© 2006 Tim Riewe
1. Der Bongokönig
Ich weiß noch, wie ich das erste Mal in die Wohnung des "Bongokönigs" kam. Er wohnte damals Ende 2002 in der Kastanienallee. Als ich über die Schwelle der Wohnungstür schritt, kam es mir plötzlich vor als hätte ich eine andere Welt betreten. Die Magie des schwarzen Kontinents kam mir entgegen.
Über der Wohnungstür hing ein bunter Schal mit der Aufschrift "Akwaaba", was auf Akan soviel wie Willkommen hieß. Akan, das ist eine der Hauptsprachen, die in Ghana gesprochen werden. Kofi Annan, der UNO- Generalsekretär spricht auch diese Sprache.
Es hingen auch viele Fotos an der Wand von Dschungellandschaften, die Flußniederungen des Volta-Stausees waren da zu sehen und noch einiges andere aus Ghana.
Der "Bongokönig" war damals so von diesem relativ unbekannten Land an der Westküste Afrikas begeistert, das er mich auch damals auf seiner Diashow mit in den Bann zog.
Berthold, wie er im normalen Leben hieß, hatte es nun wahrlich nicht leicht in den letzten Jahren gehabt, wo ihm seine Frau wegen einem anderen weggelaufen war. Zu seinen Kinder hatte er auch leider keinen Kontakt mehr. Naja im Beruf als Maurer war er auch nicht mehr so sonderlich glücklich wie früher.
Doch statt in Depressionen zu flüchten wandte er sich nun einem anderen Hobby zu, in welches er die letzten 3 Jahre viel Mühe steckte, in die Entwicklungshilfe. Er träumte davon mal ein Buschhotel in Ghana zu eröffnen.
Berthold hatte mich mit seinen Plänen doch sehr fasziniert. Er brachte Farbe in meinen momentan recht langweiligen Alltag und ebenso einen Hauch vom Abenteuer.
Ich befand mich zu jener Zeit, im Herbst 02, im 3. Semester meines Medizin- studiums. Zu der Zeit war ich 22 Jahre alt.
Bevor ich studierte, hatte ich mein Abitur mit einem hervorragenden Numerus Klausus hingelegt und war anschließend beim Zivildienst unter die Sanitäter gegangen, was mir dann die Liebe zu einem Medizinstudium einbrachte.
Vor meinem Medizinstudium hatte noch ein 3monatiges Praktikum in Gilead / Bielefeld (ein Krankenhaus in der Krankenstadt Bethel) absolviert, wo ich auf der Station für Hämatologie, Onkologie und Immunologie war....kurz alles war mit Krebs und AIDS zu tun hatte. So weit sei ein wenig von meinem Werdegang der letzten Jahre vorweggenommen, welches im Grunde mit meiner Begegnung mit dem Bongokönig nix zu tun hatte. Wobei wenn ich ehrlich bin schon ein bißchen, denn ich war zu dem damaligen Zeitpunkt durchaus mal daran interessiert später mal bei Ärzte ohne Grenzen u.a. auch in Afrika mitzuarbeiten, aber das waren natürlich Hirngespinste. Die Pläne des Bongokönigs dagegen waren durchaus greifbar.
Damals, ja das alles war damals als ich das erste Mal seine Wohnung betrat.
Mein erster Gedanke an Afrika war nun allerdings doch verflogen, denn plötzlich vernahm ich aus dem Hinterzimmer einen Schlager von Reinhard Mey und wenn ich genau hinhörte, war mir so als wenn es das Lied "Über den Wolken" wäre, was wohl auch zu traf.
Berthold kam nun aus der Küche heraus, mit zwei Tassen Tee in der Hand, auf mich zu. "Kommen Sie, junger Freund," wandte er sich zu mir hin und ich folgte ihm in das Zimmer, aus dem das "Wolkenlied" von Reinhard Mey herauskam.
"Sie haben wohl auch ein starkes Interesse an Afrika ?" fragte er mich ein wenig forsch, aber keineswegs unfreundlich, sondern mehr nach dem Motto "Hart aber Herzlich".
"Ja," antwortete ich. "Ich bin einfach auf der Suche nach dem Abenteuer und Ihr Vortrag am Samstag hat mich doch einfach inspiriert. Das ist etwas außergewöhnliches, etwas das nicht jeder macht."
"Ja das stimmt," stimmte er mir zu. "Wissen Sie was mir vorschwebt ? Nein wahrscheinlich nicht. Ich würde gerne mit mehreren Interessierten nach Ghana fliegen, die dort mit mir zusammen 2 - 3 Monate am Aufbau dieses Buschhotels arbeiten, so als Entwicklungsprojekt. Ich weiß, das solche Entwicklungsprojekte vom Land Nordrhein-Westfalen gesponsort wird. D.h. für Entwicklungshelfer unter 26 gäbe es den Flug für wenig Geld."
Meine Augen begannen in jenem Augenblick zu leuchten, dann dachte ich zurück an die Diashow....Land des Goldes, eingebettet inmitten von Urwäldern.
Die bunten Märkte, die Gold-und Diamantenfelder und ich selber würde mir vorkommen wie Bud Spencer in Banana Joe.
"Ja, das hört sich sehr interessant an und gleichzeitig würden wir den Menschen dort neue Perspektiven eröffnen," fügte ich hinzu.
Inzwischen waren einige Tage vergangen und Weihnachten nahte. Ich hatte von meinen Plänen auch Natascha erzählt. Natascha war eine Krankenschwester, die ebenfalls in Bethel arbeitete. Wir waren früher auf das gleiche Gymnasium gegangen, sie war immer eine Klasse über mir.
Im Laufe der Jahre verloren wir uns dann mal wieder aus den Augen und trafen uns dann immer überraschend wieder, auch wenn wir nicht einmal den Nachname, die Adresse und Telefonnummer des anderen kannten. Nicht das jetzt hier ein falscher Eindruck entsteht: Natascha und ich waren einfach nur gute Freunde, mehr nicht. Gemeinsam verband uns der Sinn für das Abenteuer und das Außergewöhnliche, weg von dem 08/15-Geschmack anderer Leute.
Natascha, so fand ich, war genau die Richtige, die doch sicherlich auch Interesse hätte an so einem Projekt mitzuwirken, obgleich ich mir im Klaren war, das sie durch ihren Beruf bedingt Deutschland sicherlich nicht für mehr als 1 Monat verlassen könnte. Sie saß ja schon fest im Sattel.
Natascha war sehr wohl eigenwillig, wann vielleicht auch nicht besonders ehrgeizig, denn für ein Studium hatte sie sich nicht hinreißen lassen. Sie wollte Krankenschwester werden und gab sich damals mit einem Abi-Schnitt von 3,3 zufrieden. Aber sie war handfest und konnte zu packen, ohne sich vor Arbeit zu drücken, außerdem war sie auch ein eher nachdenklicher Mensch, der nicht nur bis zur nächsten Party dachte.
Natascha war von dem Plan schon begeistert gewesen und fand vor allen Dingen, das der Bongokönig das richtige Gespür für praktische Entwicklungshilfe kannte, statt mit dem Klingelbeutel durch die Kirchen zu rennen nach dem Motto "Brot für die Welt und Kuchen für mich".
Gleichzeitig sah sie das Ganze aber auch ein wenig skeptisch und war im Zweifel ob Bongokönig nicht ein Träumer wäre, der mit seinen hochragenden Plänen sich nur von den eigenen Schicksalsschlägen kurzzeitig befreien wollte.
"Ich meine ja nur, diesem Berthold ist im Leben nicht viel geschenkt worden, er ist doch im Grunde auch von den Leuten verarscht worden....War erst Zimmermann und auf Wanderschaft gegangen, da kam er dann nicht zurecht mit den Leuten, da lernte er dann halt Maurer....Na und seine Frau hat ihn auch verlassen," meinte sie. "Ich selber habe von diesem Berthold schon mal gehört. Ehrlich gesagt...," und damit überraschte sie mich doch ziemlich. "Er wohnte nur einige Häuser weiter von uns. Er ist ein wirklich herzensguter Mensch und das ist sein Problem, denn seine Frau und die Kinder haben das auch ausgenutzt. Berthold war in der Nachbarschaft dafür bekannt, das er sich dann in so absurde Pläne flüchtete." Und dann begann sie weiter zu erzählen von dem Bongokönig und seinen früheren Plänen.
"Eines seiner Pläne war mal, selbst ein Segelboot zu bauen und dann damit um die ganzen Welt zu segeln," erzählte sie. "Er wollte damit sogar um das berühmt berüchtigte Kap Hoorn segeln, aber nach einiger Zeit war er doch von diesem Plan ab." "Ach und ein Boot hatte er aber trotzdem gebaut," wollte ich neugierig wissen. "Ja," meinte sie, "und ist damit auf dem Dümmer (See in Norddeutschland) gesegelt."
Ja der Bongokönig war ein wirklich interessanter Zeitgenosse, ein wenig ungeschliffen in seiner Ausdrucksweise vielleicht, aber mit einem großen Herz.
Ich hatte mir überlegt, wer denn noch wohl Interesse an unserem abenteuerlichen Unternehmen hätte, da dachte ich gleich an Tarkan Yilmaz, mit dem ich auch früher zu Schule gegangen bin. Tarkan studierte nun Architektur und wäre die ideale Ergänzung zu unserem Team. Tarkan war wirklich sehr in Ordnung, lässig, ehrlich, tolerant, offen für neues, nur hatte er zu Schulzeiten das Laster zu den Dauerkiffern zu gehören, wobei sich sein Cannabiskonsum, so viel ich weiß jetzt aufs Wochenende reduziert hatte. Harte Drogen oder so hatte Tarkan aber nie angerührt, er blieb bei seinen Bongs. Aber als Türke mit deutschen Paß hatte er es damals auf dem Gymnasium auch nicht gerade leicht, als einzigster Ausländer in der Klasse, aber mit seiner lässigen Art brachte er sich in das Herz der Mitschüler. "Leben und leben lassen" war und ist sein Devise.
2. Das erste Treffen eines Dream-Teams
Der Bongokönig war sehr begeistert, das wir Lust hatten in Ghana Entwicklungshilfe zu leisten: Die Welt mit neuen Augen erfahren, weg von unserem Gartenzaun.
Berthold selbst hatte eine Annonce geschaltet, denn er war fest entschlossen so etwas wie eine 2-monatige Fahrt nach Ghana zu leiten mit Entwicklungshilfe- einsatz und gleichzeitig etwas über das Land und die Leute zu erfahren. Er war froh jüngere Leute unter 30 Jahren dabei zu haben und er meinte ideal wäre, wenn wir eine Gruppe von 6 -7 Mann wären.
Auf die Annonce meldete sich noch ein Günter Feldmann, ein Diplom-Betriebs- wirt aus dem Controllingbereich. Günter, ein intelligenter aufgeschossener Mittfünziger wäre die ideale Ergänzung zu dem eher etwas introvertierten Bert- hold, so fand ich.
Und dann meldete sich noch eine Ricarda Vennjakob auf die Anzeige, die Halb- italienerin war, denn ihre Mutter stammte aus der Toscana. Als ich Ricarda das erste Mal sah, war ich mir aber nicht wirklich sicher, ob sie wirklich zu unserem Team paßte. Sie war ein sehr schönes Mädchen von Mitte Zwanzig und einem südländischen Temperament, aber gleichzeitig wirkte sie auch etwas eingebildet und arrogant. Sie war Hotelfachfrau, hatte auch schon als Stewardess gearbeitet und war auch etwas dem Luxus verfallen. Aber meine eher etwas mißgünstige Meinung über sie, würde ich schon recht bald verlieren.
Es war Anfang Januar 2003, draußen war einer dieser naßkalten Tage mit Temperaturen knapp über 0 Grad C. Aber von diesem ungemütlichen Wetter draußen, wollten wir uns die Laune nicht verderben lassen, wo wir uns doch in der gemütlichen Wohnung des Bongokönigs trafen.
Ich, Tarkan und Natascha waren die Ersten die eintrafen. Dann kamen Günter und Ricarda. Die ersten Blicke hatten wir insbesondere auf Ricarda gerichtet, die ja nun in ihrem teuren Kostüm, das sie anhatte, gar nicht wie eine künftige Entwicklungshelferin aussah. Aber Ricarda ließ sich von unseren erst argwöh- nischen Blicken nicht in die Ecke drängen. Dabei war sie doch auch sehr sen- sibel, ohne sich dieses anmerken zu lassen.
Dann kamen wir schließlich ins Gespräch und ich merkte schnell das sich Ricardas erst etwas hochmütige Art in ein Lächeln auf gleicher Augenhöhe verwandelte. Erst hatten wir sie in unserem Gespräch ein wenig außen vor gelassen, doch sie band sich mit sehr intelligenten Statements ein.
Vorher aber lauschten wir dem Vortrag des Bongokönigs über Ghana, seine Pläne und das Reiseunternehmen was vor uns lag:
"Ich hatte mich sofort in das Land verliebt, die Gelassenheit der Menschen, die Gastfreundschaft, tropische Wälder, die Nationalparks, der Voltastausee u.v.m.
Wißt ihr, Ghana ist eines der wenigen Länder Afrikas, wo man doch Hoffnung schöpft. Mal abgesehen von einigen Bandenkriegen im Norden des Landes herrscht dort seit über 20 Jahren Frieden und eine gewisse politische Stabilität.
Ein Mulatte namens Rawlings beherrschte seit Anfang der 80ziger Jahre Ghana. Erst hatte er mit den Militärs gegen die früheren Machthaber einer anderen Militärjunta geputscht. Dann hatte er demokratische Neuwahlen zugelassen, dann nach 2 Jahren aber wieder geputscht. Seitdem allerdings ging es mit Ghana bergauf, nach 2 Jahrzehnten Mißwirtschaft und Korruption. Vor 10 Jahren dann hatte er wieder demokratische Parteien zugelassen und sitzt seitdem als demokratisch gewählter Präsident an der Spitze des Staates bis 2001 ein Ghanaer namens Kufuor Ghanas erster Mann im Staate ist.
Ghana ist heute immer noch ein sehr armes Land, aber es hat schon seit langem keine Hungerskatastrophen mehr erlebt. Ich selber war Ende der Achtziger Jahre das erste Mal nach Ghana gereist im Rahmen einer CVJM-Studienreise. Ich lernte viele Entwicklungsprojekte kennen, die meistens von hiesigen CVJM- Verbänden getragen worden waren: Vor allen Dingen in Ausbildungsstätten wurde investiert. Und da komme ich nun zu dem Projekt, welches ich nun schon seit 2 Jahren plane:
Diese Ausbildungsstätten, die durch Entwicklungshilfe entstanden sind haben ein gravierendes Problem: Die Eltern der Jugendlichen, die dort ausgebildet werden, haben ein Ausbildungsgeld von vielleicht 100,-- Euro im Jahr zu zahlen. Das ist viel Geld für die meisten Eltern, auch für Eltern aus der relativ kleinen Mittelschicht, die vielleicht etwas mehr als 50,-- Euro im Monat verdienen. Und nach der Ausbildung stehen die Jugendliche auf der Straße mit einem Lehrberuf aber keinem Job.
Unser Buschhotel, das wir bauen wollen, soll auch ein Ausbildungszentrum für Jugendliche werden. Dort könnten sie Hotelfachmann oder Koch lernen. Dabei sollen ihre Eltern aber nicht teures Ausbildungsgeld bezahlen müssen, sondern die Auszubildenden würden noch einen kleines Taschengeld am Ende des Monats in Empfang nehmen z.B. 15,-- Euro. Ich würde dafür später sorgen, das die Gäste aus Europa in dieses Hotel kommen. Überhaupt ist die Tourismus-Branche in Ghana ein Wachstumsmarkt. Wir können den Touristen tolle Ausflüge bieten wie Safaris in den Nationalparks des Nordens, eine Fahrt auf einem Bananendampfer den Voltafluß hoch oder Ausflüge auf Diamantenfelder...." Unsere Augen leuchteten, bald würden wir uns richtig als eine Gruppe fühlen, die gemeinsam an einem hoffnungsvollem Projekt arbeiten würde.
Der Abend verging wie im Fluge und es gab noch viel zu planen. Vor allen Dingen wollten wir noch viele Spenden für unser Projekt einnehmen können und da bald die Zeit des Faschings kam, viel uns auch schon etwas sehr originelles ein:
Berthold, der gute Beziehungen zum CVJM unterhielt, konnte Räumlichkeiten des CVJM's für unsere "Sponsoring-Fasching-Party" nutzen. Sie wurden uns unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
Wir erwarteten über 100 Faschingsgäste, jedenfalls hatten wir durch Mund-zu-Mund-Propaganda mehrere Studenten von der Bielefelder Uni, aber auch andere Leute auf unsere Party aufmerksam gemacht.
Tarkan hatte für die Party die glorreiche Idee, wir sollten uns doch ein wenig schwärzen, uns schwarze Perücken aufsetzen ( außer Tarkan, der sich ja keine Perücke aufsetzen brauchte, da er ja schon pechschwarze Haare hatte ) und so in diesem Outfit die Gäste empfangen und dann das ganze noch halbnackt.
Gesagt getan luden wir so zu dieser ungewöhnlichen Sponsoring-Faschings-Party ein. Wir stellten Plakate auf, die über unser Projekt informierten, afrikanische Rhythmen liefen im Hintergrund.
Dann hatten wir uns für diese Party ein total verrücktes Konzept ausgedacht. Wir hatten da für die Party eine gewisse Grundausstattung, halt etwas Partymusik, ein paar Snacks, ein bißchen Dekoration und der Eintritt war frei.
Wir wollten natürlich, das jeder sich irgendwie afrikanisch einkleidet, jetzt zu Fasching war das ja auch kein Thema. Nun ja wir hätten ja gleich so los feiern können, aber das war halt nicht Teil unseres Konzeptes gewesen. Wir baten unsere Gäste, von denen dann auch ca. 140 Leute kamen alle möglichst pünktlich zwischen 20.00 und 20.30 Uhr zu erscheinen. Wir waren danach eine geschlossene Gesellschaft.
Dann begannen wir um 20.30 Uhr eine sogenannte Auktion oder wie immer man das auch nennen soll. Die spendierfreudigen Gäste sollten durch die Höhe der Spenden bestimmen, wieviel den noch an Dekoration und Essen für die Party hinzukommen sollte. Das ging etwa so: Ich schrie u.a. in die Partymenge, es gibt noch 10 Kästen Bier heute dazu, wenn wir hier einen Spendenfound von 100,-- Euro zusammen haben. Das zog sich dann etwa noch 45 Minuten hin, ab da konnte dann noch jeder freiwillig was dazu geben, und wir hatten eine klasse Party, die jetzt erst richtig losgehen konnte.
So tanzten wir, der Bongokönig ganz schwarz wie Ruß in einem traditionellen Ashantigewand, welches das Volk der Ashanti zu feierlichen Anlässen wie etwa Beerdigungen trug. Ich selber hatte mich etwas nackiger gemacht mit freiem Oberkörper, mit einem Baströckchen bekleidet und einem Pfeil in der Hand.
Tarkan hatte sich von Ricarda, die sich da wohl ganz gut auskannte so Art Dreadlocks flechten lassen. Ricarda selber war auch halbnackt, fast eine schwarze Schönheit, so richtig zum anbeißen. Natascha und Günter in der Beziehung ein wenig zurückhaltender malten sich zwar auch schwarz an, aber verzichteten sonst weitgehend auf afrikanisches Outfit: Natascha kleidete sich dazu auch noch ganz schwarz, so das sie wie ein schwarzer Schatten durch die Gegend zog. Günter hatte ein Hawaiihemd angezogen und wollte Urlaubsstimmung aufkommen lassen.
Alles in allem war die Party eine sehr gelungene Sache und jeder gab durchschnittlich 15,-- Euro an Spenden, so das wir insgesamt bei ca. 140 Gästen 2100,-- Euro einnahmen, wo wir etwa 500,-- Euro in die Party investiert hatten.
So strichen die Wochen ins Land und es wurde Frühling. Inzwischen waren wir ein sehr gut eingespielten Team, das sich nun schon besser kannte und wir alle waren sicher, das wir auch nun den kommenden Sommer 1 - bis 2 Monate in Ghana an unserem Projekt arbeiten würden. Zu jener Zeit bekam Berthold die Nachricht, das er nun schon im Sommer in Rente gehen sollte, da gegen das Bauunternehmen, in dem er arbeitete ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Da mußte gerettet werden, was noch zu retten war, Berthold war 60 und da lag es natürlich nahe das er nun in den Ruhestand gehen sollte. Jüngeren Arbeitnehmern im Unternehmen wurde z.T. gekündigt.
Für Berthold kam dies nicht überraschend, denn schon lange kränkelte das Bau- unternehmen vor sich hin. Außerdem hatte er so auch genug Zeit sich ganz dem Buschhotel in Ghana zu widmen. Erst hatte er nämlich neben 4 Wochen bezahltem Urlaub noch 2 Wochen unbezahltem Urlaub zu nehmen.
Ricarda, Günter und Natascha hatten jeweils auch viel Urlaub angespart und konnten 6 Wochen nach Ghana fliegen. Tarkan, der Bongokönig und ich dagegen konnten 2 Monate Aufenthalt in Ghana einplanen.
Berthold hatte nach langen und kostspieligen Telefongesprächen, Briefen und man staune auch Emailkontakten in Ghana alles so weit in die Wege geleitet, was im Vorfeld noch nicht klar war. Kofi-Colin Ansah, ein geschäftstüchtiger und mit allen Wassern gewaschener Ghanäer war unser Verbindungsmann.
Er hatte für uns dort in der Zwischenzeit alles in die Wege geleitet. Seine Connections und Kontakte zu alle möglichen Leuten würden wir noch zu schätzen wissen. Er würde uns unseren Aufenthalt sehr erleichtern.
Kofi-Colin Ansah, Kofico genannt, war in den Slums von Accra aufgewachsen.
Als er Jugendlicher war ging Ghana gerade in die Unabhängigkeit...das war 1957. Kofico lernte schnell zu handeln, wie man in jener feindseligen Welt gut zu recht kam. Das hieß natürlich nicht immer auf dem rechten Wege gehen. Kofico war damals in einer Bande organisiert, die z.T. klaute, Schutzgeld erpreßte usw.. Es ging für ihn damals ums nackte Überleben. Es hätte mit Kofico schlimm enden können bis einer seiner Bande einmal auf einen Entwicklungshelfer des CVJM's stieß, einem gewissen Heinz Becker. Dieser Heinz Becker kam im Auftrag des CVJM's Deutschland, um dort in den Vororten von Accra ein christliches Lehrlingsheim zu errichten. Kofico und die anderen Bandenmitglieder schienen an jenem christlichen Lehrlingsheim gefallen zu haben. Endlich kam da mal jemand, der sie unterstützen wollte, wo sie von der Polizei, früher von den englischen Kolonialherren, von reichen Millionären und anderen Banden immer gejagt worden waren.
Heinz Becker gab ihnen eine Chance ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Kofico, selber des Lesens kaum mächtig, aber ein guter Organisator erlebte einen beispiellosen Aufstieg. Er war einer der begabtesten aus seiner Truppe und er war es auch, der das immer größer werdende Lehrlingsheim weiterführen würde. Er paukte bis er schließlich sogar in Europa studieren durfte. Ja und Ende der Achtziger Jahre lernte er dann den Bongokönig kennen und das war der Beginn einer langanhaltenden Freundschaft.
3. Der Flug nach Ghana
Es war inzwischen Sommer geworden und wir hatten schon insgesamt 5.000,-- Euro an Spenden eingenommen. Berthold selber hatte vorher auch noch einiges angespart, was er ja auch konnte, da seine Kinder groß waren, brauchte er keine Alimente mehr zu zahlen.
Wir hatten auch noch viele Formalitäten zu erledigen, bevor wir denn losfliegen konnten.....Es mußte ein Antrag beim Land NRW gestellt werden, damit wir jungen Leute den Flug nach unserer Reise zum Teil erstattet kriegen, dann die ganzen Visaformalitäten, die vorgeschriebenen Impfen gegen Gelbfieber und Cholera und und und.
Alleine die Visaformalitäten nahmen viel Zeit in Anspruch....alles mußte 3 und 4fach ausgefüllt werden. Da war natürlich die Reise in ein anderes EU-Land ein Klacks, wo man bei den Grenzübergängen verwaiste Zollhäuschen auf fand.
Ich selber war zu jener Zeit schon viel herum gekommen, jedenfalls hatte ich die meisten westeuropäischen Länder und auch einige osteuropäische Länder gesehen. Ach ja und im letzten Jahr war ich 1 Monat in der USA gewesen, dort hatte ich zwar kein Visum beantragen müssen, aber im Flugzeug hatten wir so eine Besucherkarte auszufüllen mit so schwachsinnigen Fragen wie: "Waren sie an einem NS-Verbrechen beteiligt ?" oder "Waren sie an einem politischen Umsturz beteiligt ?".
