtest, die du aber nicht leben
vermochtest oder nur in Ansätzen.
Ich aber beschloss die Freiheit in vollen Zügen aus zu leben
und wurde schließlich dieser Freiheit überdrüssig.
Ja, ich konnte mit dieser Freiheit nicht umgehen, da schien
es für mich die Rettung zu sein dieser Freiheit zu entrinnen, denn der
goldene Käfig erschien mir als Rettung. Und nun sitze ich in
ihm und bin gefangen in einer Welt genauso wie du: Gefangen
in einem sicheren Nest, aber ich kenne den Preis der Freiheit,
du aber hast ihn nie richtig ausgekostet und doch sind wir Brüder
im Geiste.
Gezeichnet
Die geheimnisvolle Nachtigall, die das Lied der Freiheit in ihrem goldenen Käfig trillert und dir diese Botschaft aussendet, damit du ihr den Schlüssel für den goldenden Käfig besorgst.
Wer war sie ? Diese geheimnisvolle Nachtigall ? Es mußte jemand
sein, der ihn kannte oder zumindest gekannt hatte. Diese Email
ließ ihn ein wenig aufhorchen und in sich gehen, denn nun
dachte er das erste Mal über seine Beziehung mit Judith nach. Dabei
war er im Grunde genommen gar nicht unglücklich, denn er hatte nun das
gefunden, was er wollte, eine richtige Familie. Nun natürlich könnte
er sich noch mehr in Sachen Liebe erhoffen, aber die Liebe zu Judith
war alltagstauglich. Er genoß die Zeit mit ihnen und ging
voll in dieser Aufgabe auf. Aber trotzdem war da etwas, was er
nie wirklich erlebt hatte....es war das über das Limit gehen, es war das
Leben auf der Überholspur, was ihn irgendwo reizte, aber wofür
ihm die passende Sensibilität fehlte, dieses aus zu leben:
Dabei mußte dieses ja gar nicht der Besuch im Swingerclub
sein, wo Männer und Paare ihre frivolen Phantasien ausleben konnten
oder es mußte auch nicht das Saufen bis zur Alkoholvergiftung sein,
aber nie, wirklich nie war er an seine Grenzen gekommen.
Er war nicht fade, aber wohl definitiv ein Softie, für Judith mochte
er der Mittelpunkt des Lebens sein, für ihre Freundin Camilla
war er nur der Liebestöter, da er wenig Biss hatte . Er war
nicht uninteressant und hatte durchaus Phantasie, für Wonneproppen
hätte es keinen besseren Spielgefährten geben können, aber er
keine halt nicht die Ausstrahlung von Männlichkeit und Gentleman,
sondern war halt der nette Junge von nebenan, der perfekte Schwiegersohn,
angepasst, ohne eigenes Profil.
10. Grauer Alltag und ein fröhliches Weihnachtsfest
Es waren inzwischen Wochen vergangen und es wurde Winter. Judith arbeitete
nun erst einmal halbtags bei ihrem alten Arbeitgeber und ihre Eltern
kümmerten sich um Wonneproppen, die nun bald schon in das
Kindergartenalter kam. Judiths Freund hingegen fühlte sich
seit ein paar Wochen irgendwie lustlos und seit der geheimnisvollen
Email vor ein paar Wochen, war nun nichts mehr passiert, denn er
hatte gar nicht auf die Email geantwortet vermutlich vermutete er insgeheim
doch eine SpamMail, die gar nicht an ihn persönlich gerichtet
war. Nun in der Weihnachtszeit galt es diese grosse innere Leere
mit viel Freude zu fühlen, aber er schien irgendwie saftund
kraftlos. Er fragte sich plötzlich, ob er doch an einer tieferen
Depression litt, von der viele Menschen in ihrem Leben einmal erfaßt
werden.
Warum war er nur unzufrieden ? So bediente er auch in seinem Beruf als
Bibliothekar die Leute recht lustlos. Früher dagegen ging
er richtig in den Werken auf, nach denen sich die Leute erkundigten.
Er hatte früher viel gelesen, jetzt in letzter Zeit war er mehr
mit dem PC beschäftigt, aber früher da verschlang er sogar Herr der
Ringe, eine Trilogie mit insgesamt über 1500 Seiten, innerhalb
von 2 oder 3 Wochen. Auch Judith und Wonneproppen schienen ihn
nicht richtig glücklich machen zu können, dabei waren
die 3 die vergangenen Monate superglücklich. Judith machte sich
Vorwürfe, da er sich momentan fast von einem auf den anderen Tag zurück
gezogen hatte.
Nun sollte man wissen, das er eher ein melancholischer Mensch war, der
viel nach dachte aber das, was er bisher im Leben erreicht hatte.
Er schien nun aber von einer ernsthaften Depression getroffen zu
sein, die auch andere Mitmenschen nicht bessern konnten.
Nun kam Weihnachten und man konnte überall in Düsseldorf die
bunten und traditionellen Weihnachtsmärkte erleben gerade
noch schienen seit dem 11.11. die Jecken los zu sein, da wurde
auch schon die fünfte Jahreszeit von den Weinachtsmärkten
unterbrochen. An diesem einen Abend kurz vor Weihnachten, wo er
gerade nach Haus kam, schien er sich zu besinnen. Er musste die glücklichen
Momente, die jetzt anstanden nutzen. Er mußte sich selbst aus seiner
tiefen Depression befreien, an der er seit 2 Wochen litt.
Und wie es an diesem Abend so war, so ließ er sich kurz vor dem
PC nieder und da war sie wieder: Eine geheimnisvolle Nachricht
in seiner Emailbox....diesmal war sie allerdings detailierter und
auch persönlicher gestaltet:
Lieber Unbekannter,
Ich hatte dir vor einiger Zeit eine Email gesendet, habe vergebens
auf eine Antwort von dir gewartet. Leider sitze ich immer
noch im goldenen Käfig und der Schlüssel zu meinem
Glück schien für immer verloren, denn ich gehe durch diesen ewigen
Alltagstrott, nur jetzt zu Weihnachten scheinen die Lichter für
mich ein wenig heller zu leuchten, zumindest oberflächlich
gesehen.
Ich möchte mich diesmal konkreter ausdrücken, denn ich nehme
an, das du meine letzte Email vielleicht für eine
Spammail hieltest und sie so gleich wieder gelöscht hattest.
Nun, ich könnte dich ja mit direktem Namen anreden, aber ich
möchte das nicht, nicht jetzt, sondern erst wenn
ich dich von Angesicht zu Angesicht sehen kann. Schlag mir einen
Treffpunkt vor, wo wir uns treffen könnten.
Dabei fällt mir das Nachtsanggeläut zu Weinachten von der
Bilker Kirche ein, erinnerst du dich daran ?
Die geheimnisvolle Nachtigall
Er wußte, was sie mit dem Nachtsanggeläut meinte, denn es
war das Geläut an Heilig Abend, wo die Bilker Kirche um Mitternacht
ein Glockengeläut, das bis zur Altstadt drang, läutete.
Jetzt aber war er plötzlich ein wenig erheitert und ließ es
sich sogar nicht nehmen mit Judith und Wonneproppen das erste Schneetreiben
auf dem Weihnachtsmarkt und in der Altstadt zu beobachten, auch
vielen jetzt wo es Abend war die ersten Schneeflocken in den Rhein,
wie vor 9 Monaten als er Judith kennenlernte.
Judith war so froh, das sie nun zu Dritt durch den ersten Schnee tanzten,
während die Autos auf den befahrenen Strassen der Innenstadt
durch den Schnee fast nicht voran kamen, hatte doch der Winter
dieses Jahr erst eine Woche vor Weihnachten eingesetzt.
Wonneproppen starrte verwundert auf die vielen Leute, die über den
Weihnachtsmarkt schlenderten, vom Duft der frischen Lebkuchenherzen und
duftenden Kartoffelpuffer angezogen. Ein Drehorgelkastenmann hatte es
der kleinen Wonneproppen besonders angetan, denn so etwas hatte
sie noch nicht gesehen in ihrem kurzen Leben, was mittlerweile
3 Jahre währte. So fragte Judiths Freund den Mann mit der
Drehorgel, ob Wonneproppen nicht einmal auch an der Kurbel drehen durfte
und wie so ein Leierkastenmann so ein kleines Kind sieht, das man zum
Fressen gern haben muß, da nahm er das Kind auf den Arm, so das
es mit seinen kleinen Händen die Kurbel des Leierkastens erreichen
konnte. So kurbelte Wonneproppen mit voller Wucht und Energie Stille
Nacht, heilige Nacht..... , das die Leute sich verdutzt umschauten.
Einen Augenblick waren die Gedanken von Judiths Freund bei Wonneproppen,
dann aber erinnerte ihn die Musik an das Nachtsanggeläut der
Bilker Kirche. Er wollte es sich nicht nehmen lassen, um dort auf
die geheimnisvolle Nachtigall zu warten.
Vergnügt marschierten sie wie im Gänsemarsch zurück und
da waren sie wieder wie eine kleine Familie. Zuhause war der Tannenbaum
schon aufgestellt und die Lichtersterne trugen ihre unterschiedlichen
Lichtsignale in die dunkle Nacht hinaus.
Heilig Abend, ein paar Tage später, wurde für Wonneproppen zu
einem unvergesslichen Erlebnis und auch Judith würde diese
Weihnachten in guter Erinnerung behaltet, auf was da immer kommen
mochte. Würde das kommende Jahr grosses Unheil über die
kleine Familie bringen ?
Jetzt war daran gar nicht zu denken, denn auch ihr Freund war äusserst
vergnügt, wo er doch bald ein Doppelleben plante, was ihn
raus reissen sollte aus dem Trott einer bürgerlichen Kleinfamilie.
Das aber ist eine andere Geschichte. Vielleicht würde es ja doch
ganz anders sein, denn im Grunde seines Herzens wäre ihm ein Doppelleben
gar nicht recht, aber er war fest entschlossen die geheimnisvolle
Nachtigall kennen zu lernen.
Heilig Abend würde mit der ganzen Familie gefeiert, sprich in diesem
Fall auch mit Herrn und Frau Brandt, dann natürlich Judith,
ihr Freund und die kleine Wonneproppen.
Herr Brandt war es sehr ernst, das Wonneproppen auch alte Traditionen
kennen lernen sollte. So sangen sie Stille Nacht, heilige Nacht
. Hier am Stadtrand von Düsseldorf konnte man sich das sehr
gut vorstellen, denn welch ein seltener Zufall das diese Weihnacht
in Deutschland sehr schneereich ausfiel. Frau Brandt spielte auf
dem Klavier, welches im Wohnzimmer stand, Judith holte die Klarinette
heraus und dann wurde musiziert. Danach ging es in den Schnee zu einem
Abendspaziergang, die Wolken leuchteten hell, weil sie den Schnee reflektierten.
Ja und Judiths Freund tat so, als würde er von weiten den Weihnachtsmann
mit seinen Rentieren hören, wie sie mit Glocken durch den
Schnee trabten. Dazu entfernte er sich etwas und bewegte eine Rassel
mit vielen Schellen daran, so das es sich wirklich wie ein Schlittengespann
vom Weihnachtsmann anhörte.
Wonneproppen sah überrascht in seine Richtung, konnte aber den Weihnachtsmann
nur hören....wo war er nur ? War er schon zum Himmel aufgestiegen.
Judiths Freund erzählte Wonneproppen, das der Weihnachtsmann gar
nicht weit von Düsseldorf entfernt wohnte, denn er hätte
ein Winterquartier im Sauerland aufgeschlagen, um Deutschland besser
mit Geschenken zu versorgen. Danach ging es in die gute Wohnstube
und Judiths Freund führte Wonneproppen zum Kamin hin, der
nun knisterte und flackerte. Alles Licht war erloschen, nur die Kerzen
des Weihnachtsbaumes und des Feuers im Kamin erleuchtete den Raum.
