© 2005 by Livia
Der Alte blickte ihn misstrauisch an.
„Wie oft haben Sie schon gehört `die Stadt pulsiert´, oder `die Stadt lebt´?“
Hier im Dämmerlicht der Gaststätte, andere würden Kneipe sagen, blinzelte der Alte weiterhin vorsichtig zu ihm rüber und ihm gefiel nicht, wie sich das Gespräch entwickelte. Er hatte den schäbigen Alten heut Abend auf der Strasse aufgelesen, und ihn, nicht ganz uneigennützig, auf ein Bier eingeladen. Die gedämpfte Stimmung hier im Raum, der nach Bier, Schweiß, Zigaretten und einigem anderen mehr roch, trug wohl zu seiner düsteren Stimmung bei, in der er sich jetzt befand. Der alte, heruntergekommene Mann ihm gegenüber roch schlecht, seine abgewetzte Kleidung starrte vor Schmutz, und anfänglich machte dieser auch noch den leicht verwirrten Eindruck, den die Anderen auch gemacht hatten. Wobei sein graues, unordentliches und dabei langes Haar den Jüngeren etwas an Albert Einstein erinnerte. Doch jetzt funkelten die kleinen Wieselaugen des Alten klar und wach, und je öfters dieser an seinem Bier nippte, wurden sie klarer, wurde sein Blick schneidender. Der Jüngere hatte dieses schon öfter gemacht, Penner auf ein Bier oder einen Schnaps eingeladen, um diesen dann ihre Geschichte zu entlocken. Er war Sammler, ein Sammler von Geschichten. Normalerweise wurden die Alten, gestrauchelte Persönlichkeiten wie er sie auch oft nannte, auch recht redselig, sobald deren Alkoholspiegel ein erträgliches Maß angenommen hatte. Doch dies hier wurde jetzt anders, als er es geplant hatte. Der Alte umlauerte ihn nun, und schien mit jedem Schluck klarer und schärfer zu denken. Nein, das war durchaus nicht geplant, und normalerweise war er der Fragensteller. Aber vorerst wollte er mit spielen.
„Warum fragen Sie mich das?“ Wollte der Jüngere nun wissen, und die Blicke des Alten schienen ihn dabei zu durchbohren. Dieser machte eine einladende Armbewegung, sprach jetzt aber leiser und beugte sich dabei etwas vor.
„Warum ich das Frage? Sie wollen das ehrlich wissen? Nun, Sie wollten eine Geschichte hören, meine Geschichte, um genau zu sein. Und ich werde Ihnen auch eine erzählen, aber eine etwas Andere, und glauben Sie mir, gut schlafen werden Sie heute Nacht nicht. Nein, sicher nicht, aber ich habe es dann los.“ Nun war es am Jüngeren, sich vorzubeugen um genauer zuhören zu können. Dies schien doch noch interessant zu werden.
„Gut, dann fangen Sie mal an,“ ermunterte er den Alten, und musterte ernst das alte, faltige Gesicht mit dem Raubvogelblick, der ihn auch weiterhin nicht aus den Augen ließ.
„Sie sind wie die Anderen,“ spie der Alte plötzlich hervor und der Jüngere schrak etwas vor der Vehemenz der Worte zurück, „unwissend und wie Schafe. Sie leben hier in der Stadt, gehen täglich zur Arbeit, kommen Heim, essen und schlafen. Und das jeden Tag aufs neue, jeden Tag aufs neue, immer der gleiche Ablauf, aber von den Dingen darunter haben Sie einfach keine Ahnung.“ Langsam beruhigte der Alte sich wieder, bekam sich wieder etwas unter Kontrolle. Jetzt ließ der Jüngere ihn nicht mehr aus den Augen und dessen Neugier war nun vollends erwacht. Der Alte fuhr, jetzt wieder ruhiger, fort.
„Und wenn wirklich mal einer ins Darunter blickt, glaubt er nicht, was er dort sieht, so einfach ist das. Die glauben, ihr Leben sei sicher. Ihr Leben sei geregelt, alles gehe seine gewohnten Gang, alles sei normal. Und dann sehen sie ins Dahinter, und was passiert?“ Fragend blickte der Alte ihn nun an, und der Jüngere zuckte nur die Schultern.