Aber dann kam der ersehnte Moment...Es war Donnerstag, der 3. August 2003.
Zeki, ein Cousin von Tarkan brachte uns nach Amsterdam, von wo aus wir dann mit der Koniglijke Luchtmachtepij kurz KLM nach Accra flogen in die Ghanäische Hauptstadt.
Zeki hatte einen großen und geräumigen Bulli, wo wir 6 und unser Gepäck problemlos reinpaßten. Während der Fahrt war Zeki recht schweigsam und nur ab und zu wechselte er mit Tarkan ein paar Worte in einem Gemisch aus Deutsch und Türkisch. Tja Tarkan hatte so seine verwandtschaftlichen Beziehungen, was sicherlich oft ein Vorteil ist, es war ja schließlich nicht selbstverständlich das uns Tarkans Cousin 3 ,5 Stunden durch die Gegend karrte.
So kamen wir wohl und behütet in Amsterdam an. Tarkan meinte zu mir: "Naja mein Cousin hat hier in Holland noch so einiges zu besorgen, so hat er uns natürlich gern mitgenommen. Ehrlich gesagt ist mein Cousin schon oft an etwas krummen Geschäften beteiligt, aber sonst ist keiner aus meiner Familie kriminell. Er funktioniert manchmal als so ein Art Drogenkurier, weißt Du ? Aber wenn wir zurückkommen holt uns mein Vater ab, der hat mit solchen Sachen nix zu tun. So brauchst du dann auch keine Angst haben, das wir so'n paar Bullen am Arsch haben." "Willst Du damit etwa behaupten, wir sind vermutlich noch mit einigen 100 Gramm Heroin unterm Hintern gefahren ?" regte ich mich auf.
"Nein, nein," versuchte Tarkan mich zu besänftigen. "Er fährt höchstens mit heißer Ware nach Deutschland zurück. Ich weiß jetzt, was du vielleicht denkst, das mein Cousin manche Vorurteile gegen Türken bestätigt, aber der Rest der Familie ist wirklich nicht kriminell." "Hey, Tarkan. Du brauchst Dich doch nicht zu rechtfertigen. Ich weiß ja, das du mit sowas nix zu tun hast, außer das du ab und zu mal ne Tüte rauchst. Aber wer kann dazu schon nein sagen," klopfte ich ihm auf die Schulter.
Nach 2 Stunden Wartezeit ging es an Bord der Maschine. Die meisten Gäste an Bord waren Schwarze. Meistens waren es Ghanäer auf Heimaturlaub.
Die Maschine war groß mit jeweils 2 Sitzen an den Fenstern und in der Mitte 5 Sitzen. Leider hatten wir nicht das Glück alle nebeneinander zu sitzen. Tarkan und Natascha saßen am Fenster auf der rechten Seite. Ich und Ricarda saßen 2 Plätze weiter zwischen den beiden Gängen und unsere beiden älteren Herren saßen 2 Reihen weiter auf der linken Fensterseite.
Diese Ricarda war für mich noch immer etwas ein Rätsel. Ja, ich hatte schon meine Vorurteile gegen sie begraben: Ich wußte, das sie keineswegs arrogant war, höchstens halt ein wenig überzeugt von sich. Aber sie saß dort mit lackierten Nägeln und hochgestecktem Haar vielleicht ein wenig unpassend für diesen Flug. Aber wir kamen ins Gespräch und Ricarda hatte durchaus schon in der freien Wildnis übernachten und war kein Barbypüppchen, das den Laufsteg nur auf und ab maschierte. Sie hatte halt nur sehr viel Sinn für ein gepflegtes Äußeres. Ja ich als armer Medizinstudent lief auch schon mal öfters mit 3Tage-Bart rum, denn auch in den Discotheken, in denen ich mich zuhause fühlte, gab es keine besonderen Bekleidungsvorschriften, was nicht heißen soll, das ich mich nur in linksalternativen Crossing-all-over-Discos aufhielt, wo alles mit Graffiti vollgekleistert war und es außer der Klotür nur noch eingetretene Türen gab.
Ricarda erklärte mir: "Hättest Du mal als Steward gearbeitet, würdest Du jetzt auch wahrscheinlich die meiste Zeit des Tages wie ein gelackter Affe rum rennen. Ich muss auch jetzt, wo ich im Hotel bin oft repräsentieren, denn da kommen Leute ins Hotel, die soviel Geld verdienen, wie der Etat für den ghanäischen Militärhaushalt beträgt. Ich arbeite halt im Ravensberger Hotel, einer der feinsten Hotels in Bielefeld und ganz Ostwestfalen-Lippe."
Ich erwiderte: "Na bei Dir stehen doch die Männer wenigstens Schlange, oder ?"
Ricarda begann laut auf zu lachen: "Na schön, wenn es so wäre. Aber ich habe halt soviel im Hotel zu tun. Ich habe die ganzen letzten Jahre nur an meine Karriere gedacht, da wollte ich endlich mal raus aus dem ganzen Hotelmief, mit nach Ghana kommen, an einem Entwicklungsprojekt teilnehmen. Ein ganz anderes Leben kennenlernen." Je länger wir uns unterhielten, desto mehr mochte ich Ricarda.
Wir flogen mehr als 6 ,5 Stunden über Südfrankreich, Mallorca, Algerien und über die Sahara. Ein paar Male versuchte ich mich zu einem Fenster zu gelangen, wechselte mal mit Natascha, aber viel von dem vielen Sand der Wüste sah ich nicht durch den Dunst, der in der Luft lag. Davon mal abgesehen flogen wir in einer Höhe von rund 10.000 m Höhe.
Draußen wurde es langsam dunkel als das Flugzeug zur Landung ansetzte, aber es war keineswegs später am Abend, sondern erst kurz nach 18.00 Uhr Ortszeit. Aber da wir ja nur wenige Breitengrade über dem Äquator landeten wurde es hier auch früher dunkel, wesentlich früher als in Deutschland Anfang August.
Nachdem das Flugzeug gelandet war, stiegen wir aus. War es bei unserem Abflug in Amsterdam mit knapp über 20 Grad C nur mäßig warm, so empfing uns hier eine schwüle und gewittrige Luft bei fast 30 GradC.
Da waren wir also gelandet und befanden uns Mitten in Afrika, auf dem Kotoka Airport in Accra / Ghana. Jetzt würde noch eine Zollprozedur auf uns warten, die sich gewaschen hatte. Aber im Team waren wir sicher, jeder von uns hielt einige DM-Scheine in der Hand, damit wir uns schneller durch den Zoll lotsen konnten.
Erst erwartete uns das Office of Immigration, dann das Office of Health, dann das Office of Arrival und natürlich noch das Office of customs immer mit einer längeren Warteschlange verbunden. Aber es ging durch einige Bestechungs- versuche unsererseits doch doppelt so schnell wie normal.
Schließlich gelangten wir in die Halle, wo das Kofferband lief, welches ja auch nun unsere Koffer befördern sollte. Das war natürlich ein großer Hick-Hack, aber nach einigen Minuten waren wir alle wieder glückliche Kofferbesitzer. Hier und da versuchte uns jemand die Koffer wieder aus der Hand zu reißen, aber das gelang denen Gott-sei-Dank nicht.
Dann ging es zur Wechselstube, wo wir einige hundert Mark gegen tausende von Cedischeinen einlösten ( Cedi = ghanäische Währung ). Nicht alles denn Euro wurde lieber genommen als Cedis.
Die Cedischeine trugen wir dann schließlich mit uns in ganzen Tüten, da es nur Cedischeine bis zu einem Wert von 2,-- Euro gab.
Nach dem ganzen Tohuwabohu kam ein Schwarzer auf uns zu, etwas schlaksiger Gestalt - der Bongokönig hatte ihn schon von weitem erkannt, aber für uns andere unterschied er sich erst nicht von den anderen Männern, die hier in der Flughafenvorhalle herumliefen.....Es war Kofico und er hatte seine Frau Deborah, die allerdings heller war als er, mitgebracht. Sie war schon leicht ergraut und hatte längere glatte Haare. Kofico kam uns mit einem Lächeln entgegen.
Mit den Worten "Akwaaba Bert," gab Kofico dem Bongokönig feierlich die Hand. "Willkommen in Ghana." Kofico hatte einen alten Lastwagen mobilisiert auf deren offener Ladefläche wir, ich Ricarda, Tarkan, Günter und Natascha mehr als genug Platz hatten. So ging es dann also vom Kotoka-Airport mit diesem alten Kleinlaster auf einer Ringstraße in die Vororte der ghanäischen Hauptstadt. Für mich war das alles sehr fremd und auch die anderen mußten sich an diesen "kleinen Kulturschock" erst ein wenig gewöhnen.
Wir kamen durch reichere Gegenden, wo Villen standen, die eingezäunt waren, aber genauso kamen wir auch durch die Elendsviertel, wo nur ein Blechdach über dem Kopf für deren Bewohner für den notwendigen Regenschutz sorgte. Doch jetzt wo es draußen schon stockdunkel war, konnte man nur die Hütten im Schein der Neonlichter und der Petroleumlampen erahnen.
Dann kamen wir in die Ecke in der Kofico wohnte. Er wohnte in einem etwas reicheren Bezirk, wobei man deren Bewohner wohl der Mittelschicht, wenn es denn so etwas in Ghana gab, zurechnete.
Kofico selbst wohnte in einem Bungalow mit einem Garten davor. Sein Sohn Ebo-Emanuel dreschte gerade im Schein einer Neonrohre das schon recht hochgewachsene Gras mit einer Machete nieder. Überall jagten die Gekos durchs Gras und aus den Abwasserkanälen, die vor dem Haus verliefen quarkten nun, wo es Abend war die Frösche. Auch die Grillen zirpten hier und dort. Eine wundervolle Atmosphäre hatte uns empfangen.
Danach bekam ich nicht mehr sehr viel vom Abend mit, sondern fiel todmüde auf eine Matratze, die man mir als Schlafstätte hergerichtet hatte.
4. Wenn der erste Hahn kräht....
Die kommende Nacht konnte ich sehr gut durchschlafen, allerdings war sie auch nicht sehr lang, denn um ca. 5.00 Uhr morgens begann der erste Hahn zu krähen, der die vorher quakenden Frösche ablöste. Ich fühlte mich plötzlich wie auf dem Lande, denn früher als ich so ca. 10 war, zu einer Zeit als das Kabelfernsehen noch im Versuchsstadium war und die Kids nur mal höchstens am Wochenende im Café an Ballerautomaten Strichmännchenspiele spielten, ja da wohnte ich noch auf dem Lande und wir spielten immer oft beim Bauern. An diese Idylle erinnerte mich der Hahnenschrei am Morgen.
Jetzt langsam begann ich wieder zu realisieren, wo ich denn überhaupt war....in Westafrika, wo auch in den Großstädten die Leute in paar Ziegen und Hühner hielten. Nach dem dann auch einige Hähne in der Nachbarschaft ihren Morgenschrei eingeübt hatten, wollte ich mich noch einmal zur Seite umdrehen und schlafen, dann aber hörte ich aus Koficos Küche eine Frauenstimme singen...irgendein Gospellied....Es war Koficos älteste Tochter Adjoa, die auch noch zur Hause wohnte und noch nicht verheiratet war.
Wieso mußte es denn im diese Zeit schon so laut sein und wieso mußte man denn schon um halb 6 morgens singen, fragte ich mich. Ja ich hatte ja gut geschlafen, von daher war es mir auch etwas egal, vielleicht war dies aber auch ein anderes Kulturverständnis....ein anderer Lebensrhythmus.
Ich lag noch so bis 7.00 Uhr morgens wach, nachdem bereits die Sonne aufgegangen war und machte mich dann auf, raus aus den Federn zu kommen.
Neben mir schlief noch Tarkan auf dem Boden, der ebenfalls bei Kofico untergebracht war. Auch der Bongokönig und Günter waren in einer kleinen Kammer auf Matratzenlager untergebracht. Ricarda und Natascha waren dagegen bei Verwandten von Kofico untergebracht, reichen Leuten, die etwas weiter in einer noch vornehmeren Gegend von Accra wohnten. Es war ein Cousin von Kofico, der mehrere Jahre in England studiert und gearbeitet hatte und sich so ein kleines Vermögen angespart hatte, so das er sich hier in Ghana ein größeres Haus und 2 Hausboys leisten konnte.
Auch wenn es sich jetzt so anhört, so waren wir bei Kofico keineswegs schlecht untergebracht, auch wenn wir auf Matratzenlagern schliefen, denn wir hatten ja alles...Die Matratzen waren weich und gemütlich lag man auf ihnen. Kofico hatte halt nicht mehr Platz in seinem Haus, als das er auch die Frauen hätte unterbringen können.
Nach einem ausgiebigem Frühstück mit Weißbrot, Ananasmarmelade (wobei die Ananas sicherlich aus Ghana stammen, aber in Europa zu Marmelade verarbeitet wurde) und schwarzem Tee, ging es los ein wenig die Hauptstadt zu erkunden. Ein Frühstücksei und frische Milch hätte uns hier sicherlich 3 Wochen Durchfall bereitet. Das sind eben die Risiken, die einen in den Tropen erwartet.
Wir stiegen auf Koficos Kleinlaster und dann ging es los über die huckige Sandpiste zur geteerten Hauptstraße. Wir mußten natürlich erst einmal die Mädchen abholen und fuhren also mit dem Kleinlaster bis vor die Villa von Koficos Cousin. Dann ließ Kofico ein lautes Hupkonzert los, so das ein Hausboy verdutzt die Einfahrt zur Villa öffnete. Kofico fuhr aufs Grundstück und hupte noch einmal laut, denn Ricarda und Natascha standen noch nicht vor der Tür.
Dann aber kamen sie aus der Tür gestürmt, wir packten sie bei der Hand und ab ging es auf die Ladefläche. Kofico setzte rasant zurück ohne seinen Vettern zu begrüßen, der nun auch aus der Tür gestürmt kam.
Kofico fuhr uns ein wenig durch die Gegend und die einzelnen Stadtteile der Hauptstadt, die zwar für Touristen nicht sehr sehenswert waren, aber immerhin wir befanden uns in einer Hauptstadt. An Sehenswürdigkeiten, wenn das welche waren, sahen wir den ghanäischen Triumphbogen, der zur Unabhängigkeit von einem gewissen Kwame Nkrumah, dem ersten Präsidenten Ghanas gebaut wurde. Der Kerl war doch so verrückt das er eine 5 Kilometer lange Autobahn bauen ließ, danach war ihm aber doch das Geld ausgegangen.
Kofico fuhr weiter in die ghanäische Industriestadt Tema, wo die meisten Fabriken des Landes ihren Sitz hatten. Wenn es irgendwo in Ghana Industriebetriebe gibt, dann dort. Tema selbst empfand ich als weniger schön, aber wir verließen auch rasch diesen Ort der Fabrikschlote und alten Fabrikhallen, wo Aluminium hergestellt wurde. Weiter ging es dann von der Hauptstraße ab auf eine Sandpiste in den kleinen Fischerort Prampram. Dort in der Nähe planten wir das Buschhotel aufzubauen. Wir fuhren noch einige Kilometer weiter über eine Piste und kamen zu einem halbverfallenen Haus im Kolonialstil.
Kofico hielt und wir stiegen von dem Kleinlaster.
"Willkommen im neuen Buschhotel "Goldcoast"," tönte der Bongokönig großspurig, als er gerade aus dem Wagen stieg.
"Vor einigen Jahren war das hier mal eine florierende Kakaoplantage an der Küste, damals von den Engländern gegründet. Aber seit Anfang der 70ger Jahre ging es mit diesem Anwesen bergab bis 1990, da verließen die Besitzer dieses Anwesen und ließen es dem Verfall zurück," erklärte der Bongokönig voller Sehnsucht mit Blick auf die alten Zeiten. "Jetzt will dieses Anwesen keiner mehr haben, so will es uns der ehemalige Besitzer für wenig Geld verpachten. Wir haben natürlich nun ein ganzes Stück Arbeit vor uns um aus dieser Ruine wieder ein halbwegs passables Haus herauszuhauen."
Der Bongokönig hatte uns schon einige Fotos von diesem Anwesen gezeigt, das er ja zusammen mit Kofico ausgesucht hatte, aber in der Realität sah dieses Anwesen noch viel heruntergekommener aus als auf den Fotos. Fensterscheiben waren zerbrochen, der Glanz der Farben war dem Schimmel gewichen, Elefantengras wucherte rings ums Haus, so das man sich den Weg zur Seitentür nur mit einer Machete bannen konnte. Aber auf der anderen Seite war dieses Haus einmal ein monumentales Bauwerk gewesen, welches Anfang des letzten Jahrhundert erbaut worden war so um 1905 oder 1910.
Das Haus besaß einen schönen Balkon und es erinnerte mich irgendwie wie an alte Kolonialbauten in Lateinamerika.
Nun realisierte ich erst in welch wundervoller Umgebung ich mich befand...Im Grunde hätte der Bongokönig von der Landschaft her kein schöneres Anwesen für unser Buschhotel auswählen können, es war halt nur der Verfall des Hauses, den wir ja nun aufhalten wollten: Man hörte das Rauschen des Meeres....ein herrlicher Palmenstrand offenbarte sich uns nur einige Hundert Meter vom Anwesen entfernt. Hinter dem Haus befand sich riesiges Elefantengras und Urwald, der noch nahezu unberührt schien, denn nur ein kleiner Pfad führte vom Haus aus in den Dschungel. Ich war doch recht neugierig geworden, denn bisher hatte ich Dschungel nur auf der Mattscheibe bestaunen können.
So schritt ich also den Pfad vorsichtig entlang. Es war ein Glück, das ich eine lange Hose anhatte, sonst hätte ich mir wohl tiefe Schnittwunden hinzugezogen, denn das Elefantengras war hart und wie lange Messer kamen mir die Grashalme entgegen.
Ich staunte nicht schlecht, als ich die hohen Bäume, die Lianen und die bunte Blumenwelt bestaunen konnte....überall schimmerte es bunt durch. Aber das war ja noch nicht der eigentliche Dschungel so wie man in vom Amazonas her kennt, sondern nur ein kleinerer aber auch dichter Busch. Ich merkte das meine Beine doch recht naß waren, da es noch heute Nacht geregnet hatte und gerade hier in den unteren Stockwerken des Waldes sammelte sich das Wasser.
Ich ging wieder zurück, mein Blick in einen Urwald war fürs erste befriedigt.
Ich wußte gar nicht wo die Anderen geblieben waren, denn nur das Auto stand dort - hatten sie sich etwa an den Strand verzogen ?? Wahrscheinlich war es so..
Naja weit konnten sie ja nicht weg sein und so wollte ich erst einmal das Haus inspizieren.
Ich ging zur Tür, die ein wenig klemmte, aber nicht abgeschlossen war. Da war ich dann plötzlich im Inneren dieses dunklen Gebäudes, in dem es muffig roch, außerdem drang in den Eingangskorridor genügend Licht, so das ich so das Schimmel sich schon ausgebreitet hatte. Der Eingangskorridor war recht groß und 3 Türen befanden sich auf der linken und auf der rechten Seite. Am Ende des Korridors führte eine Treppe ins Obergeschoß. Ich schritt langsam den Korridor entlang und mit jedem Schritt knarrte der Fußboden fürchterlich.
Die Tapeten waren auch halb vermodert, aber ihre Muster konnte man noch gut erkennen: sie bestanden aus Blümchen. Links und rechts zwischen den einzelnen Türen hingen noch Fotos an der Wand, auch schon halb vergilbt. Auf ihnen waren weiße Männer mit Tropenhelmen abgebildet. All diese Fotos stammten noch aus der Kolonialzeit. Ich hatte so auf die 40ger Jahre getippt, zu einer Zeit als im Rest der Welt der Krieg tobte, aber hier in Afrika war man noch sicher, denn Hitler kam nur bis kurz vor Alexandria.
Jetzt hörte ich plötzlich Rufe von draußen und so schaute ich wieder ins helle Tageslicht. Meine kurzsichtigen Augen sahen allerdings die Gestalten von Tarkan und Günter nicht sehr scharf. Nicht das ich sonderlich kurzsichtig war, nein meine Dioptriewerte waren nicht höher als -1 dpi. (damit galt ich noch als leicht kurzsichtig), aber wenn nur irgendwie möglich versuchte ich auf eine Brille zu verzichten. Irgendeinen Ball oder eine Badehose hatte Tarkan in der Hand und kam damit näher gerannt. Nein, dann erkannte ich es, als er auf mich zu rannte und Günter hinterher. Es war Günters Unterhose und Tarkan wollte mal testen, wie schnell Günter noch war. Dann kam Tarkan weiter auf mich zugeeilt, drückte mir Günters Unterhose in die Hand und sah zu das er in das alte Kolonialhaus verschwand.
Man hätte jetzt denken können, das Ganze wäre ein böser Schabernack von Tarkans Seite gewesen, nein, aber das war es gewiß nicht, denn Günter verstand sehr wohl Spaß und sah das ganze als eine Art sportliche Betätigung, auf die man so am Strand kommt. Ich muß allerdings sagen, das Günters Geschmack an Unterhosen nicht gerade "erotisch" war, nein es war eine schlichte weiße Alt- männerunterhose. Günter war genauso wie der Bongokönig geschieden, das allerdings schon seit langen Jahren. Fortan lebte er in wechselnden Beziehungen, aber meistens als Single und typischer Junggeselle. Naja und da er nun schon eine Zeit lang solo war, brauchte er ja auch nicht sonderlich erotische Stringtangas zu tragen.
Nachdem wir uns noch eine Weile an den herrlichen Palmenstrand gelegt hatten und die heiße Tropensonne genossen, ging es wieder zurück nach Accra.
Somit war der erste Tag in Ghana zu einem unvergeßlichen Tag geworden.
5. Die Begegnung mit der tödlichen Immunschwäche
Der darauffolgende Tag, wollte Kofico nutzen um uns eine wenig von dem zu zeigen, was wir sonst nur aus dem Fernsehen kannten....die Elendsviertel von Accra. Bevor es am Tag danach richtig mit den Vorbereitungen für die Sanierungsarbeiten losgehen würde, zeigte er uns die Stätte, wo er groß geworden war inmitten von schäbigen Wellblechhütten und Abwasserrinnen. Seine Eltern waren schon lange tot und alle seine 6 Geschwister hatten es nun geschafft diesen Elendsvierteln zu entkommen durch Kontakt zum CVJM und auch zu Kontakten nach Europa. Aber einige Männer und Frauen aus seinen früheren Straßengangs lebten noch hier. Wir fuhren ein ganzes Stück bis wir in die Slums kamen. Hier in den Slums kam dann der Kleinlaster von Kofico nur noch stückchenweise voran. Was wir sahen und uns Furcht einflößte, waren z.T. aggressive Gesichter von Jugendlichen, die dem Kleinlaster nachliefen, aber als sie Kofico am Steuer sahen, machten sie einen Bogen und waren verschwunden.
Dann waren wir da, vor einer Hütte. Eine ältere Frau kam aus dem Wellblechverschlag hervor und traute ihren Augen nicht, denn da saß doch tat- sächlich Kofico hinter dem Steuer des Kleinlasters. Stürmisch begrüßte sie ihn - es war Yaaba, Koficos große Jugendliebe, die er dann aber doch nicht heiratete, denn ein revalisierender Bandenchef war schneller gewesen, der allerdings hatte inzwischen das Zeitliche gesegnet.
Kofico hatte Yaaba schon ein halbes Jahr lang nicht besucht, aber uns wollte er die Situation hier zeigen, wie Yaaba und ihre Kinder und Enkel zu 8 Personen zusammen in einem Bretterverschlag hausten.
Trotz der Armut und dem wenigen was sie besaßen, war Yaaba und die anderen keineswegs in Lumpen gekleidet, sondern hatten billige aber saubere T-Shirts und einen Rock an. Yaaba begrüßte uns alle herzlich mit den wenigen Brocken Englisch, die sie während ihrer kurzen Schulzeit gelernt hatte.
Yaaba und Kofico zogen sich einen Moment in die Hütte zurück. Die Atmosphäre war schon für uns anderen komisch. Da standen Hütte an Hütte, überall dazwischen pickten ein paar Hühner den Dreck vom Boden und weiße Sonntagskleider wehten im Wind an Wäscheleinen hängend, nicht weit von Abwasserkanälen.
Es war nicht viel Zeit vergangen, da kam Yaaba weinend mit Kofico aus der Hütte wieder heraus. Yaaba weinte und weinte.
Wir guckten die verzweifelte Frau erstaunt an. Was war denn los ? War es der Hunger ? Oder die triste Situation in dieser Gegend zu wohnen ? Nein, zu Essen gab es zwar nicht reichlich aber genug, wenn auch zum größten Teil die Kost aus gestampftem Mais bestand. Es war Yaabas älteste Tochter Liz, die an der tödlichen Immunseuche litt: AIDS. Und das war nun vor einigen Monaten ausgebrochen.