Da lagen neben dem Kamin Wonneproppens Geschenke. Wonneproppen freute
sich sehr und konnte es gar nicht abwarten die Geschenke zu öffnen,
die sorgfältig verpackt waren. Da gab es unter anderem ein
Hörspiel vom Räuber Hotzenplotz, der so wie Judiths Freund
Wonneproppen erzählte, da draussen im Wald vor Düsseldorf in
einer Höhle Weihnachten feierte und um ein Feuer tanzte. Wo es einen schönen
Gänsebraten gab, von einer Gans, die er aus einem Gatter am Rande
der Stadt geklaut hatte.
Wonneproppen konnte gar nicht genug bekommen von diesen Räuber und
Weihnachtsgeschichten. Dazu bekam sie ein Puppenhaus, was ihr der Opa
gebastelt hatte, denn sie sollte nicht mit irgendwelchem neu modischen
Kram spielen, den es ja schon in den 80ger Jahren zu genüge
gab, als Judith noch Kind war. Bald darauf gab es noch ein Weihnachtsessen,
das schon zu Heilig Abend serviert wurde, da an den kommenden Tagen
Verwandtenbesuche anstanden. Dabei gab es klassisch zu Weihnachten
eine gefüllte Gans mit Rohlkohl und Kartoffelklössen, ein Essen
wie beim Räuber Hotzenplotz.
Dann als es auf Mitternacht zu ging, hatte es Judiths Freund doch plötzlich
eilig. Er wollte noch an die frische Luft und das Alleine, aber
er wäre in einer Stunde wieder da. Wenn er sich da nicht verkalkulierte,
denn die Strassenbahn hatte Probleme durch das Schneechaos zu kommen.
Manche Strecken wurde an diesem Abend nicht befahren. Das gleiche
galt auch für den Autoverkehr.
So brauchte Judiths Freund schon fast eine geschlagene Stunde, um bis
zur Bilker Kirche zu gelangen. Mitternacht war inzwischen schon
vorbei und das Nachtsanggeläut auch. Aber in der Kirche war
noch Licht, da die Christvesper an diesem Abend gerade vorbei war
und die Menschen noch viele Kerzen aufgesetzt hatten um vor dem Altar
zur Ruhe zu kommen. Ausserdem stand dort eine Krippe, die aus kunstvollen
historischen Figuren bestand, die vor langer Zeit noch in mühseliger
Handarbeit geschnitzt worden waren. Im Hintergrund ertönte
eine leise Weihnachtsmusik, die aus Posaunenkonzerten bestand.
Er schaute sich in der Kirche um, aber es war nichts auffälliges
zu sehen...wo war sie nur die geheimnisvolle Nachtigall ? Da sah
er doch eine Frau mit langen schwarzen Haaren in einem eleganten
Mantel die Empore hoch huschen. Potzblitz dachte er nun. Es war
jemand, den er nie ganz aus seinem Herzen verband hatte....sie mußte es
sein, da gab es keinen Zweifel, auch wenn er ihre Gestalt nur von
hinten sah. So lief auch er die Empore hinauf und sah nun auf das
Krippenspiel herab. Hier oben waren sonst keine Leute anwesend....nur
diese geheimnisvolle Gestalt und er.
Dann erblickte sie ihn....ja sie war es, seine Exfreundin !
Sie war ganz aufgeregt und konnte ihr Glück gar nicht fassen...sogleich
umarmte sie ihn mit fast erdrückender Kraft. Wie kam es bloß,
das er jetzt für sie eine solche Anziehungskraft hatte ? Denn
man merkte es, wie es in diesem Augenblick funken schlug, denn
die beiden hatten sich neu ineinander verliebt. Sie erzählte
ihm von der Zeit, nachdem sie geheiratet hatte: Weißt du damals hatte
ich viele Dummheiten begangen...hatte Drogen konsumiert und war z.T. richtig
abgesagt, nur mein enorme Willenskraft liessen es zu, das die Drogen nicht
letztendlich Herr über mich wurden. Aber dazu bedurfte es der Kraft,
die mein damaliger Freund mir in der Zeit gab. Ich hatte einen
komischen Freundeskreis gefunden, von dem er mich wegholte. Er
wusste nicht wirklich wie schlimm es um mich stand, aber irgendwie
merkte er es. Wir liebten uns und ich konnte mein Jura Studium
beenden, ja und dann heirateten wir. Das erzählte ich dir ja.
Traurig schaute er auf: Ja, allerdings das erzähltest du mir. Und
um ehrlich zu sein, so war auch ich damals kurz dabei. Ich hatte
damals von der Hochzeit erfahren, danach hatten wir uns kurz noch
einmal gesehen und uns für immer aus den Augen verloren.
Dann schaute sie ihn erstaunt an: Was, du warst bei meiner Hochzeit ?
Schüchtern schaute er sie an: Ja, ich ähm, war bei deiner Hochzeit....schaute
kurz in die Kirche, als ihr gerade kirchliche Trauung hatte, aber
mir wurde dabei ganz komisch und ich fühlte einen tiefen Schmerz
in mir.
Verwundert schaute sie ihn an und lachte dann aber laut los. Dann flüsterte
sie ihm ins Ohr: Sei beruhigt, die Welt hat sich gedreht...seitdem
sind nun wieder 2 Jahre vergangen und ich bin schon lange mit ihm
nicht mehr glücklich. Die erste Zeit waren wir ein Herz und
eine Seele....er ist so ein Mann, der sich sehr gut anzieht und gepflegt
ist, ein typischer Banker. Erst zeigte er auch seine romantische und warme
Seite, nun aber geht er immer mehr auf Reisen und unsere Gemeinsamkeiten
scheinen dahin zu schmelzen, denn ich lege zwar Wert auf Eleganz,
aber er ist in der Geschäftswelt heimisch und ich quäle
mich durch Aktenordner um Verteidiger zu spielen für zum Teil
ganz üble Leute. Das sind Welten, die nur oberflächlich zusammenpassen.
Wir leben heute ein Leben, was den Ausdruck des Goldenen Käfig schon
sehr gut umschreibt, denn er ist kaum noch da und ich finde am Wochenende
nicht mehr die Freiheit, die ich früher hatte, denn meine Freunde
von früher habe ich alle verloren und er amüsiert sich
mit anderen Damen. Dann erzählte er ihr, das er nun auch seit
einigen Monaten in einer Beziehung lebte und das diese allerdings
nicht der goldene Käfig wäre, aber er würde doch den gewissen
Biss vermiessen, der das Leben spannender macht. Er hatte nun schliesslich
eine Freundin, die alltagstauglich zu ihm paßte, die die kleinen
Dinge zu schätzen wußte, aber sie würde nie das Abenteuer Leben suchen
und lebte behütet im Haus ihrer Eltern mit ihm und Wonneproppen.
Weißt du, so stellte sie fest. Ich habe mich so nach dir gesehnt.
Ich weiß zwar, das du im Grunde genommen ein braver junger
Mann bist, aber ich konnte dich begeistern....wir zogen zusammen
durchs Nachtleben, du eher als Beobachter, als Bodyguard und ich
tanzte währenddessen auf den Tischen, aber du warst mir stehts ein
loyaler Freund, jemand der mich beruhigte, wenn ich durchdrehte, mein Ruhepol
und meine Tankstelle , die mir die Energie gab nicht zu übertreiben.
Mein Bruder, mein Kompanion, mein Begleiter und Liebhaber. Du warst
immer sehr zärtlich zu mir und hattest mir auch meine kleinen
sexuellen Abenteuer verziehen, die ich wollte, weil du mir manchmal
zu langweilig erschienst. Jetzt aber weiß ich erst, wie sehr ich dich
vermisst hatte.
Dann schaute er sie ein wenig mit ungläubiger Miene an: Nun, ich
bin nicht ganz glücklich und du bist nicht ganz glücklich.
Und doch habe ich da jemanden, den ich ja vor nicht allzu langer
Zeit leben und lieben gelernt habe....ich möchte ihr noch nicht
gleich Lebewohl sagen. Ich brauche Zeit, um mich von ihr zu trennen. Wir
sollten uns erst einmal heimlich treffen, dann können wir
langsam unsere Liebe wieder aufblühen lassen....
Zugleich verfinsterte sich etwas ihr Gesicht: Langsam, langsam, so warst
du immer oft, der Zweifler, aber ich möchte nicht mehr warten,
sondern ich möchte mit dir zusammen sein. Es war schon schwierig
genug deine Email herauszubekommen. Mensch wach auf, das hier ist
das Leben. Du wirst schon rechtzeitig den Absprung finden. Wage
mal endlich etwas....wage das Leben..... Klar würde sie verletzt sein,
aber sie ist so wie du, wie du mir erzählst und Gegensätze wie
du und ich ziehen sich nun einmal an........... Aber zugleich beruhigte
sie sich auch wieder und überlegte einen Augenblick. Ok, es
ist schön, das wir überhaupt wieder zusammen kommen, denn
es war doch verdammt schwer in dieser großen verdammten Stadt überhaupt
herauszubekommen, wo du wohnst, wo doch dein Name nicht im Telefonbuch
steht und ich auch nicht wußte, ob du nicht schon längst
Düsseldorf verlassen hattest. Wir werden es langsam angehen...vielleicht
hast du recht, denn es wäre schade jetzt plötzlich etwas
zu überstürzen und alles kaputt machen, was in mühevoller
Kleinarbeit gerade zusammengeführt wird.
11. Karussell der Gefühle
Es wurde auf der einen Seite ein wunderschöner Winter für
ihn, auf der anderen Seite müßte er immer mit der Angst
leben müssen, das sein Doppelleben, was er gerade zu beginnen
führte, entdeckt werden könnte.
Judith war jetzt nach Weihnachten froher Laune, denn ihr Freund war es
ja nun auch. Er versuchte die Augenblicke mit Judith intensiv zu
geniessen, dann aber dafür auch sonst zurückgezogen hinter
seinem PC verweilen um seine Gedanken ordnen zu können. So
bekam Judith nicht das Gefühl, das seine Gefühle für sie schwinden
würden, wobei er sie immer mehr als eine Art Hausmütterchen
sah. Seine Exfreundin traf er vor allen Dingen in der Bilker Kirche,
denn die Kirche war die meiste Zeit des Tages geöffnet und
auf der Empore konnte man sich gut zurück ziehen. Das traf
genau den Geschmack seiner Exfreundin, denn sie liebte das Barocke und
das Mittelalter, wo sonst konnte sie es in Düsseldorf finden, wenn nicht
hier. Jetzt war es wieder Winter und er mochte es, sie in ihren
stets schwarzen und eleganten Kleidern und ihrem langen Mantel
in die Kirche kommen zu sehen wie ein schwarzer Wirbelwind, sodaß
auch der Küster der Kirche langsam wußte, wann sie auftauchte.
Hatten sie sich mal verpaßt, dann musste er einfach den Küster fragen,
der sonst für sakrale Dienste zuständig war, nun aber
geheimnisvoller Eingeweihter in eine verhängnisvolle Affäre.
Eines Tages im Spätwinter kam Judiths Freund wieder in die Kirche
, draussen war es bereits dunkel, aber alles schien schon auf den
Frühling zu warten. Da lief er tatsächlich wieder in
die Arme des frommen Kirchendieners, der wohl ein guter Protestant
war, aber nicht so moralisch, das man sagen konnte, er sei allem weltlichen
fern. Diesmal allerdings sprach er Judiths Freund ins Gewissen:
Laß uns doch mal bitte reden, so von Freund zu Freund. Ich habe
mich oft schon mit deiner Freundin unterhalten und sie erzählte
mir offen, das ihr Euch hier trefft, weil ihr beide gebunden seid.
