Als es passierte
©2004 by Stephan Möller (theMöllerman)
"Und, wo wart ihr, als es passierte?", fragte Katharina.
Martina war 23 Jahre alt und gerade dabei, ihr Studium zu beenden. Doch als es passierte, befand sie sich nicht in der Universität, sondern in ihrem alten, klapprigen Polo auf dem Nachhauseweg. Wenn sie zu Hause ankam, hatte sie vor, zu duschen und anschließend in irgendeine Disco zu gehen; einen (vielleicht auch zwei) Typen aufreißen, der sie vögeln würde. Das brauchte sie mal wieder, sie hatte es schon zwei Wochen nicht mehr getan, das hielt sie nicht aus. Sie brauchte mal wieder einen gutaussehenden jungen Kerl zwischen den Beinen!
Sie war noch völlig in Gedanken versunken, als es passierte.
Jörg war auf der Arbeit gewesen. Es war nur noch eine halbe Stunde bis Feierabend und er freute sich auf seine Frau und seine beiden Kinder – Sonja und Markus –, auf ein gutes Abendessen und auf ein paar gemütliche Bierchen vor dem Fernseher.
Das Telefon klingelte. Jörg nahm den Hörer ab und meldete sich. Oh nein!, dachte er, als sein Gegenüber ihm den Namen nannte. Nicht schon wieder der!
Kaum hatte er diesen Gedankengang zuende gedacht, als es passierte.
Regina war mit ihren vier Kindern auf dem Spielplatz, als es passierte.
Ihre kleinen – sie waren zwischen zwei und sieben Jahren alt – tobten auf und unter den Spielgeräten herum, und sie dachte darüber nach, was sie zum Mittagessen kochen sollte. Hühnersuppe? Oder sollte sie den Kindern nicht doch mal eine Freude bereiten und mit ihnen zu McDonalds fahren? Ja, das würde sie tun, schließlich bettelten ihre beiden Ältesten schon seit Ewigkeiten darum.
Dann fiel die Bombe und löschte nahezu alles Leben auf dem Planeten aus.
"Jaja", sagte Katharina, als die letzte Erzählerin – Regina – verstummte. "Es ist schon schrecklich gewesen!" Sie blickte in die Runde. Da war Martina, die Stundentin mit einem etwas ungewöhnlichen Hobby, Jörg, der Familienvater und Büromensch, und Regina, die Hausfrau und vierfache Mutter. Und sie selbst.
"Wer fängt an?", fragte sie, bekam aber keine Antwort. Keiner traute sich, also würde sie den Anfang machen.
Langsam bewegte sie ihre Hand auf den Revolver zu, der in ihrer Mitte lag, nahm ihn zwischen die Finger und führte ihn auf ihren Mund zu. Genauso langsam schloss sie die Lippen darum, machte die Augen zu ... und drückte ab.
Der Knall war noch Meilen weiter zu hören, in der riesigen Einöde, welche die Bombe hinterlassen hatte, gab es nichts mehr, was den Schall hätte aufhalten können. Nur ein paar Ameisen und Käfer, so groß wie Autos, tummelten sich in der neuen Wüste ... sie würden diejenigen sein, die in Zukunft diesen Planeten besiedelten!
ENDE