Dann kam Kofico auf mich zu und verkündete Yaaba: "He is our doctor. Please Doctor....go to Liz and see what happened....." Seit jener Situation trug ich nun den Spitznamen "Doctor" und fortan, wenn mich nun Kofico rief, dann rief er nicht nach Daniel, sondern nur noch Doctor. Naja, ich war ja noch am Anfang des Medizinstudiums, aber ich hatte mich schon entschieden in die Richtung "Onkologie und Immunologie" zu gehen.
So ging ich also in die Hütte und sah dort Liz, die einmal eine ebenholzfarbige Schönheit sowie Adjoa sein mußte, mit Rastalocken und einer guten Figur, dieses konnte ich einem Foto entnehmen, das an der Wand der Hütte hing, aber jetzt.....ihre Augen guckten wie 2 Glupschaugen aus den entzündeten Augenhöhlen heraus.....sie war nur noch Haut und Knochen....abgemagert um mindestens 20 kg ihres normalen Körpergewichtes. Ihr langes Haar war schüttern und z.T. ausgefallen. Sie war so schwach, das sie sich kaum noch artikulieren konnte. Mit einem Schlucken im Hals näherte ich mich ihr.
Ich hatte als Zivildienstleistender und später als Krankenhauspraktikant schon AIDS-Kranke im Spätstadium gesehen und ich war mir nicht ganz sicher, aber meiner Meinung nach hatte Liz höchstens nur noch ein paar Tage zu leben. Da würde auch kein AZT oder ein anderes Medikament helfen. Ich versuchte sie anzugucken, aber ihre Pupillen reagierten fast nicht mehr. Sie schien nur noch Schatten wahrzunehmen.
Ich legte meine Hand auf ihre Stirn, ihr Kopf war total am glühen. Sie lächelte mich jetzt an, dann allerdings knickte sie weg. Es war vorbei. Ich war zu spät gekommen. Dieses Erlebnis brannte sich in jenem Augenblick für immer in mein Gedächtnis. War es denn nun wirklich vorbei mit ihr ? fragte ich mich.
Ich versuchte ihren Puls zu fühlen, aber da gab es nichts mehr zu fühlen.
Niedergeschlagen wand ich nun den Blick ab von ihr.
Noch nie hatte ich trotz meines Zivildienst als Sanitäter jemand unmittelbar sterben sehen und gerade dieser Augenblick, diese Hilflosigkeit, der ich nun ausgesetzt war.....ich, der neben einem gerade verstorbenem 25jährigem Mädchen saß, welches mich friedselig mit offenen Augen anblickte.
Nun trat Yaaba in die Hütte und fing ganz bitterlich an zu weinen. Nun traten auch die anderen in die Hütte. Ja, "Doctor" war zu spät gekommen. Wir hätten ja sicherlich das Geld für Liz aufbringen können, damit sie mit lebensverlängernden Medikamenten versorgt werden konnte, aber wir hätten ein paar Monate früher kommen müssen, dann hätte sie vielleicht noch 1 bis 2 Jahre leben können.
Ich hatte einmal in einer Sendung gehört, das Brasilien, ein Land mit vielen HIV-Infizierten z.B. die Rezepte teuer verkaufter Medikamente entschlüsselt und sie dann die gleichen Medikamente für die Hälfte herstellt, damit auch ärmere HIV-Infizierten ihren Tod um einige Zeit aufschieben können.....solches mißfällt der Pharmaindustrie natürlich sehr.
Jetzt schaute ich auf das Bild von Liz, das ja an der Wand hing - viele Fragen gingen mir nun durch den Kopf. Wie z.B. hatte sich Liz bloß in aller Welt angesteckt ?? War sie von einem Freund angesteckt worden ??
Stumm verließen wir die Hütte und Yaaba lehnte jede weitere Hilfe, die wir ihr in dieser schweren Situation anboten, ab - nur ein Gebet sprachen wir zum Abschluß mit ihr. Liz war halt an einer Krankheit gestorben, welche sie in der Gesellschaft zu einer Aussätzigen machte. Nur ihre Mutter hatte zu ihr gehalten.
Stumm fuhren wir ohne ein weiteres Wort weiter Richtung Koficos Haus.
Am Abend erfuhren wir dann die ganze Geschichte, die uns Kofico erzählte. Er selber hatte sich sehr um Liz gekümmert, zu einer Zeit als bei Liz das HIV-Virus noch nicht ausgebrochen war. Liz, hatte davor als Prostituierte gearbeitet, hatte an den Stränden der Hauptstadt auf europäische und amerikanische Geschäftsleute gewartet und hatte sich ihnen angeboten. Bei diesen Kontakten hatte sie sich wohl mit dem Virus angesteckt.
Diese Geschichte machte mich noch trauriger. Ich dachte wie dieses einst wunderschöne Mädchen, welches ihre Familie aus den Dreck ziehen wollte, als Prostituierte arbeiten mußte, weil sie halt nicht anderes fand. Für diese Dienste mußte sie mit ihrem Leben bezahlen. Letztendlich wurde sie auch noch von der Ghanäischen Polizei am Strand aufgelesen und verhaftet, da Prostitution in Ghana verboten ist. Kofico erzählte weiter, das sie dann in ein Art Arbeitslager kam, wo sie ein Jahr hart in einem Steinbruch Steine hacken mußte. Aus dem Gefängnis entlassen, bat ihr Kofico eine Lehrstelle in einer Lehrwerkstatt des CVJM's an. Diese nahm sie dann auch an, aber wenig später brach der Virus aus, so das sie vor einigen Monaten die Lehre abbrechen mußte. Sie wurde immer dünner, bekam den grauen Star, eine Lungenentzündung, welche sie dann hinraffte.
Ich selber wurde mir zu dieser Zeit auch bewußt, welches Problem der afrikanischen Jugend in den nächsten Jahren bevor stehen würde, wenn in Ghana und anderen westafrikanischen Staaten die Quote der HIV-Infizierten bei z.T. bei über 5% liegt. In Ost-und Südafrika war und ist die Situation noch schlimmer, denn hier werden bis zu 25% der Jugendlichen an AIDS sterben. Da hilft es nur jungfräulich in die Ehe zu gehen.
6. Heinz Becker
Es gibt Leute, die haben eine Menge in ihrem Leben gesehen, mitgemacht, viele Fehler gemacht, aber auch dafür gelitten und wieder gutgemacht. Einer der zu jenen Leuten gehörte war Heinz Becker. Er war keiner dieser Ewiggestrigen, welche sich nicht ihrer eigenen Vergangenheit stellen können. Er hatte selbst die Hölle erlebt, welche ihn endgültig von seinen schweren Fehlern und seinem jugendlichen Hochmut befreit hatte. Heinz Becker hatte seine Kindheit im Köln der 20ger Jahre verbracht, als die deutsche Wirtschaft am Boden lag. Zu einer Zeit, als Deutschland noch durch den Versailler Vertrag geknebelt, Reparations- zahlungen zu leisten hatte, welche wohl noch aus damaliger Sicht bis zur Jahrtausendwende gezahlt werden mußten. Die Arbeitslosigkeit stieg immer mehr. Gepeitscht von nationaler Demütigung wuchs der damalige kleine Heinz auf. Dann erschien ein neuer Stern am Himmel, ein vermeintlicher sogenannter "Hoffnungsträger", der Deutschland wieder zu einer Weltmacht werden lassen wollte: Adolf Hitler.
Der kleine Heinz war sehr begeistert von diesem neuen Führer, der mit seinen großen Reden die Menge in seinen Bann nahm. So auch den kleinen Heinz.
Heinz wurde später Ortsgruppenleiter eines Kölner Vorortes in der Hitler Jugend. Dann kam das wahre Gesicht des Führers zum Vorschein, als die ersten jüdischen Geschäfte brannten und schließlich Polen überfallen wurde.
Doch für den inzwischen jugendlichen Heinz war klar, das die Polen den Angriff provoziert hätten. Heinz war damals noch zu jung, um in den Krieg zu ziehen....Anfang der 40ger Jahre wurde er dann 18jährig doch eingezogen. Er wollte vorne kämpfen an der Front bei der Waffen-SS. Doch dann drehte sich das Blatt. Heinz war einer derjenigen welche nach Rußland geschickt wurden... vorne an die Front. Dörfer hatte er nie nieder gebrannt, aber er guckte zu, wie so manche russische Dörfer in Flammen aufgingen.....es waren ja nur die Häuser, die er sah wie sie abbrannten.
Doch als sich das Blatt wendete, vernichteten die russischen Truppen in dem harten Winter 42/43 die meisten deutschen Soldaten, auch von der Waffen-SS.
Und gerade Heinz mit seinen zu dieser Zeit 19 Jahren überlebte diese Hölle. Glück im Unglück: Er kam in russische Kriegsgefangenschaft. 10 Jahre lang war er nach Sibirien verbannt worden, wo er in Kohlenrevieren schwer arbeiten musste. Ganz erschöpft kam er dann Mitte der 50ger Jahre nach Hause, wollte von der Hitlerdiktatur und Waffen-SS nichts mehr wissen. Fortan wurde er ein sehr gläubiger Mensch, arbeitete für den CVJM und als Entwicklungshelfer in aller Welt u.a. auch in Ghana. Anfang der 70ger Jahre lernte er u.a. auch Kofico kennen, den er von der Straße geholt hatte. So hatte er es mit vielen Menschen getan, er der Pfarrer und Anwalt der kleinen Leute.
Heinz Becker war ein stattlicher Mann mit einem stattlichen Gewicht und nicht zu übersehen....er trug einen weißen Vollbart und hatte ein Hawaiihemd an. Ein kleiner Gauner war er aber auch noch geblieben, denn sonst wäre er in dieser Welt, wo er tätig war zu Grunde gegangen.
Jetzt mit über 70 hatte er Ghana zu seinem Altersexil gewählt und war von einem Stamm mit über 10.000 Stammesmitgliedern, der in Ostghana seine Heimat hatte, zum Chief ernannt worden, weil er unter anderem jahrelang dort in den Dörfern des Stammesgebietes Schulen aufgebaut hatte. Der Bongokönig kannte ihn auch schon lange.
Jetzt stand er dort in der Eingangstür von Koficos Bungalow, der alte Mann mit kräftiger Figur und einem weißen Rauschebart. Nein, wie der Alm-Öhi sah er nun nicht aus, denn seine Kleidung war nicht dementsprechend.
Der Bongokönig war der Erste, den der alte Mann herzlich mit einem Schulterklopfer begrüßte. Tränen kamen Heinz Becker über das Gesicht und seine blauen Augen spiegelten die Wiedersehensfreude wieder.
Wir verbrachten den ganzen Abend draußen auf der Veranda und Heinz Becker erzählte uns von vielen Geschichten, die er als Entwicklungshelfer, aber auch im Krieg erlebt hatte. Wir hatten an jenem Abend gegrillt, einige Kebab-Spieße auf den Grill gelegt und "Starbier" getrunken, einer ghanaischen Biersorte, die vielleicht nicht jedermanns Geschmack ist.
Die Nacht konnte ich gut schlafen und fest schlafen, auch wenn ich noch an noch an das Mädchen Yaaba denken mußte.
Der nächsten Tag dann begann mit einem Paukenschlag - nicht die Hähne hatten mich unsanft geweckt, sondern jener Heinz Becker, jener alter Mann welcher schon um 5 Uhr aufgestanden war, um am nicht all zu entfernten Strand zu joggen. Wir wollten schon früh an diesem Tag los, denn es war nun Wochenende und bevor wir unser "Bauprojekt" am Dienstag starten wollten, hatte sich Heinz Becker bereit erklärt uns mit nach Afegame mitzunehmen, wo jener Stamm lebte, wessen König er sei. Afegame lag an der Grenze nach Togo, in einem Teil von Ghana, welcher sich bis 1918 Deutschtogo nannte.
Ich, Tarkan und Ricarda fanden sich in Heinz Beckers Jeep wieder, die anderen und Kofico fuhren dagegen mit Koficos "Tro-Tro", seinem Kleinlaster.
Die Fahrt sollte sich als langwieriger und mühsamer Weg erweisen, welcher uns erst nach Akosombo brachte, wo sich vor unseren Augen ein riesiger Staudamm erhob, einer der größten Staudämme Afrikas, welcher den Volta staute, so das sich der Volta vor über 30 Jahren zu einem mächtigen Stausee angewachsen war, dem größten Stausee der Welt, welcher über 30 km breit und einige 100 Kilometer lang war. Die Vergabelungen des Voltasees führten bis nach Nordghana, zum Rande der Sahelzone.
Akosombo war wie ein großer grüner Garten, die am Hang der Berge lagen, welche den Voltastausee abgrenzten. Die Luft war herrlich und nicht so bedrückend schwül, aber es lag trotzdem irgendwie ein mächtiges Gewitter in der Luft, das spürte ich. Das war auch kein Wunder, denn jetzt im europäischen Sommer begann in Ghana die Regenzeit, die 2. Regenzeit des Jahres.
Am Ufer des Voltasees würde nun eine Fähre auf uns warten, welche auch unsere Autos aufnehmen sollte. Doch dann kam eine rostige Fähre an, welche sicherlich schon noch zu Kolonialzeiten in Betrieb genommen wurde. Wutschnaubend kam dieser verrostete Blechhaufen an. Fragend sah ich den Bongokönig an: "Das Ding soll nicht nur uns, sondern auch die beiden Autos aufnehmen ?" "Ja sicher," erwiderte der Bongokönig. "Es gibt zwar auch einen Landweg, aber du weißt ja, wer nix riskiert, gewinnt auch nix."
"Und was sollen wir diesem Schiff mit dem Namen "Volta never dry" abgewinnen ?" guckte ich ihn fragend an. "Nun," witzelte er. "Wie schon der Name sagt, das der Volta niemals trocken ist. Das werden wir auch auf dem Fährschiff in Erfahrung bringen und falls wir absaufen, kein Problem. Wir fahren ja an der Nähe des Ufers lang. Naja mal abgesehen davon was in dem Fluß so kreucht und fleucht. Da gibt es z.B. so einen Süßwasserwurm, welcher einem durch die Haut in die inneren Organe kriegt. Dort entwickelt er sich dann fort und lebt von des Menschen Innereien. Die einzigste Möglichkeit so einen Wurm loszuwerden ist, wenn er mal Sauerstoff tankt, das man in dann langsam und behutsam aus der Haut zieht." Mit einem Ekel ohnegleichen lief es mir den Rücken herunter.
Schließlich aber waren wir auf dem Wasser und ich muß sagen, das mir die Fahrt auf der alten Fähre Vergnügen bereitete. Jetzt fühlte ich mich irgendwie in das 19. Jahrhundert zurückversetzt, wo Tom Sawyer und Huckleberry Finn den Mississippi runterfuhren.
Wir waren nicht weit vom Ufer entfernt, denn ich konnte noch genau Frauen sehen, die dort ihre Wäsche am Stausee wuschen und Kinder, die uns aus der Ferne zuwinkten. Alte Baumstümpfe guckten am Ufer noch aus dem Wasser und Schilf säumte sich am Ufer entlang.
Ein paar Stunden brauchten wir, ehe wir in der Nähe von Kpandu an Land setzten. Kpandu selber hatte keinen größeren Hafen, wo Autos die Fähre verlassen konnten.
Dann fuhren wir noch einige Kilometer landeinwärts ehe wir nach Afegame kamen. Die letzten Kilometer dann führten uns über eine Sandpiste, die nicht befestigt war....außerdem war gerade Regenzeit, so das wir nur mit Mühe und Not schafften Koficos Kleinlaster zwischen den großen Pfützen und Schlammlöchern hin und her zu manövrieren. Doch das Aussteigen und schieben war uns nochmals erspart geblieben.
Es wurde immer bergiger ehe wie letztendlich in Afegame angekommen war, die Hitze am heutigen Tag wurde über schwüler und uns plagten die Moskitos doch sehr.
Es war kurz vor 18 Uhr als wir das Dorf Afegame erreichten, das Reich in dem Heinz Becker der Chief war. Es war hier richtig gemütlich und romantisch, wenn man nicht gerade an die Moskitos dachte, die überall am schwirren waren.
Ich kam mir ein wenig vor wie ein Hauptdarsteller in einem Tarzanfilm, denn der Ort Afegame wirkte typisch afrikanisch, jenseits der Hauptstrassen. Die Hütten die hier standen bestanden hauptsächlich aus Lehm und waren mit Schilfrohr bedeckt - nur die Verwaltung und Heinz Beckers Haus, der Palast des Häuptlings am Rande des Dorfes waren aus Holz und Stein, einer Mischung aus Kolonial-und Westernstil.
Heinz Becker und natürlich auch wir wurden triumphal empfangen......nicht das man uns die Füße küßte, nein um Himmels Willen, aber junge Mädchen kamen mit Blumen und Bananen an, ein wenig wie auf Hawaii.
7. Die Schmuggler
Heinz Becker war nun ganz verschwitzt und mußte sich erst einmal umziehen. Er wollte uns ganz früh am nächsten Morgen den Wli-Wasserfall zeigen, dem größten Wasserfall des Landes, der in Kaskaden 100 m herunterkam. Jener Wasserfall ist es auch, welcher genau die Grenze nach Togo markiert.
An jenem Wasserfall waren zu dieser Zeit auch einige Schmuggler unterwegs, welche Kokain nach Tema, Accras Hafen schmuggeln wollten, um die kostbare Fracht dann nach Übersee zu schmuggeln. Heinz warnte uns an jenem Abend noch vorsichtig zu sein, denn die Schmuggler seien gerissen und unberechenbar.
So saßen wir abends auf Heinz Veranda und die Sonne war schon untergegangen.
"Ich weiß nicht genau, es wird hier immer gefährlicher an der Grenze, früher waren es Flüchtlingstrecks die über die Grenze kamen, aber heute sind es die Schmuggler, Waffen und Kokain schmuggeln sie hier vor allen Dingen des Nachts rüber, wenn die Grenzpatroillen schlafen. Nur ab und zu fliegt mal ein Hubschrauber der ghanaischen Armee über das Grenzgebiet und leuchtet die Gegend ab. Die Schmuggler machen uns hier noch das Leben zur Hölle, indem sie uns bedrohen, einschüchtern und die Grenzpatroillen bestechen," sah uns Heinz mit ernster Miene an.
Ich schlief diese Nacht das erste Mal in einer Lehmhütte, zusammen mit Günter und Tarkan teilte ich mir die Hütte.
Mitten in der Nacht wurden wir aufgeweckt. Mir war so als hätte ich Schüsse vernommen. Was in aller Welt hatte das zu bedeuten, waren etwa Heinz Warnungen eingetroffen ??
Ich, Tarkan und Günter hielten es für das Beste, wenn wir leise aufstanden und uns neben der Eingangstür positionierten. Von draußen hörten wir Schreie, als würde dort gekämpft. Schüsse vernahmen wir Gott-sei-Dank nicht mehr.
Und plötzlich, da machte sich jemand an unserer Tür zu schaffen. Wer auch immer das sein mochte, wir würden ihn uns greifen. In der Hütte war es stockdunkel, da nur Schlitze unterhalb des Strohdaches Licht von außen eindringen ließen, nur jetzt Mitten in der Nacht natürlich nicht.
Jemand versuchte das primitive Schloß der Tür zu knacken und ehe er die Tür demolieren konnte, rissen wir die Tür auf (wir wußten, das da draußen höchstens 2 Männer waren, die die Tür aufbrechen wollten - das vernahmen wir an den Schritten und den Stimmen) und schon schien es, als würden 2 dunkle Gestalten in den dunklen Raum purzeln. Sie hatten eine Gaslampe bei sich, die nun zu Boden fiel und Gott-sei-Dank zerbrach sie einfach, so daß das Feuer in der Lampe erlosch, bevor es explodieren konnte.
Die beiden Gestalten standen auf, ein wenig Licht von außen drang nun durch die Tür, doch ehe sie sich versahen, hatten unsere Fäuste sie wieder zu Boden gestoßen. Wir wußten zwar nicht, wer die Männer wohl sein mochten, aber es waren gewiß keine Leute aus dem Dorf.
Nachdem sich unsere Augen, an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, sahen wir, das die beiden zu langen Rohren griffen....es schienen Gewehre zu sein. Diese Situation war nun äußerst gefährlich, denn ich hätte mir denken können, das auch sie in der Lage waren wild um sich zu schießen.
Da kam eine etwas dickere Gestalt von außen und ich sah, das es Heinz war. Er hatte irgendwas in den Händen, dann sah ich das es Boxhandschuhe waren. Und als die Männer nun zu den Rohren griffen, da erhob er seine beiden Hände mit den Boxhandschuhen und ließ sie auf deren Köpfe sausen. Benommen sanken die Männer zusammen.
Schon eilte noch jemand herbei...es war Bongokönig und er beleuchtete die Hütte mit seiner Taschenlampe.
Draußen herrschte noch ein Tohuwabohu. Mehrere Männer des Dorfes hatten die zwar bewaffneten aber verdutzten Schmuggler in die Flucht geschlagen.
Es war nun schon kurz vor 6 und die Nacht war ohnehin zu Ende, außerdem senkte sich nun der Horizont in ein helles Lila. Es dauerte nur einige Minuten und man vernahm die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Die Dämmerung dauerte hier, ein paar Breitengrade nördlich des Äquators ohnehin nur eine viertel Stunde.
Die Ereignisse der vergangenen Nacht hatten uns allen ein wenig zugesetzt und so starrten wir uns an jenem Morgen schweigend an. Dann nahm Heinz das Wort in die Hand: "Wie soll ich es Euch erklären ?! Nun vielleicht habe ich Euch mit diesem Aufenthalt hier im Dorf ein wenig in Gefahr gebracht, da ich wußte, das die hiesige Mafia sich an mir rächen wollte, da ich als Chief des Dorfes deren Geschäfte im Wege stand. Ja, sie wollten mich und unser Dorf erpressen, das wir sie gefälligst durchließen und ihren Geschäften nicht in die Quere kämen. Aber ich verriet sie und die ghanäische Armee konnte einige von ihnen festnehmen. Andere Zollbeamte hatten sie geschmiert. Also hatten sie den Auftrag bekommen mich zu beseitigen, welches sie in der heutigen Nacht versucht hatten, aber Dank Euch und einigen jungen Männern im Dorf konnten wir sie in die Flucht schlagen. Tut mir nur um den ein oder anderen Leid, der eine Gehirnerschütterung und Knochenbrüche davongetragen hat, aber c'est la vie. Ich habe versucht meine Angreifer nicht ernsthaft zu verletzten....."
Dann meinte Bongokönig ein wenig verächtlich, aber scherzhaft: "Na wie willst du alter Mann den jemanden ernsthaft verletzten ?" "Ach mich alten Sack hat noch keiner in den Sack gehauen," antwortete Heinz darauf kühn.
"Ich habe die sibirische Hölle ertragen, wo ich noch nicht mal 20 war und seitdem habe ich bisher noch jede Tortur überlebt, nur um Euch mache ich mir Sorgen. Vielleicht solltet ihr doch besser bald wieder zurück fahren. Na und ich werde hier wohl erst einmal ein paar Tage Ruhe haben vor den Schmugglern."
Bongokönig schüttelte ein wenig den Kopf, wie ein alter Mann von Ende 70, noch so leichtsinnig sein konnte, aber Heinz war hart im Nehmen.
Nun stand die Sonne schon hoch am Himmel und Heinz ließ sich nicht beirren uns an jenem Morgen die Wli-Wasserfälle zu zeigen.
Mühsam bannten wir uns, alle noch etwas verschlafen von der aufregenden Nacht, den Weg durch den Dschungel. Lianen hingen überall wie eine Blätterwand von den Bäumen herunter und Blumen von ungeahnter Schönheit offenbarten uns des Weges.
Heinz erklärte uns, das dies ein Naturreservat sei, aber da er Chief des Dorfes Afegame sein, könnten wir dieses Gebiet natürlich auch ohne Erlaubnis der hiesigen Behörden betreten. Es war die grüne Grenze und ich empfand irgendwie auch Angst in jenem Dschungelstück, da sich vielleicht hier oder dort doch noch einige Schmuggler versteckt hätten können. Aber wir vernahmen nur das Vogelgezwitzscher tropischer Vögel. Und dann waren sie da....die Wli-Wasserfälle, die aus 60 Metern Höhe in Kaskaden die Bergwand runterdonnerten. Ich ließ es mir nicht nehmen und sprang mit einem Satz samt meiner Kleider in den Fluß, der den Wasserfällen zu Füßen lag. Das Wasser war recht kalt und klar, sicherlich nicht wärmer als 20 Grad C, die richtige Erfrischung bei 30Grad C Schwüle, die es auch schon jetzt an jenem Morgen kurz nach Aufgang der Sonne war. Ich schwamm nach Herzenslust in diesem Fluß. Da sah ich, wie auf der anderen Seite des Ufers Soldaten mich anstarrten. Sie schrien mir irgendwas auf Französisch zu, da war mir klar, das es sich um togesische Soldaten handelte, Soldaten aus dem französischsprachigen Togo.
