Verlag Heyne Verlag
Originaltitel: Revival
Originalverlag: Scribner
Übersetzung: Bernhard Kleinschmidt
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 512 Seiten
ISBN: 978-3-453-26963-7
€ 22,99 [D] | € 23,70 [A] | CHF 30,90 *
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Kurzbeschreibung:
Finster, mysteriös, elektrisierend
Revival erzählt die Geschichte des Jungen Jamie und des Predigers Charles Jacobs, deren Wege sich von den Sechzigern bis heute auf unglückselige Weise immer wieder kreuzen. Sie steuert auf ein beängstigendes, auswegloses Ende zu, wie es selbst Stephen King bislang nicht zu Papier gebracht hat, und ist gleichzeitig Abrechnung mit dem Religionsfanatismus in unserem hoch technisierten Zeitalter und Verbeugung vor den Größen des klassischen Horrors.
Der kleine Jamie spielt vor dem Haus mit seinen Plastiksoldaten, da schiebt sich ein dunkler Schatten über ihn, ein Schatten, den er sein Leben lang nicht loswerden wird. Er blickt auf und sieht Charles Jacobs über sich, den jungen Methodistenprediger, der in der neuenglischen Gemeinde gerade sein Amt antritt. Im Nu gewinnt der charismatische Jacobs die Herzen der gottesfürchtigen Einwohner. Den Kindern haben es vor allem die elektrischen Spielereien angetan, mit denen er Bibelgeschichten veranschaulicht. Das alles endet, als ihn ein entsetzlicher Unfall vom Glauben abfallen lässt und er eine letzte Predigt hält, die in einer rasenden Gottverfluchung gipfelt. Von der Gemeinde verstoßen, tingelt er fortan über die Jahrmärkte, wo er elektrische Experimente vorführt, die zunehmend spektakulärer werden. Und immer schrecklichere Folgen nach sich ziehen. Über die Jahre trifft Jamie, inzwischen drogenabhängiger Musiker, wiederholt auf Jacobs, der ihn jedes Mal tiefer in seine dämonische Welt zieht. Als Jamie sich dessen klar wird, gibt es kein Zurück mehr. Das finale Experiment steht bevor.
Meine Meinung:
Na es geht doch! 5 Jahre nach dem letzten Roman Kings, den ich mit 5 Punkten bewerten durfte (Under the Dome), schafft der Meister es endlich einmal wieder, mich zur Höchstwertung hinzureißen! Dabei hat er mit seiner Vorab-Werbung für das Buch Erwartungen geschürt (siehe auch obige Rezension), die er für mich nicht erfüllt hat. Aber nun ja, diese Taktik hat einst schon bei Friedhof der Kuscheltiere funktioniert ... wo sie berechtigter war.
Ja, der für Kingsche Verhältnisse kurze Roman hat seine überflüssig wirkenden Passagen, hat mich jedoch in keiner Sekunde gelangweilt, da es King immer wieder rechtzeitig gelingt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, außerdem hatte er mich nach den sehr fesselnden ersten Kapiteln, die in Jamies Kindheit spielen, sowieso unwiderruflich am Haken. Ich mag Geschichten um Wunderheilungen und verrückte Wissenschaftler à la Frankenstein, dann noch die vielen unvergesslichen Einfälle, was die Nachwirkungen der Heilungen betrifft - da beschwört King wie in besten Zeiten Bilder herauf, die irgendetwas Dunkles im Leser ansprechen und ihn in eine Welt ziehen, die man niemals kennenlernen möchte, von der man aber unbedingt mehr lesen will. Ein Widerspruch, wie vielleicht nur King ihn kreieren kann.
Gegen Ende hatte ich zunehmend Angst, der Autor würde sich beim Showdown in jenem Lovecraftschen Kauderwelsch verlieren, das die Kurzgeschichten Crouch End und Omi für mich ruiniert hat, doch da hat er es glücklicherweise bei Andeutungen belassen. Gut, denn so konnte ich mich voll und ganz auf die Vision einlassen ... Die wird wieder einmal die Gemüter scheiden, denn ganz ähnlich wie beim Makroversum (aus ES) oder den Visionen anderer Welten in Der Buick oder Das Schwarze Haus geht hier dermaßen die Phantasie mit King durch, dass viele das Buch kopfschüttelnd in die Ecke pfeffern, andere mit blassen Fingern den Buchrücken umklammern werden. Glücklicherweise gehöre ich zu letzteren - und wenn das Wort Mutter schon seit Psycho vorbelastet ist, so steht es nun endgültig für das Grauen schlechthin. Was ein Glück, dass ich bei wahren Familienmitgliedern abstrahieren kann!^^
Es gibt ein Problem: Es geht zum Ende hin nicht mehr düsterer, King bietet nirgends auch nur den kleinsten Hoffnungsschimmer für Jamie oder auch nur den Leser. Das ist mutig, aber auch ordentlich deprimierend. Einen Punktabzug gibt es deswegen nicht, weil der Roman einmal mehr das geschafft hat, was mich ursprünglich zu einem treuen King-Fan gemacht hat: Ich werde fortan wieder Bilder in meinem Kopf mit mir tragen, die nur er dort einpflanzen kann und die mich in den verschiedensten Lebenslagen begleiten werden. Oder heimsuchen!
Fazit:
Purer, blanker, unaussprechlicher Horror? Nein, oder wenn, dann "nur" am Ende. Bis dahin ist es eine faszinierende Geschichte rund um die dunklen Seiten der Religion, um Hoffnungen und menschliche Abgründe. Genial!