Es ist nicht meine Angelegenheit mich da einzumischen, aber vielleicht
kann ich Euch mit gutem Rat zur Seite stehen. Ich habe glaube ich heute
die besagte Judith mit Wonneproppen hier in der Kirche gesehen. Vielleicht war
sie es auch nicht, aber du hattest sie mir mal beschrieben.
Du mußt nun wissen, wo dich deine Liebe hinführt. Nur sei gewiss,
das ihr beide 2 völlig unterschiedliche Menschen seid, die
sich in ihrer Kindheit und Jugend sicherlich gut ergänzten
als Freunde, aber als Partner seid ihr doch schon mal auf die Schnauze
gefallen. Du musst auf dein Herz hören....manchmal erscheinen die Partner,
die wir lieben und die zumindest zu uns passen und uns treue Gefährten
sind als langweilig. Da ist es wichtig neue Ideen zu entwickeln.
Judiths Freund überlegte kurz, was er sagen sollte, aber ihm fiel
nicht viel dazu ein und er fragte nur, ob sie denn schon hier sei.
Der Kirchendiener verwies auf die Empore, das er dort eine schwarze
Gestalt hatte empor huschen sehen, konnte aber nicht genau sagen,
ob sie es war, aber da sich nicht so viele Gothics in die Kirche verirrten,
mochte sie es wohl gewesen sein.
Dann stieg er über eine Treppe zur Empore hinauf, aber sie war nicht
zu sehen...So blickte er über das Geländer der Empore,
aber auch im unteren Kirchenschiff war sie nirgendwo zu sehen.
Da sah er eine schwarze Gestalt am anderen Ende der Kirche hinter der
Orgel. Nur mit Mühe erkannte er ihr Gesicht, da die beiden
viele Meter trennten. Aber anstatt, das sie auf ihn zu ging, denn
sie hatte ihn nun auch bemerkt, winkte sie ihn zu sich. So schritt
er also die Empore entlang bis er an der Seite der Kirche angelangt war, wo
die Orgel den Platz einnahm. Sie befand sich oberhalb des Einganges und
bestand aus gewalten Röhren und Pfeifen.
Hinter der Orgel befand sich ein grosser Raum, wo normalerweise ein Chor
oder Posaunenorchester aufhalten konnte. Er betrat diesen Raum,
sah nun aber, wie sie durch eine weitere Tür Richtung Kirchenturm
lief. Er hinterher. Leider konnte er nur noch hören, wie sie
die Treppen, die zum Turm führten hinauf eilte. Sehen allerdings
konnte er sie nicht ! Aber er eilte ihr hinterher. Sie kam
er zu der Turmtür, die offen war und er spürte den eisigen Wind, der
nun durch die Tür hinein kam. Dann sah er sie, denn weiter
ging es erst einmal nicht d.h. weiter ging es schon, aber dazu
hätte sie eine steile Leiter heraufsteigen müssen in
den Klockenturm. Das Turmzimmer war zu allen Seiten mit Lucken versehen, die
nun offen standen, so das man einen guten Blick auf das nächtliche
Düsseldorf hatte.
Es war ein Raum, der ein Art Halbkreis bildete, denn er wurde ja durch
eine Wand von dem Treppenhaus getrennt, wo man in den Kirchturm
emporstieg. Sie schaute durch eine Lucke nach draussen und ihr
schwarzes Haar wehte im Wind. Sie schaute mich dabei gar nicht
an, sondern nach draußen auf die Lichter der Stadt.
Sag mal, wo wohnt ihr eigentlich ? fragte sie mich und ich schaute verblüfft
ihre schwarze Silhouette an. Dann ging er zum Fenster
und blickte ihr in die Augen, die in der Dunkelheit wie kleine
Diamanten funkelten, so jedenfalls kam es ihm vor. Er schaute durch
die Lucke in die Richtungen, die er konnte, welche da waren Norden und
Osten. Der Blick in den Süd und Westteil der Stadt allerdings blieb ihm
vorenthalten, denn der Kirchturm besaß nur auf dieser Seite
eine Lucke. Also das muß mehr im Süden der Stadt sein
in einer Gegend, wo es viele Ein-Familienhäuser gibt, aber
ich kann jetzt diese Gegend dir nicht zeigen, weil ja die Lücke
in genau die andere Richtung zeigt. Wir können auch gar nicht den Rhein
sehen, der sich ja westlich an uns vorbei schlängelt. Schade, aber
jetzt sieht man eh nicht viel, erklärte er ihr.
Wieso, also ich sehe genug und dahinten, schau mal da sieht man auch den
Rhein, wie er sich von Westen nach Norden schlängelt, dort
wo der Fluß doch so eine Biegung macht.....Du mußt
nur richtig schauen. Schau mal da hinten, aber das sieht man nicht
mehr so gut....da im Norden der Stadt in der Nähe des Flughafens....da
wohne ich mit meinem Mann...fast schon Richtung Ratingen, sagte sie und
führte seinen Kopf in jene Richtung. Zugleich
umschlang sie mit ihren zarten Händen seinen Hals und fühlte wie sein
Herz anfing zu pochen. Dann führte sie ihre Lippen zu seinen
hin und schob ihre Zunge flink wie eine Schlange in seinen offenen
Mund und sogleich entfesselte sie in ihm die Leidenschaft, die
er sonst in Judiths Gegenwart nicht zeigen konnte, was nicht hieß,
das die Beiden keine Zärtlichkeiten austauschten, aber sie waren mit nicht
soviel Leidenschaft sondern mehr ein wenig schüchtern....es
waren mehr die zarten Küsse, aber nicht die verbale Vollerotik
und die hemmungslose Leidenschaft, die nun in ihm entflammt war.
Er zog an ihren Kleidern und trotz des kalten Windes der nun aufkam,
verspürte er eine ungeheure Körperwärme, da sich ihre Körper
nun wie wild aneinander rieben. Sie waren so wild aufeinander fixiert,
das sie es auf dem Boden trieben ohne allerdings so klug zu sein
ein Kondom zu benutzen, doch was an diesem Abend entstand sollte
die Krönung sein, die Krönung ihrer Liebe. Doch zu dieser
Zeit war das nicht bekannt und schaurig schön war dieses Erlebnis für
sie beide, denn der Wind knarrte an den Luken des Turmes und es war sehr
unheimlich und beide bissen sich mit zärtlichen Liebesbissen wie
Vampire, die grossen nächtlichen Flattermänner der Lüfte,
doch stattdessen hörte man draussen das unheimliche Gekrächze
von Krähen, die über die Stadt flogen, wie in einem verhängnisvollen
Schauermärchen von Alfred Hitchcock.
Im gleichen Augenblick, wo sie zum Orgasmus kamen ertönte die Glocke
Schlag 8 und es würden nun die Tore der Kirche geschlossen,
denn der Küster schloß um Punkt Acht Uhr die Kirche
ab.
Und tatsächlich so war es dann auch, denn der Küster war davon
ausgegangen, das die Beiden schon lange die Kirche verlassen hätten
und so löschte er unten in dem großen Kirchenschiff
das Licht und schloß mit dem grossen Schlüssel die Haupttür
ab. Schnell zogen sie sich an und liefen den Kirchenturm hinunter,
aber es war schon zu spät, denn der Küster hatte gerade
auch die Alarmanlage betätigt und war durch eine Seitentür
aus der Kirche geschritten er war bereits 100 m von dem Kirchentor entfernt
als sie im Stockdunkeln das Kirchenportal erreichten.
Würden sie nun also versuchen die Tür aufzubekommen, würde
dieses bei der nächsten Polizeistation Alarm auslösen.
Nun war guter Rat teuer ! Wie sollten sie nun die Kirche verlassen
können ohne Aufsehen zu erregen ?
Judiths Freund blickte nochmals durch die Luke und sah die Lichter der
Stadt...Ihm wurde ganz schummrig vor Augen als er in die Tiefe
blickte und der kalte Nordwind ihn ins Gesicht blies. Da
aber sah er, was ihm nicht so richtig aufgefallen war, das die Kirche mit einem
Baugerüst umgeben war, denn der Turm musste an den Seiten neu restauriert
werden, da der Turm Steinfresken besaß, die seit über
200 Jahren ständig der Witterung ausgesetzt waren. So befand
sich tatsächlich bis auf der Höhe der Steinfresquen ein Gerüst,
aber damit war das Problem noch nicht gelöst, denn die Steinfresquen
befanden sich immer noch 5 Meter unterhalb der Luke. Bis dahin mußten
sich die beiden am Turm herunterhangeln.
Gesagt, getan und so fanden die Beiden im Vorraum des Turmzimmers noch
ein geeignetes Seil, welches ursprünglich wohl für die
Glocken gedacht war. Es schien schon alt zu sein, aber es war wohl
die einzigste Möglichkeit für die Beiden aus der Kirche
zu entkommen.
Sie befestigten das Seil an einem Haken und kletterten mühsam durch
die Luke, in welcher sie beide fast stecken blieben. Da sie aber
beide nicht gerade vollschlank waren (sie hatte wohlgemerkt einen
üppigen Vorbau, der ihr die Tour fast vermasselt hätte,
aber geschmeidig wie eine Katze konnte sie sich durch die Luke manövrieren),
schafften sie es doch durch die Luke zu entkommen. Im Abstand
von einigen Minuten dann kamen sie auf der obersten Plattform des Gerüstes
an.
Was nun allerdings auffallen würde, war das Seil, welches nun herunter
hing, aber darüber machten sie sich jetzt keine Gedanken mehr
und wollten nur noch nach unten. Das Gerüst bestand aus 6
oder 7 Etagen, ehe man wieder auf dem Boden der Tatsachen war.
Es war inzwischen so spät geworden, das nun kein Bus oder keine Straßenbahn
mehr nach Hause fuhr. Er fror und sie bot ihm an mit in ihr Haus
zu kommen, denn ihr Göttergatte war ja nicht da und sie konnte
sich dort nun austoben, wie sie wollte. Ein schlechtes Gewissen
hatte er schon und was für ein schlechtes Gewissen. So wollte
er seiner Freundin zumindest eine SMS da lassen, damit sie sich nicht noch
sorge, wo er denn die Nacht verbringe.
Nur wo sollte er die Nacht verbringen ? Wie sollte die Wahrheit
lauten ? Oder die Lüge ?
Er musste sich etwas einfallen lassen und ja, er würde ihr
von den schlechten Wetterbedingungen erzählen und das er
nun bei einem Freund übernachtet hatte, da dort der Weg hin viel
näher war. So verließen die Gegend und fanden bei ihr
Unterschlumpf. Die Gegend schien mit klotzigen und prunkvollen
Häusern verbaut zu sein. Im Dämmerlicht der Laternen
nahm man nur deren Silhouetten war, wobei die meisten Häuser
erst in den vergangenen Jahren gebaut worden waren. Es waren die Häuser
der Neureichen, der Düsseldorfer Schickeria.
Sie fuhr mit ihrem schwarzen Cabriolet auf einen Hof, wo sich das Garagentor
automatisch öffnete. Es war keine kleine Garage, sondern ein dicker
Geländewagen hatte dort ebenfalls Platz. So stiegen
sie also aus und betraten durch einen Seiteneingang das mondäne Haus.
Das Haus war innen und aussen in Weiß gehalten, so das es farblich
eine Opposition zu ihren Kleidern bildete. Dafür allerdings
war ihr Zimmer dunkel gehalten, denn sie hob sich von dem weißen
Geschmack ab. Hier hielten zwar nicht unbedingt schwarz, aber doch
dunklere Farben wie violett und verschiedene Brauntöne Einlass.
