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Copyright des Interviews © 2002 by Arte


Interview mit
Joachim Körber

Joachim Körber wurde1958 in Karlsruhe geboren. 1978/79 machte er sich als freier Übersetzer selbständig. 1984 gründete Körber nach amerikanischem Vorbild zusammen mit Thomas Bürk (der 1993 ausschied) und Uli Kohnle den Verlag Edition Phantasia (www.edition-phantasia.de), um Science Fiction, Horror und Fantasy in gediegenen, numerierten, häufig illustrierten und von den Autoren und Illustratoren handsignierten Ausgaben auf den Markt zu bringen. 1998 erschien sein erster Roman "Wolf", ein Psi-Thriller in der Tradition von Dean Koontz. Die ebenfalls 1998 veröffentlichte Kurzgeschichte "Der Untergang des Abendlandes" wurde 1999 mit dem Phantastik-Preis als beste deutsche Kurzgeschichte des Jahres ausgezeichnet. Daneben war Körber mehrfach in der Rubrik "Bester Übersetzer" für den Kurd Laßwitz Preis nominiert.



1. Was hat Sie dazu bewegt, ausgerechnet Stephen Kings Bücher zu übersetzen?

Es hat zugegebenermaßen einige Zeit gedauert, bis ich auf das Phänomen Stephen King aufmerksam wurde. King war in den USA schon längst Bestsellerautor und einige Bücher auf Deutsch erschienen; das alles wußte ich, aber gelesen habe ich erst etwas von ihm als der Roman Cujo deutsch erschien. Danach allerdings war ich dem Autor verfallen und habe jede Zeile verschlungen. Als er den deutschen Verlag gewechselt hat (ich war zu der Zeit schon seit Jahren freier Mitarbeiter des Heyne Verlags) und sich mir die Chance bot, die Bücher nicht nur zu lesen, sondern selbst zu übersetzen, habe ich sie ergriffen. Für mich bot und bietet King einerseits spannende Unterhaltung, aber durchaus auch einen Tiefgang, den ihm viele seiner Kritiker nicht zugestehen wollen. Seine Romane sind weitaus mehr als nur spannende Horror-Thriller, sondern stets auch farbige und treffliche Zeitgemälde; das macht es auch so spannend, sie zu übersetzen.

2. Wie sehen Sie King - ein Mann, der sein Publikum stets mit neuen "Späßen" ins Staunen versetzt (wie die Veröffentlichung seines neuen Buches Riding the Bullet im Internet zeigt) und der sich mit seinem rebellischem Charakter gegen die Anpassung an vorgefertigte Rollen auflehnt?

Ich denke, Stephen King ist heute in einer finanziell wie künstlerisch völlig unabhängigen Position, in der man es sich leisten kann, Experimente zu wagen, neue Wege zu gehen. Vielleicht liegt die Zukunft der Literatur ja wirklich im Internet und er hat das als einer der ersten Schriftsteller wirklich erkannt und setzt das Wissen auch um - ich selbst glaube es nicht, weil ich der Meinung bin, daß nichts einem das Gefühl ersetzen kann, ein wirklich spannendes und unterhaltendes Buch in Händen zu halten (aus diesem Grund habe ich auch mit Uli Kohnle den Verlag Edition Phantasia gegründet, damit wir Bücher, die wir gerne lesen, in Ausgaben herausbringen könnten, wie wir sie gerne hätten), aber es ist sicher nicht abwegig, neue Publikationsformen zu suchen - gerade das Internet bietet hier ungeahnte Freiheiten, da man als Autor eines Verlages nie die künstlerische Unabhängigkeit hat, die man sich vielleicht wünscht. Daß King kein Autor ist, der sich gern in vorgefertigte Rollen pressen oder sich mit einem bestimmten Etikett versehen läßt, das beweist aber auch schon die große Vielfalt seiner Themen, denn was er schreibt, ist längst nicht alles Horror.

3. Wie kann es sich erklären lassen, daß King einige seiner Werke anfangs und auch Jahre später wieder unter dem Pseudonym Richard Bachman veröffentlichte?