Ich hatte in der Schule bloß einige Jahre Latein und Englisch gelernt, so das nur ein Wortschwall auf mich eindrang. Dann sahen sie aber auf die andere Seite, sahen Heinz, Cofico und Bongokönig, gaben irgend ein Zeichen von Ok und verschwanden. Heinz war ja Chief und sie schienen ihn zu kennen. Es war mir nur rätselhaft, das sie wohl auch die Schmuggler ziehen ließen....aber naja das Thema hatten wir ja schon.
Schnell sprang ich wieder aus dem Fluß, denn ich hatte wohl unerlaubt die Grenze nach Togo betreten, welche in jenem Fluß lag. Ich hatte ein wenig Angst, aber Heinz zog mit einem Grinsen über das Gesicht vor mir her. Dann klopfte der er mir auf meine nassen Schultern, die ich gerade aus dem Wasser gezogen hatte: "Keine Angst vor den Grenzsoldaten. Solange ich hier mit hinkomme wird dich keiner zu Rede stellen oder verhaften. Ich finde es sogar gut, das sie das Gebiet hier mal abgrasen, denn so fällt ihnen der ein oder andere Schmuggler in die Hände. Einige Zollbeamte, die irgendwo einsam ihr Zollhäuschen haben, mögen sie bestechen können, nicht aber die togischen Militärs....Nein, die werden besser bezahlt. Die haben wohl auch die Lunte gerochen, was hier letzte Nacht vor sich ging."
Bongokönig schlug vor: "Du kannst doch perfekt französisch, Heinz, da kannst du uns doch sicherlich mal einen Tag nach Togo mitnehmen, oder ?"
Heinz meinte darauf: "Ja, das könnte ich tun, nur bräuchtet ihr wieder für Togo Visa und das dauert dann wieder eine Woche. Togo ist ein wirklich schönes Land, nur die wirtschaftliche Situation ist dort schlechter als in Ghana. Togo ist ein wenig isoliert, denn während es in Ghana und Benin die letzten Jahre bergauf ging, sorgte in Togo eine Militärjunta dafür, das es dort mit der Wirtschaft weiter bergab geht. Ihr müßtet mal gucken, ob ihr in Accra bei der togesischen Botschaft möglichst schnell ein Visum bekommt."
Glücklich und voller Abenteuerlust verließen wir jenen Ort, gingen zurück nach Afegame.
Wir fuhren zurück nach Prampram, diesmal allerdings über die Hauptstrasse, die in einem ganz erträglichen Zustand war, eine Landstrasse ohne große Straßenschäden. Während der Rückfahrt waren wir ziemlich sprachlos, vernahmen nur das Pfeifen von Kofico, der im Fahrerhaus bester Laune den Kleinlaster steuerte.
8. Heiße Ware an Bord
Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, das uns etwas verfolgte - erst dachte ich wäre es nur Einbildung, dann allerdings konnte ich das was uns verfolgte, wahrnehmen....es war ein großer Toyota-Jeep, der so ganz zufällig hin und wieder hinter uns war. Naja im Grunde war das ja nix ungewöhnliches, denn es gab ja nur die eine Straße nach Accra, sonst hätte er einen Umweg fahren müssen - wahrscheinlich über den Voltastausee.
Kurz vor Accra dann, als wir dann die Hauptstrasse abbogen nach Prampram, fuhr er auch so ganz zufällig weiter. Im Dorf Prampram allerdings schien er zu halten: Dort stieg derjenige, der hinter dem Steuer saß aus und zu meiner Überraschung war es kein Schwarzafrikaner, sondern eher Südeuropäer oder Araber. Er stieg an einem Kiosk aus, wo man auch Tanken konnte.
Sein Tank schien voll zu sein, denn das Einzigste was er sich besorgte war irgendein ghanaisches Revolverblatt....Dann zückte er ein Handy und schaute in unsere Richtung.
Ich wollte ihn im Auge behalten, aber Kofico fuhr nun einfach weiter zu unserem "Buschhotel".
Dort angekommen mußte erst einmal alles abgeladen werden, was wir von Heinz mitgebracht hatten. Dann staunte Bongokönig plötzlich nicht schlecht: "Wer hat uns denn da ein Pfund Zucker in den Wagen gelegt, hat das uns etwa unser Heinzens Becker spendiert ?"
Er hielt ein verschweißtes Paket von reinem weißen Zucker ? in die untergehende Sonne. Wir schauten alle wie gebannt auf jenen Pfund....Ja wir starrten es an, wie jene Könige aus dem Morgenland, welche zu Jesu Geburt ihre kostbaren Geschenke anpriesen. Dann kam Tarkan und inspizierte die Ware genauer: "Wißt ihr was....wir sind gemachte Männer, wenn wir das verkaufen, denn das kann nichts anderes sein als reines Kokain..." Günter musterte ihn mißtrauisch: "Ist das auch jene Ware mit der Dein Cousin dealt ?"
"Ja, aber er hat es nicht so oft gemacht, aber ich habe sowas schon mal gesehen. Nicht das ihr jetzt denkt ich hätte sowas schon mal genommen oder damit gedealt.....," versicherte Tarkan. "Aber wenn ich daran denke, wieviel Wert das Zeug haben könnte.....wahrscheinlich mindestens 50.000,-- Euro."
Panikartig packte Bongokönig das Zeug und versteckte es wieder auf der Ladefläche des Lasters.
"Nein, wenn das die ghanaischen Bullen sehen, dann kriegen wir 15 Jahre Kerker aufgebrummt," argwöhnte er. Dann kriegte er einen Panikanfall und schrie wie ein Irrer: "ICH WERDE DAS ZEUG VERBRENNEN, VERBRENNEN WERDE ICH ES......."
Er nahm das Paket, schnitt es auf und schüttete deren Inhalt auf den Boden. Jetzt holte er eine Flasche mit Petroleum, machte sie auf, schüttete das Petroleum auf das Kokain. Ein brennendes Streichholz und das Petroleum und Kokain brannte lichterloh. Gott sei Dank hatte Bongokönig wenigstens darauf geachtet, das das alles weit weg von der nächsten Grasfläche geschah, an einer Stelle wo nur die blanke Erde hervor guckte.
Wehmütig blickten wir in die Flammen, denn wir wußten nun egal was wir machten würde eine unheilvolle Auswirkung haben.
Ich wurde das Gefühl nicht los, das uns irgend jemand beobachtete. War es etwa jener Fahrer, welcher in seinem dicken Toyota gesessen hatte ?
Nun dieses Gefühl der Paranoia war auf der anderen Seite auch kein Wunder, denn was hatten wir doch alles in der letzten Nacht erlebt, außerdem hatten wir heiße Ware im Wert von einigen 100.000,-- Euro vernichtet, da konnte man ja nur an Verfolgungswahn leiden.
Aber mein Gefühl sollte keineswegs paranoide Züge annehmen: Es war Abend geworden und wir beschlossen die kommende Nacht in der alten Kakaofarm zu verbringen. Das Lagerfeuer loderte und mit ihm das Treibholz, welches wir am Strand gefunden hatten. Nun war es so, das Bongokönig sich nur schnell umziehen wollte. So verschwand er in dem alten Gebäude. Aber es dauerte und dauerte und nix geschah. Bongokönig schien eine Ewigkeit zu brauchen, ehe er sich umgezogen hatte. Es verging fast eine Stunde. Uns wurde immer mulmiger zu Mute.
Mir und Tarkan wurde das Ganze zu bunt und ohne irgendwelche Intimsfähre waren zu wollen, drangen wir in das Haus ein. Irgendwo in einem Seitenraum brannte noch Licht. Wir betraten ihn und zu unserer Überraschung war er leer. Aber nicht nur das - wir kriegten einen Schock, denn das Hemd, was Bongokönig angehabt hatte, war zerissen. Ansonsten gar nix....Bongokönig war verschwunden.
Nun suchten wir das ganze Haus ab, vielleicht war Bongokönig irgendwie gestürzt oder hatte ein Herzinfarkt bekommen, konnte sich nicht melden.
Ich sah in der oberen Etage nach, aber keine Spur. Bongokönig war verschwunden.
Wir bildeten Suchtrupps, um in der näheren Umgebung nach irgendwelchen Spuren zu suchen, aber keine Chance. Während die Frauen den Strand absuchten, suchten Tarkan und ich die Wegstrecke zu der Farm ab und Günter und Kofico blieben in der Umgebung des Hauses.
Nach einiger Zeit kamen wir zurück ohne Spur. Es war auch kein Fahrzeug gewesen, welches sich hier in den letzten Stunden hier hin verirrte.
Müde und sehr traurig brachen wir die Suche ab, denn eines war uns klar, sein Verschwinden hatte irgend etwas mit dem Kokain zu tun.
Wir suchten uns ein Schlafplätzchen in den unteren Räumen der alten Farm. Doch so richtig konnte keiner von uns schlafen.
Die Sonne stand inzwischen schon ganz hoch am Himmel und wir, die wir nun Mitten am Vormittag doch noch fest schließen, vernahmen nicht die Schritte, die nun durch die Tür kamen. Erst als jemand die Läden der Fenster öffnete, so das uns das Morgenlicht direkt auf die Nase viel, begannen wir aufzuwachen.
Ich war in jenem Augenblick noch etwas benommen, dann aber konnte ich die Person erkennen: Es war Bongokönig, welcher so tat als wäre er gar nicht weg gewesen.
9. Im Hauptquartier der Schmuggler
Bongokönig schien sehr mitgenommen zu sein, aber er machte keineswegs den Eindruck als war er dem Leibhaftigen begegnet und so fing er ganz ruhig an zu erzählen:
"Ja Leute, ich fürchte wir sind da in eine Sache reingeschleudert, aus der wir nun nicht mehr so leicht rauskommen. Hätte uns Heinzens Becker nicht in dieses Dorf geschleppt, wäre das alles wohl nicht passiert.
Also es fing wohl so an, wie ich die Lage überblicke: Die Schmuggler versuchen Waffen und Kokain aus Togo zu schmuggeln. Naja von irgendwas müssen die armen Teufel ja dort leben, denn die wirtschaftliche Lage dort sieht wesentlich schlechter als in Ghana aus. Afegame liegt ja nur ein paar Kilometer vor der grünen Grenze. Früher sind die Flüchtlinge dort hinüber gekommen, doch inzwischen scheinen die Behörden und Heinz Leute die Lage ein wenig im Griff zu haben. Und nun das mit dem Schmuggel. Denn nachdem die Grenze nicht mehr so stark kontrolliert wird wie früher, weil der Flüchtlingsstrom abgerissen ist, so können sich dort die Schmuggler gut verbergen.
Mir scheinen dies nicht irgendwelche Schwarzafrikaner zu organisieren, sondern die Schaltzentrale befindet sich in Europa oder Amerika. Jedenfalls scheinen auch viele Libanesen in die Drogengeschäfte verwickelt zu sein.
Auch in Accra befindet sich eine Zentrale. Nun ist uns ja gestern die ganze Zeit ein Jeep gefolgt und das war kein Zufall. Die Drogenschmuggler nutzten unseren Laster als Transportmittel für ihre Drogenkuriere, wenn wir auch schon deren halbe Söldnertruppe zusammengeschlagen haben. Sie wußten wohl, das wir in die Nähe von Tema wollten. Denn von dort aus sollte das Kokain den Weg nach Übersee und Europa finden.
Ja der Jeep war einen anderen Weg gefahren als wir....früher gab es nämlich noch einen weiteren Weg hier zu Farm, er wurde viel von Waldarbeiter genutzt. Inzwischen allerdings ist er fast zugewachsen, aber er verläuft parallel zu dem Weg, welchen wir von Prampram hierher fahren.
Nun offensichtlich fanden die Schmuggler das überhaupt nicht witzig, das ich gestern die heiße Ware verbrannte. Kurzerhand dieser Libanese, welcher uns bis Prampram verfolgte, beobachtete das Ganze. Nun konnte er allein gegen 7 Leute nicht viel anrichten, also hatte er es auf mich abgesehen....mich zu Rede zu stellen.
Er zog mir einen Knüppel über den Kopf und dann fiel ich fast ohnmächtig zusammen. Schreien konnte ich nicht mehr laut, denn er hielt mir eine Knarre an den Kopf, wodurch ich mich ein wenig gehemmt sah um zu schreien.
Wir krochen durch den Hintereingang zu dem Jeep, der aber etwa 500 m vom Buschhotel weg stand, dazwischen liegt nur hohes Elefantengras und Sträucher, welches er nicht mit einer Machete bearbeitete, sondern fast ohne Schaden an der Flora kaum Spuren hinterließ.
Ich war ziemlich gebeutelt durch die Aktion und er stieß mich unsanft auf die Rückbank des Jeeps. Naja und die Fahrt wurde auch nicht gerade zum Vergnügen, denn unterwegs hatte ich das Gefühl das er alles ummähte, was den dicken Jeep nicht durchlassen wollte. Ja das auch diese Bäume immer Wurzeln schlagen müssen verstehe ich nicht, aber das ist eine andere Story," erzählte er ein wenig lächelnd, sonst aber völlig trocken.
"Wir fuhren durch die Nacht vom einen zum anderen Schlagloch, irgendwann dann allerdings kamen wir zu einem hell beleuchteten Haus, welches von einem großen Zaun umzäunt wurde.
Ich hätte gerne noch eine Runde geschlafen, aber man ließ mich nicht.
Dann wurde ich unsanft vom Wagen gezerrt und man brachte mich durch das Tor des hellbeleuchteten Hauses, einer Villa in einem der vornehmeren Vororte von Accra, so schätze ich.
Es war sehr schön in diesem Haus, mal abgesehen von den Umständen in denen ich mich befand...die Möbel waren allesamt aus Tropenhaus und Original Afrikanisch mit einem Flair aus Kolonialzeiten.
Da saß vor mir in einem Lederstuhl an einem Tisch, ein Weißer mit einer dicken Zigarre im Mund. Er stierte zu mir rüber, stand auf und musterte mich noch einmal von oben bis unten. Ich wurde zusätzlich von meinen beiden Begleitern in Schach gehalten, die liebensgewürzig mit einer Knarre in der Hand neben mir standen. Dann sprach mich derjenige an mit akzentfreiem Deutsch: `Sieh an, du bist also Bongokönig. Du und dieser Heinz habt uns das Geschäft versaut. Dieser alte Sack Heinz geht mir und meinen Leuten schon ganz lange auf den Sack. Nun ich bin ein Menschenfreund und schlage Euch einen Deal vor....Dir und Deinen Leuten.?
`Da bin ich aber mal gespannt,` erwiderte ich. `Nun ich habe nix davon, wenn wir Euch beseitigen. Aber wir könnten es tun, wenn Ihr nicht auf unseren Deal eingeht. Also Ihr laßt uns in Ruhe unsere Geschäfte tätigen und als Dank dafür könnten wir sogar über eine Unterstützung Eures Entwicklungsprojektes nachdenken. Denn schließlich habt Ihr ja unsere Jungs krankenhausreif geprügelt und das würde Euch auch ein paar Jahre in ghanaischen Gefängnissen kosten, nicht wahr ?`
`Ja also ein Buschhotel von der Drogenmafia gesponsort ?` fragte ich etwas dreist. `Sollen wir vielleicht für die Gäste noch eine Drogencoktailbar einrichten, wo sie mal so richtig mit dem weißen Pulver ihre Nase frei nießen können ?` Da färbte sich das Gesicht des Mannes mit Zigarre rot vor Zorn. `Wissen Sie Bongokönig, wenn Sie vor sich haben ? Mein Name ist Ernest Goldwin und ich komme aus Southampton in Südengland. Ich habe einmal groß in dieses Land investiert...war an Kakaoplantagen beteiligt, habe versucht die Erdölgesellschaften für Ghana zu interessieren, denn im Golf von Guinea liegen große Erdölvorkommen, genauso wie weiter östlich in Nigeria. Aber was wer des Welten Lohn, meine ghanaischen Partner sponnen Intrigen gegen mich, weil ich als Weißer nun einmal die Zügel in der Hand hielt. Aber ach ja das liebe Geld verschaffte mir mit einigen Schmiergelder beim ghanaischen Wirtschaftsministerium Ruhm und Ehre. Doch nun war Ende des letzten Jahres ein Regierungswechsel, da muß ich jetzt wohl etwas vorsichtiger dirigieren. Nun ich mich der hiesigen Drogenmafia angeschlossen und tätigte fortan Geschäfte an der togesischen Grenze und ich sehe gerade nun die Chance hier Kokainplantagen zu errichten. Denken Sie nicht Bongokönig, Sie oder dieser Heinz könnten mich daran hindern. Sie und ihre jämmerliche Truppe von verweichlichten jungen Leuten, fremd in diesem Land, Sie nicht....!`
Und während er so erzählte, sah ich die Chance gekommen, zu fliehen. Just in diesem Augenblick, wo Goldwins libanesische Handlanger ganz gebannt der Rede Goldwins folgten, sauste ich durch eine weiße Tür hinaus, wie ich Reflex. Es gab hinter mir ein großes Tumult und ich hörte Wachen kommen. Ich befand mich auf einem Korridor der schnurstracks zum Ausgang führte. Die Luft im Korridor war so dermaßen kühl, das ich das sie hätte die hiesige Klimaanlage gegen ein Kühlhaus ausgetauscht. Es waren zumindest nicht mehr als 15 Grad C. An den Wänden hingen Bilder, wo Jäger ihre Trophäen präsentierten.
Die Wachen kamen hinter mir her, wo ich gerade dabei war die Ausgangstür aufzuschlagen. Auch hinter der Tür würden mich 2 Männer erwarten. Ich aber konnte mich wieder auf meinen Reflex verlassen und donnerte ihnen die Tür vor den Kopf, die nach außen hin aufging, ehe sie Herr der Lage waren.
Schnell rannte ich also an den Männern vorbei in die Dunkelheit herein.
Ich wußte nicht genau, wo ich mich befand, aber ich lief und lief in die Dunkelheit hinein, in der Hoffnung bald eine mir bekannte Stelle zu finden.
Doch dann merkte ich langsam, wo ich mich befand, denn es war im Ausländerviertel von Accra, wo auch viele Botschaftsangehörige wohnen.
Schließlich fand ich in der Nähe ein Taxi, welches mich die über 20 km hier hin kutschierte." Mit diesem Satz beendete Bongokönig seine aufregende Geschichte.
10. Die Ruhe vor dem Sturm ?
Es war Mittag und Ricarda erklärte sich fortan bereit für die Beköstigung zu sorgen, da sie aufgrund ihrer langen Erfahrungen in der Gastronomie ja gerade dazu prähisteniert war. Adjoa, Koficos schöne Tochter war nun auch mit dabei und lehrte Ricarda die Kunst des Fufustampfens, einer Maispampe, die anschließend mit scharfer Soße verschlungen wurde. Die beiden jungen Frauen hatten eine alte Küche zu ihrem neuen Kochareal ernannt. Die Schränke dieser Küche waren zwar schon aus der Wand herausgerissen, aber ein alter Herd mit Feuerofen war immer noch funktionstüchtig.
Ich merkte das vor allen Dingen Tarkan ein Auge auf Adjoa geworfen hatte. Adjoa war ja auch eine Schönheit, mit ihren langen geflochtenen Haaren erinnerte sie mich an Liz, die die am HIV-Virus starb. Liz, wie sie einmal vor ein paar Jahren ausgesehen hatte. Adjoa war nicht so schwarz wie ihr Vater, da ihre Mutter einem helleren Stamm angehörte. Überhaupt stellte ich fest, das es in Ghana Menschen unterschiedlicher Coleur gab....Da gab es Menschen mit hellbrauner Haut, die vermutlich auch Weiße Vorfahren hatten, dann Menschen schwarz wie Ebenholz und Menschen mit brauner Hautfarbe.
Aber um noch einmal auf Adjoa zurückzukommen, sie hatte nach der Schule eine Ausbildung im Catering-Bereich gemacht, was Kofico viel Geld gekostet hatte, nun aber hatte sie keinen richtigen Job und half bei ihrer Mutter aus, die einen Straßenimbiß unterhielt: Sprich sie verkaufte Passanten in Accras Geschäftsviertel Pommes, aus Yamwurzeln und scharfe Khebab-Spieße, die afrikanische Antwort auf Pommes und Döner.
Bongokönig konnte sich gut vorstellen, das so ein 20jähriges Mädchen wie Adjoa gut die spätere Catering-Abteilung im Goldcoast-Hotel managen könnte.
Ajowa war intelligent und gebildet, konnte nur leider ihr Potenzial noch nicht ganz entfalten. Sie schaffte es uns diesen Kleister namens Fufu recht schmackhaft zu machen. Wir waren alle sehr vergnügt und hatten fast Bongokönigs Entführung schon vergessen.
Beim Mittagessen ging es also darum Pläne zu schmieden, wie es denn nun weitergehen sollte mit der Restaurierung dieser "Beinah-Ruine".
"Ich habe während unseres Ausfluges mit Heinzens Becker in sein Dorf einen Finanzplan aufgestellt. Dieser ist strikt zu befolgen, natürlich ist der eine oder andere Verbesserungsvorschlag durchaus noch einzubringen, aber ich glaube kaum das daran noch etwas zu verbessern ist," stellte Günter seinen Finanzplan vor. "Schließlich mußte ich mich über Jahre hinweg mit der Sanierung eines Unternehmens hinweg plagen, welches schon so tief in der Kreide stand, das es schon lange zahlungsunfähig gewesen wäre. Ja ich möchte mich Euer als Controller annehmen, welcher Buch über die Finanzen führt."
"Der Fachmann spricht !" meinte Tarkan ironisch.
"Ja,"erwiderte Günter trocken. "Ich nenne es den neuhäuserischen Finanzplan für das legendäre Hotel Goldcoast (Günter hieß Neuhäuser mit Nachnamen). Und zwar für die Nicht-Betriebswirtschaftler unter Euch....ich habe mehrere Posten aufgestellt, welche über einen unterschiedlichen Etat verfügen und dieser Etat darf nicht ins Minus rutschen. Ein Posten heißt zum Beispiel "Rohmaterial" und einer heißt "Werkzeug". Darüber hinaus stehe ich auch unsere Gruppenkasse zu verwalten und zu bewirtschaften, so muß halt bei finanziellen Engpässen die eine oder andere Mahlzeit etwas dürftiger ausfallen."
Er holte eine Aktenmappe auf den Tisch und einen Taschenrechner.
"Ja Leute, wenn ihr wollt könnt Ihr das Ganze ja nachrechnen und ihr werdet feststellen, das jeder einzelne Posten bis aufs kleinste Komma ausgerechnet wurde."
"Nunja, ich denke nur du gehst bei dem Ganzen so vor, daß du denkst, wir würden wie in Europa bauen," meinte Bongokönig. "So wird der eine oder andere Etatposten doch noch ein wenig niedriger ausfallen....hoffe ich zumindest !"
Es war nun Montag und wir hatten ein gutes Stück Arbeit vor uns - jeder von uns mußte hart zupacken: Die Frauen halfen mehr bei der Inneneinrichtung, die nicht mit so schwerer körperlicher Arbeit verbunden war und die Männer eher draußen, wobei mir die Arbeit draußen nach anfänglichen Schwierigkeiten mehr lag als die Innenarbeit. Draußen gab es ja wegen der Nähe des Meeres immer frische Luft, während sich in den Räumen den ganzen Tag über eine gewisse Schwüle hielt, die auch durch weites Öffnen der vernagelten Fenster nur langsam wich.
Ich bewaffnete mich mit einer Axt und begann verfaulte Kakaobäume, der ehemaligen Kakaoplantage hinter dem Haus, zu fällen. Ich hatte ein Hartes Stück Arbeit vor mir an diesem Montag Nachmittag, der noch vor uns lag.
Ich machte zwischendurch immer eine Pause, da ich diese Arbeit ja nicht gewohnt war. Und wenn meine Kräfte schon nachlassen wollten, um dieses Meer aus toten und kranken Gehölzern zu besiegen, stellte ich mir einfach vor, das diese Hölzer unliebsame Personen wären, die ich dann wie in einem texanischen Kettensägenmassaker bearbeiten konnte.
Natürlich wäre mir eine Kettensäge auch lieber gewesen, aber unser Finanzplan sah eine solche Anschaffung nicht vor, denn wir hatten uns nach dem Tag unserer Ankunft erst einmal notdürftig mit diversem Werkzeug außerhalb unseres mobilen Werkzeugkoffers ausgestattet. Diese Werkzeuge hatte uns Kofico zur Verfügung gestellt, die er schon vor unserer Ankunft organisierte.
Am Abend des ersten Arbeitstages waren wir alle sehr verschwitzt und dreckig und unsere mitteleuropäische Mentalität verstärkte den Wunsch uns jetzt einmal richtig zu duschen, doch die nächste Dusche lag ein paar Kilometer landeinwärts. Und schließlich hatten wir dieses "Hotel" nicht nur zu unserem Arbeitsdomizil, sondern auch zu unserer Nachtstätte erklärt.