Es war ihr Zimmer und nun verstand er, das die beiden Eheleute sich nicht
mehr viel zu sagen hatten, denn er lebte in seiner Welt der Banken,
so aber war sich äußerlich treu geblieben und auch der
GothicSzene. Ihr Raum wirkte ein wenig mittelalterlich und war
mit Kerzenständern geschmückt. Der Raum besaß einen
längeren Tisch, an dem 6 Stühle standen, die allesamt als reich
verzierte Schmuckstücke früherer Jahrhunderte erschienen. Am
anderen Ende des Raumes stand ein klassisches Himmelbett mit schweren
Vorhängen. Schwere Vorhänge in violetten Farben wiesen
auch nur wenig Tageslicht in den Raum, welches jetzt durch das
Fenster schien.
Ausserdem befanden sich im Raum eine geräumige Kommode mit einem
Spiegel wie aus Schneewitchen und die 7 Zwerge und dann gab es
da noch ein sehr schönes Gemälde einer mittelalterlichen
Burg aus Transilvanien. Das ist meine Welt, gab sie nun freimütig
zu. Ich liebe die Nacht, die Dunkelheit, mittelalterliche Motive
und Bauten, Kleidung mit Klasse und Stil, so wie sie im Mittelalter
oder im Zeitalter der Romantik getragen wurden, mit Satanismus hat das
hier nicht wirklich etwas zu tun.
Ich weiß, entgegnete er. Du hattest immer schon deinen eigenen Stil
und eine Eleganz, die ich sehr bewunderte. Früher da haben
wir doch auch viel Ritter und Burgfräulein gespielt, so kurz
bevor wir in die Pubertät kamen und hinterher spielten wir
dann nicht nur, sondern schritten zur Tat. Das mit dem Burgfräulein hast
du wohl verinnerlicht. Ich würde gerne dein tapferer Rittersmann
sein, aber du weißt, ich bin nun bis in dein Schloss vorgedrungen,
wenn da nicht dein böser Ehegatte wäre. Dann lachte sie
laut: Nun, weißt du was man mit den bösen Grafen dieses Schlosses
anstellt, man sperrt sie in den tiefsten Keller oder mauert sie ein.
Ernst sah er sie an: Nun deinen Göttergatten wirst du doch wohl weder
einmauern noch in den tiefsten Kerker schicken.
Nein, aber hinaus jagen wäre die passende Lösung, denn er ist
es nicht wert, das er hier noch lebt. Erstens ist er kaum da und
feiert mit irgendwelchen billigen Schicki Micki Tussis a la Paris
Hilton und wenn er dann mal da ist, dann ist er nur mit seinem
Handy beschäftigt, behauptete sie.
Nun, ich bin ein Mensch, der niemanden vor verurteilen möchte. Da
ist es besser ihn mal gesehen zu haben, entgegnete er.
Ha, das ich nicht lache, erwiderte sie spöttisch. Er flirtet zwar
wie wild mit anderen Frauen, hat keine Zeit mehr für mich,
nimmt nicht mehr an meinem Leben teil, aber wäre rasend vor
Eifersucht, wenn er mich hier mit dir sehen würde.
12. Zeit der Lügen
So wütend hatte er Judith noch nie gesehen, seit sie sich kennen
gelernt hatten und er konnte sich auf ein gewaltiges Donnerwetter
gefasst machen. Eine SMS hatte sie mitten in der Nacht erhalten,
wo er ihr schrieb, dass er bei einem Kumpel übernachtete.
Nun am anderen Morgen, der nun schon langsam in den Mittag überging,
stand er durchnächtigt vor ihrer Wohnungstür und bat
um Einlass, da er auch offensichtlich seinen Schlüssel verlegt
hatte. Ein alter Kumpel namens Jan sei es gewesen, welchen er am
gestrigen Tag im Oberbayern getroffen hatte und nach langen Jahren
ihm die längste Theke der Welt präsentierte. Dieser Jan
war bei Freunden zu Besuch und kannte Düsseldorf noch gar nicht
und so übernachtete Judiths Freund auch bei diesen, um seinen Rausch
auszuschlafen. Jan kannte er noch aus der Schulzeit. Dabei
wurde Judith argwöhnisch, denn wie konnte dieser Jan Düsseldorf nicht
kennen, war aber mit ihrem Freund zur Schule gegangen, welcher ja in Düsseldorf
aufgewachsen war: Das machte die sonst so besonnene Judith so fuchsteufelswild.
Warum nur fühlte sie sich nun plötzlich wieder an ihren alten
Freund Jonny erinnert, wo er und ihr Freund doch völlig unterschiedliche
Menschen waren.
Im Laufe des Nachmittages beruhigte sich Judith wieder als ihr Freund
plötzlich mit einigen Schneeglöckchen ankam, denn das
fand sie wirklich niedlich und orginell, während er seiner
Gefühle nicht sicher war und nicht genau wusste, wohin ihn das Ganze
bringen würde.
Am Abend dann befand sich Judith wieder bester Laune und wollte von nun
an ihrem Liebling zeigen, dass auch sie mehr ist als nur ein Hausmütterchen.
Ich weiss nicht genau, wo du die letzte Nacht warst, aber ich nehme an,
dass du bei einem Freund warst der Jan hiess, auch wenn es mir
ein wenig komisch erscheint, das er Düsseldorf nicht kennt,
wo er doch hier mit dir aufgewachsen ist, sprach sie ihn an, ohne
ihn in Verlegenheit bringen zu wollen. Doch er, des Lügens
nicht sonderlich mächtig und geschickt, stammelte darauf etwas davon,
dass dieser Jan schon früh von Düsseldorf weg gezogen war und seitdem
keinen Schritt mehr in diese Stadt gesetzt hatte. Er kannte Düsseldorf
ja nur aus Kindertagen und nicht aus der Sicht eines Erwachsenen
.
Nun, gab er zu. Ich zeigte ihm also unsere Kneipenmeile und die ähmm
Bistros und Cafes, überall dort wo er als Kind und Jugendlicher
noch nicht rein kam.....
Sagtest du als Kind und Jugendlicher ? fragte sie noch einmal schelmisch
nach.
Also soviel ich weiss, dürfen Kinder und Jugendliche wohl auch Cafes
betreten....du meintest wohl eher diverse Nachtclubs......?!
Nein, nein, nicht diese Art von Nachtclubs, sondern wo wir uns doch auch
kennen lernten......so halt die üblichen Discos in der Altstadt.....,
fuhr er fort. Damit war das Thema nun gegessen und sollte auch
die kommenden Tage nicht wieder aufgewärmt werden.
Der Abend wurde für die beiden ein wunderbares Erlebnis, denn nachdem
nun Judith mehr als eine halbe Stunde im Bad verschwunden war,
da wurde er doch langsam neugierig und ungeduldig und klopfte an.
Einen Moment noch, antworte sie ihm leise durch die Badezimmertür.
Dann zog sie vorsichtig die Tür auf und bat ihn seine Augen
zu schliessen.
Er stackste mit geschlossenen Augen vorsichtig und mit kleinen Tippelschritten
ins Bad hinein. Nun öffnete er seine Augen und
glaubte kaum, was er sah: Vor ihm stand eine Frau mit feiner Spitzenwäsche
und hochgestecktem Haar und nahm seine Hand um ihn zur Badewanne
zu entführen. Komm, bat sie ihn lasziv und bestimmt. Komm und lass
mich dich ins Badewasser geleitet. Und er sah wie rund um die Badewanne
ein Meer von Kerzen ausgebreitet da stand, die ihn nun doch sehr
an die vielen kleinen Teelichter in der Bilker Kirche erinnerten:
Auch diese bestanden aus Teelichtern, da höhere Kerzen oder
gar Kerzenständer für ein Sicherheitsrisiko bei der Dichte der
Kerzen dargestellt hätten.
Auf jeden Fall leuchteten die Kerzen in den beiden Spiegeln, die sich
im Bad befanden. Diese beiden Spiegel waren jeweils einander gegenüber
angebracht und so ging der Strahl der Kerzen bis ins Unendliche,
so als wären hinter den Spiegeln unendlich viel Zimmer mit
den Kerzen.
Dann schlung er seine Arme um ihre Hüfte und sie blickten in den
Spiegel und so standen sie dann, bewunderten ihre Doubles im Spiegel,
die sich auch umarmten. Dann zog er langsam an ihrem Slip, ließ
ihn auf den Boden fallen und zog des weiteren auch an ihrem BH
mit weissen Spitzen. Er selber konnte es auch kaum aushalten und
wäre fast mit seinen gesamten Kleidern mit ihr in die Badewanne
gesprungen.
Doch ganz so hemmungslos verhielt er sich dann doch nicht und geleitete
sie langsam in die Badewanne. Beide versanken langsam in den warmen
Fluten von duftendem Lavendelwasser, dann nahmen sie mit ihren
Beinen eine für sie angenehme Stellung ein und sein Penis
bannte sich den Weg durch die Fluten hin zu ihrem Hafen, um dort Anker
zu schlagen !!!
Genüsslich und voller Ekstase bewegten sie sich im Rhythmus der Wellen,
die nun über die Badewasserkante hinaus schwappten.
Seit diesem nicht alltäglichen Sexerlebnis war er nun ganz hin und
her gerissen zwischen 2 Frauen, die im Grunde genommen unterschiedlicher
nicht sein konnten, wobei nun allerdings die Eine die Andere zu
adaptieren versuchte, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein.
Ein Geflecht aus Lügen war es, was er sich nun über sein Leben
ausgebreitet hatte wie ein Spinnwebennetz. Judith nahm seine Geschichten,
die er ihr erzählte nicht wirklich ernst, aber sie zog ihn
weiter in ihren Bann des nicht Alltäglichen, so das sie sich
fast sicher war, das da nicht jemand anders die Krallen nach ihm ausstreckte.
Er war gefangen, gefangen zwischen 2 Welten, die sich doch immer ähnlicher
wurden und er schliesslich gar nicht mehr entscheiden wollte, welcher
Welt er sich mehr zugezogen fühlte. Doch eines sollte er sich
klar machen, was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht konnte: Eine
würde ihn ins Verderben führen, die Andere dagegen würde
ihm reine Liebe und langes Glück schenken.
Er musste sich entscheiden und der Tag, an dem er sein Lügengeflecht
aufreissen wollte nahte sehr bald, auch wenn er innerlich immer
noch nicht entschieden hatte, für wen er sich entscheiden
wollte: Manchmal sind es die äußeren Umstände, die einen
zum Handeln zwingen.
13.Schwanger
Sie bemerkte ihren Zustand nicht oder nicht sofort, aber irgendetwas
hatte sich in ihrem Körper verändert. Sie wusste nicht,
was es war und was da auf sie zu kam. Zuerst dachte sie an eine
Krankheit, aber dann als ihre Periode ausblieb, schwarnte ihr was.
Sie würde es ihm irgendwie beibringen können und er würde
sich dann endlich für sie entscheiden, statt immer noch diesem
hässlichen Entlein nachzujagen, welche seit neuestem den Schwanentanz
einübte. Was verband ihn mit ihr ? Vielleicht einige Charakterzüge,
aber die Beiden hatten weder Kinder zusammen noch gedachten sie in absehbarer
Zeit zu heiraten. Ja gut, sie teilten sich eine kleine Wohnung im 1.
Stockwerk von Judiths Elternhaus, irgendwo in einem Siedlungsgebiet am
Rande von Düsseldorf, wo sich die aufstrebende Mittelschicht
in schönen Reihenhäusern einquartiert hatte.
