Das Mädchen
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Gelesen von Joachim Kerzel, Franziska Pigulla
Übersetzung Wulf Bergner
Originaltitel: The Girl who loved Tom Gordon
Hörbuch, 454 Minuten
ISBN: 978-3-7857-5293-7
€ 10,00 [D]
Verlag: Lübbe Audio
Inhalt:
Die Welt hat Zähne. Und mit denen beißt sie zu, wann immer sie will. Diesmal trifft es die neunjährige Trisha. In einem Moment der Unachtsamkeit verirrt sie sich hoffnungslos im dichten Wald. Sie erlebt eine Odyssee voller Schrecken, von der ersten flatternden Unruhe im Bauch über die Stürze in der Wildnis bis hin zum Abstieg in eine Welt voller Halluzinationen. Dazu die nervenzersägenden Moskitos ...
Meine Meinungen:
Hier präsentiert Lübbe Audio eine wunderschön in gebürstetem Metalliclook ausgeführte Jubiläumsausgabe des Romans Das Mädchen (im Original The Girl who loved Tom Gordon), die hervorragend vorgetragen wird von Joachim Kerzel und Franziska Pigulla.
Baseball ist eine der langweiligen Sportarten, die außerhalb der USA wohl kein Mensch toll findet, ähnlich wie American Football. In einer Welt, in der der Fußball längst den Sport dominiert, ist das in meinen Augen umso ärgerlicher, dass die USA wohl als einzige Nation immer noch Begeisterung daran finden mit einem Stock einen Ball wegzuschlagen und durch ein ganzes Stadion zu laufen. Darüber ein Buch? Das kann schon ärgerlich werden.
Doch selten hat mich ein Buch so sehr gefesselt wie dieses. Es dauerte höchstens zehn Seiten und es kam mir vor, als ob ich hinter Trisha laufen würde, als nicht wahrnehmbarer Schatten. Noch mehr aber eigentlich, denn ich spürte deutlich ihre Ängste, Hoffnungen und Verzweiflungen, als sie sich immer tiefer in dem Wald verirrte. Ich bekam Mitleid mit ihr und hätte sie am liebsten getröstet, als sie sich hinsetzte und einfach nur weinte, weil sie keinen Ausweg aus ihrer Lage sah. Spürte fast selber die Schmerzen, als die Wespen über sie herfielen, freute mich über jeden Fortschritt, den sie zustande brachte, bangte um sie, als sie merkte, dass sie von irgendetwas Unbekanntem verfolgt wurde und hoffte mit ihr, dass sie es doch noch schaffte. Fast aufgeschrien vor Entsetzen hätte ich, als sie der Rettung so nahe, den falschen Weg nimmt und statt ihrer Rettung immer tiefer in die Wälder gerät.
Was sich äußerst schmalzig anhört, waren tatsächlich meine Gedanken beim Lesen. Trisha wurde für mich zu eine der sympathischsten, authentischsten Kingfiguren überhaupt. Viele behaupten zwar sie handle völlig unrealistisch für ein neunjähriges Mädchen, doch ich behaupte genau das Gegenteil. Sie handelt wie ein Mensch, der sich in einer Extremsituation befindet, sich nicht aufgeben darf, wenn er überleben will und seinen ganzen Mut zusammennehmen muss, um einen Weg aus einer nahezu aussichtslosen Lage zu finden. Das ein Kind dabei gelegentlich in sein kindliches Verhalten zurückfällt, ist genauso realistisch und die Mischung aus beiden Eigenschaften gelingt King einfach nur perfekt.
Die größte Erkenntnis für mich nach diesem Roman war, King braucht keine brutalen Monster, keine rätselhafte, postapokalyptische Welten, keine menschenvernichtende Seuchen oder brutale Mörder, damit seine Romane Meisterwerke sind. Horror kann er auch mit ganz alltäglichen Situationen perfekt erzeugen, wie hier mit dem "sich in einem Wald verirren", was jedem von uns einmal passieren könnte. Es ist die Darstellung der Einfachheit und das Alltägliche des Horrors, verbunden mit dem Glauben an Alltägliches wie dem Sieg seiner Lieblingsmannschaft, und die passende, sympathische Protagonistin.