Doch während Günter, Tarkan und ich ein wenig planlos "den Garten und die frühere Baumplantage" bearbeiteten", hatte Bongokönig an einer Regenauffanganlage mit inklusiver Dusche gebastelt. Diese Regenauffanganlage bestand aus einem großen Plastikfaß, wie ich es von Kanufahrten kannte, denn Kofico hatte es uns auch zur Verfügung gestellt: Dieses Plastikfaß wurde auf dem einen Balkon installiert. Da die Regenrinne des Hauses noch einigermaßen in Takt war, würde das Wasser aus der Regenrinne über ein Rohr zu dem Faß hinlaufen. Das Faß konnte man sogar mit einem Plastikdeckel zu decken, so das das Wasser nicht so schnell verdunsten würde. In das untere Ende des Fasses hatte Bongokönig ein Loch gebohrt, in welchem eine Gummidichtung mit einem Kupferrohr steckte. Dieses Kupferrohr verfügte über eine große Windung nach oben. An dieser Windung war ein starkes Band angebracht, an welcher man das Rohr nach unten ziehen konnte....und dann würde aus dem Rohr unten das erfrischende Naß spritzen, so das man unterhalb des Balkons Duschen konnte.
Nur da gab es noch ein Problem, denn momentan sah es trotz Regenzeit überhaupt nicht nach Regen aus, sondern der Himmel war relativ blau mit nur einigen Dunstschleiern am Himmel.
Hinter dem Hauptgebäude befand sich noch ein feuchter sumpfiger Teich, wo sich über die Jahre hin das Regenwasser angesammelt hatte, nicht tief aber nur mit Vorsicht zu genießen, da dort eventuell wohl auch der Fadenwurm zu Hause war, jener Wurm welcher sich bei Menschen durch innere Organe satt frißt und auch noch Eier ablegt.
Nun da half nur das Süßwasser dieses sumpfigen "Feuchtbiotops" vor dem Duschen abzukochen. Es wurde also ein beschwerlicher Abend, denn jeder von uns wollte wenigstens für einige Sekunden das kalte Naß, welches den Schweiß des Tages von uns nahm, genießen. Ganz besonders die schöne Ricarda hatte so Anfangs ihre lieben Schwierigkeiten damit, aber so fand sich immer mehr in der Gruppe zurecht. Natascha war da unkomplizierter, denn als Krankenschwester war sie es gewohnt sich an nicht ganz so hygienische Situationen zu gewöhnen und auch einmal eine Weile zu "stinken".
So verging die erste Woche wie im Flug, der Morgen begann früh um ca. halb 7, nach einer halben Stunde dann deckten die Frauen den Frühstückstisch (nicht das ich solches als "richtige Rollenverteilung" ansehen würde, aber Adjoa und Ricarda rissen sich ja gerade darum uns immer die Mahlzeiten zu servieren, unser Geschirr mußten wir natürlich selbst abwaschen). Unser Frühstück nunja viel allerdings etwas karg aus, da der heimische Markt im Grunde nur Weißbrot anzubieten hatte und Knäckebrot, welches Adjoa für uns in einem Lebensmittelladen für reichere Leute ergattert hatte. Marmelade und Cornetbeaf schmierten wir uns dazu aufs Brot. Tee gab es zu trinken, meist Früchte- oder Zitronentee.
Was hätte ich bloß für ein Hühnerei, ein frisches 3 Minuten Hühnerei am Morgen gegeben, aber es hieß ja immer Salmonellengefahr, da wir nur ein paar kühle Orte aber keinen Kühlschrank besaßen.
Wir arbeiteten dann so von 8 bis halb 12, immer noch etwas planlos, da ja erst einmal das Grobe saubergemacht werden mußte. Dann gab es halt meist Mittag mit wie schon erwähnt Fufu oder Adjoa brachte Fisch aus dem nächsten Fischerdorf mit und viel Obst wie Ananas, Bananen und Apfelsinen, woraus die Küche des Hauses meist ein Früchtecocktail bereitete.
Nach kurzem Mittags- und Verdauungsschläfchen ging es wieder frisch ans Werk, bis es abends um kurz nach 6 dunkel wurde. Da aßen wir dann die Reste des Mittagsessens oder machten am Strand ein Lagerfeuer, auf dem serbischer Bohnentopf und ähnliche konservierte Dosenkost köchelten, welche wir aus Deutschland mitgebracht hatten.
Ja nun war es auch schon wieder Freitag und wir waren und schon eine Woche in Ghana, schneller als wir es gedachten, kamen wir voran. So war es Freitag Abend, die Luft war nicht so schwül und wir saßen wieder rund ums Lagerfeuer. Grillen zirpsten, Frösche quakten und das Meer sang uns sein Lied. Bongokönigs Gesicht erleuchtete hell, das Feuer knisterte und er richtete sein Gesicht finster Richtung Meer, sein Blick ging weit zum Meer hinaus. In so unheimlicher Art hatte ich ihn noch nie erlebt, gleichzeitig wirkte er auch sehr nachdenklich.
"Irgendetwas stimmt nicht," verlautete er dann in tieferer Stimme als normal. "Wenn ich so über das Meer gucke, wird mir klar, das immer weiter südlicher irgendwann die Antarktis kommt. Keine Insel dazwischen, sondern nur tausende von Meilen Meer. So geht es uns auch," und das klang fast poetisch. "Alles schien bei uns seit Montag glatt zu gehen, nichts würde uns aufhalten. So als würden wir mit dem Schiff immer weiter gen Süden segeln. Doch dann würden die ersten Eisberge und das erste Treibeis auftauchen und wir kämen in arge Schwierigkeiten. Die rauen 40ger und 50ger Breitengerade würden wir durchqueren, die Schrecken der Südsee. Irgendetwas Schreckliches wird bestimmt in den nächsten Tagen passieren, eine Rachezug vielleicht gegen
uns ?" Dann fuhr er ganz normal weiter.... "Aber das alles muß nicht passieren, denn wir sind stark, wir sind 6, mit Kofico 7 und mit Ajowa 8. Nun nähert sich das Wochenende mit Riesenschritten und ihr habt noch nichts vom Land und den Leuten gesehen, mal abgesehen von Heinzens Dorf. Heinz rief mich vorhin übrigens über Handy an, das er Morgen nach Prampram kommen wollte und das wir dann mit ihm und seinem Jeep die nächsten Tage Nordghana unsicher machen könnten, nur um der Ruhe vor dem Sturm nicht zu trauen muß einer hier zurück bleiben, um in unserer Abwesenheit unser Hotel im Auge behalten."
Dann blickte er in unsere Gesichter, in ein jedes von uns. Aber keiner von uns wollte sich natürlich die mehrtägige Fahrt nach Nordghana entgehen lassen. Schließlich meldete sich Adjoa dazu bereit einige Tage alleine in unserem Hotel verbringen zu wollen. Wir sahen sie ein wenig bestürzt an, den wer wollte so ein schönes Mädchen in dieser Gegend schon alleine lassen. Kofico wäre wohl von dieser Idee auch nicht begeistert, auch wenn er sonst durchaus nach mitteleuropäischen Verhältnissen und Moralvorstellungen erzogen hatte, aber eine 20jährige ganz alleine, in diesem gefährlichen Landstrich ? Nachdem was hier nun letzte Woche passiert war ?
Aber wir konnten uns schließlich doch dazu überwinden Adjoa mit dem Buschhotel alleine zurückzulassen. Sollte sich irgend jemand unerwünschtes dem Haus nähern, so könnte sie per Handy die nächste Polizeistation anrufen, die doch nur ein paar Kilometer entfernt war und auch mit Polizeiauto ausgerüstet war. Kofico stand dem Ganzen noch etwas mißtrauisch gegenüber, aber seine Tochter war ja schließlich erwachsen und er könnte nicht immer seine Hand über sie halten, denn er wollte auch auf jeden Fall mitkommen, nicht mit seinem Laster, sondern mit Heinzens konfortablem Jeep.
So ging es also los mit 8 Personen gen Norden. Erste Endstation war wieder einmal Akosombo, wo eine Fähre auf uns warten würde. Sie war in einem etwas besseren Zustand als die "Volta's never dry" und konnte auch einige Autos aufnehmen. Nun würden wir eine längere Fahrt vor uns haben als nur nach Kpandu, welches ja keine 200 km von Akosombo entfernt lag. Ja wir wären fast 20 Stunden auf dem Wasser bis wir in Kete Krachi angekommen wären, einer schon kleinen Stadt im Norden des Landes.
11. Im Norden
Es wurde ein wunderschöner Tag auf dem langen Stausee und von weitem konnte man auch das Ufer erblicken, welches sich seicht am Horizont entlang zog. Ich hatte es mir die meiste Zeit des Tages zwischen 2 alten Fässern gemütlich gemacht und ließ mich von der Sonne verwöhnen, die sich aber in diesen Breiten als besonders intensiv strahlend erwies. Aber mit Sonnencreme, die einen hohen Hautschutzfaktor besaß, wehrte ich die beißende Kraft der Sonne ab.
Ich spürte den Wind, welcher aus Süden kam, da brachte mir unverhoffter Dinge doch Ricarda eine Dose Fanta. Und wie sie mir die Dose reichte gesellte sie sich zu mir, mit mir zusammen auf die Decke und blickte mir einfach nur in die Augen.
"Oh danke für das kühle Getränk," bedankte ich mich bei ihr. Diese, wenn vielleicht auf den ersten Blick, gewöhnliche Geste, war für mich schon mehr und ich sollte mich nicht täuschen. Ricarda fand ich schon von Anfang an sympathisch und nicht so arrogant, wie Natascha sie am Anfang empfunden hatte. Aber dieses rivalisierende Verhalten zwischen Ricarda und Natascha hatte sich ja seit der Abfahrt gelegt, da beide erkannten, das sie ja schließlich zusammenhalten mußten, um sich in der Männerwelt behaupten zu können.
Ja Ricarda - denn während ich zu Natascha, welche ich ja schon seit Jahren als platonische Freundin kannte und daher auch keine Gefühle für sie hegte, war die Sache mit Ricarda schon was anderes. Hinter ihrem auf dem ersten Blick eingebildeten Verhalten steckte ein sensibles Wesen, welche durchaus eine soziale Ader und Mitgefühl für andere Menschen besaß, ohne sich selbst bereichern zu wollen.
"Wie geht es Dir Daniel ?" fragte sie ganz banal. "Weißt du, es ist eigentlich schade, das wir bisher noch keine Gelegenheit hatten uns miteinander länger zu unterhalten, obwohl wir doch nun schon seit einer Woche zusammen unterwegs in einem fremden Land sind." "Ja, doch das stimmt wohl," stellte ich nachdenklich fest. "Bisher waren wir Frauen ja eher ein Klübchen für uns. Ich meine Natascha hatte Euch schon manchmal geholfen, aber ich zog es nun lieber vor mit Adjoa für eine gesunde Hausmannskost zu sorgen und die Innenräume unseres Hotels in die Fittiche zu nehmen. Auf diese Situation habe ich irgendwie gewartet. Ähm, wie soll ich es sagen....guck mal, wir sind hier in einer Gruppe mit im Moment 8 Leuten, wobei 4 davon die 50 schon überschritten haben und 3 Personen in meinem Alter sind. Von diesen 3 Personen ist eine Person von meinem eigenen Geschlecht und 2 vom männlichen Geschlecht. So wie ich das sehe, führen komischerweise alle Personen aus unserer Gruppe ein Singledasein, wenn mich meine Kenntnisse nicht täuschen. Naja nun, du scheinst von uns der besonnenste aus der Gruppe zu sein, der sicherlich nicht unbedingt an vorderster Front steht, du bist zurückhaltender und das gefällt mir," versuchte sie mir zu verklickern. "Ja sehr gut beobachtet," bemerkte ich. "Ja, ich bin nun auch sehr froh, das du dich entschlossen hast mit uns mitzufahren. Aber da ich ein besonnener Mensch bin, finde ich, das es besser ist, wenn wir erst einmal nur eine gute Freundschaft haben, später ist ja ein Mehr immer noch möglich, aber wir sind doch alle ein Team zusammen und eine Liaison zwischen Zweien in der Gruppe würde eventuell die Arbeit und unser Projekt gefährden. Laß uns doch noch einmal in 3, 4 Wochen darüber reden."
"Ja, wenn du meinst," stellte sie etwas bedrückt fest. Aber dann machte sie einen befreienden Seufzer. "Ja, das alles sollte man sehr locker sehen, wir sind jung, wir lieben das Abenteuer und aufgeschoben ist nicht aufgehoben." Und nachdem sie mir das sagte, gab sie mir einen Kuß und wir führte ein wunderschön langes Gespräch über Gott und die Welt. Es mochten so wohl Stunden vergehen und da kam uns Heinz besorgt entgegen. "Was für eine Erleichterung, da seit ihr ja und ich dachte schon, man hätte Euch den Haien zu Fraß vorgeworfen," bemerkte er. "Kommt laßt uns Abendbrot essen, hier an Bord gibt es zwar keine große Auswahl, aber für einen feurigen Kebab und eine Dose Guiness reicht es noch. Na ehrlich gesagt gibt es hier gar keine Verpflegung an Bord, aber so eine dicke Mami mit ihrem Kind auf dem Rücken hat einen Holzkohlegrill aufgestellt, wo sie nun feurige Kebabspieße grillt für sich, ihr Kind und noch andere Bordgäste."
So schoben wir uns also vorwärts vorbei an Kisten und Kästen zu dem Holzkohlegrill, wo schon einige Schwarze und die anderen Teilnehmer unserer Gruppe gespannt wartete. Die Glut der Holzkohle war sehr heiß und mit ihr erhob sich ein angenehmer Duft von saftigem Fleisch.
Es war einfach ein großartiges Szenario, welches sich uns bot, denn gleichzeitig verschwand langsam die Sonne wie ein Ball aus Feuer hinter den fernen Uferböschungen, welche mehrere Kilometer entfernt lagen. Erste Sterne blitzten auf und alsbald die Sonne untergegangen war, sahen wir an den fernen Ufern große Feuer brennen, welche wie kleine Flammen in den schon ganz schwarzen Abendhimmel, emporklimmten.
Die Nacht wurde kühl, ja kühl selbst hier in der Nähe des Äquators, denn auf dem Wasser kam schnell die kühle Nachtluft herab. Alsbald darauf die letzten Sterne untergingen, dämmerte auch schon der Morgen und wir, die wir da so zusammenlagen auf Strohmatten und dünne Decken gehüllt wurden geweckt, denn die Ufer von Kete Krachi waren nicht mehr weit. Noch ein paar Kilometer und die Fähre würde im hiesigen Hafen eintreffen.
Als wir in Kete Krachi angelegt hatten, streiften schon die ersten Sonnenstrahlen den Horizont. Das Land rundherum war nicht mehr so üppig bewachsen wie weiter südlich, auch wirkte es insgesamt nicht so frisch und ausgedorrter, denn die Regenzeit war in diese Region noch nicht vorgestoßen, Gott-sei-Dank, denn sonst hätten sich wohlmöglich Schotterpisten in Schlammfelder verwandelt, auf welche wir ja nun weiter angewiesen waren.
Nachdem die Fähre in Kete Krachi angelegt hatte fuhren wir auf Schotterpisten weiter nach Norden, weiter nach Tamale, der Hauptstadt des Nordens. Auf dem Weg dorthin fuhren wir durch offene Parklandschaften mit großen und stattlichen Affenbrotbäumen und dichtem trockenem Buschgras. Die senkende Hitze machte uns zu schaffen, denn während die Temperaturen im Süden bei zwar schwüler Luft, aber angenehmen Winden kaum über 30 Grad C kletterten betrugen sie hier zwischen 35 Grad und 40 GradC, aber die Luft war trocken.
Wir kamen an Dörfern und kleinen Städten vorbei, die aber von ihrer Bauweise typisch afrikanisch waren, während im Süden auch viele Kolonialhäuser und mediteran-geprägtes Bauwerk stand.
Es dauerte nun noch eine Weile bis wir Tamale erreicht hatten, eine Stadt, die auch eher wie ein großes Dorf wirkte, nur mit dem Unterschied, das sich durch den Ort auch Autolawinen wälzten. Das war zwar nicht ganz so schlimm wie in Accra, aber die Straßen waren hier enger.
In Tamale hielten wir uns nicht lange auf, sondern besorgten uns nur Proviant für die nächsten Tage bei den Straßenhändlern.
Weiter ging es richtig Westen, denn unser Ziel war der Mole National Park im Westen des Landes, hier in der Nähe hatte Kofico Bekannte, da seine Frau aus den nördlicheren Gebieten kam und ihre Eltern damals nach Süden zogen, nach Accra.
Wir fuhren immer weiter und weiter, dann passierten wir noch einmal den letzten Zipfel des Voltastausees und des Weißen Voltas, der sich wie ein silbernes Band hin nach Norden schlängelte in die Trockensavanne.
Bald kamen wir nach Damongo, einem etwas größeren Ort, der auch nicht weit lag von dem Dorf in dem Deborah, Koficos Frau geboren war. Aber aufgewachsen war sie schon in Accra, wo die Bedingungen für eine Frau besser waren, als hier im Norden. Auch waren die Möglichkeiten damals zur Schule zu gehen im Süden wesentlich besser. Damals waren Deborahs Eltern auch zum Christentum bzw. zur Anglikanischen Kirche übergetreten, damals vor etwa 45 Jahren. Aber mit ihren Verwandten im Norden hatten sie nie gebrochen.
So näherten wir uns langsam dem Dorf namens Atchongo. Es war nicht besonders groß und die Leute, die hier lebten waren weder Moslems noch Christen, sondern hatten ihre Stammesreligion, einen Art Ahnenkult behalten. Beschneidung der Frau war hier aber auch Gott-sei-Dank unbekannt, sowie uns Kofico erzählte. Aber er erzählte uns, das weiter im Norden, in Burkina-Faso es oft leider bei einigen Stämmen noch Sitte wäre. Auch wäre in der Sahel-Zone die Sklaverei noch nicht gänzlich ausgelöscht. Denn wenn z.B. ein Kleinbauer verarmte, dann hätte er sich in manchen Landstrichen in die Sklaverei begeben, um für Großgrundbesitzer zu arbeiten.
Es war bereits später Nachmittag als wir Atchongo erreichten, dessen Hütten aus Lehm ihre Schatten warfen. Nun kam ich mir vor wie in einer anderen Welt, denn im Süden hatten wir z.T. ja auch Verhältnisse vorgefunden, die uns mehr an Europa als an Zentralafrika erinnerten.
Der Häuptling des Dorfes kam auf uns zu und begrüßte uns herzlich. Er hatte eine dunkelbraune Hautfarbe und war nicht so schwarz wie Kofico.
Es wurde ein bischen "palavert" und schließlich durften wir auch das Dorf betreten. Die Menschen, die hier lebten blickten uns mit großen Augen an, denn es war nicht so häufig, das sich Weiße hierhin verirrten.
Die Sonne wand nun ihre letzten Strahlen über den Horizont und verschwand dann. Sehnsüchtig blickte ich ihr nach, den sie war das Bekannte hier in der Fremde. Ja, ich glaube nirgendwo in Ghana hatte ich mich so fremd gefüllt, wie in diesem Dorf, denn was wußten wir schon von dem Leben hier in dieser Abgeschiedenheit des Nordens. Größere Städte gab es hier im Umkreis nicht und die Menschen lebten noch wie in einer anderen Zeit ohne Elektrizität, weitab der Zivilisation. Eine Dorfschule gab es hier allerdings schon, denn man wollte die Kinder des Dorfes auf die Zukunft vorbereiten und sie nicht als Analphabeten in die Welt entlassen. Wer weiß, vielleicht würden sie ihren Familien auch eines Tages den Rücken kehren, um in den großen Städten des Südens ihr Glück zu finden, dort wo das Leben bunter aber auch grausamer ist, wo das Leben in einem Chaos von Menschenmengen, Kulturen und unterschiedlichen Religionen zu erdrücken droht und nicht wie hier auf dem Dorf, wo noch alles beschaulich und übersichtlich ist.
An diesem Abend wurde uns ein Regentanz vorgeführt, an welchem Frauen wie Männer in traditionellen Gewändern ums Feuer tanzten zu den Trommeln, die bis weit in die Wildnis hallten. In einem bestimmten Rhythmus tanzten sie auf und ab, kreisförmig mit dem Feuer im Zentrum. Sie tanzten so lange, das sie sich hinterher fast in Trance befanden, etwa so wie die tanzenden Derwische, wie uns Tarkan erzählte.
Die Nacht schliefen wir sehr gut, auch wenn wir nur in einer Lehmhütte auf dem Boden mit einer Decke uns zudecken konnten. Die Lehmhütte hielt schön kühl, absorbierte die Hitze des Tages und wenn es im Winter hier im Norden mal kühlere Nächte gab, hielt sie die Wärme im Inneren. Nun mit kühleren Nächten waren Nächte mit Temperaturen unter 20 Grad C gemeint.
Am nächsten Morgen traute ich meinen Augen nicht, als mich etwas nun sagen wir feuchtes, warmes sanft weckte, was dann allerdings unsanft wurde, als darauf meine Ohren ein Meckern vernahmen. Nun riß ich die Augen weit auf und sah, wie mich eine Ziege musterte, so als ob sie ausgeschickt worden wäre mich zu wecken.
Na ich wäre ja lieber von Ricarda geweckt worden, aber nun ja hier im Norden war alles ein bisschen anders, da lief halt die Ziege schon mal in den Wohntrakt einer Lehmhütte. Es war ja ein schönes Tier, nicht so mager, auch wenn die Regenzeit noch nicht begonnen hatte, aber naja von einer Ziege laß ich mich halt nur äußerst ungern küssen und ablecken.
Wäre ich ein paar Tage länger in dieser Gegend geblieben, hätte ich sicherlich keine Schwierigkeiten gehabt, diesen Ort meine Heimat zu nennen, denn so fremd ich mich am Abend davor noch fühlte, um so mehr erschien es mir nun als ein Ort und Platz an dem ich schon seit Monaten verweilte.
Wir bekamen reichlich Geschenke, die die Gastfreundschaft dieser unbekümmerten Menschen untermauerte, welche Figuren aus Ebenholz oder auch exotischere Dinge wie Potenznüsse waren. Diese würde ich natürlich zu gegebener Zeit zu mir nehmen. Vielleicht so war meine verrückte Idee könnte so auch der Beate-Uhse-Konzern in dieser Gegend Entwicklungshilfe leisten, indem die Dorfbewohner für den Erotikkonzern diese besagten Wunderdinger anbauten, damit diese dann die Konkurrenz von Viagra in Europa verdrängen könnten. Aber das halt mal so am Rande. Uns sollten auf dieser Reise noch viele Kuriositäten begegnen.
Unser nächsten Ziel war der Mole National Park, welcher der größte Nationalparks Ghanas ist und ein Stück europäischer als der Rest Nordghanas, denn Touristen, zwar nicht viele, aber doch einige, hatten sich auch hierhin verirrt: in erster Linie reiche Ghanäer aus dem Süden, aus Europa und Amerikaner. Es war aber ein Nationalpark, der nicht an jeder Ecke mit einem Campingplatz ausgestattet war und es den Anschein hatte, als würde man eine Parkanlage besuchen, welche sich über mehrere Kilometer hin erstreckte.
Nein, er hatte zwar befestigte Wege, aber es gab nur wenige Rastplätze hier. An einer Rangerhütte am Anfang des Parkes hielten wir erst einmal. Heinz stieg aus, um dem Ranger John Hallo zu sagen. Er kannte ihn schon seit langem und wußte, das eine NGO (Nichtregierungsorganisation) mit der er auch früher zusammen arbeitete, den Park mit finanzierte. Doch dann kam er zusammen mit dem verdutzten Ranger John wütend raus.
"Das gibt es doch einfach nicht," schrie er wütend und haute seine Faust auf das heiße Blech seines Jeeps. "Wißt Ihr welche Sackratte diesen Park momentan mit sponsort ? Wißt Ihr es, Ihr kennt seinen Namen: Goldwin. Er hat eine NGO gegründet, welche sich nun neuerdings um den Erhalt dieser Landschaft kümmert, finanziert aus Drogengeldern, Waffenschieberei und Menschenhandel. So kauft er sich die Leute hier und auch die Regierung, damit er vermutlich straffrei bleibt. Ich fasse es nicht, die andere NGO wird von seinen Leuten langsam verdrängt, die sich vorher um den Erhalt des Parkes kümmerte. Das müssen wir verhindern, damit dieser Park nicht noch ein Opfer der Korruption wird, aber was will man machen. Dieser Goldwin stößt mir immer mehr auf und ich glaube wir werden bestimmt noch von ihm direkt hören."