Sie wollte weg von alle dem und wollte weit weg, weg aus diesem Moloch
am Rhein, das Möchtegern Mecca der Reichen und Schönen,
die immer mit der Domstadt, die etwas südlicher lag, konkurrierte.
Sie wollte aufs Land, in die Natur.....vielleicht in eine unwirtliche
Welt wie auf Island, wo die Götter in den tiefen Erdspalten
ihre Wohnungen hatten oder aber nach Schottland oder Transilvanien,
wo bestärkt durch die Melancholie der Landschaft und der vielen
Burgen, noch so etwas wie ein Stück Mittelalter herrschte, einer Zeit,
die ihr so nahe stand, genauso wie der Romantik oder der Welt der
Germanen. Gegenden in die sie gerne flüchten wollte.
Schliesslich allerdings kam dann doch eine Gegend in Frage, welche am
nächsten lag: Sie wollte in die Pfalz und an der Mosel entlang:
In eine Gegend mit vielen lieblichen Hügeln und alten Schlossern,
wo der Wein im Herbst reifen würde. Zu dieser Zeit, als er
immer noch nichts von ihrer Schwangerschaft wusste, da wollte sie
mit ihm zusammen los ziehen um ein neues Auto zu erwerben. Viel Geld besaß
sie zu dieser Zeit nicht und in ihrem Haus bzw. dem Haus ihres Gatten
war sie nur geduldig, dieses wohl gemerkt unentgeltlich, aber was
machte es dann schon aus. Sie wollte an diesem Tag ein Auto kaufen,
nicht eines dieser protzigen, sondern ein kleines aber feines Auto,
getränkt in ihre Lieblingsfarbe, so wie sie es mochte....in Schwarz.
An diesem Tage wollte sie es ihm sagen und ihn entführen, entführen
weit weg aus Düsseldorf. Auch sie würde ihren Job kündigen
und er, ja er könnte ja erst einmal noch dort arbeiten, wo
er bisher arbeitete, aber er müsste sich darauf gefasst machen jeden
Morgen mindestens eine Stunde Fahrt in Anspruch zu nehmen. Sie
wollte mit ihm hinaus in die Welt, die milde Frühlingsluft genießen,
einen Neuanfang starten. Nun war nur die Frage, wie sollte seine
Freundin die Wahrheit verkraften ? Ihr Mann würde es wohl
verkraften, wenn auch im Zorn, aber was verband die Beiden jetzt
noch.
Er war total perplex, als ein junger Mann an diesem Wochenende an Judiths
Tür klingelte. Er kannte ihn nicht, Judith kannte ihn nicht,
aber ihn schwarnte wer es sein könnte. Er war ganz in schwarz
gekleidet, trug einen langen schwarzen Mantel und war gepierct.
Ausserdem trug er eine Frisur, bei der nur der Schädel mit Haar bedeckt
war, wobei er sich seine Seitenscheitel abrasiert hatte. Nicht, das dieser
finster wirkte, nein er war durchaus sympathisch, aber Judith hatte
nun wirklich keine Ahnung, welche schrägen Vögel es wagten
hier anzuklingeln. Ihr Exfreund hatte ganz sicherlich nicht solche
Freunde und ihr jetziger Freund doch auch nicht, denn er verkehrte
nun wirklich nicht mit Gruftis.....
Der schwarze Mann fragte, ob denn ihr Freund da sei, der die Situation ja schon
mitbekommen hatte und sich bereits fertig machte.....
Dann fragte Judith, wer er denn sei und erwiderte, das er ein früherer
Bekannter ihres Freundes sei. Das verblüffte doch Judith sehr....
Bist du also jener Bekannter, bei welchem Simon schon öfters übernachtet
hatte ? Und er erwiderte fast verblüfft und ein wenig fragend:
Simon ? Ähm, ja doch Simon, den wollte ich abholen. Wir werden
dann sicherlich heute Abend wieder da sein. Er kann ja sein Handy
mitnehmen. Judith fragte sich innerlich, was es wohl bedeuten würde,
wenn ein schwarzer Mann an ihre Tür kommen würde, denn
sie war ein wenig abergläubisch und was nun folgte, würde
sich zu einem Alptraum aufbauen, der sie aus ihrer heilen Welt reißen
sollte, ein Alptraum der nie enden wollte.
Simon zog also mit jenem schwarzen Mann von dannen und er erzählte
Judith nicht, wann er denn gedachte wieder zu kommen. Er erwiderte
lediglich ein Wort davon, dass sie nicht auf ihn warten sollte,
denn es konnte eventuell spät werden. Und so schaute Judith
ihrem Freund hinterher und war etwas säuerlich, da er so ein Geheimnis
um diese Sache machte. Ein schwarzer Mann holte ihren Freund ab, der
noch nicht einmal seinen Namen zu kennen schien. Ein schwarzer Mann, der
stillschweigend ihren Freund zu dem Auto brachte: Ein Auto, welcher schon
vor Urzeiten hätte aus dem Verkehr gezogen werden sollen:
Ein alter amerikanischer Strassenkreuzer. Nun war dieser wohl ein
Oldtimer, rostete allerdings vor sich hin, worüber auch die
schwarze Farbe nicht drüber hinweg täuschen konnte. Nun
fuhr er direkt zu ihr und sie bedankte sich bei ihrem schwarzen Freund,
welcher sich bereit erklärt hatte Simon vorbei zu bringen.
Lumpi, ich danke dir das du meinen Freund vorbei gebracht hast.
Keine Ursache, entgegnete er ihr und fragte sie ganz offensichtlich: Nun
jetzt kommst du ja nicht mehr auf Leda Lecker Party ?
Lumpi, sei ruhig....ich gehe sowieso nicht auf solche Parties. Da kannst
du doch mit deiner Freundin hin, antwortete sie schnippisch.
Simon war ein wenig verwirrt und hätte gerne erfahren, welche Parties
damit gemeint sein würde. Doch bevor er was fragen konnte,
gab sie ihn einen innigen Kuss. Simon, ich muss dir was verraten,
unterbreitete sie ihm ohne Augen zucken. Kurz und knapp gesagt,
ich bin schwanger. Es kann nur einen geben, der dafür in Frage
kommt und das bist du. Aber bitte verstehe das jetzt nicht falsch....es ist
halt so und ich habe es akzeptiert. Besser das Kind ist von dir
als von meinem Mann, denn mit dem hatte ich bereits seit 3 Monaten
keinen Sex mehr. Dann machte sie kurz eine Atempause, jedoch bevor
Simon den ganzen Brocken schlucken konnte, fuhr sie fort: Ich möchte
mit dir heute zusammen nach einem gemeinsamen Domizil suchen, nach
einer neuen Bleibe, wo wir ein neues Leben aufbauen können.
Und weiß du was, ich habe auch schon ein Domizil gefunden
....allerdings ist es über eine Stunde von uns entfernt.
Simon wusste in diesem Augenblick nicht, was er sagen konnte. Die Würfel
waren gefallen, denn ohne sein Zutun schien seine Zukunft bei Natascha
zu liegen, seiner grossen und geheimnisvollen Jugendliebe.
Sie stiegen in den Wagen ein und fuhren los. So wie er sie verstanden
hatte, wollte sie weit weg aufs Land, irgendwo in dem Gebiet der
Eifel. Es war kein gutes Wetter an diesem Tage Anfang Mai, denn
jetzt kamen da noch die Eisheiligen und dieses sollte den Beiden
zum Verhängnis werden. Sie waren schon weit gekommen und nicht
weit vom Ziel entfernt. Wie sie ihm erzählte, hatte sich ein
Paar mit dem sie befreundet war, vor einiger Zeit in einem Dorf
in der Voreifel nieder gelassen. Dort hätten sie sich einen Kotten
ausgebaut, welcher ziemlich verfallen war. Nun aber war das Paar auseinander
gegangen und hatte den Kotten leer zurück gelassen, denn beide wollte
nicht mehr in dem Haus ihrer gemeinsamen Träume verbringen.
Sie wollte es im eigenen Einvernehmen verpachten und diese Idee
hatte Natascha so klasse gefunden, das es ab sofort das neue Domizil
der Beiden werden sollte.
Doch dann geschah es, es folgte ein kräftiger Hagelschauer und eine
Windböe, welche die Temperatur in den Keller gehen ließ.
Sie waren auf einer kleinen Strasse, die einen steilen Hang hinauf ging.
Rechts der Strasse begrenzte ein Wald den Strassenrand, dieser
Wald befand sich an einem steilen Hang. Ja und links der Strasse
war ein freies Feld. Und just in diesem Augenblick, wo die Beiden
munter über ihre Zukunft schwatzten (das Dorf war nur noch
ein paar hundert Meter entfernt), da fuhr Natascha ohne zu überlegen den
Lenker ein wenig zu fest rum und der Wagen stürzte Kopfüber
den Hang hinab, bis er unten von einigen Bäumen und Sträuchern
gestoppt wurde. Aber bis dahin war es ein steiler Weg in die Tiefe.
Wer diese Szene miterlebte, der konnte nur ein Urteil über diesen
Unfall fällen: Beide hätten auf der Stelle tot sein sollen
!
14. Tot oder lebendig ?
Da lagen die 2 fast Arm in Arm, als Sanitäter diese entdeckten.
Es war nicht etwa so, als ob sie zufällig in dieser Stellung
lagen, nein er war auf ihre Seite gekippt, während sie allerdings
durch einen Baum, der sie nun durch die Tür bohrte arg verletzt worden
war.
Sie vernahmen von ihr noch einen schweres Stöhnen und dann war sie
tot. Er selbst rührte sich nicht, aber sein Puls schlug noch
ganz langsam. Vermutlich war er durch ein schweres Schädelhirntrauma
ins Koma gefallen, aber auch seine Überlebenschancen sahen
sehr schlecht aus. Die Sanitäter kamen gerade noch rechtzeitig,
um ihn lebend anzutreffen, während sie wie schon erwähnt
ihren inneren Verletzungen erlegen war. Wer waren diese beiden
jungen Leute und was machten sie in dieser einsamen Gegend. Wie
konnte es nur zu diesem Unfall kommen. Die Angehörigen mussten
alarmiert werden, aber wer war zu erreichen. Zuerst fanden die
Sanitäter eine Telefonnummer in der Tasche des jungen Mannes, die auf einem
Zettel stand....sie lautete 0211..... und dann stand dort Mama als Notiz.
Nun musste alles getan werden um das Leben dieses jungen Mannes zu retten,
der etwa Ende 20 sein mochte. Die Spurensicherung
der Polizei kam auch und konnte sich auch nicht wirklich erklären,
weswegen das Auto von der Landstrasse abkam. Eine zu hohe Geschwindigkeit
oder auch Hagelkörner hätten ein Faktor sein können, waren aber
wohl nicht die alleinigen Verursacher. Wahrscheinlich waren Beifahrer
und Fahrerin so abgelenkt, dass es zu diesem tragischen Zwischenfall
kommen musste.