Das ist im Fall der ersten fünf Bachman-Bücher vergleichsweise leicht zu erklären - es waren (ausgenommen Thinner [dt: Der Fluch]) alles ältere Romane, für die er zu Beginn seiner Laufbahn keinen Verleger fand. Später wurden dann jedes Jahr ein bis zwei Bücher von ihm veröffentlicht, und da man den Markt nicht inflationär mit King-Titeln überfluten wollte, wurde eben das Pseudonym gewählt. Anders verhält es sich mit dem Roman The Regulators (dt: Regulator); hier handelt es sich um ein Gegenstück zu dem "King"-Roman Desperation, und hier wollte der Autor einfach nur aufzeigen, wie zwei "unterschiedliche" Autoren bei gleichen Vorgaben aus demselben Grundgedanken zwei vollkommen unterschiedliche Bücher herausarbeiten können.

4. Unterscheiden sich die unter Bachman publizierten Büchern von denen, die den Namen King tragen?

Die unter Bachman publizierten Bücher sind für mein Dafürhalten sehr viel düsterer und pessimistischer als Kings sonstige Romane. Das dürfte der gewichtigste Unterschied sein. Nochmals: Das sieht man besonders am direkten Vergleich Desperation/Regulators - in dem unter Stephen King veröffentlichte Desperation gibt es inmitten aller Ausweglosigkeit und Gefahren einen gütigen Gott, der zu Gunsten der Protagonisten eingreift; diesen Trost läßt "Richard Bachman" dem Leser in dem schwarzen und streckenweise sehr brutalen Regulators nicht. Hier sind die Helden auf sich allein gestellt, und einen endgültigen Sieg über das Böse gibt es nicht. So gesehen ist Stephen King der optimistische Zweifler, Richard Bachman der resignierte Pessimist.

5. Wie kommt es, daß Kings Bücher, trotz der großen Anzahl, nicht an Beliebtheit verloren haben, sondern, im Gegenteil, daß sich die Leser um sie reißen?

Kings Bücher waren und sind stets mehr als Horror - das haben viele Verlage, die im Kielwasser seines Erfolges Horror in Unmassen auf den Markt geworfen haben, nie begriffen. Viele zeitgenössische Horror-Autoren schaffen es zwar, Oberflächentexte zu verfassen, die dem King'schen Horror Nahe kommen, aber das, was bei King zwischen den Zeilen steht, den "Subtext", wie er selbst es nennt, das schaffen die wenigsten. Stephen King versteht es - in Romanen wie Cujo oder The Dead Zone ganz ausgezeichnet, das Lebensgefühl seiner Situation einzufangen, Menschen so zu zeigen, wie sie sind. Dieser Hyperrealismus läßt den Schrecken, der sich unweigerlich einschleicht, um so glaubhafter erscheinen, da Kings Protagonisten stets in Situationen agieren, die jeder Leser nachvollziehen kann. Den phänomenalen Erfolg seiner Bücher mag ausmachen, daß man sie auf mannigfaltige Weise lesen kann - "nur" als spannende Thriller, als Gesellschaftsromane, mitunter auch als mahnende und warnende Parabeln, wie etwa The Talisman (dt: Der Talisman) oder Salem's Lot (dt: Brennen muß Salem).

6. Wie ordnen Sie Kings Bücher ein? Handelt es sich dabei schlicht und einfach um Science-fiction Romane oder steckt hinter den Horrorgeschichten auch politisches Engagement oder Gesellschaftskritik?

Nein, wie ich schon sagte, sind Kings Bücher immer mehr als ausschließlich spannende Thriller; viele sind intelligente Kommentare zu Ereignissen und gesellschaftlichen Strömungen der Zeit, in der sie entstanden sind, in wieder anderen findet man durchaus politisches Engagement und Gesellschaftskritik. The Talisman (das in Zusammenarbeit mit Peter Straub entstand) ist neben der klassischen "Queste", die in der Phantastik immer ein beliebtes Motiv war, auch eine ökologische Parabel auf die zunehmende Umweltverschmutzung. Dasselbe gilt für Salem's Lot, wo die schleichende Korruption der Bevölkerung am Beispiel einer abgelegenen amerikanischen Kleinstadt geschildert wird. Auch in anderen Romanen hat King immer wieder brisante Themen angeschnitten, etwa in dem für meine Begriffe leider völlig mißglückten Insomnia (dt: Schlaflos), wo das Für und Wieder zum Thema Abtreibung eine Nebenhandlung bildet. Ich glaube schon, daß Stephen King ein intelligenter und politisch interessierter Autor ist, der seine Überzeugungen immer wieder in seine Bücher einfließen läßt und sich dabei (auch das sicher ein Aspekt seines großen Erfolges) immer wieder zum Anwalt und Fürsprecher der kleinen Leute macht - dies besonders deutlich und eindrucksvoll in dem Roman Bag of Bones (dt: Sara).