„Verrückt werden sie,“ beantwortete der Alte sich selbst, „einfach verrückt, weil nichts vom Dahinter in ihre heile Welt zu passen scheint.“ Der Alte nippte an seinem Bier.
„Was hat das aber mit Ihnen oder mit dem Leben in Städten zu tun?“ Fragte der Jüngere nun, als der Alte die entstandene Pause hinauszögerte. Doch dieser ignorierte die Frage einfach.
„Ihr glaubt an die Wissenschaft,“ redete der Alte nun weiter, als wäre sein Gegenüber nicht vorhanden, „glaubt nur an das, was ihr seht, nur an das, was ihr berühren könnt. Und wenn etwas nicht in euer verwissenschaftlichen Geist passt, werdet ihr ganz schnell aus der Bahn geworfen. So einfach ist das. So schwach seid ihr, so dumm. Schafe.“ Der Blick des Alten verlor etwas das Raubvogelhafte und wurde nun sanfter.
„Städte leben, Städte pulsieren,“ meinte dieser nun versonnen, „und ihr wisst nicht, wie recht ihr damit habt. Die ganze Welt lebt und pulsiert.“ Ein Angetrunkener wankte an ihrem Tisch vorbei, und der Alte machte wieder eine Pause. Als dieser vorbei getorkelt war, blickte der Jüngere den Alten freundlich, aber auch etwas Mitleidig an. Seiner Meinung nach hatte er es hier mit einem Wahnsinnigen zu tun. Doch fast augenblicklich funkelten die Augen des Alten wieder wach und misstrauisch.
„Sie denken, ich sei verrückt?“ Fragte dieser nun frei heraus, und der Zuhörer fühlte sich mit einem mal unwohl in seiner Haut. Nein, dieses Gespräch verlief überhaupt nicht wie geplant.
„Ich bin nicht verrückt, oder gar wahnsinnig,“ sagte der Alte nun wieder leise, aber nicht ganz unbedrohlich, „ich wünschte, ich wäre es. Ja, dann wäre es leichter für mich zu leben, leichter, mit dem Wissen um das Dahinter zu leben. Aber ich kann mich nicht hinter einem Wahnsinn verstecken, nein, das kann ich nicht.“ Diesmal nahm der Alte einen großen Schluck des Bieres, wie um sich innerlich zu wappnen. Wie um sich zu stärken vor dem, was er nun erzählen wollte.
„Ich habe Theologie und Geschichte studiert,“ sagte der Alte nun und blickte in die Ferne, „ja, das war eine gute Zeit. Eine Zeit ohne Dahinter, eine Zeit ohne Wissen. Ich war wie ein junger Hund, mal hier mal da geschnüffelt, neugierig und ahnungslos. Doch dann begann ich mich irgendwann auch etwas mit Grenzwissenschaften zu beschäftigen, und das war mein Ende.“ Der Alte seufzte tief, und seine Augen blickten traurig sein Gegenüber an.
„Wo haben Sie studiert?“ Wollte der Jüngere wissen, doch der Alte wischte das nur mit einer Handbewegung weg. Funkelnd musterte diesen ihn jetzt wieder.
„Was glauben Sie,“ fragte dieser nun seinerseits, „wie viele Manschen täglich in Großstädten verschwinden?“ Lauernd blickte der Alte nun über den Tisch.
„Genaue Zahlen habe ich nun nicht im Kopf,“ antwortete der Jüngere, „aber einige sind es schon, denke ich mal.“ Der Jüngere zuckte wieder die Schultern.
„Einige?“ Der Alte kicherte leise und dem Jüngeren stellten sich dabei die Haare im Nacken auf, „Einige? Das ich nicht lache. Einige mehr vielleicht? Oder viele? Oder sogar sehr viele?“ Wieder kicherte der Alte, und wieder hatte das die selbe Wirkung auf den Jüngeren.
„Städte wachsen wie Kinder, wussten sie das?“ Der Jüngere blickte den Alten verwirrt an.
„Ja, wie Kinder,“ meinte dieser, nun wieder etwas versonnen.