Simons Mama war ganz entsetzt, als sie hörte, dass ihr Sohn schwer
verunglückt war. Sie nahm erst an, dass die Frau an seiner
Seite Judith sein musste, denn ansonsten wusste sie nicht, wer
es sein könnte. Etwa Natascha ? Nein, von Natascha hatte er schon
seit Jahren nichts mehr vernommen, so wie sie von ihrem Exmann auch nicht,
dem Vater von Simon. Niemand wusste, wo er steckte und was
er heute machte. Einer Annahme zu Folge sei er irgendwo in die
Toskana gezogen, jedenfalls hatte er mal eine italienische Freundin gehabt,
die vor ein paar Jahren einen alten Hof in der Toskana kaufte. Seitdem hatte
er auch nichts mehr von sich hören lassen. Die Unterhaltszahlungen
für ihren gemeinsamen Sohn Simon hörten damals sowieso
auf, da Simon danach auf eigenen Beinen stehen konnte, aber das
ist eine andere Geschichte. Aber Simons Mutter war gelassen, denn
sie war keine aufbrausende Person und blieb auch in grösster
Not sachlich und voller Optimismus, hatte das Leben ihr doch oft einen
Streich gespielt. Ihr Sohn lebte, das war jetzt die Hauptsache, alles andere
müsste man in den kommenden Tagen sehen. Nur wer um
Himmels Willen war diese Frau an seiner Seite, war es doch Judith ? Und
wo war Wonneproppen geblieben ? Sie fragte nach dem Namen der toten Beifahrerin,
denn sie musste es wissen. Erst wollten die Rettungskräfte ihr keine
Auskunft geben, doch dann sagte der Rettungsarzt, dass es sich
wohl um eine gewisse Natascha ..... handelte. Man habe aber ihren
Angehörigen schon Bescheid sagen können, allen voran
ihrem Nochgatten.
Natascha, war Natascha tot ?
Simons Mutter mochte diese Natascha nie besonders, denn sie war schon
im Kindes alter eine dubiose Person, aber sie war es, die ihren
Sohn einem Einzelgänger den Weg zu den anderen Nachbarskindern
geebnet hatte....nur hatte sie immer irgendwelche Flausen im Kopf.
Und jetzt, jetzt sollte sie tot sein ? Tot, Natascha ?
Aber warum in aller Welt fuhren die Beiden irgendwo in der Eifel herum.
Sie wusste, dass Natascha verheiratet war, denn sie hatte noch vor ein
paar Tagen deren Mutter getroffen. So bat sie den
Rettungskräften Nataschas Noch Mann nichts von Simon zu erzählen
oder es erst einmal zu verschweigen, denn sie wusste das Natascha noch
bei ihrem Mann lebte.....
Ja und dann war da Judith ! Judith musste es erfahren, aber von Natascha
?
Judith musste erfahren, was mit Simon war, denn Simon schwebte nun zwischen
Leben und Tod, niemand wusste wie es bei ihm im Inneren seines Körpers
aussah, nur er selbst wusste es. Wie schwer waren die Schädigungen
seiner inneren Organe ?
Nun ging es erst einmal in eine Spezialklinik, obwohl der Rettungsarzt
Simons Mutter wenig Hoffnung machte, als diese in das Kölner
Universitätskrankenhaus gekommen war. Er lag
nun auf der Intensivstation und sein Zustand würde sich erst eventuell
im Laufe der nächsten Stunden stabilisieren. Würde er
wenn er je aufwachen sollte, schwerbehindert sein, in geistiger
Umnachtung ?
Simon stark am Bluten, was sich aber bald hob, nur diese schwere Kopfverletzung
setzte ihm zu, aber wie schon erwähnt lag er im Koma, aus welchem
er wohl so schnell nicht erwachen sollte. Als Judith
den Zeitungsbericht las wurde ihr so komisch....alles begann sich in ihr zu
drehen. Ihr wurde auf der einen Seite fast schlecht und ein Taumel der
Gefühle kam auf sie zu: Nicht das sie schon so viele Sorgen
hatte jetzt mit dem halbtoten Simon, nein er hatte sie auch so
bitter enttäuscht. Eine andere Frau war es also doch ? So wie bei
Jonny. Sie war immer die Dumme. Und nun, was sollte sie tun und
was sollte sie überhaupt denken ? Es war absolut pietätlos,
so dachte sie irgendwelche Eifersucht in diesem Moment aufkommen zu lassen.
Was hatte ihm den diese Affäre genützt ? Von einem toten Fötus
im Bauch der Mutter war die Rede. Die Mutter war jene Natascha,
welche ihn doch schon seit langem nicht mehr gesehen hatte ?! Sein
angeblicher Freund war eine Frau.
Judith war innerlich so verwirrt, das sie alles um sich herum vergaß.
Jetzt konnte sie erst einmal ein paar Tage nicht ihrer Arbeit nachgehen.
15. Am Leben vorbei
Judith hatte in eine der darauffolgenden Nächte einen Alptraum:
Sie stampfte durch ein tiefes und nebelverhangendes Tal, alles erschien
ihr grau in grau. Es war einfach herzzerreissend: Da lief durch
die dicke Nebelsuppe ihr einziges Kind, welches sie gerade in diesem
Moment zu sich rief: Ihr einziger, kleiner Wonneproppen.
Wonneproppen weinte sehr, das dem kleinen Mädchen mit den langen
Haaren, die warmen Tränen das Gesicht herunter kullerten.
Doch der Nebel sag die warmen Tropfen auf mit seiner eisigen und
unsichtbaren Hand. Es war so feuchtkalt an diesem Tag. Judith fasste
Wonneproppen an der Hand und dann gingen sie durch den Nebel der
immer dichter und dichter wurde.
Dann auf einmal schien es als wollte die Sonne von oben durch den zähen
Nebel finden und tatsächlich. Zu ihrem Erstaunen und ihrer
Freude schien sich die Sonne durch die zähen Nebelschwaden
zu kämpfen. Dann plötzlich stand er vor ihnen: ein Berg,
ein hoher Berg und desses Bergspitze thronte über das Land
und war frei von dem kalten dichten Nebel: Befreit von jeglichen
Unbehagen. Und da oben war klar Simon zu erkennen, welcher hinab sah.
Er mochte vielleicht 50 m über dem Nebel thronen, denn der Berg war
nicht besonders hoch und doch war er soweit von Judith und Wonneproppen
entfernt. Er sah wohl hinab, aber konnte nur eine dichte Nebelwand
erkennen. Judith und ihr kleiner Wonneproppen riefen und schrien,
aber es war so, als ob ihnen irgendjemand die Stimme genommen hätte.
Es kam nur ein leises Krächzen aus ihren Kehlen...sie hoben
ihre Hände an und fuchtelten mit ihren Armen in den Nebel hinein,
aber er sah sie nicht.
Traurig und verzweifelt sahen sie ihn auf der Bergspitze hinab gleiten
auf die andere Seite des Berges. Sie wollten dorthin, aber sie
schafften es nicht sich fort zu bewegen. Schweiß gebadet
erwachte sie in dieser Nacht und zugleich ging ihr Handy. Was war
bloß los ? Hastig schaute sie auf das Display. Erst schauten ihre Augen
verquollen in die Nacht hinein zog sich doch noch ein Schleier von Tränen
über die Hornhaut. Doch blitzschnell reagierte sie: Es war
das Krankenhaus, besser gesagt die Intensivstation der Universitätsklinik
Köln.
Bitte kommen Sie schnell, kommen Sie schnell. Wir wissen nicht, ob Simon
die nächsten Stunden überleben wird. Sein Zustand hat
sich innerhalb der letzten 2 Stunden rapide verschlechtert, so
unheilvoll gelangte die Hiobsbotschaft in Judiths Ohr, ohne das
sie sich richtig von ihrem Alptraum verabschiedet hatte. Wie in
einer Starre verharrt und leblos vor inneren Schmerz brach sie auf. Sie fuhr
in die Dunkelheit, welche mit seiner Ungewissheit auf sie wartete.
Immer noch war sie wie betäubt und reagierte wie ein Roboter, der
nur reagierte aber nicht mehr fühlte. Das Licht, welches von
den Strassenlaternen grell in ihr Auto schien, konnte sie nicht
beruhigen, denn es schien greller als sonst und war für ihre Augen
eher Hindernis als dienlich auf dem Weg zum Hospital. Alles schien zu einem
Einheitsbrei zu zerfliessen, ein Leben wie an einem Fließband, welches
automatisch zu laufen schien, man aber nicht wusste wohin die Reise
ging.
Im Hospital dann kam man ihr schon entgegen gelaufen und versuchte sie
zu beruhigen, so als ob man ihr sagen wollte, das Simon ins Leben
zurück gekehrt war, aber in was für ein Leben, in das
Leben eines leblosen Körpers ? Und tatsächlich, vor einigen
Minuten schien er tatsächlich aus dem Leben zu scheiden, nun aber hatten
ihn die Ärzte wieder dazu animiert ins Leben zurückzukommen.
Man wollte sie erst wieder von ihm wegholen, denn er befand sich in einem
kritischen Zustand, sie aber berührte ihn und ihre Hände
erreichten doch nicht die Tiefen seiner Seele, aber irgendetwas,
irgendetwas in ihm müsste doch zu erreichen sein, zumindest wie
ein Ruf aus der Ferne.
Wieder wusste ich nicht, was mit mir geschah, denn es war als
ob mich etwas herausschleuderte, herausschleuderte
von etwas, etwas totem und unbeweglichem....hinaus
in eine freie und helle Welt, die voll unendlicher Liebe gefüllt
war.
Aber dabei sah ich auf etwas herab, das ich nicht klar erkennen
konnte, etwas, was ich nicht erkennen wollte,
so wie den Nebel, den ich doch sah, als ich auf der Bergspitze
stand und nicht erkennen konnte, wer dort im Nebel wanderte. Die
geheimnisvolle Schwarzhaarige schien mir in diesem Augenblick
aus dem Blick zu weichen, ob sie schon weit weg
war ? Ihre Stimme konnte ich in diesem Augenblick
nicht mehr vernehmen.
Ich sah hinab auf eine unformige tote Masse, die mir einen gehörigen
Schrecken einjagde und mich gleichzeitig wieder
nach unten zerren wollte. Ich aber wollte nicht,
ich wollte ins Licht und ich hatte das Gefühl, das das Schwarzhaarige
Wesen dem Licht entgegen geflogen war und ganz von dem warmen
herzerfüllenden Licht aufgesogen wurde, wie ein Blatt den
Morgentau aufsaugt.
Ich sah, wie Leute in grünen Kleidern diese tote und unförmige
Masse wieder in Gang bringen wollten. Sie drückten
auf diese Masse ein, wie die Besessenen. Um sie
herum sah ich viele Instrumente und Monitore, die aber ein gleichförmigen
sirenenartigen Summton von sich gaben. Ich wollte mich vom Licht
einfangen lassen, doch der Sog nach unten war
stärker und stärker und dann sog mich die unformige
tote Masse auf. Ich fühlte eine grosse Dunkelheit und Stille um mich
herum, mein Denken war plötzlich ganz niedrig. Ja, ich konnte
gar nicht klar denken, nein ich war einfach nur
da. Was war geschehen ?
Doch dann, irgendetwas berührte mich, irgendetwas etwas warmes,
etwas was mich streicheln wollte. Ich dachte an
das schwarzhaarige Mädchen, aber sie nein,
sie berührte mich anders. Nun schien sie weit weg zu sein. Wo war sie nur
und wo war ich ?
16. Augen auf
Die Tage vergingen und Judith war immer noch in tiefer Sorge, auch wenn
Simon nicht mehr in Lebensgefahr stand, aber sein Körper schien
nur zu vibrieren, sein Herzschlag war zu hören, ansonsten
aber war alles wie tot, denn er bewegte seine Glieder nicht. Hinzu
kam, daß er künstlich beatmet werden musste und die Neurologen
gaben auch wenig Hoffnung, dass er sich je wieder in ein normales Leben
zurück führen lassen würde. Allerdings konnten die Neurologen
diverse Hirntätigkeiten feststellen, nur man konnte es noch
nicht sagen, aber man befürchtete, das Teile des Gehirns Schaden
genommen hätten. Ein Neurologe meinte aber, es sei wie bei
einem Schlaganfall, das das Gehirn einen unheimlichen Schlag wegbekommen
hätte, zu seinem Schutz ins Koma viel und nun die Nervenbahnen nicht
so funktionierten, wie sie sollten, aber man müsste versuchen diese wieder
zu reaktivieren, das Simon langsam, ja ganz langsam wieder erwachen
konnte und die Nervenbahnen unter Kontrolle zu bringen........
