Wolfsmond
Buchrezension von David Richter für literaturportal.org
"Der Dunkle Turm ist das wichtigste Werk meines Lebens", so der unangefochtene Meister des Horror-Genres, Stephen King.
Lange mussten King-Fans auf die Fortsetzung der fantastischen Dunklen
Turm-Reihe warten. In "Wolfsmond", dem fünften des insgesamt sieben
Bände umfassenden Epos, geht die Geschichte von Roland v. Gilead und
seinen Freunden weiter…
Unheimliche Wolfsreiter auf grauen Pferden fallen alle paar
Generationen über die friedliche Farmerstadt "Calla Bryn Sturgis" her.
Ein Ort, an dem es eine erstaunlich hohe Anzahl an Zwillingsgeburten
gibt. Die Wolfsreiter entführen jeweils eines der Zwillinge und
verschleppen sie nach "Donnerschlag", einem Dämonenland jenseits von
Calla. Nach einer gewissen Zeit kehren die Kinder zurück, geistig
behindert und zurückgeblieben…als "minder" von den Bewohnern
bezeichnet. Auch Roland und sein Ka-tet ziehen weiter auf ihrer Suche
nach dem Dunklen Turm und kommen einem wochenlangem Marsch durch die
Wildnis an der "Calla" vorbei. Die Bewohner bitten den Revolvermann und
seine Freunde um Beistand, um sich gegen die Wolfsreiter zur Wehr zu
setzen…
"Wolfsmond" setzt exakt dort an, wo "Glas" aufgehört hat. Die
Geschichte um eine kleine Stadt, die von "bösen" Bestien heimgesucht
wird, mag sich im ersten Moment etwas klischeehaft anhören, bildet aber
eine perfekte Rahmenhandlung für "Wolfsmond" – und spätestens nach den
ersten Seiten verschwindet dieses Gefühl als wäre es nie da gewesen.
Stephen King schreibt in seinem gewohnten Stil, lässt sich wie in
"Glas" sehr viel Zeit für den Aufbau und die vielen Handlungsstränge,
die durch den Roman fließen und in einer wunderschön erzählten
Gesamtstruktur zusammengehalten werden. Dadurch auch der enorme Umfang
von insgesamt 933 Seiten. Niemals hat der Leser jedoch das Gefühl, das
sich die Handlung "ziehen" würde oder er nun eine langweilige Passage
lesen würde. Dazu hat der Autor einfach viel zu gut die Handlungen
miteinander verkoppelt. Immer passiert was Neues, immer gibt es
bruchstückhaft neue Informationen, immer taucht man weiter ab in die
Welt des Dunklen. King geht sogar noch einen Tick weiter in die Psyche
seiner Charaktere als in den vorangegangenen Büchern und verschafft dem
Leser Zugang zu einer faszinierenden Welt aus Gedankenspielen,
Emotionen, Entschlüssen, Sehnsüchten, Rückblicken und charakterlicher
Tiefe.
Sehr erfrischend ist das Erscheinen des Charakters "Callahan", den
viele bereits aus dem Roman "Brennen muss Salem" kennen werden. Auch
seine frühere Geschichte wird geschildert und das in einem so gutem
Maße, das selbst diejenigen, die den Roman schon gelesen haben, mit
Freude die Handlung verfolgen werden. Damit zieht King wieder einmal
eine Parallele zu seinen früheren Werken, was absolut einzigartig ist
und schon in anderen Romanen wie "Atlantis" oder "Das schwarze Haus"
ein positives Überraschungserlebnis feiern konnte.
(Wenn über Männer in senfgelben Mänteln, und auf den Kopf erzählt
wird…fühlt man sich unweigerlich in die Zeit von "Atlantis" oder "Das
schwarze Haus" versetzt. Ted Brautigan und Jack lassen grüßen!)
Selbstverständlich hat auch "Wolfsmond" etwas negativere Aspekte. Das
Vorkommen von "manchen Wesen" (die ich nicht näher nennen will, um den
Spannungsbogen etwas aufrecht zu erhalten) und vor allem das sehr
spannende, aber dafür auch umso skurrilere Ende, wenn es um die
Aufdeckung der Geheimnisse gilt, lassen den einen oder anderen sich
doch schon mal am Kopf kratzen und fragen, ob den dieses oder jenes in
die Welt von Roland und seinen Freunden passt oder doch lieber außen
vor hätte bleiben sollen. Aber der Epos ist ja noch lange nicht zu Ende…
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