Der Ranger erzählte uns, das er das Gehalt zwar von der ghanaischen Regierung ausgezahlt bekommen würde, aber auch nicht regelmäßig, so daß Goldwin den Rangern des Parkes natürlich ein sicheres und höheres Gehalt zusichern könnte.
Aber die herrliche Landschaft des Nationalparkes ließ uns die "Sackratte Goldwin" bald vergessen. Hier im Park war die Regenzeit in den letzten Tagen schon eingetreten, so daß der Park zum Teil schon im satten Grün leuchtete, anders als in Tamale und Damongo.
Die Affenbrotbäume und Akazien warfen ihre langen Schatten über die frischen Farben der Savanne. Zahlreiche Wasserlöcher hatten sich nun gefüllt und an ihr stillten Hyänen, Leoparden, Gazellen und auch Löwen ihren Durst.
Diese schöne hügelige Savanne müßte doch auch erhalten bleiben können ohne das schmutzige Geld von Herrn Goldwin.
Wir fuhren mit dem Ranger John durch die atemberaubende Natur und merkten gar nicht, wie schnell doch die Zeit verging und uns die Sonne bald Lebewohl sagen würde. Am Ende des langen Tages waren wir alle sehr glücklich und es viel uns schwer das Erlebte der letzten Tage so schnell zu verarbeiten.
Heinz versuchte John noch einmal ins Gewissen zu reden, damit er sich dafür einsetzen würde, das der Einfluß von Goldwins NGO in diesem Gebiet möglichst gering bleiben würde. John versprach, alles was in seiner Macht stand, dagegen zu tun, nachdem er die Wahrheit über Goldwin gehört hatte.
12. Die Autopanne
Die Sonne war rasch verschwunden, als wir uns noch am Rande des Nationalparks befanden. Hier gab es auch ein Hotel und ich kann nur immer wieder sagen, es war das Beste weit und breit.
Nun im Süden Ghanas mögen ähnliche luxuriöse Hotels liegen, die sich mit 3 oder 4 Sternen schmücken können, aber im Norden muß man richtig suchen, um überhaupt eine Unterkunft zu finden und wenn dann mit einfachem Zimmer und ohne fließend Wasser.
Da stand wir vor dem Lion Hotel mit gepflegten Rundhütten, die einen ganz an ein Südseeparadies erinnern ließen. Die Haupthütte war hell erleuchtet und beherbergte ein Restaurant mit opulentem kalten Bueffee.
Wir luckten verlockend durch die großen Fenster der großen Rundhütte. Da trat ein Kofferträger heraus und bat uns rein. Er nahm die Koffer und brachte sie gleich schon zu unseren Zimmern, auch wenn wir ja vorher gar nicht reserviert hatten. Nun möchte ich mich allerdings zu den Preisen dieses Hotels nicht äußern, die auch Ricarda, Frau des Fachens recht unverschämt fand, aber naja eine Nacht in einem richtigen Bett, wie lange hatte ich dieses Erlebnis nicht mehr gehabt. Klar, bei Kofico hatten wir auf Matratzen geschlafen, also auch verhältnismäßig wohltuend, aber unsere Unterkunft, die wir uns in unserem Buschhotel geschaffen hatten, war nicht mehr als eine Decke und eine Isomatte, naja und einem kleinen Kissen, sonst hätte ich ja einen eierförmigen Kopf gekriegt.
Den nächsten Morgen, bevor wir unsere saftige Rechnung zu Augen bekamen, frühstückten wir draußen bei frischer Marmelade, Croissonts und Apfelsinen, die goldgelb in der Morgensonne leuchteten. Ein Springbrunnen plätscherte lieblich vor sich hin.
Neben uns saß ein Amerikaner und ein Schwarzer, die scheinbar auf Geschäftsreise waren, denn wirkliche Touristen waren hier nur Ghanäer, die in Europa lebten oder schwarze US-Amerikaner, die es in das Land ihrer Vorfahren zog, bevor sie im 19. Jahrhundert auf Sklavenschiffen in die Karibik verfrachtet wurden. Ich wollte den Beiden nicht bei ihrem Schwatz zu hören, welcher sich auf einigermassen gutem Englisch abspielte, aber irgendwie hatte ich das Gefühl den Namen Goldwin gehört zu haben, machte mir aber weiter keine Gedanken darum.
Nachdem wir nun so beisammen saßen und gegessen hatten, verlangte Heinz nach der Rechnung, die dann erst uns kollektiv präsentiert wurde, welches uns den Atem nahm. Nachdem wir aber ausgemacht hatten, das jeder seine Übernachtung selber zahlt, wurde es vor allen Dingen mir ein wenig leichter ums Herz, ich einen armen Medizinstudenten, der mit wenigen 100 Euro im Monat klarkommen mußte.
Wir bezahlten in Euro und alleine für das Frühstück hatte jeder von uns 22,-- Euro hinblättern müssen, wahrscheinlich waren die Croissonts vergoldet oder so.
Dann ging es schleunigst weiter auf dem Weg nach Süden, wo uns bald Ajowa erwarten würde. Aber wir hätten auf eine Überraschung zu warten, auf die wir nicht gefaßt waren, so viel dazu im Moment.
Wir fuhren und fuhren immer weiter Richtung Süden ohne allerdings noch mal den Fährbetrieb des Voltaflußes in Anspruch zu nehmen.
Die Straße führte uns erst nach Südwesten, immer durch die heiße Savanne, Dörfer und Lehmmoscheen begegneten uns. Die Sonne war sehr heiß und das Termometer fing langsam an bis fast auf 40 Grad C zu steigen, in Nordghana nichts ungewöhnliches.
Plötzlich kam es wie es kommen mußte: Erst wollte die Klimaanlage von Heinzens Jeep nicht mehr so, welche uns kühle Temperaturen von 20 Grad C beschert hatte und dann plötzlich riß etwas. Heinz drückte auf die Bremse, die sofort auf das Rad einwirkte und uns einen Ruck nach vorn versetzte. Dann versuchte Heinz noch einmal Gas zu geben - es knatterte, aber die Reifen bewegten sich nicht mehr vorwärts.
Ächzend stieg Heinz aus dem Wagen aus, wo ihm zugleich der Hitzesog entgegen schlug. Er öffnete ohne zu zögern, die Motorhaube und sah auch schon gleich auf einem Blick die Ursache des Übels.....
Er schrie: "Der Keilriemen ist gerissen, na dann Gute Nacht," und schlug die Motorhaube wieder zu. Wütend musterte er Kofico auf, der sich ja auch in dieser Gegend ganz gut auskannte, wo denn wohl die nächste Werkstatt oder Tankstelle wäre.
Kofico traute sich gar nicht zu antworten, meinte aber es wäre die nächste in Kintampo, nach 20 km nach Süden.
Aber Kofico sah entzückt ein altes Gebäude, welches keine 500 m vor uns lag. Und wie es so der Zufall wollte schimmerten vor dem Gebäude alte Autos, wenn mich meine kurzsichtigen Augen nicht täuschten, aber auch die Anderen sahen die silbernen Blechhaufen in der Sonne flimmern.
Kofico ging unbekümmert dem alten Gebäude entgegen, um die Lage auszumachen. Ich folgte ihm wie in Trance, wurde mir aber bewußt wie heiß es wirklich war.
Und tatsächlich als Kofico und ich das Gebäude erreichten, welches mal eine Tankstelle gewesen sein muß, denn dieses war noch an der rostigen Zapfsäule zu merken, welche schützend im Schatten des Gebäudes stand, dessen Hinterhof mit einer kühlenden Lehmmauern abgeschlossen war.
Eine alte Frau trat zum Vorschein aus einer Tür, über der noch ein altes Schild prangte mit der handgeschriebenen Aufschrift "Car-Doctor".
Kofico versuchte sie auf Englisch anzusprechen, merkte aber das sie Englisch nicht beherrschte, dann versuchte er es auf einer anderen Sprache, welche glaube ich Akan war, die sie verstand.
Kofico beherrschte 4 Sprachen, Englisch, Ga, seine Muttersprache und 2 anderen ghanäischen Sprachen. Nur des Deutschen war er noch nicht mächtig, mal abgesehen von ein paar Brocken, wobei ich glaubte, das er mehr verstand als er zugab.
Nach einem Wortschwall holte die alte Frau einen Mann aus der Hütte, welche schon gebrächlich schien, wobei dieses nur der erste Eindruck war und mindestens so alt wie Heinz sein mochte. Er zog einen alten Blaumann an und folgte uns am Stock mit einer Tüte in der Hand, wo er wohl Werkzeug drinnen hatte.
Ich hatte erst die Befürchtung der alte Mann könne uns nicht folgen, schließlich dann aber war er sogar schneller als wir und überholte uns.
Er kam sofort auf das Auto zu ohne große Worte, sah was los war und löste den Rest des Keilriemens. Dann stammelte er einige Worte auf Englisch....irgendwas mit "Cut....someone cut a part" oder so.
Dann holte er aus seiner Tüte ein dickes Gummiband, nicht so breit wie ein Keilriemen, aber doch halb so breit. Dieses spannte er dann auf und machte es mit einem dicken Knoten fest. "Very good, so try to give speed...,” musterte er den verdutzten Heinz auf, der ja auch nicht viel jünger als jener alter Mann war.
Und tatsächlich, es klappte. Der Wagen war nun wieder startbereit.
Auf die Frage hin, ob der Mann vielleicht für die Leistung bezahlt werden wollte, verneinte er leise und drückte uns die zerknitterten Cedischeine wieder in die Hand. Er wollte lediglich den kaputten Keilriemen haben und etwas von unserem Proviant, denn was nutzten ihm ein paar 1000 Cedis, die im nächsten Jahr nur noch die Hälfte wert sein würden. So gaben wir ihm was von unserem Pumpernikelbrot, welches wir aus Deutschland mitgebracht hatten, eine Spezialität, die in Ghana total unbekannt war.
So ging es weiter durch die Trockensavanne gen Süden und die Qualität der Straße besserte sich zusehends.
Es wurde langsam Abend und der Weg zurück zum Hotel Goldcoast war noch sehr lang, etwa noch 300 km. Die Gebiete in die wir kamen, waren nun von üppigeren, grünen Pflanzen gekrönt, aber von der nächsten Herberge waren wir noch ein wenig entfernt. Auch die nächst größere Stadt Sunyani war noch ein paar Kilometer entfernt, schließlich allerdings – es war schon nach Sonnenuntergang kamen wir in ein kleines Dorf, welches an der Hauptstraße lag, wo es tatsächlich auch eine einfache Herberge für Individualtouristen gab.
Heinz und Bongokönig stiegen aus um unsere neue Herberge zu betrachten:
Eine hohe Mauer umrandete das Gelände, während der Eingang nur aus einem niedrigen Tor bestand, das auch schon mal bessere Zeiten gesehen hatte.
Wir gingen also durch das Tor, das fast aus den Angeln fiel und kamen auf einen Vorhof, der auf eine Lehmhütte zuging, die ein Art Vordach besaß, worunter einige Holzbänke und Tische standen. Ein Portier schien in der Lehmhütte fernzusehen, wie man durch ein Gitterfenster sehen konnte.
Wie sich herausstellte hatten wir noch eine einigermaßen komfortable Herberge zu sein, die über sauber gemachte Betten und Zimmer verfügte. Nur die sanitäre Einrichtungen ließen etwas zu wünschen übrig, denn man war genötigt bei dem Abdrücken der Spülung in den Toilettenkasten zu fassen.
So lag eine erholsame Nacht vor uns – lag sie ? Für uns schon, nur für Bongokönig und Heinz nicht, aber davon werde ich nun berichten:
Bongokönig und Heinz teilten sich eine Unterkunft bis Heinz um kurz nach Mitternacht schließlich aufschreckte, denn sein Handy schlug Alarm. Es klingelte mehrmals und wollte auch nicht aufhören zu klingeln, als der Anrufbeantworter ansprang. Es klingelte kurz danach wieder und wieder und Heinz war nun wirklich wach. Er schlug nach dem Ding und fast entrann es seinen Händen. Was sahen seine schwachen Augen auf dem Display....es war die Nummer, die Nummer von dem Handy welches Bongokönig und er Adjoa übergeben hatten. Ja, die Nummer konnte er auch noch erkennen, das war nicht so schwer. Er griff nun verzweifelt nach dem Handy und drückte die Freitaste. Am anderen Ende hörte er verzweifelt Adjoas Stimme.....Sie schrie irgendetwas unverständliches ins Handy, wie Hilfe, doch dann war die Stimme auch schon weg und jemand hatte die Leitung unterbrochen.
Bongokönig war nun auch wach geworden und wußte auch ohne große Worte was passiert war. Adjoa hatte um Hilfe geschrien, weil sie wohl überfallen worden war. Goldwin mußte es tatsächlich gewagt haben gewaltsam in unser Hotel eingedrungen zu sein.
Bongokönig knipste das Licht an und sah Heinzens Becker verzweifelt an. Heinz selber war auch wie gelähmt und wagte nichts zu sagen. Was war nun zu tun 300 km weg vom Hotel Goldcoast ? Bongokönig versuchte Adjoa zurückzurufen, aber die Leitung am anderen Ende war abgeschaltet und nur eine Telefonbox meldete sich. Jetzt war guter Rat teuer und man könnte die Nacht nur abwarten und sich dann todmüde nach Hause wagen. Es war jetzt bei Nacht einfach zu gefährlich auf der Bundesstraße zu fahren, da nicht alle Strecken wirklich schlaglochfrei waren.
So hatten Bongokönig und Heinzens Becker eine schlaflose Nacht vor sich und keiner von uns bekam die momentane Situation mit, nicht einmal Kofico, der bei mir und Tarkan im Zimmer schlief.
13. Trümmerfelder
Es war noch ziemlich früh am Morgen als uns Bongokönig und Heinz mit ernsten Gesichtern auf den Bänken im Eingangsbereich empfingen. Ich wußte gleich, daß etwas nicht stimmte und die Autopanne am Tag zuvor hielt ich für einen üblen Vorgeschmack dessen, was dort noch kommen mochte.
Während es Bongokönig kaum wagte die Wahrheit zu verkünden, klingelte plötzlich wieder das Handy. Heinz bekam vor Schreck fast ein Herzinfarkt und wagte gar nicht es abzunehmen. Angestrengt blickten seine Augen auf den Display, dann atmete er tief durch und die Lage schien sich sichtbar zu entspannen.
Es war Adjoa und zu meiner Überraschung fragte er sie, ob es ihr gut ginge und wie die letzte Nacht weiter verlaufen war. Wie schon gesagt, wußten wir anderen ja von Adjoas Erlebnissen der letzten Nacht nichts.
Da blickte Kofico Heinz ernst an und riß ihm das Handy aus der Hand. Mit einem Wortschwall in seiner Heimatsprache schrie er verzweifelt auf das Handy ein und seine Miene verfinsterte sich zusehends.
Er ergriff Heinz Kragen und schrie ihn an: "Why did you not inform me last night, why did you not inform me....." (Warum hattest du mich letzte Nacht nicht geweckt). Heinz sah ihn nur verdutzt an und konnte nichts so schnell erwidern.
Langsam setzte sich das Mosaik zusammen, was Adjoa letzte Nacht hatte durchmachen müssen:
Sie war alleine gewesen an jenem Abend und nur der Wind war ihr Begleiter an jenem einsamen Fleck Erde, wo das Hotel Goldcoast lag.
Kurz vor Mitternacht hatte sie noch in den Fluten des Atlantiks ein kleines Bad genommen, eilte halbnackt in Richtung der "Ruine" in der eine Gaslampe zumindest das Foyer hell erleuchtete. Mit einer Taschenlampe und einem Handtuch bewaffnet trat sie in das Innere der Hotels. Schnell zog sie sich an. Damit sie nicht so allein war, hatte sie auch ein Kofferradio bei sich, welches sie nun anschaltete. Sie drehte ein wenig am Sender und versuchte das erste Programm des ghanaischen Rundfunks rein zu bekommen, hörte aber nur ein Zischen. Doch dann bekam sie den Sender schlecht rein. Der Apparat pfiff und irgend etwas schien den Empfang zu stören, aber es war wohl auch das Alter des Apparates, der Anfang der 70ger Jahre gebaut worden war.
Es war nun Mitternacht und mit Anstrengung hörte sie die Nachrichten, in denen es wieder mal um Korruption und Bekämpfung der Armut ging. Dabei merkte sie überhaupt nicht, wie draußen ein Auto stoppte und ein Schlägertrupp von 4 Mann mit Brechstangen in der Hand bewaffnet dem Haus wütend entgegen kam.
Sie kriegte einen Schreck, als die Tür aufgeschlagen wurden und sie wütende Männerstimmen vernahm. Sie versuchte sich in einen muffigen Seitenraum zu flüchten, der einmal als Besenkammer diente. Die Männer schlugen alles kurz und klein was unser Team provisorisch aufgebaut hatte. Adjoa war ganz alleine und konnte nichts diesem destruktivem Verhalten entgegen setzen: Das Glas klirrte und neu eingesetzte Glasscheiben brachen wie Mosaikstücke zusammen.
Noch hatten sie Adjoa nicht entdeckt, aber natürlich war ihnen klar, das das marode Gebäude nicht alleine gelassen wurde, nach dem Vorfall letzte Woche.
Adjoa hielt noch in ihrer Besenkammer stand, aber die Männer kamen näher und näher, denn sie hatten das untere Stockwerk fast komplett umgekrempelt, außer halt der Besenkammer. Es half nichts – sie konnte ihnen nicht entkommen. Die einzigste Möglichkeit, die sich ihr noch als Schutz bot, war eine schmutzige Plastikplane, mit der sie sich leise zu deckte, aber das Geknister hatten die Männer vernommen und so kamen sie der Besenkammer näher und näher.
Dann wurde der Vorhang, der nur noch aus einem Fetzen Stoff bestand, zur Seite gerissen und die Männer leuchteten mit Taschenlampen in Adjoas Versteck hinein. Glücklicherweise hatte Adjoa sich so gut unter der Plane getarnt, das es nicht näher auffiel, dass sie dort lag. Aber leider doch geistesgegenwärtig malträtierte der Eine die Plane ein wenig mit dem Brecheisen, genau wo Adjoas Beine lagen. Sie mußte vor Schmerz fast aufschreien, konnte aber doch noch durch das Zusammenbeißen der Zähne einen Laut verhindern.
Schließlich verließen die Männer den Raum und ließen die leicht verletzte Adjoa unbemerkt zurück. Aber nicht genug der schlimmen Überraschung, wollten die Männer das Hotel in ein flammendes Inferno verwandeln, in dem sie sich mit einem brennenden Molotowcocktail, welches sie in die kaputten Fenster warfen, verabschiedeten. Adjoa, der Waden bluteten, hastete mit Schmerz verzerrtem Gesicht schnell zu der Stelle, an der das Molotowcocktail gerade dabei war seine Umgebung in Flammen zu setzen.
Eilig packte sie die Folie und warf sie gerade noch rechtzeitig über das Feuer, so das es erstickte.
Adjoa fühlte Schmerzen, aber die Schmerzen waren nicht so groß, das sie sich nicht selber verarzten konnte. So wickelte sie erst einmal eine nasse Binde um die blutende Wade um die Wunde zu stillen. Wie sich später heraus stellte war eine stationäre Behandlung nicht nötig, denn als wir die Kakaoplantage wieder erreichten, war eines unserer ersten Handlung, die professionelle ärztliche Versorgung von Adjoas Wunde. Aber zuvor bot sich uns ein Bild der Verwüstung, denn die Männer hatten zwar auf dem ersten Blick nicht so viel zerstört, aber wir waren von der Arbeit her um mindestens eine Woche zurück geworfen. Adjoa hatte nach dem Überfall die Polizei gerufen, die während wir dann ankamen noch den Ort des Geschehens inspizierten.
Fragen über Fragen konnte ich in ihren Mienen sehen, dann versuchte allerdings Kofico und Heinz die Situation aufzuklären. Eines war allerdings klar, das keiner von uns das vernichtete Paket Kokain erwähnen durfte. Aber da Heinz Häuptling war, schilderte er den Polizisten den langen Kampf, den er schon gegen Herrn Goldwin führte und das es wohl keinen Zweifel gab, das er hinter all dem steckte. Die Polizisten nickten nur hilflos, denn jeder wußte welche Rolle Goldwin spielte. Durch Bestechungsgelder und Hilfsprojekte, an denen Goldwin mitarbeitete konnte er allerdings die hiesige Justiz noch immer auf seiner Seite wähnen, denn es fehlte noch immer an den Beweisen und dem Willen der Polizeichefs wirklich konsequent gegen das Goldwin-Imperium rechtlich anzugehen. Aber die 4 Männer wurden tatsächlich noch ein paar Stunden in Ost-Accra festgenommen und kamen in Untersuchungshaft, wie wir in den frühen Abendstunden erfuhren. Aber es waren lediglich ein paar Handlanger, die in Goldwins Imperium dem Chef den einen oder anderen lästigen Zeugen gefügig machten. Es waren aber keine Ghanäer sondern Libanesen, die auch hier in Westafrika überall ihren Handel trieben.
Goldwin war im übrigen von vielen weißen Handlangern umlagert, aber die wichtigen Geschäfte schloß er mit Farbigen ab, denn die kannten sich hier im Land aus.
Als am Abend Goldwins Handlanger in U-Haft vernommen wurden, überschlugen sich die Ereignisse, denn sie versuchten die Tatsachen ein wenig umzustellen. Das Kokainpaket erwähnten sie zwar nicht, aber bei der Sache mit dem Überfall auf Heinzens Dorf, wurde die Sache so gedreht, als hätte sich seit Monaten dort eine Familienfehde zugetragen und man hätte mit Heinz als Häuptling noch einmal Reden wollen, stattdessen allerdings hätte Bongokönigs Team die friedliche Zusammenkunft mit Fäusten attackiert. Nun die Ghanäische Justiz mochte zu der Zeit noch viel Unrecht zu lassen, auf ihrem langen Weg zur Rechtsstaatlichkeit, aber selbst der korrupteste Richter und Staatsanwalt sah nun einen Punkt erreicht Goldwin endgültig Dingfest zu machen.
Wer mochte schon unglaubwürdige Verleugnungen und zusammen gebastelte Geschichten glauben, aber Goldwin hatte jetzt vorgesorgt, denn er war bereits ein paar Stunden zuvor ins "Exil" geflohen, wohin genau war nicht bekannt.
Nach diesem aufregenden Tag hielt Bongokönig es für das Beste schnellstens die deutsche Botschaft zu konsultieren, um hier reinen Wein einzuschenken, denn man wußte ja nicht, wie sich die Geschichte weiterentwickeln würde.
14. Beim Botschafter
Es war ein schöner sonniger Tag und die deutsche Flagge wehte bei einer leichten Brise vor der deutschen Botschaft. Die Botschaft war in einem alten Gebäude untergebracht, welches Anfang des 20. Jahrhunderts von den Engländern errichtet worden war. Die Botschaft war nicht sonderlich groß, da es nur ein paar Handelsverträge, Heiratsurkunden und Ghanäer aus Deutschland zu betreuen galt. So war es auch überhaupt kein Problem gerade einmal mit dem Herrn Botschafter Sebastian von Bülow zu sprechen, wie viele Diplomaten aus einer Adelsfamilie.
Doch der Name irrte, denn was bekam ich aus Bongokönigs losem Mundwerk zu hören, als er dem Botschafter entgegentrat: "Morgen Basti, wie schauts denn so bei Dir heute Morgen ?" Der Botschafter zuckte ein wenig wortlos mit den Achseln.
Der schwere Schreibtisch aus Ebenholz wäre sicherlich nicht im Geschmack von seinem Chef, dem früheren Straßenkämpfer Joschka gewesen, der ganz staatsmännisch auf einem Bild an der Wand posierte, gleich neben einem Bild wo Bruder Johannes Rau drauf war, unserem allseits bekannten Bundespräsidenten.
Jetzt aber stand "Basti" auf und begrüßte Bongokönig mit einem freund-schaftlichen Handschlag. Was mochte er über den Mann denken, der so völlig unkonventionell ihm als ausländischen Interessenvertreter der Bundesrepublik Deutschland entgegen stand. Was ich aber nicht wußte, war das Bongokönig und "Basti" sich seit fast 20 Jahren kannten, denn Heinz war es, der die ganzen Kontakte mit "Basti" geknüpft hatte. So war das Kapitel Heinz für Basti auch ein wenig anstrengend gewesen, denn Basti hatte Heinz aus den Schwierigkeiten holen mussen, als sein Visum für Ghana bereits für ein paar Wochen abgelaufen war. Schließlich durfte Heinz aber in Ghana bleiben, da er in dem Dorf, wo er ein Krankenhaus und eine Schule als Entwicklungshelfer aufbaute, zum Häuptling gekrönt wurde. Solche Ehren bekamen im übrigen schon öfters Europäer zugeteilt, u.a. Ghanäer, die schon Jahre lang in Deutschland und Großbritannien lebten. Sie regieren ihr Imperium weitgehend von Europa aus mit Laptop, Internet und Faxgerät.