Judith war ziemlich zerrissen, sie liebte diesen Menschen und wollte nichts
in der Welt davon wissen, das er nicht wieder der werden konnte,
der er einst war. Ja und Natascha ? Natascha war nun wieder weit
weggerückt, auch aus ihren Gedankengängen.
Die Wochen vergingen und nichts schien sich zu tun, dann aber es war an
einem Sonntag, wo er auf der Intensivstation lag und diesmal auch
der kleine Wonneproppen mit auf die Station durfte. Normalerweise
hielt man Kinder von der Intensivstation fern, aber man konnte
Wonneproppen nicht immer vor der Wahrheit verschonen, denn sie
würde sonst später Fragen stellen, die kein Ende finden würden,
wie halt Mädchen sind, die sich nun im Kindergartenalter befinden.
Wonneproppen hatte ein grünen Kittel angezogen und Judith ebenfalls,
so standen beide an seinem Bett und Wonneproppen kamen die Tränchen
über ihr kleines Gesicht gekullert, sie kullerten direkt auf
seine Hand, den diese lag regungslos auf der Decke, desgleichen
nahm sie die Hand und führte sie zu ihrem weinenden Gesicht.
Seine Hand schien warm und voller Leben, ja und es schien, das sein Puls
schneller würde, aber diese Hand, sie war so kraftlos und
mühsam legte Wonneproppen sie wieder auf die Decke.
Dann aber rührte sich was, denn er fühlte, als hätte er
seine Hand in ein Meer von Tränen getaucht. Und dann, dann
passierte es: Er hob seine Augenlider, die ihm doch die ganze Zeit
so schwer schienen und sie blinzelten kurz auf....ein Film aus Tränen
zog sich über sie und es war als könnte er nicht richtig erkennen,
als würde er hinter einem Wasserfall stehen.
Wonneproppen stiess vor Schreck einen Schrei als, so als hätte sich
eine Puppe aus Madame Tousohs Wachsfigurenkabinett sich bewegt:
Mama, Mama....Simon blinzelt....er blinzelt. Schnell
kam der Arzt herbei, der sich dieses Wunder anschauen wollte und tatsächlich,
nachdem er geblinzelt hatte, wurden einige Tests durchgeführt, die dieses
bestätigten. Scheinbar schienen seine Reflexe zurückzukehren.
Er weinte immer noch, als schien er zu begreifen, wer hier an seinem
Bett stand.
17. Die Magie eines Bilderbuches
Nun tat sich einige Tage nichts. Wohl blinzelte er dann und wann, aber
der Rest seines Körpers schien wie Blei zu sein....ein schwerer
Korpus, der ans Bett gefesselt war.
Inzwischen war er von der Intensivstation runter gekommen: da lag er nun
in einem Zimmer, wo er künstlich ernährt wurde und ein
Katheter, wo sein Urin drin abgeführt wurde. Er starrte die
Wand an, aber sein Bewegungsapparat war noch nicht so weit den
Augen zu folgen. Wie würde er wieder seine Koordination wieder finden.
Nach der anfänglichen Euphorie, die Judith ein paar Tage zuvor empfunden
hatte, war diese wieder einer realistischen Melancholie gewichen.
Zu dieser Zeit hatte Wonneproppen gerade ein Bilderbuch von ihren Großeltern
bekommen....es hiess Die schwarze Krähe . Judith, die
wußte, das Wonneproppen noch nicht lesen konnte, setzte sich nun an
Simons Bett, las aus dem Buch vor ganz langsam, damit auch Simon eventuell
begreifen konnte, worum es in diesem Buch ging:
Es war einmal ein junger Prinz, der lebte in einem grossen Schloss
am Rande eines Flusses, welcher sich wie eine Schlange
durch die Landschaft zog. Auf ihm verkehrten viele Kähne
aus aller Welt, die dem Prinzen alle nur erdenklichen Schätze
brachten.
Da gab es Bootsfahrer, die hatten einen Turban auf und komische weisse
Gewänder an, die ihnen wie Frauenkleider bis zum Boden gingen,
dafür allerdings die Gerüche und Geheimnisse
des Orients mitbrachten. Der Prinz hörte gerne ihre
Geschichten aus tausendundeiner Nacht. Zu dieser Zeit
fühlte er allerdings eine grosse innere Leere, denn er war zwar
noch jung, aber seine Brüder und andere Leute seines Alters waren
bereits verheiratet, aber der Prinz konnte einfach seine
Prinzessin nicht finden. Es war nicht so, dass die möglichen
Kandidatinnen nicht zu finden wären, da kamen einige
Frauen, auch Prinzessinnen seines Standes, aber irgendwie konnte
der Prinz sich nicht für die Richtige entscheiden:
Sie sollte schön sein, eine Haut haben wie Elfenbein, Haar lang
und lockig, wie aus Gold gesponnen, leichten Schrittes
sollte sie durch die Säle schreiten, so als würde
sie auf Daunenkissen durch die Gemächer schreiten. Sie sollte ein
fröhliches Gemüt haben und den ganzen Tag singen wie eine
Nachtigall. Aber er konnte sie einfach nicht finden.
In seiner Verzweiflung fragte er die Händler, die mit ihren Booten
den Fluss entlang kamen, ob sie nicht so eine Prinzessin
Tausendschön gesehen hätte, welche die Attribute
besaß, nach denen er suchte. Da kam wieder ein Händler
aus dem Orient, der sprach von einer schönen Prinzessin
aus dem Land Tausend und eine Nacht, welche auch verzweifelt nach
ihrem Prinzen suchte. Er würde sie überreden wollen mitzukommen,
damit er seine Prinzessin Tausendschön nun endlich
finden würde, bevor er alt würde und sein Leben
ihm wie ein verfaulter Apfel erscheinen würde.
So beauftragte er also jene Prinzessin zu holen und er bot dem Händler
viel Gold, welches auch für ihren Vater gedacht war,
der seine Tochter ja nur ungern in die Ferne ziehen lassen
würde.
Ein paar Tage später, es war in der Nacht, da klopfte etwas an
sein Fenster. Was saß dort ? Es war eine alte Krähe,
die des nachts an sein Fenster klopfte. Gespenstisch !!
Er wollte die Krähe verjagen, die in die Nacht krähte und deren
Stimme wie das Klagen eines alten Weibes klang.
Am nächsten Tag, es war neblig, da war die Krähe wieder
da und klopfte an sein Fenster. Er aber stieß sie
wieder hinfort. Als nun des Abends die schwarze Krähe
wieder an sein Fenster klopfte, da schallt er sie barsch
aus: Was willst du, du schwarzer Totenvogel ?
Deine Braut, deine Braut....sie ist da draussen im Wald und wird vom
bösen König und Hexer Theoderich gefangen gehalten.
Du musst sie befreien. Mich hat er schon verzaubert....jetzt
krähe ich hier umher und kann nicht anders als zu fliegen
wie eine schwarze Krähe, krächzte der Vogel.
Und wer bist du ? fragte der junge Prinz ungläubig.
Ich bin deiner Brauts Diener, krächzte der Vogel weiter. Ich
alter Narr, loyal wie ich bin folgte ich ihr in die gefährlichen
Gemäuer des bösen Königs Theoderichs. Ich
wollte sie warnen, aber sie hörte nicht, denn sie wollte nur
ihren Prinzen suchen und meinte ihn in Theoderich zu finden. Er verzauberte
mich aus Dank in eine Krähe....kräh, kräh.
Da horchte der Prinz auf, nahm das Schwert und ritt wie ein Besessener
in die Nacht hinaus. Er hatte nur
sein Pferd bei sich und ritt durch den finsteren Wald. Eine Laterne
leuchtete ihn den Weg. Eigentlich hätte er mit dem schwachen
Licht nur den Kopf des Pferdes sehen können und auch
der Mond schien nur schwach, denn er versteckte sich hinter
den Wolken. Aber die Laterne leuchtete hell in den Wald hinein,
so das das nächtliche Getier wie die Eulen und die Füchse erschraken
und flüchteten.
Immer tiefer und tiefer ritt er in den Wald, bis er auf ein gewaltiges
Gemäuer stieß, welches von einem tiefschwarzen
Graben umgeben war. Die Krähe flog über die
Brücke, die dem mutigen Prinzen einen Weg über die tiefe
Grabenschlucht bot, denn der König und Hexer Theoderich schien
unvorsichtig zu sein....er hatte des Abends die Brücke
nicht mehr hoch gezogen. Fackeln leuchteten in den dunklen
Hof der Burg. Mutig und ohne Furcht, da er vom Wunsch
besessen war seine Prinzessin zu finden, rief er laut in die Nacht:
Prinzessin, Prinzessin, wo bist du ?
Hier, schluchzte eine schwache Frauenstimme aus einem
der hohen Türme. Zur gleichen Zeit kam nun als Feuersäule
der böse Hexer und König Theoderich auf den
Hof geeilt.
Wer wagt es in meine Burg einzudringen, stieß er zornig hinaus
und zu gleich fuhr ein Blitz nieder. Fast hätte er
den jungen Prinzen getroffen, dem nun das Herz in die
Hose rutschte. Dann nahm er tapfer das Schwert und versuchte sich
damit zu schützen.
Und tatsächlich, ein Blitz ging nieder in Richtung des Prinzen,
doch es traf nur das Schwert, welches den Blitz wie ein
Tennisschläger zurück feuerte. Dabei traf es
den bösen König, der sogleich sich in eine Feuersäule verwandelte
und schließlich zu einem Haufen Asche zusammen schmolz.
Der junge Prinz konnte es gar nicht glauben, das er dieses mutige
Werk vollbracht hatte.
Er lief zum Turm, öffnete eine alte knarrende Holztür, lief
eine Wendeltreppe hinauf, welche mit kleinen Lämpchen
an den Wänden beleuchtet war und kam schließlich
zu einer weiteren Tür, die in das oberste Turmzimmer führte.
Hier nun befand sich die arme Prinzessin. Ein alter rostiger Schlüssel
versperrte ihr den Weg in die Freiheit.
Er drehte den Schlüssel um und kam in ein Turmzimmer, wo ein
schmutziges junges Mädchen mit einem in Windeln gewickeltes
ärmlich gekleidetes Kind sass und dieses stillte.
Desgleichen saß zur Rechten die Krähe, welche sich nun mit
einem Knall in einen buckligen alten Diener verwandelte.
Der Prinz traute seinen Augen nicht: Sollte diese schmutzige und kränklich
wirkende junge Frau, die über und über von Läusen und
Dreck übersät war seine Prinzessin sein: Die
Prinzessin seines Herzens ? Und sie hatte ein Kind !
Ein kleines wimmerndes Knäuel !
Er drehte sich enttäuscht um, ritt durch die Nacht zurück
zu seinem Schloss. Er weinte bitterlich, dass er seine
Prinzessin doch nicht gefunden hatte. Am nächsten
Morgen eilte eine weitere Hiobsbotschaft ein: Prinzessin Tausendschön,
welcher er aus dem Lande Tausend und eine Nacht erwartete, war
bei der Überfahrt zu ihm mitsamt dem ganzen Schiff und der Schiffsladung
im grossen Mittelmeer ertrunken. Ein Händler, welcher auf dem
Schiff war, hatte sich mühsam auf einem kleinen schwimmenden
Mast ans Ufer des nächsten Landes retten können.