„Es beginnt mit nur einem Haus. Dann kommt ein zweites, ein drittes, ein fünftes, ein zehntes dazu, und schwupps, hat man schon ein Dorf. Doch auch dieses wächst weiter, der Mensch ist ja gesellig. Kirchen und Strassen werden gebaut, ein Rathaus, Schulen, eine Universität. Der Nahverkehr nimmt Einzug, ebenso die Kanalisation, und so weiter, und so fort. Sie wachsen wie Kinder. Und wie alle Kinder werden auch Städte mal erwachsen. Einige werden groß, andere bleiben klein. Einige sind hell und fröhlich, andere düster und bedrückt. Welche wachsen zusammen, andere trennen sich, und bei alle dem glaubt der dumme Bewohner, er hätte die Fäden in der Hand.“ Wieder leerte sich das Glas des Alten etwas.
„Ja, es beginnt zu wachsen,“ flüsterte dieser nun in sein fast leeres Glas, „und je größer es wird, desto größer wird auch sein Hunger.“ Der Jünger verstand nur Bahnhof.
„Was meinen sie damit? Wessen Hunger wird größer?“
Der Alte blitze ihn nun wieder an.
„Sagen Sie, hatten Sie als Kind Angst in den Keller zu gehen? Oder konnten Sie nur bei Licht schlafen? Wie fühlten Sie sich, wenn Sie als Kind in der U-Bahn saßen? Sagen Sie es mir.“ Fest blickte der Alte sein Gegenüber nun an, und dieser wurde wieder etwas unruhig.
„Kinder haben vor alles mögliche Angst, das ist kein Geheimnis. Und ich war da nicht viel anders,“ antwortete der Jünger unbehaglich. Der Alte grinste geheimnisvoll.
„Klar, denn unsere Kleinen liegen näher am Dahinter,“ immer noch grinste der Alte, doch nun schlich sich auch etwas teuflisches hinein, „und wir Alten sollten manchmal etwas mehr auf sie hören. Das hätte zumindest einigen mehr das Leben gerettet.“ Wieder kicherte der Alte, und es hörte sich fast wie ein gedämpftes Krähen an. Dem Jüngeren wurde nun langsam klar, das sein Gegenüber wirklich verrückt war, und er begann schon zu bedauern, diesen überhaupt angesprochen zu haben.
„Sie verschwinden,“ meinte der Alte nun, immer noch breit grinsend, „sie verschwinden im Keller. Sie verschwinden in ihren Betten, in ihren Häusern. In alten, leerstehenden Gebäuden, in Fabriken, auf Dachböden. Sie verschwinden beim Zigaretten holen, oder im Park beim Gassi gehen mit Bello. Sie kommen von Bahnfahrten nicht mehr Heim, oder vom Freund, der nur hundert Meter weiter die Strasse runter wohnt. Sie verschwinden einfach so,“ er schnippte mit den Fingern,“ Peng. So als hätte es sie nie gegeben.“ Dem Jüngeren gefiel das Gespräch nun überhaupt nicht mehr, aber er lauschte trotzdem weiter, wie gebannt sein Gegenüber dabei anstarrend.
„Ja, sie sind einfach weg,“ das grinsen erstarb nun langsam, „spurlos Verschwunden. In den Akten der Polizei steht dann `einem wahrscheinlichen Verbrechen zum Opfer gefallen´. Diese Deppen wissen noch nicht einmal, wie nah sie der Wahrheit damit kommen.“ Ein schweres Seufzen folgte, und der Blick wanderte danach wieder in das fast leere Glas.
„ Meine Frau ist auch so verschwunden,“ sagte der Alte wie nebenbei, doch eine harte Trauer mischte sich dabei in seine Stimme, „eines Morgens war sie fort, Peng. Einfach weg.“ Rasch hob er das Glas an seine Lippen, wie um die alte Trauer darüber zu vertreiben. Der Jüngere wurde von Mitgefühl mit dem Alten gepackt.
„Das tut mir leid,“ meinte dieser nur leise, doch der Alte funkelte ihn sofort danach wieder an.
„Das, was danach geschah, das sollte Ihnen leid tun,“ sagte der Alte nun kalt, „das, wovon ich Ihnen hier erzähle, dieses Wissen, das ich Ihnen weiter gebe, das sollte Ihnen leid tun. Tun Sie sich selbst leid, Sie Narr.“ Fast spie der Alte ihm die Worte entgegen und wieder schrak der Jüngere vor der Heftigkeit zurück.