7. Stephen King hat sehr früh begonnen, zu schreiben. Sind in seinen Büchern vom Beginn seiner Karriere bis heute Entwicklungen sichtbar?

Die sind sicher zu erkennen - wie bei jedem Schriftsteller. Niemand bleibt je auf einer Entwicklungsstufe stehen, das Leben ist ein unentwegter Lernprozeß, und alle Erfahrungen, die man macht, schlagen sich in der Persönlichkeit nieder, die wiederum beim Schreiben ihren Ausdruck findet. Stephen King bildet da keine Ausnahme. Man merkt zum Beispiel, daß er um so gewagtere literarische Experiment unternahm, je größere Freiheiten sein Verlag ihm gewährte - jedenfalls für die Unterhaltungsliteratur; ich möchte an dieser Stelle besonders die "Kammerspiele" Misery (dt: Sie) und Gerald's Game (dt: Das Spiel), sowie mit Einschränkungen The Girl Who Loved Tom Gordon (dt: Das Mädchen) nennen, in denen ausgelotet wird, wie weit man das Personal eines Romans reduzieren und dennoch eine spannende Geschichte erzählen kann - Misery ist über weite Strecken ein Zwei-Personen-Stück, Gerald's Game schließlich ein Ein-Personen-Stück, das weitgehend vom Innenleben der gefangenen Protagonistin lebt.

8. King ist bekanntlich ein großer Rock-Fan. Kann man diese Leidenschaft in irgendeinen seiner Büchern wiederfinden? Haben seine Werke andere autobiographische Züge?

Die Leidenschaft für Hard Rock findet sich in vielen Erzählungen und Romanen Kings wieder - man denke nur an die Story "You Know, They Got a Helluva Band Outta Here" (dt: "Verdammt gute Band haben die hier", in der ein biederes amerikanisches Ehepaar sich in eine Stadt namens "Rock'n Roll Heaven" verwirrt, wo alle toten Rockstars wie Jimi Hendrix, Jim Morrison oder Janis Joplin leben. Oder man denke an den Werwolf in The Talisman, der gern Creedence Clearwater Revival hört. Ob Kings Bücher direkt autobiographische Züge tragen, ist immer schwer einzuschätzen, ich denke, zumindest insofern, als er sich bemüht, ein wahrhaftes Abbild der amerikanischen Kleinstadtgesellschaft zu bieten, in der er selbst lebt; ich denke, viele alltägliche Erfahrungen werden in diese Schilderungen einfließen. Ganz interessante Einblicke bietet diesbezüglich das soeben erschienene autobiographische Sachbuch On Writing (dt: Das Leben und das Schreiben).

9. Welches Buch ist ihrer Meinung nach Kings magnum opus?

Das dürfte ohne jeden Zweifel It (dt: Es) sein, nicht nur wegen des enormen Umfang, sondern weil sich hier exemplarisch fast alle Themen finden, die Kings Werke ausmachen: Kindheit in der amerikanischen Provinz, die gravierenden Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen, die Rolle des Schriftstellers im öffentlichen Leben, die schwarzhumorigen und beißenden Kommentare zur gesellschaftlichen Realität, mit denen er kein Blatt vor den Mund nimmt (was ihm gerade im prüden ländlichen Amerika stets den Vorwurf eingebracht hat, ein "obszöner" Schriftsteller zu sein); und darüber hinaus ist der Roman eine grandiose Hommage an Horror in Literatur und Film - wie die Spätwestern von Howard Hawks Höhepunkt und Schwanengesang eines Genres zugleich

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