Langoliers
Der Film entstand als Zweiteiler nach einem King-Kurzroman und hält sich
begrüßenswert eng an die Vorlage, so dass eigentlich nicht von qualititativen
Unterschieden gesprochen werden kann. King schätzt alten Wein aus neuen
Schläuchen (oder umgekehrt?), dürfte hier aber auch neuen Wein parat
haben. Dieser 1995 entstandene Zweiteiler hat trotz kleiner Schwächen das
Zeug zum Kult. Science Fiction ist ein ungewöhnliches Thema für King,
und zum ersten Mal spielt eine King-Geschichte fast komplett in einem Flugzeug.
Zum Inhalt: Nach einigen etwas umständlichen Expositionssequenzen sehen
wir die Welt aus der Perspektive der blinden Dinah (schlechter Kalauer...),
die in einem Flugzeug aufwacht und ihre Bezugsperson, eine Tante, vermisst.
Als sie zu schreien beginnt, werden andere Passagiere aufmerksam. Es stellt
sich heraus, dass ein Großteil der Passagiere einfach verschwunden ist
und eine Reihe reichlich persönlicher Gegenstände wie Brille usw.
zurückgelassen hat. Man stellt fest, dass keiner so richtig weiß,
was Sache ist, weil alle geschlafen haben. Es wird schon bald ganz richtig geschlussfolgert,
dass diese Tatsache die Schlafenden davor bewahrte, dem Schicksal der Verschwundenen
folgen zu müssen. Nick und Brian, zwei geradlinige Burschen und im übrigen
die Helden des Films, übernehmen das Kommando als frisch gekürte Piloten,
deren Vorgänger ebenfalls verschwunden sind.
Ein seltsamer Mann, den King im Roman zärtlich "Rollkragen" nennt, weist
energisch-hektisch auf die Wichtigkeit eines dringenden Geschäftstermins
hin und wird von dem resoluten Nick etwas gefoltert, damit er endlich Ruhe gibt
und seine Panik nicht auf die anderen übergreift. Der Seltsame heißt
Toomey und beschäftigt sich fortan überwiegend damit, Papierstreifen
in dünne Fetzen zu reißen, wenn er nicht gerade mal wieder ausrastet.
Die blinde Dinah freundet sich mit einer Lehrerin an, die zu einem Blind Date
unterwegs ist und nicht so richtig weiß, was sie erwartet. Zwei Teenager
entdecken Gefallen für einander, und ein Sci-Fi-Autor berichtet abstruse
Theorien über das Vorgefallene.
"Äh, keiner da...?" Diese Erkenntnis macht man auch am Flughafen
von Maine. Alles liegt tot und verwaist vor sich hin. Was nun? Dinah hört
dank ihrer Intuition seltsame Geräusche und erfährt von Toomey Finsteres
über die grausamen Langoliers, die alle Faulpelze fressen, wie Toomey von
seinem Vater gelernt hat...
Die einzelnen Überraschungen des restlichen Films aufzuzählen, würde
den Filmgenuss zerstören. Jedenfalls erweist sich Dinah bei allem Verständnis
für den armen Toomey als erstaunlich konsequent. Und Held Nick zeigt sich
zu einer großen heroischen Tat bereit, um bei seinem Vater (der im Film
nicht vorkommt) die langersehnte Versöhnung zu finden (für Eingeweihte
reichen die Stichworte: Sonnenblumen... und "Mein Gott, wie wunderschön...").
Unter den Darstellern fällt eigentlich keiner negativ auf (Meister King
hat einen Blitzauftritt als Geschäftsmann in einer Traumsequenz). Besonders
beeindrucken die schauspielerischen Leistungen der Darsteller von Dinah und
Toomey. Musik und Kamera sind auch okay. Die Computereffekte wirken trotz ihrer
Aufwändigkeit etwas seltsam. Man muss zugeben, dass die Titelhelden, die
Langoliers, nicht so richtig in die Handlung passen. Dass sie einfach so aus
der Fantasiewelt von Toomey ins Leben gerufen werden, nimmt dem Horror etwas
an Logik und Ausstrahlung. Die erste Hälfte des Films staunen eigentlich
alle Charaktere immer wieder darüber, dass es nirgends mehr eine Menschenseele
zu geben scheint. Das ist zwar beklemmend rübergebracht, aber etwas penetrant
wiederholt.
Böse Zungen unterstellen dem Streifen, dass man ihm anmerke, er sei fürs
TV und nicht fürs Kino gedreht. Dabei wird ganz übersehen, dass es
mehr als aufwändig ist, einen riesigen Flughafen völlig menschenleer
zu präsentieren, und auch die Computereffekte sind ja nun trotz ihrer Gewöhnungsbedürftigkeit
zumindest einen Blick wert.
Insgesamt ist der Zweiteiler sehr spannend und dank der sympathischen und/oder
interessanten Charaktere sehr beeindruckend, und auch die Geschichte selbst
kann unterhalten. Kein primitiver Zombie-Horror, sondern ein weiterer Beweis
für Kings Vielseitigkeit. Ob es ein Happy-End gibt? Nun, das ist Ansichtssache...
Fazit: Beklemmend, interessante Charaktere, einige überraschende Wendungen – nur die Dialoge sind gelegentlich etwas redundant geraten.
Wertung 8 von 10