Nun kamen wir aber zum eigentlichen Problem, denn Bongokönig schilderte Basti, die mißlichen Umstände, die in den vergangenen Tagen entstanden waren.
Das erzeugte bei Basti Stirnrunzeln und vor allen Dingen, daß Bongokönig das Kokainpaket vernichtet hatte, würde einige Probleme aufwerfen, wenn die ghanäischen Behörden dieses falsch interpretieren würden. Aber was auch immer geschehen würde, so versprach Basti, würde er Bongokönig aus allen sich ergebenden Schwierigkeiten herausholen und in dieser Sache war er gut, war er doch schon Botschaftsangehöriger in so schwierigen Ländern wie Nordkorea gewesen.
Dann sprachen Bongokönig und Basti noch eine Sache unter 4 Augen ab, die ich allerdings erst hinterher herausbekam, denn es ging wohl um Bongokönigs Aufent-haltserlaubnis, die es zu verlängern galt.
Aber nachdem sie sich unter 4 Augen abgesprochen hatten, interessierte es mich doch brennend, was ein Botschafter denn so alles in seinem Berufsalltag erlebt....
Leider hatte der Botschafter keine Zeit mehr, aber er wollte einer Einladung folgen, die er von Bongokönig erhielt, doch zu unserem Buschhotel zu kommen. Dann würde er sich auch ein Bild darüber machen können, was Goldwins Männer denn nun alles zerstört hatten. Die improvisiert eingerichtete Küche war dank Ajowas mutigen Einsatzes Gott-sei-Dank nicht so in Mitleidenschaft gezogen worden, auch wenn nur durch das Molotowcocktail Brandspuren auf dem Boden zu finden war.
Als wir an diesem Abend dort ankamen, hatten Günter, Tarkan, Kofico und Heinz bereits die Trümmer beseite geräumt, so das unser Buschhotel wenigstens nicht schlimmer aussah, als vor über einer Woche, als wir das erste Mal in diese halbe Ruine einen Fuß setzten.
Adjoa und Ricarda hatten ein köstliches Mahl hergerichtet, welches auf dem noch intakten Kanonenofen in der Küche hergerichtet wurde: Es waren herzhafte Kebab-Fleischspieße, die in der Pfanne scharf angebraten wurden. Dazu gab es eine scharfe Currysauce, die mit Ananas und Apfelsinenstücken gemildert wurde. Als Sättigungsbeilage gab es Reis.
So wurde es ein wunderschöner Abend und das Meer erzeugte mit seinem fernen Rauschen das Gefühl in einem fernen Südseeparadies zu sein, welches ja auch fast zu traf. Nur befanden wir uns auf einer verlassenen Kakaoplantage, welche auch am Strand lag, nur geographisch betrachtet an der westafrikanischen Küste.
Der Botschafter, welcher alleine gekommen war, schwelgte in Erinnerungen an vergangene Zeiten.
"Es ist schon wirklich ein Geschenk, das ich diesen Beruf ausüben darf. Früher wurde ich nach meinem Studium für Rechtswissenschaften und Soziologie nach Nordkorea geschickt als Diplomat, dann allerdings vor fast 20 Jahren durfte ich selber meine eigene Botschaft führen in einem naja für meine Begriffe damals relativ uninteressantem Land wie Ghana. Aber wie konnte ich mich täuschen....
Was habe ich hier nicht alles erlebt. Unter anderem die Sache, als Heinz vor ein paar Jahren zum Häuptling ernannt wurde und sogar die ghanaische Staatsange- hörigkeit bekam. Momentan schlage ich mich viel mit "heiratswilligen" Ghanäer und Ghanäerinnen rum. Allein letzte Woche hatte ich drei Fälle. Es ist doch sehr ungewöhnlich das so viele Einheimische ihre Liebe in Deutschland finden und dann gleich schon zum Standesamt rennen. Nun ich kenne mich eigentlich in den landesüblichen Gepflogenheiten aus, dass man es hier nicht so eng sieht mit dem Heiraten. Um so mehr erstaunt es mich Brautleute vor das Standesamt zu führen, welche sich nur aus Briefen kennen."
15. Eine Zugfahrt nach Kumasi
Nachdem der Botschafter an diesem Tag bei uns zu Gast war, kehrte wieder allmählich Ruhe ein in unsere noch ein wenig herunter gekommene Herberge. Aber im Laufe der nächsten Tage sollte sich dieses ändern.
So verstrichen wieder 2 Wochen, in denen wir uns von unserer Aufregung mit dem sehr ehrenwerten Mr. Goldwin erholen konnten, allerdings ist erholen auch nicht das richtige Wort, denn wir waren in der Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenunter- gang mit dem Renovieren des "Buschhotels" beschäftigt, dem wir zu einem neuen Ruhm verhelfen wollten. Unser Tag fing schon morgens um halb 6 an, wenn die Nebel sich lichteten und vom Meer aus eine leichte Brise aufkam. Ein heißer südafrikanischer Roibuschtee war unsere Stärkung und zu dem gab es ein paar Scheiben Weißbrot, die wir mit etwas Ananas-Marmelade bestrichen. Dann ging es los um kurz nach 6, nachdem die ersten Sonnenstrahlen das Lehmziegeldach des Hotels im goldenen Licht erscheinen ließen. Die meiste Zeit verlegten wir Rohre, verputzten notdürftig Wände und strichen das Hotel mit strahlend weißen Farben an, wobei die Balkonfassade und die hölzernen Fensterläden, so weit sie noch vorhanden waren einen dezenten Rosa-Anstrich erhielten. Bongokönig, ich und Tarkan waren dabei richtig am Ackern, Heinz begnügte sich mit leichteren Anstreichtätigkeiten, die ihm aufgrund seines hohen Alters eher lagen, als auf dem Boden herum zu kriechen. Günter rechnete verzweifelt die Finanzen nach und war doch sehr erstaunt, wo Kofico doch recht günstig die benötigten Baustoffe herholte, so daß seine ganzen Berechnungen, die er anstellte für die Katz waren. Aber Günter war kein Betonkopf, den man in irgendein Finanzministerium stecken konnte, nein er war durchaus flexibel und konnte nach anfänglichem Ärger völlig neue Ideen auftun, wofür man den Rest des ja nun nicht gebrauchten Geldes verwenden könnte.
Natascha, Adjoa und Natascha waren nicht nur mit der Verköstigung beschäftigt, sondern ihnen oblag auch der Innenausbau des Hauses, welcher rasch voranschritt. Gerade Natascha erwies sich in dieser Situation als handfeste Hilfe, die die beiden anderen Damen sehr gut anleitete, wo doch gerade Ricarda die Arbeit fürs Grobe erst nicht besonders lag.
Nach 2 Wochen nun war also das "Buschhotel" keine baufällige Ruine mehr, auch wenn die Inneneinrichtung noch weitgehend fehlte. Kam man unten hinein, so befand sich dort die zukünftige Küche, ein größerer Aufenthaltsraum und natürlich die Rezeption. Außerdem durften unten auch sanitäre Einrichtungen und ein Bad nicht fehlen. Die Bilder an den Wänden hatten wir übrigens noch nicht ausgetauscht, denn so blieben auch sie ein Teil des Hauses, der den Zauber einer vergangenen Epoche vergegenwärtigte.
Oben nun befanden sich 4 Räume, welche allesamt Schlafzimmer werden sollten. Wir hatten erst lange hin und her überlegt, die sanitären Einrichtungen nicht auch nach oben zu verlagern, aber wir sollten wir das bei den finanziellen Mitteln und die knappe Zeit, die wir hatten, machen ? Denn so üppig waren die Reserven, auf die wir noch Zugriff hatten auch nicht.
Die sanitären Einrichtungen bestanden übrigens aus 2 Plumsklos und 2 Duschen, die wir an einen Tank angeschlossen hatten, welcher aus mehreren 100 l Bierfässern bestand.
Es war inzwischen der 4. Freitag nach unserer Ankunft und Natascha und Günter würden sich am Dienstag der folgenden Woche von uns verabschieden müssen. Jeder von uns spürte, dass es bald Zeit war Abschied von dem Land des Goldes zu nehmen, aber bevor Natascha und Günter wieder mit dem Flugzeug nach Europa fliegen würden, wollten wir das letzte gemeinsame Wochenende noch einmal nutzen um die zweitgrößte Stadt Ghanas: Kumasi kennenzulernen.
Kumasi war eingebettet inmitten von sanften grünen Hügeln, eine Stadt mit alter Kultur und lebendiger Vergangenheit, außerdem heimliche Hauptstadt des Landes. Wer Kumasi erwiderte, dachte gleichzeitig an Gold und Diamantenfelder, an große Wälder und Sägewerke, an das stolze Volk der Ashanti, an den goldenen Stuhl, dem Heiligtum der Ashanti, aber auch an schöne Gärten und eine Stadt im Grünen.
Mit dieser Stadt konnte man eine Menge Dinge assoziieren.
Heinz war es, welcher uns nach Kumasi begleiten wollte, aber nicht auf dem herkömmlichen Weg der Autostraße, sondern auf dem Weg der Gleise, die durch den Dschungel führen. Heinz wollte uns das Bahnfahren in jenem Land zu einem Erlebnis werden lassen, gleichzeitig allerdings vermutete ich, hatte er aber noch ganz andere Dinge vor. Ich war mir damals nicht ganz sicher, aber ich meinte er würde dort auf Spurensuche gehen wollen, auf Spurensuche nach dem inzwischen zusammengebrochenem Imperium des Mr. Goldwin, welcher in einer Nacht und Nebelaktion völlig vom Erdboden verschwunden war mitsamt einigen Handlangern und den Waffengeldern, die er durch den Schmuggel von Waffen nach Liberia und Cote d' Ivoire bekommen hatte, aber auch den Drogengeldern aus den Erlösen von togesischem Kokain. Goldwin blieb eine zwiespältige Persönlichkeit in seinen wie aber auch in meinen Augen.
Eines lies sich nicht ganz verleugnen, das er in Ghana einige Geschäfte und Investitionen getätigt hatte, die einige Arbeitsplätze schaffen konnten. Sie sollten von seinen dunklen Machenschaften ablenken und die Justiz ruhig stellen ....Schmiergelder taten ihr übliches, aber nun hatte sich ja das Blatt gewendet, wo auch die Presse Wind von den dunklen Machenschaften bekommen hatte. So geriet auch die Justiz unter Druck und mußte fortan Goldwin zu einem Staatsfeind erklären. So sollte tatsächlich eine Spur in Kumasi den guten Mr. Goldwin verraten, dazu aber später, denn ich ahnte ja noch nicht in wie weit den nun Heinz recherchiert hatte.
Zurück zur Zugfahrt, welche an jenem 4. Freitag nach unserer Ankunft stattfand. Der Hauptbahnhof von Accra glich an jenem Tag einem riesigen Jahrmarkt, wobei man allerdings erwähnen sollte, dass die Eisenbahn in jenem Landstrich keine große Bedeutung zugemessen werden darf, da es nur einen Schienenstrang nach Kumasi gab und einen, welcher weiter gen Westen führte, entlang der Küstenstraße. Nordghana war von der Eisenbahn völlig ausgeschlossen, denn Kumasi war die letzte und nördlichste Station der Eisenbahngesellschaft.
Die Waggons, in welchen wir Platz nahmen waren ganz aus Holz und sicherlich schon seit Jahrzehnten im Einsatz, aus einer Zeit, wo in jenem Landstrich die Kolonialherren Kakao anbauten. Der Zug bestand aus insgesamt 5 Waggons und einer Diesellok, welche mit einer emsigen Kraft den Zug langsam in Bewegung setzte. Wir hatten noch in unserem Abteil mit Mühe und Not einen Sitzplatz erobert, da sahen wir eine sehr korpulente Frau, die etwa den doppelten Umfang von Heinz besaß, welcher es auch schon so auf 2 Zentner brachte. Sie trug ein buntes Kleid und versuchte verzweifelt ihre Ziege, welche sie an einem Strick hatte durch die Menschenmassen im Zug zu schieben. Dann bat sie Heinz, da sie keine andere Möglichkeit sah, doch die Ziege an sich zu nehmen für die Zugfahrt, da zwischen unseren Sitzplätzen wohl kein Platz für die 4 Zentnerfrau mehr war, wohl aber für die etwas magere Ziege.
So fuhren wir vorbei an Wäldern, Dörfern, Feldern und Flüssen, getrieben von dem feuchten Wind, welcher die Schwüle des Tages ein wenig vertrieb. Jetzt sah ich Afrika wieder aus einer etwas anderen Perspektive, aus dem Zug, der sich nicht besonders schnell durch das Land schlängelte. Es war alles so grün und am Blühen, das es eine wahre Freude war, die Vielfalt der Blumen, welche sich aus den Regenwäldern streckten, entgegen zu sehen. Nur die Moskitos störten, welche versuchten in großen Scharen in die Waggons der Eisenbahn zu flüchten.
Nachdem nun viele Bahnhöfe passiert waren, wo Frauen mit bunten Kleidern den Passagieren entgegen winkten, kamen wir endlich in die zweitgrößte Stadt des Landes, eine Stadt einzigartig in Westafrika, Kumasi.
Die Menschenmenge, die dem Zug entgegen strömte, war noch imposanter und farbenfroher, als die in Accra, denn hier waren die Leute eher in traditioneller Tracht gekleidet, als in Accra, welches in den reicheren Stadtteilen einen leichten europäischen Touch hatte. In dieser Menge war es um so leichter unseren Gastgeber, den Herrn Oliver Kerkhoff in seinem weissen Dressman herauszufinden. Er trug einen weissen Hut und war so, das Ebenbild eines Kolonisten aus den 50ger Jahren. Vielleicht hatte er auch ein wenig Ähnlichkeit mit Hunghrey Borgart in "Casablanca", einen Streifen, der mir bis heute zwar noch nicht vor die Augen gekommen ist, aber so stellte ich ihn mir immer vor.
So sah also ein Entwicklungshelfer aus ? Nun nicht ganz, Kerkhoff, ein Typ in den späten Dreißigern, war durch eine Holzfirma mit half, in Kumasi ein Säge- und Spannplattenwerk zu errichten. Er kannte den alten Heinz schon lange, da Heinz schon hier viele Spannplatten für sein Dorf bestellt hatte. Aber trotz alledem sich Kerkhoff und Heinz sich duzten, konnte man bei Heinz ein gewisses Mißtrauen beobachten, welches sich verstärkte, als wir am Wohnsitz von Kerkhoff angekommen waren: eine weisse Villa im Kolonialstil und von einer hohen Mauer umgeben.
16. Kerkhoff und Goldwin
So waren wir angekommen auf diesem schönen Anwesen, auf welchem wir für eine Nacht Gast sein durften bei einem Gastgeber namens Kerkhoff.
Nun vielleicht mochte er hochmütig sein, aber gastfreundlich war er schon, denn auch wenn die Chemie zwischen Kerkhoff und Heinzens Becker nicht sonderlich zu stimmen schien, machte er sich doch ziemlich viel Mühe mit allem, denn schließlich waren ja auch Beide froh, das sie mal miteinander Deutsch sprechen konnten, in einem Land, wo man nicht so oft die Gelegenheit dazu hat.
Ich inspizierte das Studierzimmer, welches gleich neben dem Eingangsbereich seinen Platz hatte. Hier auch sollten wir warten und bei einem kleinen Fruchtcoktail mit Bacardi die Zeit absitzen, denn er hatte, wie er uns weiß machen wollte noch ein wichtiges Telefongespräch zu erledigen.
Dann stockte mir der Atem, denn in dem Studierzimmer, in welchem auf einem Schreibtisch ein hochmoderner Lapton stand und daneben in 2 Bücherregalen Lexiklupädien ihren Platz fanden, hang ein Bild an der Wand. Auf diesem Bild konnte man Kerkhoff und noch einen Herren erkennen, den ich bisher zwar nicht persönlich zu Gesicht bekommen hatte, aber dessen Bild in den letzten Tagen die hiesigen Zeitungen titulierte....Goldwin.
Ich klopfte Heinz auf die Schulter und machte ihn auf das Bild aufmerksam, der allerdings reagierte nur mit einem müden Achselzucken.
"Weißt Du, es ist mir schon lange bekannt, das unser guter Oliver Kerkhoff früher zumindest mit Goldwin geschäftlich verkehrte, aber ich muß zu seiner Verteidigung sagen, dass Goldwin hier in Ghana nun einmal bis vor einigen Tagen eine gewichtige Person war, mit dem man halt z.T. auch Geschäfte schließen mußte. Ihr müßt Euch vor Augen führen, dass Goldwin äußerlich eine reine Weste hatte, denn seine dubiosen Geschäfte wickelte er heimlich ab, äußerlich gab er sich immer seriös zu erkennen."
Dann allerdings drehte er sich um und ging zur Tür, hinter welcher Kerkhoff ein Gespräch führte. Dann allerdings traute Heinz seinen Ohren nicht, denn er vernahm so etwas wie ein "Ja, Mr. Goldwin" hinter der Tür.
Da riß der alte Mann mit Zornesröte im Gesicht die Tür auf und Kerkhoff war völlig baff, legte den Telefonhörer schnell auf und schluckte.
Was jetzt kommen würde, konnte man sich denken, aber ganz so schlimm wurde es dann doch nicht, denn Heinz ging mit voller Wut auf Kerkhoff zu und packte ihn mit einem festen Griff an seiner Hand, denn das Heinz nun physische Gewalt anwenden wollte, nein so etwas war nicht sein Ding. Aber er wollte Kerkhoff zur Rede stellen, denn schließlich hatte er gerade mit Heinzens ärgstem Feind geplaudert, wegen dem fast Westafrika auf den Beinen war.
Bevor Heinz Kerkhoff allerdings seine Meinung geigen konnte, zog es Kerkhoff doch vor in die Offensive zu gehen und gleich ohne eine Frage los zu reden :
"Bevor du jetzt irgendein Urteil über mich fällst, möchte ich Dir erst einmal meinen Standpunkt erklären. Ich weiß, das du eben gerade mitbekommen hast, wie ich mit Goldwin ein Gespräch führte. Und es tut mir auch unendlich leid, was Goldwin und seine Leute Dir und der Truppe von Bongokönig zu gefügt haben. Ich selber weiß nicht genau wo Goldwin sich zur Zeit aufhält, aber nach allem, was er so verlauten ließ, müßte er sich inzwischen irgendwo bei Kano in Nordnigeria aufhalten, wo er vor den ghanaischen Polizeibehörden einigermaßen sicher ist. Goldwin hat sicherlich einiges auf dem Kerbholz, doch ihm sollte ein fairer Prozess gemacht werden in einem europäischen Land. Zwar gilt Ghana als Rechtsstaat, aber hier würde er sich bis zu seinem Lebensende die Zelle mit Ratten und Kakarlaken teilen müssen. Das wäre zu hart, da wird man nicht ganz alt bei. Ich denke in Großbritannien wird er auch gesucht. So könnte er ja nach Großbritannien ausgeliefert werden. Was hältst du davon. So würde er ein paar Jahre Zuchthaus kennenlernen, hätte aber immer noch Zeit genug, bis zu seinem Lebensende seine Memoiren zu schreiben."
Darauf beruigte sich Heinz wieder und ließ von Kerkhoff los. Er begann langsam die Sache doch auch ein wenig anders zu sehen. So folgte dem Abend schließlich eine lange Diskussionsrunde und hinterher war es für mich u.a. unendlich schwer mir eine objektive Meinung zu bilden. Goldwin hatte auch einiges Gute für Ghana getan wie, die Liquidität mehrerer Firmen gefördert und Investoren ins Land geholt. Er war an zahlreichen Firmen beteiligt wie Sägewerken und Lebensmittelindustrie und hatte auch den Ausbau eines Nationalparkes gefördert. Daher hatte er natürlich bei der ghanaischen Regierung gepunktet und konnte in Ruhe u.a. auch Waffenschmuggel nach Liberia und an die Cote d'Ivoire fördern. Ferner dann noch die Drogengeschäfte im ghanaisch-togesischen Grenzgebiet usw.
In der Nacht lag ich noch lange wach und konnte nicht richtig einschlafen, denn die Bilder der vergangenen Wochen liefen wie ein Film in meinem Kopf ab. Ich dachte an das Mädchen, welches in meinen Armen an Aids starb, dann an die Strände und das Buschhotel. Vieles ging mir durch den Kopf. Nun hatte zumindest die Sache mit Goldwin ein gutes Ende gefunden.
Am nächsten Tag ging es auf den Markt von Kumasi, wo uns allerlei bunte Stände erwarteten. Es wurde gefeilscht und gehandelt. Marktfrauen trugen Kasaba und Yam-Wurzeln in ihren Körben, doch das war es nicht, was uns Oliver und Heinz (übrigens nun in trauter Zweisamkeit) zeigen wollten. So kamen wir zu einem Stand, wo aus einem großen Topf uns der Duft orientalischer Gewürze entgegen- strömte. Gern wollte ich eine Portion dieses Gerichtes probieren, wozu mich Heinz aufmunterte. Doch wie sollte es auch anders sein, es kam mir schon ein wenig Spanisch vor, denn was ich dann für vielleicht umgerechnet 20 Cent zu mir nahm, schmeckte zwar sehr gut, knackte aber ganz komisch beim zubeißen. Dann wollte ich das, was ich da aß genau inspizieren und stellte fest, daß mich das ganze an so Art Nordseekrabben erinnerte, bloß das diese posierlichen Tierchen, die im Mund so knackten noch Flügen an ihrem Körper sitzen hatten. Aber es schmeckte wirklich sehr gut und deshalb wollte ich nicht weiter fragen, denn es waren sicherlich Heuschrecken, welche man in der Sahelzone öfters zu bereitete, schließlich kam der Händler, welcher uns die Ware anbot aus Burkina-Faso. Er hatte ein langes weißes Gewand an und war wie ein afrikanischer Muslim gekleidet. Allerdings wollte er uns noch einiges über die posierlichen Tierchen erzählen, was wir aber aufgrund seines frankophonen Afroenglisch nicht wirklich verstehen konnten.
Dann machten wir noch einen Schlenker über den Handwerkermarkt, bevor dann wieder der Zug uns am Bahnhof von Kumasi erwartete um uns nach Accra zurückzubringen. Diesmal würden wir des Nachts in Accra ankommen, denn es war bereits später Nachmittag als der Zug losfuhr. Um kurz nach 18 Uhr wurde es schlagartig dunkel und es war einfach unheimlich, wie da aus der Finsternis des Dschungels die Schreie von Hyänen, Papageien und Raubkatzen in den Zug gelangten. Hier und dort plätscherten Bäche, die die Geräusche der Diesellock übertönten und dann und wann fuhren wir auch durch die Dörfer des Landes, die nicht immer mit Elektrizität gesegnet waren....so sahen wir dort viele Petroleumlampen aufflammen, die wie kleine Glühwürmchen uns durch die Dunkelheit führten.
Als wir in Accra ankamen war auch schon fast der neue Tag angebrochen. Wir mußten Bongokönig erst mal mit dem Handy aus dem Bett klingeln, damit uns jemand vom Bahnhof abholen konnte.
Bongokönig kam rund 3 Stunden später mit Koficos Laster, der allerdings verhindert war und uns deswegen nicht persönlich abholen konnte. Da fragte ich Bongokönig, was denn Kofico so wichtiges zu tun hätte, denn schließlich hatte er doch versprochen uns mit abzuholen. Bongokönig schmunzelte darauf und meinte:
"Was meinst du wohl Daniel, haben wir die beiden vergangenen Tage gemacht. Am Samstag war große Einkaufstour angesagt und wir mußten eine ganze Wohnzimmergarnitur von Kaneshie bis zum Buschhotel transportieren. Sprich, wir fuhren so 20 km mit einem Wohnzimmer durch die Gegend. Na und heute ist er nochmals in Kaneshie bei jenem Tischler, bei dem wir auch die Wohnzimmermöbel einkauften. Der war so froh, denn er hatte das Geschäft seines Lebens gemacht. Immerhin verdiente er so auf einem Schlag mehr als ein durchschnittliches Jahreseinkommen, wenn man bedenkt das ein Monatslohn hier oft nicht mehr als 50 Euro beträgt. Für etwas mehr als 750 Euro ein ganzes Wohnzimmer, Schlafzimmer und Teile eines Eßzimmermobiliars."
Das bekam Günter mit, der ja schließlich oberster Kassenwart und gleichzeitig "Controller" war – auf der einen Seite zwar säuerlich, da dieser Kauf ohne seine Mitkenntnis geschehen war, aber andererseits wieder froh, das doch noch etwas übrig geblieben war, denn er hatte härter kalkuliert.
So hatte sich Kofico noch einen größeren LKW geborgt, der für den Transport von A nach B sorgte und Bongokönig kam halt mit Koficos Kleinlaster.
