Der Stoff basiert auf einer gelungenen Kurzgeschichte Stephen Kings, die eigentlich nur deswegen Beruehmtheit erlangte, weil er sie im Internet verkaufte. Das Werk war kurze Zeit auch als eigenstaendiges Buch zu erstehen und fand kurz darauf Aufnahme in Kings Kurzgeschichtenband "Im Kabinett des Todes".
Kunststudent Alan steckt in der Krise. Von seiner Freundin aus ihrem
Leben hinauskomplimentiert, begeht er einen Selbstmordversuch und
leidet an duesteren Visionen. Als er eines Nachts per Anhalter aufbricht,
um seine Mutter im Krankenhaus zu besuchen, erlebt er seltsame Dinge
und findet zwischen Erinnerungen an seine Kindheit und absurden Begegnungen
auf einer finsteren Reise zu sich selbst...
Von den Printmedien entweder ignoriert oder nur mit kurzen, zum Teil sogar wohlwollenden Saetzen bedacht, fand dieser eigenwillige Streifen in Germania gar nicht erst den Weg ins Kino, sondern erschien gleich direkt auf DVD. User-Kurzkritiken im Internet geben sich entweder hellauf ent- oder begeistert, dazwischen gibt es offenbar nichts. Originell ist, dass der Regisseur im Audiokommentar selbst bemerkt haben will, dass sein Filmentweder auf totale Verrisse oder hemmungslose Begeisterung stieß. Gleichgueltig laesst der Streifen also offenbar kaum einen Zuschauer. Zu den Extras kann gesagt werden, dass sie einen Tick mehr als das Uebliche umfassen. So werden zwei Audiokommentare geboten, ein netter Trailer und eine feine, aber kleine Bildergalerie – leider keine geschnittene Szenen.
Zum Film selbst: Im Vergleich mit Kings Geschichte hat er sogar knapp die Nase vorn, weil er sich nicht nur eng an die Vorlage anlehnt, sondern diese ueberwiegend sinnvoll mit eigenen - und vor allem passenden - Ideen ergaenzt. Manches Mal allerdings scheint der rote Faden zu fehlen. In einer Kritik hieß es nicht zu Unrecht, die vielen Visionen Alans wuerden von der eigentlichen Geschichte ablenken. Darueber kann man streiten. Ein Gegenargument waere, dass Alans Visionen einen Hauptteil der Geschichte repraesentieren. Die Story waere ohne diese Gedankenwelt kaum denkbar.
Die Grundstimmung ist angenehm ruhig und laesst den Zuschauer in einer gewissen Erwartungshaltung harren. Das wird moeglicherweise gelegentlich uebertrieben. Nur um wenigstens ein einziges Mal den ruhigen Filmfluss zu durchkreuzen (denn zu ruhig ist eben zu ruhig, wie der Regisseur im Audiokommentar zugibt), wurde eine Verfolgungsjagd in der ersten Haelfte als Action-Szene aus diesem einzigen Grund eingefuehrt, die auch nichts weiter mit dem Rest der Geschichte zu tun hat - hoechstens um zusaetzlich zu untermauern, dass diese Nacht eine Nacht des Schreckens fuer den gebeutelten Alan bedeutet. Neben der Schoenheit der Nacht wird auch die Wildheit der Achterbahn und des verlassenen Jahrmarkts ganz passabel eingefangen.
Eine gute Idee war es sicherlich, Alan ab und zu mit seinem Alter
Ego
plaudern zu sehen. Auf diese Weise wird es dem Zuschauer ermoeglicht,
die Gedanken des Helden auf originelle Art und Weise kennenzulernen,
jenseits von Ich-Erzaehlerei, die erst am Schluss in der klassischen
Form auftaucht. Nebenbei schaffen es Film wie Kurzgeschichte, eine
große moralische Frage aufzuwerfen: Wuerde man sein Leben fuer
einen lieben Mitmenschen opfern? Der Held macht eine Wandlung durch,
wie Brecht es einst gefordert hat. Das wird im Film sogar noch deutlicher
als in Kings Story.
Zu den Schwaechen zaehlt naturbedingt die Knappheit der literarischen Vorlage, die sich auch mit inszenatorischen Ideen nicht in jedem Fall gelungen uebertragen laesst. So ergibt beispielsweise die Episode mit dem freundlichen alten Autofahrer in der Story Kings wie auch im Film kaum einen Bezug zu Alans Odyssee. Es kommt zwangslaeufig zu einigen Laengen, wenn die Handlung sich im Wesentlichen nur an einem einzigen Abend abspielt. Die durchaus netten Insider-Gags fuer King-Fans sind nicht fuer alle nachvollziehbar und koennen zu Verwirrung fuehren.
Was die Schauspielerleistungen betrifft, so kommt Jonathan Jackson, der Hauptdarsteller, wirklich gut rueber und erinnert an eine besondere Version des jungen Johnny Depp. Auch Barbara Hershey und Erika Christensen, die Darsteller von Alans Mutter und seiner Freundin spielen ordentlich. Etwas faellt da David Arquette, der zweite Hauptdarsteller, in seiner Leistung ab, naemlich der Darsteller von George Staub. Beim Lesen der Kurzgeschichte stellte man sich einen zynischen, aber dezent auftretenden Untoten vor. Die ueberdrehte und fast lustige Darstellung des George Staub im Film kann da nicht ganz mithalten.
Fazit: Eine Verfilmung, die sich von vielen King-Filmen abhebt und
insbesondere unter den neueren King-Filmen wie "Das geheime Fenster"
oder den grottenschlechten "Dreamcatcher" hervorragt.
8 von 10 Punkte