Aber Prinzessin Tausendschön ertrank im Meer. Für sie kam
jede Hilfe zu spät. Ein paar Tage später klopfte
wieder etwas an das Fenster des todunglücklichen Prinzen,
der nun bis zu seinem Tod mit seinem Schicksal als unsäglich trauriger
König leben müsste. ES WAR EINE KRÄHE. SCHON WIEDER
EINER DIESER TOTENVÖGEL. Als er sie ergreifen wollte,
flog sie davon.
Über dem Fluss da krochen die Nebelschwaden nun an den Gemäuern
hoch. Doch was sah er: Ein Boot, ein Boot mit einem wunderschönen
Mädchen, welches er trotz der schlechten Sicht durch
den Nebel erkennen konnte. Sie schritt dahin, wie auf
Daunenkissen. Ein kleines Mädchen, welches gerade laufen konnte,
nahm sie bei der Hand. Er stürzte in die Empfangshalle
seines grossen Palastes und da warteten die Beiden schon:
Jetzt sah er erst wie atemberaubend schön sie war und wie süß
jenes kleine Mädchen war, was mit ihr ging: Wie ein kleiner Wonneproppen.
Und wißt ihr welches Mädchen es war: jenes, welches vom
bösen König Theoderich gefangen gehalten wurde.
Nun da es sich gewaschen und gekämmt hatte, war sie
ein ganz anderer Mensch. Und draussen vor dem Tore wartete schon
jener buckliger Diener auf Prinzessin Tausendschön, Wonneproppen und
den Prinzen. Und der bucklige Diener saß dabei kerzengerae auf
seinem Kutschbock, der Kutsch, welches die 3 nun nach
Hause bringen sollte. Uns so lebten sie noch lange glücklich
bis ans Ende ihrer Tage in der verlassenen Burg des Königs
Theoderichs, welches sich nun zu einem prachtvollen Schloss entwickelt
hatte. Die tiefe Grabenschlucht ließ man mit Erde auffüllen, das
nichts mehr an die grausame Herrschaft jenes Königs erinnern
sollte.
Wonneproppen klatsche in die Hände: Ja Mama, wir heiraten den jungen
Prinzen. Judith hatte gar nicht so richtig daran gedacht, das diese
Geschichte doch sehr stark mit ihrem eigenen Schicksal verbunden
war. Auch Simon schien die Geschichte mitbekommen zu haben. Plötzlich
blinzelte er mit den Augen und er bewegte seine Lippen: Prinzessin
Tausendschön. Es war als hätte irgendetwas in seinem
Kopf eine Blockade ausgelöst und es war einfach wunderbar.
Nach Tagen der Stagnation in seiner isolierten Welt, kam wieder Fortschritt
in die Sache.
Leider blieb es auch dabei, denn andere Worte konnte Simon scheinbar nicht
finden, auch wenn er es versuchte: Es war so ähnlich wie nach
einem Schlaganfall: Teile seines Gehirns, seiner Nervenbündel
waren gestört in ihrem Denken, auch wenn er selber ganz klar
denken konnte. Es wollten einfach nicht Verbindung A zu Verbindung
B finden !
Die Ärzte waren jedoch verblüfft, denn erst glaubten sie, dass
Simon an einem Locked in Syndrom litt: gefangen in seinem eigenen
Körper und unfähig irgendwelche Körperteile zu bewegen,
wohl aber klar denkend, wie sie an seinen Gehirnströmen erkennen
konnten.
Nun aber mutmassten sie, das er im Wachkoma lag, denn er konnte sich inzwischen
mit den Augen und dem Mund bewegen. So ging ein Syndrom in das Nächste
rüber. Keiner konnte aber sagen, ob es wirklich ein Fortschritt
war, aber sonderbar war in der Tat, dass diese Geschichte in Simons
Kopf einen Knoten löste, wenn auch nur einen sehr kleinen
!
18. Wege der Erinnerung
Immer und immer wieder las Judith Wonneproppen und Simon die Geschichten
von der schwarzen Krähe vor, und immer wieder erwiderte Simon
Namen wie Prinzessin Tausendschön , aber er wiederholte dieses
ziemlich monoton, als ob es nicht aus dem Munde eines Menschen,
sondern aus dem einer Maschine stammen würde.
Nach langen Wochen des Wartens, kam der Tag nun, dass Judith Simon aus
dem Krankenhaus begleitete. Er sollte bei ihr sein und es bei ihr
gut haben, denn im Krankenhaus waren nur minimale Fortschritte
möglich, so schien es ihr. Allein ein Märchen hatte eine
bestimmte Blockade gelöst, aber das alles war doch vom Ergebnis
sehr enttäschend: Ein Tropfen auf dem heissen Stein halt.
Für Judith war es immer sehr traurig und sie schämte es auch
ein wenig, als sie den Rollstuhl mit Simon durch die Gegend schob.
Meist war es schon dunkel, als sie ihn dick verpackt durch den
Rheinpark fuhr, welcher direkt an den Ufern des grossen Stromes
lag, der die Stadt umspülte. Wie es das Schicksal so wollte,
da kam des Abends ihr eine Silhouette entgegen, die ihr wohl vertraut
schien, denn es war ihr Exfreund Jonny. Sie schob ihn gerade auf einsamen
Wegen durch einen Park, der weiter vom Rhein entfernt lag. Jonny
erkannte sie sofort. Er war zusammen mit einem Freund unterwegs.
Hallo, wen haben wir denn da ? redete er sie in einem provokanten Ton
an. Jonny, vernahm Judith überrascht. Was machst du denn hier
?
Nun, gab sich Jonny cool und steckte sich eine Zigarette an. Düsseldorf
ist gross, da kann es schon gut sein, das sich mal wieder unsere
Wege kreuzen. Denk daran, wir haben eine gemeinsame Vergangenheit,
ein gemeinsames Kind. Jetzt plötzlich ist dir unsere Tochter
wichtig, mein kleiner Wonneproppen ? konterte Judith aufgeregt.
Nun, wenn mich nicht alles täuscht hieß sie nicht Wonneproppen...Ist
ja auch egal. Aber wenn du Lust hast, können wir gerne mal
wieder eine Nummer schieben, denn dein Freund hier wird ja vermutlich
für den Rest seines Lebens in geistiger Umnachtung stehen,
wenn er je wieder ein Wort sagt. Ich habe von seinem Schicksal gehört....ist
zwar hart, aber du wirst sicherlich nicht bei ihm bleiben. Ich
mit dir eine Nummer schieben, hast du sie nicht mehr alle...nur weil ich seit
über 2 Monaten keinen Sex mehr hatte, heißt das noch
lange nicht, das ich mit dir eine Nummer schiebe, merk dir das.
Ich bin nicht mehr das kleine Dummchen von einst, empörte
sie sich.
Reg dich doch nicht auf, wollte dir nur klarmachen, das dein feiner Freund
hier ja schliesslich monatelang fremdgegangen war und nun in geistiger
Umnachtung schwirrt.
Plötzlich geschah etwas, womit keiner rechnete, denn Simon war sicherlich
nicht in geistiger Umnachtung auch wenn er sich nicht äussern
konnte:
Ich fuhr mit meiner Begleitung Prinzessin Tausendschön durch
den Park, ich weiss nicht wo genau wir waren,
aber es war wieder so, als kannte ich diese Gegend.
Ich sah entsetzt wie mein Körper nicht auf einem Pferd saß, so wie
ich es letzte Nacht erträumte, nein ich saß
in einem Rollstuhl. Da kam der König Theoderich
wieder, der sich uns in den Weg stellte. Ja, das war der König, der
König Theoderich aus dem Märchen ??? Oder war das alles
Wirklichkeit. Für mich war es Theoderich,
so wie ich es erträumt hatte. Er der Prinzessin Tausendschön
haben wollte. Also war Theoderich doch noch nicht in Asche verfallen.
Ich müsste alle meine Kraft zusammen nehmen und ausschlagen. Ja,
was er von sich gab war ungeheuerlich. Langsam begriff ich: Ich
war es, den er für geistig umnachtet hielt.
Ich, aber ich würde es im zeigen, das er sich getäuscht
hätte.
Plötzlich schlug Simons Hand aus und direkt Jonny ins Gesicht. Er
hatte sich aus seinem Rollstuhl erhoben und schoss dem verdutzten
Jonny entgegen, dann fiel er zusammen. Jonny selber bekam durch
die Attacke einige Kratzer, konnte aber sonst sein Gleichgewicht
halten, auch wenn er anfing zu tammeln. Was allerdings noch schwerer
wog war, das sein Herz vor Schreck fast stehen blieb. Es war fast wie ein
Gespenst, was ihm begegnet war: Eine Leiche, die sich in der Dunkelheit
des Parks hochhob und ihn attackierte.
Jonny und sein Freund rannten wie 2 Geistesgestörte davon und seitdem
hatte Judith nie wieder etwas von Jonny gehört und gesehen.
Simon indessen war zusammen gesagt und er weinte, er weinte, denn er verstand.
Mehr und mehr setzte eine Welle der Erinnerung in ihm wach. So
hatte die überraschende Begegnung mit Jonny noch eine wunderbare Auswirkung
auf Simons Genesung.
19. Für immer Prinzessin Tausendschön
In den kommenden Wochen geschah etwas, womit keiner gerechnet hatte.
Die Zeit des Hoffens und Bangens ging vorbei. Bei Simon kam Schlag
auf Schlag die Erinnerung zurück und sein Gedächtnis
regenerierte sich. Allerdings war es ein dafür umso schwierigerer
Weg ihm wieder so herzurichten, wie er einmal war: Die Nervenbahnen
waren lädiert, wie bei einem Schlaganfall und er musste die
Koordination seiner Beine, seiner Gelenke und seines täglichen Tun und
Handelns über weitere lange Therapiestrecken lernen, aber es dauerte
nicht mehr lange und er war wieder der Alte. Nein, sagen wir nicht
der Alte, denn er wollte nicht mehr der Simon sein, der er vor
dem tragischen Unfall war. Er wollte in ein neues Leben eintreten,
ein Leben mit Wonneproppen und Prinzessin Tausendschön.
Es hatte fast ein Jahr gedauert, bis der Genesungsprozess seit dem Unfall
abgeschlossen war. Wieder feierten sie Weihnachten, es war Weihnachten
2007 und sollten die schönsten Weihnachten werden, die die
3 je erlebt hatten. Dabei fragte nun Wonneproppen, die gerade dieses
Jahr zur Schule gekommen war:
Papa, wie war das eigentlich in deiner Welt ?
Und das war auch neu: Simon fühlte sich geehrt Papa genannt zu werden:
Ja wie war das ! Es war, es war auf der einen Seite wunderbar, auf der
anderen Seite auch beängstigend, aber dann kam irgendwann
ein Ruf: Ihr ließt mich nicht alleine. Es war der Ruf aus
der Ferne, der mich langsam in die Wirklichkeit zurücktrug, die
ich so jämmerlich vernachlässigte. Denn die Wirklichkeit war
das Leben und die Träume waren das Jenseits und der Tod. Eine
grosse Dummheit hatte ich gemacht, als eine frühere Jugendfreundin
in mein Leben trat, in ihr meinte ich Prinzessin Tausendschön
zu sehen, aber sie starb und hätte mich fast mitgezogen. Dabei hattet
ihr mich zurückgeholt...du und Prinzessin Tausendschön.
Und im gleichen Augenblick leuchtete der Glanz in Wonneproppens Augen.
Judith stand dabei und ihre Lockenpracht, die sie jetzt trug, erschienen
Simon wie Gold.
Hätte er je eine andere Prinzessin haben wollen ?