„Ich habe sie gesucht, wie Sie sich vorstellen können,“ der Alte blickte wieder in sein Glas, das er wie um sich zu wärmen, mit beiden Händen fest umschlossen hielt.
„Habe sie gesucht. Überall habe ich sie gesucht. In Zeitungen, im Radio, im Fernsehen, einfach überall. Ich bin selbst die Strassen abgelaufen, habe mich in Parks und Bahnhöfen herum getrieben, unser Zuhause auf den Kopf gestellt. Einfach alles getan, um sie, oder zumindest ihre Leiche, zu finden.“ Er nippte wieder an dem inzwischen schalen Bier.
„Ihr Grab liegt auf dem West-Friedhof,“ fast flüsterte er und der Jüngere musste sich anstrengen ihn hier, in der gut besuchten Gaststätte, noch zu hören.
„Ihr Stein ist aus weißem Marmor und ihr Grab ist immer gepflegt. Ich mag gescheitert sein, in dieser Gesellschaft der Unwissenheit, aber darum habe ich mich immer gekümmert.“ „Nur......,“ er stockte etwas, „nur ist ihr Grab eine Täuschung des Geistes. Eine Täuschung des Gewissens. Eine Täuschung des Blickes.“ Traurig blickte er nun sein Gegenüber an und dieser ahnte, was nun folgen sollte.
„Es ist leer,“ sagte der Alte, und eine einzelne Träne rann ihm die schmutzige, faltige Wange hinunter, „leer. Wie mein Herz es ist, seid dem Tag ihres Verschwindens. Wie unsere damalig große Wohnung. Verschluckt von der Stadt.“ Der Alte wischte sich einmal mit seiner fast klauenartigen Hand, die von fortschreitender Gicht sprach, langsam über sein Gesicht und blickte den Jüngeren danach herausfordernd an.
„Es ist mir gleichgültig, ob Sie mir glauben werden oder nicht, aber ich weiß, was, oder besser wer sie getötet hat.“ Der Jüngere blickte den Alten nun fragend an.
„Erzählen Sie mir, wer das getan hat,“ sagte der Jüngere nun leise und voller Mitgefühl, auch wenn er die Antwort darauf längst schon kannte.
„Die Stadt war es,“ flüsterte der Alte, „die Stadt, oder besser das, was aus ihr geboren wurde. Das hat mir meine Frau genommen. Hat sie einfach so aus der Welt gerissen und mit sich genommen. Der große alte Geist der Stadt brauchte wieder was zu fressen, und damals war es halt meine Sabine, die er gefunden und mitgenommen hat.“ Der Jüngere hakte nach.
„Was meinen Sie mit `großen alten Geist´?“ Der Alte grinste jetzt plötzlich wieder.
„`Geist über Materie´,“ meinte dieser nun wieder geheimnisvoll, „aber das ist falsch. Es müsste `Geist gebiert Materie´ heißen. Manchmal entsteht aus geballter Emotion etwas Reales, etwas Greifbares, und das sucht uns dann heim. Städte können so etwas Großes, etwas Grausames, etwas Böses gebieren. Etwas unbeschreiblich Schreckliches aus sich selbst heraus entstehen lassen. Einfach so.“ Der Alte kicherte nun wieder.
„Ja, manchmal entsteht so Etwas, was lebt und atmet. Das lernt und frisst und scheißt. Etwas, was Haare oder Schuppen hat. Etwas, was vielleicht nackt und lang, oder behaart und dick ist. Das ist das Veränderliche daran. Das macht die Stadt, die es gebiert, selbst. Sie schafft sich den eigenen pulsierenden Alptraum.“ Der Alte lachte jetzt meckernd, des verblüfften Ausdrucks seines Gegenübers wegen.
„Ja,“ lachte dieser immer noch, „das hätten Sie nicht gedacht, was? Sowas lernt man nicht in der Schule, oder auf der Uni. Sowas sagen Eltern nicht zu ihren Kindern, so was liest man nicht in Zeitungen. Man ahnt vielleicht etwas. Etwas, was dahinter ist. Etwas, was wartet und einen belauert, das pulsiert und atmet und nur darauf erpicht ist, einen irgendwann zu fassen zu bekommen.“ Der Alte lachte weiter, als hätte er das komischste der Welt entdeckt. Der Jüngere erbleichte etwas, denn der Wahnsinn des Alten nahm für ihn ein beängstigendes Ausmaß an.