Dann fuhren wir wieder zurück vor die Toure der Hauptstadt zu unserer verschlafenen Kakaoplantage. Mittlerweile war also das ganze Mobiliar vor dem Haus aufgestellt und wartete nur noch darauf passend ins Haus gestellt zu werden. Den LKW hatte Kofico inzwischen wieder abholen lassen, denn wir waren ja nun zur Verstärkung gekommen.
So wurde es ein Hin-und Hergeschiebe der letzten Möbelstücke, die nun ins Haus gebracht wurden und des Abends saß nun der alte Heinz gemütlich in seinem Schaukelstuhl und ließ den lieben Gott einen guten Mann sein. Gleichzeitig war dies auch mit unser Abschiedsabend.
17. Zeit des Abschiedes
Der nächste Tag war mit viel Aufregung verbunden, denn Natascha und Günter mußten sich nun verabschieden. So war es schon ein komisches Bild, wie wir dort alle vor dem Flughafengebäude standen und hinter uns starteten die Maschinen nach Europa. Der alte Heinz gefiel mir an jenem Tag wirklich gar nicht, denn er fühlte sich so mau und beklommen. Das sah auch Natascha, die als geschulte Krankenschwester dafür natürlich ein Auge besaß.
So sagte Heinz zu ihr: "Es war schön Euch kennengelernt zu haben und ich denke wir waren ein wirklich gutes Team, auch wenn ich und Günter manchmal unsere Meinungsverschiedenheiten hatten. So ein Abschied fällt mir doch sehr schwer. Ab jetzt gehen wir wieder getrennte Wege."
Da war Günter ganz überrascht: "Aber Heinz, wir kommen doch so bald wie möglich wieder. Was erzähltst du da, daß ist doch kein Abschied für immer."
"Ja, nun ich bin alt und nicht mehr der Gesündeste. Ich hoffe du hast recht und wir werden uns recht bald wiedersehen – so daß ich das noch erleben darf," meinte Heinz mit sehnsüchtiger Miene zum Himmel starrend.
Natascha sah ihn ernst an: "Du siehst wirklich nicht gut aus, aber das ist noch kein Grund der Welt liebe Wohl zu sagen, denn auch hier in Ghana gibt es gute Krankenhäuser. Also tue mir den Gefallen und gehe am besten gleich in dieses Korle-Bu-Hospital, denn dort kann man ja alles machen."
Natascha wußte schon, was sie sagte, denn soviel Ahnung hatte ich nach 2 Semestern Medizin auch schon, daß mit Heinz und seinem Herzen etwas nicht in Ordnung war.
Es vergingen nun noch 2 Stunden bis Natascha und Günter im Flieger saßen. Dann flogen sie davon wie eine Schwalbe den Wolken entgegen.
Wir saßen nun noch des Abends in unserem neuen Hotel und Heinz schien es auch besser zu gehen, was uns alle sehr erleichterte. Fast 2 Wochen hatten wir nun noch vor uns, dann würden wir Afrika wieder verlassen. Es gab nicht mehr viel zu tun, aber die Rückseite des Hauses mußte noch neu gestrichen werden, genauso wie noch einige Kabel offen lagen, die an der Wand befestigt werden mußten.
Wir waren damit dann noch etwa 3 Tage beschäftigt. Schließlich war der Tag gekommen, an dem wir nun endgültig fertig waren und wir sehnten uns alle zu dem großen Eröffnungsfest, wo selbst der deutsche Botschafter es sich nicht nehmen lassen wollte dem ganzen beizuwohnen.
Es war der Abend vor dem großen Richtfest, wo ich zusammen mit Ricarda, Adjoa und Tarkan am Strand von Lambadi-Beach saß und wir den Wellen lauschten, die an jenem Sommerabend für die richtige Stimmung sorgten.
Ich war Ricarda an jenem Abend näher gekommen und wir fanden, daß es nun nicht mehr ein Hindernis wäre unseren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Natascha wäre von dem ganzen wohl nicht sehr angetan, auch wenn wir nur immer platonische Freunde waren, so spürte ich in ihrer Gegenwart eine gewisse Eifersucht, wenn ich von Ricarda sprach und auch deren Meinung vertrat. Letzt- endlich mochten sich Ricarda und Natascha sehr, denn sie mußten zu zweit unserer von Männern dominierter Gruppe Paroli bieten, so daß beide letztendlich mehr als nur ein Zweckbündnis miteinander schlossen.
Gut da war dann als 3. Frau im Bunde ja noch Adjoa, wobei Adjoa stets nur am Rande agierte, denn ihr Terminplan war auch voll, was ihr nicht viel Zeit dafür ließ an der Verschönerung des Buschhotels aktiv mitzuwirken, nun allerdings schien es als würde sie für Tarkan die Nummer 1 sein.
Es spielten noch einige Kinder Fußball und diverse amerikanische Manager ließen sich von einigen Prostituierten nicht stören, die diese heiß umworben, um ihre Haushaltskasse aufzufüllen. An jenem Abend dachte ich ein wenig zynisch über jene Situation nach, wenn gleich dieses doch sehr ungerecht von mir war, denn sie wollten ja nicht ihren Spaß, sondern alleine Geld verdienen um wenigstens das Nötigste kaufen zu können, immer in der Gefahr von der Polizei aufgegriffen zu werden, die sich dann mit Schmiergeldern unter einer Millionen Cedi nicht zufrieden gaben, was in etwa 100 Euro entsprachen. Da dachte ich gleich wieder an die schöne Liz, die sich auch hat dafür hergeben müssen für ein paar tausend Cedis mit ihrem Leben zu bezahlen. Und trotz alledem hatte ich nie das Gefühl während der ganzen langen Zeit, die ich nun schon in Ghana verbrachte, dass es Menschen gab, die gerade so dem Hungertod entkommen waren.
Selbst in einem Entwicklungsland, so ist meine Meinung heute, können sich Menschen weiter entwickeln, um sich zumindest auf längere Sicht aus dem Elend des Alltags herauszukommen. Wer immer nur den Trott des Alltags geht und nicht nach links und rechts schaut, wird auch in der Position verharren, in der er ist. Aber was sage ich, mit uns Menschen in Europa ist das alles auch nicht anders, außer Bongokönig oder der alte Heinz, das sind Leute, die nicht in ihrer alten Position verharren wollen und ausbrechen aus dem Alltag und zu neuen Ufern schwimmen.
Ich und Ricarda verließen um ca. 11 Uhr abends den Strand und ließen Adjoa und Tarkan alleine zurück, trotz alledem gab es noch immer ein paar Leute, die den hiesigen Strand unsicher machten, was Tarkan an jenem Abend fast zum Verhängnis geworden wäre:
Tarkan, nun ja, hatte ein etwas innigeres Verhältnis zu Drogen, allerdings nur zu weichen, um dieses einmal klarzustellen. Er war ein Gelegenheitskiffer, der ab und zu an den Wochenenden zu Joint griff, was er aber Gott-sei-Dank in Ghana bisher tunlichst vermieden hatte. Aber wie es so schön heißt macht Gelegenheit nicht nur Liebe, wie bei mir und Ricarda, sondern auch Diebe.
So wurde Tarkan in der Dunkelheit ein Joint von einem Händler angeboten, der diese Cannabisprodukte jetzt im Dunkeln noch ein irgendwelche europäischen Touristen für ein paar tausend Cedis zu verkaufen. Tarkan kaufte zu Adjoas Entsetzen einen Joint, was Adjoa aufschreien ließ. Sie wollte ihn noch davon abhalten, aber sah dann zu, daß sie das Weite suchte, schließlich waren um diese Zeit nicht nur Händler unterwegs sondern auch die Ordnungsmacht.
Tarkan wollte sich von keinem stören lassen, als er genüßlich am Joint zog, wo auch gerade in diesem Moment 2 Polizisten seine Hände schnappten und im just Handschellen anlegten, ohne das Tarkan seine Tüte zu Ende rauchen konnte.
Nun wurde es unangenehm für ihn, doch Adjoa hatte Gott-sei-Dank die ganze Situation beobachtet und wollte schnell von uns Hilfe holen.
Als sie uns mit Schrecken die ganze Situation geschildert hatte, klingelte auch schon das Handy von Heinz, wo doch tatsächlich der Notdienst der deutschen Botschaft anrief, daß Tarkan vor einer halben Stunde verhaftet worden wäre wegen halt dieses Joints, wo deutsche Staatsanwälte solche Delikte wegen Gering-fügigkeit die Verfahren einstellen würden.
Heinz war der Mann, der die Situation noch für Tarkan rettet wollte und so bat er noch einen jeden von uns im etwa 100 Euro zu geben, denn viel mehr besaß zumindest ich und auch Ricarda an Geld nicht mehr. Es sollte dann aber wohl für ein ordentliches Schmiergeld reichen, da ansonsten Tarkan mindestens 5 Jahre in einem nun ja nicht ganz gesundheitsbewußten Leben in einem ghanaischen Gefängnis bevor stehen würden.
So begab sich also Heinz zu der Polizeistation, wo Tarkan laut deutscher Botschaft in Gewahrsam genommen wurde. Es war nun mitten in der Nacht und die Polizeistation war nur von 1 Polizisten besetzt, der sich über einen Stapel mit Akten wälzte. Die Wände des kleinen Polizeigebäudes waren schon lange nicht mehr gestrichen worden und überall stapelten sich die Akten. Computer besaß diese Polizeistation nicht, nur eine alte Schreibmaschine, wo der Officer gerade einen Strafbefehl schrieb, der anscheinend der von Tarkan war.
Der Officer staunte nicht schlecht, als er Heinz rein kommen sah. Mürrisch entgegnete er hinter seiner Schreibmaschine, irgendwas von einem: "What do you want ?" Da zeigte Heinz gleich auf Tarkan, der in einer kleinen Seitenkammer eingesperrt war und nun durch die Gitterstäbe der Tür hoffnungsvoll zu Heinz rüber guckte. Der Officer blickte streng zu Tarkan rüber und entgegnete, daß er nun einmal die Vorschrift hätte ihn hier zubehalten, schließlich habe er eklatant gegen das Drogengesetz verstoßen, was bei Konsum von Kannabis eine Haftstrafe von 5 Jahren mit Zwangsarbeit vorsehe. Vorsichtig legte Heinz dem Officer einen 100 Euro-Schein hin, der aber strickt verneinte, denn schließlich wäre die ghanaische Polizei heute nicht mehr so korrupt wie früher und die Gefangene hätten schließlich auch ein rechtstaatliches Urteil zu erwarten. Dann gab er Heinz die Liste von Rechtsanwälten, wo er sich melden könne. Heinz ließ nicht locker und gab dem Officer noch einen zweiten und dritten 100 Euro-Schein, bis der Officer beim fünften 100 Euro-Schein dann endlich nachgab, sich um sah und dann den Schlüssel zu Tarkans Zelle im Schloß umdrehte. An einem Abend hatte der Polizeiofficer nun so viel verdient wie sonst in einem Jahr.
Mit einem finsteren Blick ließ der Polizeiofficer nun Heinz und Tarkan von dannen schreiten und schmiß den Strafbefehl in den Papierkorb.
Draußen wo der Jeep von Heinz stand, da wollte Tarkan doch vor Ehrfurcht Heinz die Füße küssen, wie uns Heinz am nächsten Morgen erzählte. Es war ja noch einmal alles gut gegangen, aber Heinz war erstaunt, daß die Polizei doch nicht mehr korrupt genug schien, um sich mit kleineren Geldbeträgen zufrieden stellen ließ, aber man mußte dazu ja auch das Ausmaß der Strafe sehen, die Tarkan nun erwartet hätte.
"Was bin ich froh aus diesem finsteren Raum raus sein zu können," war das erste das Tarkan noch bei seiner Ankunft bei uns sagte. "Und das Licht, das hereinkam ließ mich nur auf den Arbeitstisch des Officers blicken, was wirklich sehr deprimierend war."
In dieser Nacht konnten wir alle nicht wirklich schlafen, denn ich selber hatte noch gar nicht das Ausmaß dessen begriffen, was passiert wäre, wenn Tarkan fünf weitere Jahre in Ghana verbracht hätte. Verdammte Drogen, dachte ich nur, wieso mußte Tarkan das nur ausprobieren, wo er das doch in der Türkei auch ausgetestet hatte. In der Türkei, wo er sogar noch Kannabis eingeschmuggelt hatte. Tarkan werde endlich erwachsen, dachte ich nur, sonst können wir nicht mehr deinen Kopf aus der Schlinge ziehen und du bist doch jemand, der uns bei dem Aufbau des Buschhotels sehr unterstützt hat.
Der nächste Tag, war ein Tag, der wohl der ereignisreichste unserer Reise sein würde, positiv wie negativ....das Richtfest stand nun an und wie schon erwähnt wollte selbst der Botschafter kommen, unser inzwischen allseits bekannter Basti.
So war auch Tarkans kleiner Gefängnisaufenthalt erst einmal kein Thema mehr und auch Goldwin, der sich inzwischen in britischer Polizeigewalt befand auch nicht. Einzig und alleine unser Buschhotel sollte Thema bei seiner Einweihung sein....ein Buschhotel, welches für Individualtouristen als eine Art Jugendherberge gedacht sein sollte. Bongokönig wollte die Regie des gesamten Projektes weiterhin übernehmen mit Unterstützung von Kofico und dem alten Heinz. Adjoa würde die Küche ins Visier nehmen, um Lehrlinge als Hoteliers und Caiterer auszubilden. Insgesamt sollten so 3 oder 4 Lehrlinge einen Ausbildungsplatz erhalten und gleichzeitig mit etwa ca. 20 Euro im Monat über ein kleines Einkommen verfügen und so ihre Familien unterstützen können. Wer diese Lehrlinge sein sollten, war an diesem Tag noch nicht klar, aber die Liste der Interessenten würde groß sein, wo auf die Lehrlinge anschließend dann auch ein fester Arbeitsplatz in diesem Buschhotel warten würde mit einem Monatseinkommen von ca. 50 Euro im Monat.
Aber das war noch alles Zukunftsmusik. Wir hatten nun draußen vor dem Haus ein Sonnenzelt aufgespannt, welche die eingeladenen Gäste vor der Sonne schützen würde. Bongokönig hatte feierlich einen Podest besorgt, von dem aus er eine Rede halten konnte. Einige Sitzbänke hatte Kofico mit seinem Kleinlaster besorgt, so daß nun etwa 50 Gäste Platz haben würden.
Als Gäste waren da der Botschafter, samt Frau, sowie wir alle natürlich, dann noch Vertreter von einer ghanaischen Handelskammer und viele Freunde von Kofico sowie Leute aus dem Dorf, wo Heinz Häuptling war.
Heinz sah nach den Strapazen der vergangenen Nacht gar nicht gut aus und er rang mühsam nach Luft. Dann entschuldigte er sich kurz und ging Richtung Strand, während die anderen Leute gespannt auf die Rede von Kofico warteten.
Ich folgte Heinz an den Strand, wo er sich unter einer Palme hinlegte und gen Horizont sah. Mir kamen die Tränen in die Augen, als ich ihn dort so schwer atmen sah. Er aber blickte mich glücklich an.
"Mach dir mal nicht allzuviel Gedanken, du weißt ich bin Ende 70 und habe mein Leben gelebt. Ich glaube heute ist ein guter Tag zum Sterben. Ich habe meine Aufgabe erfüllt. Und was mich so stolz gemacht hat ist, daß ich mit Euch noch einmal das Buschhotelprojekt zu Ende bringen konnte. Es hat mir für einige Wochen noch einmal Kraft gegeben, nachdem es mir vorher so schlecht ging, der Grund übrigens weswegen ich habe kaum etwas von mir hören lassen," sprach er mit schwacher Stimme.
Ich setzte mich zu ihm, um ihm Gesellschaft zu leisten. "Aber Heinz, du darfst nicht aufgeben. Du bist zwar Ende 70, aber das Leben hat doch für dich gerade erst richtig angefangen. Du bist ein wesentlicher Teil unseres OFF-Teams."
"Das OFF-Team, was nun getrennte Wege geht – Natascha und Günter sind schon zurück geflogen und nur ihr 4, Bongokönig, du, Tarkan und Ricarda seid noch da, der Rest ist wieder in Deutschland. Guck mal Daniel, das Leben geht für Dich weiter, aber ich habe den Teil getan, den ich zu tun hatte. Ich danke Euch sehr, daß Ihr die Zeit, die mir noch verblieben ist, sinnvoll mit mir zusammen genutzt habt. Ich war ein alter Mann, aber bei Euch bin ich zu neuen Kräften gekommen. Jetzt aber bin ich bereit zu sterben. Was kann Gott mir für einen schöneren Tag zum Sterben geben wie diesen....Angst habe ich nicht...."
"Sterben ist das Schwerste, was ein Mensch vor sich hat und jeder muß einmal sterben," entgegnete ich traurig.
"Aber guck mal, der Körper stirbt, aber ich selber, mein eigenes Ich begibt sich auf eine Reise und diese Reise geht in eine friedvolle Welt. Ich bin Christ, weißt du und viele Leute, die schon mal dem Tod begegnet sind sprechen von diesen Nahtoderlebnissen, wo sie eine Wärme und eine unheimliche Liebe empfangen hat und sie traurig waren wieder zu ihrem Körper zurückzukehren," versuchte er mir zu erklären.
Da entgegnete ich ihm: " Ja, ich erinnere mich genau an diesen Komapatienten, der während meines Praktikums auch solche Erlebnisse hatte. Er erinnerte sich an eine schöne hügelige Landschaft und an warme Sonnenstrahlen von einem milden Licht, so wie man es in der Toskana vorfindet." Dann nahm ich seine Hand und wir blickten beide dem Horizont entgegen. Der Winde wehte aus südlicher Richtung und nahm der Hitze ihre Kraft, so das man die Temperaturen als milde und erfrischend empfand, nicht wie die drückende Schwüle, die noch Tage zuvor auf uns lastete.
Und dann, ja dann spürte ich wie Heinz Herzschlag erlosch und er aber den Blick noch immer dem Horizont entgegen warf.
18. Heinz Vermächtnis
Wir waren alle zutiefst schockiert und Bongokönig brach die Feierlichkeiten gleich ab, nachdem ich der feierlichen Gesellschaft die traurige Nachricht von Heinz Tod übermittelte. Es war ja nicht so, daß er zu früh von uns schied, denn er war immerhin 78 geworden, aber ich hätte ihm so gerne noch ein paar schöne Jahre gewünscht. Was würde jetzt aus Bongokönig werden, der nun in ein paar Tagen alleine gelassen wurde, denn er wollte ja nicht so schnell nach Deutschland zurückkehren. Es war schon alles mit den ghanaischen Behörden geklärt worden, das er zumindest für ein ganzes Jahr hier leben dürfte.
Aber nun ? Er hatte nun seinen deutschen Ansprechpartner verloren und war von nun an auf Kofico und seine Familie angewiesen, die auch noch mit anderen Dingen beschäftigt war.
2 Tage später kam das Begräbnis, wo wir Heinz Leichnam nach Afegame brachten, denn dort sollte er begraben werden an der Seite seiner Frau, die schon vor über 10 Jahren starb. Die Beerdigung wurde trotz des traurigen Augenblicks eine "fröhliche" Angelegenheit, denn bei Beerdigungen sollten die schönen Momente, die man mit den Verstorbenen verbracht hatte in Erinnerung bleiben und nicht das Ableben. Wir waren alle tief bewegt von Heinz Abschied zu nehmen und gerade mir tat das alles, trotz der frohen Stimmung im Herzen sehr weh, denn ich hätte noch gerne vielmehr von Heinz gewußt und gelernt. Sein Leben im 2. Weltkrieg hatte Schatten geworfen, aber die Sonne seines restlichen Lebens überwand diesen Schatten.
Heinz Becker, ideologisch verbohrt von der Hitler Jugend und Waffen-SS, die Hölle Sibiriens hatte er hinter sich gelassen. Wobei er es nicht war, der an den Greueltaten der Nazis mit teilgenommen hatte, der er zu jener Zeit noch nicht auf dem Schlachtfeld war und erst 1943 mit ins Schlachtfeld zog, um die letzten Burgen der Deutschen im Osten zu verteidigen.
Mitte der 50ger Jahre dann kam er abgemagert nach Deutschland zurück und widmete sich fort weg erst einer Tischlerlehre und ein paar Jahre im Anschluß dann einer theologischen Ausbildung zum Jugendpädagogen im Christlichen Verein junger Menschen. Und dann Anfang der 70ger Jahre verließ er mit seiner Frau zusammen Deutschland und ging erst nach Brasilien, um dort Sägewerke aufzubauen und im Anschluß daran nach Westafrika, wo sein Herz bleiben wollte. Dort versuchte er auch den Einheimischen etwas über ökologischen Holzschlag zu erzählen, lange bevor Tropenholz in die Negativschlagzeilen kam. Außerdem baute er Schulen auf und betätigte sich nebenbei noch als Arzt, nachdem ihn seine Frau eine frühere OP-Schwester, über die Vorgänge der menschlichen Anatomie und Pathologie unterrichtete. Außerdem sprach er zu Lebzeiten Deutsch, Englisch, Französisch, Portugiesisch, Spanisch, Russisch, Deutsch und Fante, die Sprache der hiesigen Dorfbevölkerung. Ja und nachdem seine Frau Anfang der 90ger Jahre verstarb, wurde er in Afegame zum Häuptling ernannt, eine Ehre die aus ihm Dorf-richter, Lehrer, Arzt und Bürgermeister in einem machte. Und weil er des öfteren gerne aß, hatte er auch Herzprobleme, welche auch mit dazu führten, daß es ihm nicht vergöhnt war 80 zu werden: gute 78 Jahre erreichte er.
Nachdem nun der ganze Trubel, der sich um seine Beerdigung anbahnte vorbei war, mußten einige Fragen geklärt werden, denn schließlich war Heinz Häuptling von insgesamt 3 Dörfern, die eng beeinander lagen und es gab noch keinen Nachfolger, der geeignet schien in Heinz Fußstapfen zu treten.
Doch was dann geschah, übertraf all unsere Erwartungen, denn Heinz Stellvertreter Kojo fand in einem von Heinz Schreibtischschubladen sein Testament, welches erst wenige Tage vor seinem Tod aktualisiert wurde. Dort stand unter anderem geschrieben:
"Deshalb habe ich mich mit meinem Rechtsanwalt Herrn Frimpong darüber geeinigt, dass so wie die Volksgemeinschaft von Afegame dieses akzeptiert, meinen Freund Berthold Lückenotto zu meinem Nachfolger als Häuptling ernenne."
Dieses macht gerade Bongokönig absolut sprachlos, er der jetzt mit uns zusammen das Buschhotel aufgebaut hatte, wurde einige hundert Kilometer östlich des Bauwerks zu einem Häuptling ernannt. Eigentlich hätte er sich doch freuen sollen, denn Kofico und seiner Tochter Adjoa würden sich um den Erhalt des Buschhotels kümmern, sowie ich es mir gut vorstellen konnte, neben meinem Studium das Organisieren von Ghanareisen dorthin zu übernehmen. Auch Ricarda wollte uns dort unterstützen: So hatte also Bongokönig keinen Grund mehr, so einem soliden Angebot zum Häuptling gekröhnt zu werden, zu widerstehen.
Und dann kam er auch, nur 3 Tage nachdem Heinz begraben wurde, fand die Krönung statt, die nun Bongokönig die Bezeichnung "Chief" gab, um sich in Afegame und den beiden dazugehörenden Dörfern aktiv als Bürgermeister, Dorfrichter, Arzt und Lehrer zu betätigen. So wurde aus dem Bock der Gärtner gemacht, dachte ich, aber war Heinz nicht auch so gestartet. Bongokönig mußte so in den kommenden Wochen viel lernen, aber er würde auch in diese Aufgabe gut reinwachsen, da hatte ich gar keine Sorge.
Eines sollte ich vielleicht noch zum Schluß erwähnen, als der Tag der Krönung war, welcher nur 1 Tag vor meiner Heimreise nach Deutschland bevor stand, war mir so, als hätte ich und das war nicht nur meine Sicht, sondern auch die von Bongokönig – als hätten wir in der Menge der "Untertanen" auch den alten Heinz gesehen, der uns zuwinkte. Nur ich und Bongokönig, alle anderen waren wohl auf dem Auge blind.
Und so wird dieses Kapitel der Geschichte geschlossen. Was mir und Bongokönig weiter wieder fährt, das ist eine andere Episode und ich bin sehr gespannt, wie sich das Ganze weiter entwickeln wird.
Jetzt sitze ich noch zusammen mit Ricarda und Tarkan an Bord der KLM-Maschine, die uns zurück nach Amsterdam bringt und wir schauen sehnsüchtig dem Meer von Wellblechhütten hinterher, als unser Flieger langsam aber sicher weiter dem azurblauen Himmel entgegen fliegt. Mach es gut die Land des Goldes – wir werden wiederkommen.