„Damastohr,“ grinste der Alte jetzt und deutete nach unten, auf den Boden, „das ist unserer. So heißt unser Alptraum. Lang und dick ist er, mit segmentiertem Körper wie ein überdimensionaler Wurm. Mit spärlichen Borsten auf dem Körper. Fleischfarben und ohne Augen. Keine Gliedmaßen, nur ein großes Maul zum fressen, oh ja, das hat er. Und seine Zähne, Brrrrrrr, die sind das Schrecklichste an ihm.“ Der Alte schauderte übertrieben, grinste aber weiterhin, als hätte er grade den besten Witz der Welt zum besten gegeben. Der Jüngere blickte ihn weiterhin mehr als überrascht, und auch eine Spur ungläubig an.
„Woher wissen Sie das alles?“ Wollte dieser nun wissen.
„Woher?“ Sinnierte der Alte nach, „nun, ich habe ihn gesehen. So gesehen, wie ich Sie grade sehe. Abscheuliches Ding, sag ich Ihnen. Schleimig und stinkend kriecht es unter unserer schönen Stadt dahin. Sucht und findet, frisst und scheißt. Echt, ein widerliches Ding. Aber wie wir auch, ein Kind dieser Stadt. Jede Stadt hat so eine Abscheulichkeit, dahinter, im verborgenem hausen, und sich von ihr ernährend.“ Der Alte lachte jetzt wieder sein krähendes Lachen, und der Jüngere entschied, das er vorerst genug gehört hatte. Dieser erhob sich und deutete auf das inzwischen ganz leere Glas des Alten.
„Noch eins?“ Der Alte blickte ihn aus leicht wässrigen Augen an, die von einer leichten Betrunkenheit herrührten, grinste aber immer noch.
„Sicher, gern, wenn sie es sich leisten können,“ und noch im weggehen hörte der Jüngere den Alten wieder meckernd lachen. Er ging zwischen den Tischen, die sich inzwischen merklich geleert hatten, hindurch auf den Tresen zu, um noch zwei Bier zu bestellen. Diese Nacht, das wusste er nun, war noch längst nicht zu Ende, und irgendwie faszinierte ihn die Erzählung des Alten auf eine ganz besondere Weise. Doch anders, als dieser es vielleicht vermuten würde. Mit wachsendem Interesse hatte der Jüngere dem Alten am Ende gelauscht, und der Jüngere hatte in seinem Leben auch schon manches gehört. Er hatte schon vorher davon gewusst. Er hatte schon vorher von Damastohr gehört, von dem Ding im Dahinter, wie der Alte es nannte, aber in einem etwas anderen Zusammenhang. So grinste der Jüngere nun auch, denn der Alte wusste bei weitem noch nicht alles. Für den Alten hielt das Scheusal unter dieser Stadt noch ganz andere Geheimnisse auf Lager. Gefährliche Geheimnisse, soviel war dem Jüngeren nun klar. Ließ nur die Frage offen, ob er dem schäbigen Alten diese Eröffnen sollte, oder besser nicht. Sollte er dem Alten erzählen, das die Abscheulichkeit unter ihren Füßen Sucher hatte? Sollte er ihm erzählen, das diese Sucher dafür sorgten, das Damastohr immer genug zu fressen bekam? Das diese ihn schützten, für ihn sorgten, für ihn das Futter fingen? Er nahm die zwei Bier entgegen, drehte sich um und sah den Alten dort sitzen, wo er ihn verlassen hatte. Aber warum? Warum sollte er ihm davon erzählen? Was machte das für einen Unterschied? Es würde den Alten nur warnen, das er mehr war als nur ein Mann, der Geschichten sammelte und diese archivierte. Das er mehr war, als nur ein stummer und geduldiger Zuhörer. Wieder musste er grinsen über den sonderbaren Zufall, der hier zur Mutter der Situation wurde. Damastohr war heut Abend zwar nicht mehr hungrig, aber der Sucher wusste einfach, das dem dieser Happen bestimmt noch schmecken würde. So kehrte er mit den zwei Bieren zum Tisch zurück, um mit dem Alten noch ein wenig zu plaudern, doch innerlich grinste der jüngere Mann über die unerwarteten Zufälle des Lebens.